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15

Valerie kam als erste an den Tisch zurück. Sie entließ ihren Tänzer noch auf dem Parkett und trat allein in die Loge. Hasse erhob sich, um ihr den Sessel zurechtzurücken, und Dale entdeckte plötzlich, daß er keine Zigaretten hatte. »Ich bitte um Entschuldigung!« murmelte er und schob sich aus der Loge hinaus, um im Gewühl des Parketts unterzutauchen.

»Sie tanzen wirklich nicht, Herr Hasse?«

»Ich war einmal ein ganz guter Walzertänzer«, erwiderte er. »Hab' auch ganz gern getanzt …. Aber, wie gesagt, Mademoiselle, ich bin in der Zivilisation um zwanzig Jahre zurück.«

»Nun, Sie sind doch nicht so alt, daß Sie das Versäumte nicht nachholen könnten?«

»Ich weiß nicht, ob ich zunächst Zeit dazu finden werde. Ich habe Wichtigeres vor.«

»Hier? Ausgerechnet in Monte Carlo? Kann es denn ein wichtiges Geschäft geben, das man in Monte Carlo zu erledigen vermag?«

Die Unterhaltung wurde in leichtestem Konversationston geführt, und Hasse wunderte sich über sich selbst, daß er nicht aus der Rolle fiel.

Einen Augenblick lang saßen sie nebeneinander und sahen dem Tanze zu. Eben glitt de Reux, mit Frau Manderlane im Arm, an ihnen vorüber. Er war ein vorzüglicher Tänzer. Obwohl nicht der Jüngste, übertraf er alle anderen an Eleganz und Leichtigkeit der Bewegung. Er grüßte lächelnd zu dem Paar in der Loge hinauf.

»Ihr Herr Onkel ist ein ausgezeichneter Tänzer!« sagte Hasse.

Valerie wurde enthusiastisch. »Er ist mehr als das, Herr Hasse! Er ist ein Ausnahmemensch! Er ist viel gereist. Er kennt die ganze Welt, und er versteht es – wissen Sie –, darüber fesselnd zu sprechen, ohne mit seiner Bildung zu protzen. Und er ist großzügig, sage ich Ihnen! Wie er mich behandelt –! Und alle Damen sind von ihm entzückt!«

»Sie scheinen keine Ausnahme davon zu machen, Mademoiselle?«

Sie erwiderte nichts, sondern saß plötzlich ganz still, den Kopf in die Hand gestützt, und verfolgte die Tänzer. Ein junger Mann erschien in der Loge und forderte sie auf. Sie dankte, und der Jüngling zog mit verlegenem Gesicht wieder ab.

»Ich muß mir Vorwürfe machen«, meinte Hasse. »Ich halte Sie vom Tanzen ab – oder ist das unverschämte Einbildung von mir?«

»Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen! Und Sie sind auch nicht eingebildet, Herr Hasse! Ich tanze, offen gestanden, nicht gern in diesem Gewühl. Es gibt ja nicht viele so gute Tänzer, wie mein Onkel einer ist.«

Die nächste Nummer war ein Tango, zu dem die übliche auf Rot gestimmte erotische Beleuchtung eingeschaltet wurde. Dieses Mal folgte Valerie ihrem Onkel, und es war ein Genuß, die beiden tanzen zu sehen – den Mann Mitte der Fünfzig und das Mädchen Anfang der Zwanzig. Valerie schien sich ganz dem Zauber der Musik und des Rhythmus hinzugeben. Ihre Linke lag auf seiner Schulter, und ihr Kopf hielt sich nicht weit von dem seinigen. Sie sprachen ab und zu miteinander, Worte, die niemand verstand. Hasse, der mit Dale allein in der Loge saß, ließ die Augen nicht von dem Paar ….

Ein Viertel vor sieben dann brach man auf. Zwei Limousinen warteten auf dem Platz vorm Kasino auf die Gesellschaft der Villa Plunkett.

Während sich die Damen und Herren in den Autos verteilten, verabschiedete de Reux sich von Hasse. »Es hat mich sehr gefreut, Herr Hasse, Ihre Bekanntschaft zu machen! Bitte, halten Sie mich nicht für aufdringlich – aber ich möchte Ihnen erklären, daß ich diese Bekanntschaft sehr gern fortsetzen würde! Vielleicht findet sich schon in den nächsten Tagen Gelegenheit, daß wir uns sehn? Ich bin überzeugt, daß auch meine Nichte derselben Ansicht ist.«


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