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XXVII.
Ein Herz, das unter dem Verrat zusammenbricht

Irene ist nach Edines Fortgehen aufgestanden und hat mit Hilfe ihrer Kammerjungfer sehr sorgfältig Toilette gemacht, was beinahe zwei Stunden Zeit erforderte.

Sie verläßt das Haus zu Fuß, denn niemand soll wissen, wohin sie sich begibt.

Ihr Ziel ist – Ravelsperg. Da Sascha nicht zu ihr kommt, hat sie sich schweren Herzens entschlossen, ihn selbst in seinem Heim aufzusuchen.

Wie eine fixe Idee beherrscht sie die unumstößliche Überzeugung, daß es nur einer persönlichen Aussprache zwischen ihr und ihm bedarf, um alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Alle Hindernisse sind ja beseitigt, seit Elisabeth Benedikt von der Bildfläche verschwunden ist – unter Umständen, die Sascha, auch wenn er es wollte, jede Wiederannäherung an sie unmöglich machen.

Mit einer Diebin kann ein Prinz Kelim nichts mehr zu schaffen haben …

Er wird also reuig zu ihr – Irene – zurückkehren, und sie wird die weiche Versöhnungsstimmung benützen, um endlich die Entscheidung über die Zukunft herbeizuführen.

Ihr Traum soll sich nun erfüllen …

Von solchen Gedanken bewegt, erreicht Irene das stolz und majestätisch auf einer Anhöhe liegende Schloß, das von einem großen, in englischem Stil angelegten Park umgeben ist.

Irene hat es bisher noch nie betreten, obwohl Sascha sie früher oft darum gebeten hat, sich doch einmal das viele Kunstschätze enthaltende Schloß von innen zu besehen.

Ein Rest von Rücksicht auf ihren Mann, vielleicht auch die Furcht, sich Mißdeutungen auszusetzen, haben sie bisher stets abgehalten, solchen Aufforderungen nachzukommen.

Jetzt hat sie alle Bedenken hinter sich geworfen. Sie muß Sascha wiedersehen und mit ihm sprechen …

Beklommen setzt sie den altertümlichen, schmiedeeisernen Türklopfer in Bewegung, der auf Ravelsperg die Klingel ersetzt.

Iwan erscheint und teilt Irene auf ihre Frage nach dem Prinzen mit, daß Seine Durchlaucht schon vor Stunden fortgegangen sei und er nicht wisse, wann er heimkehre.

Mit dieser Möglichkeit hat Irene in ihrer Aufregung gar nicht gerechnet. Tiefe Niedergeschlagenheit bemächtigt sich ihrer.

Was nun tun? Unverrichteter Sache wieder fortgehen? Alles in ihr sträubt sich dagegen.

»Wissen Sie denn nicht, ob Seine Durchlaucht beabsichtigt, den Abend auswärts zu verbringen oder heimzukehren?« fragt sie endlich unschlüssig.

»Ich vermute letzteres, weil Seine Durchlaucht daheim Abendbrot bestellte. Freilich … verlassen kann man sich nicht darauf …«

»Ich werde trotzdem hier auf ihn warten,« unterbricht ihn Irene, durch diese Auskunft von neuer Hoffnung erfüllt. »Führen Sie mich in Seiner Durchlaucht Arbeitszimmer.«

Eine halbe Stunde später kommt Sascha Kelim in bester Laune heim. Er hat die Verlobungskarten bestellt und sie für morgen früh zugesagt erhalten, nachdem er sich bereit erklärt hat, den doppelten Preis für ihre rasche Herstellung zu bezahlen.

Seine Gedanken sind auf das angenehmste mit der Zukunft beschäftigt … mit dieser Zukunft, in der er sich endlich nicht mehr langweilen wird …

Ein munteres Liedchen pfeifend, will er nach seinen Zimmern, da meldet Iwan, daß Frau v. Schlomm dort schon seit einer halben Stunde auf ihn warte.

Jählings bleibt er stehen und stößt einen Fluch aus.

Sie! … Also doch! Und er hat gerade ihretwegen solche Eile mit der Abreise gehabt, um einer Auseinandersetzung auszuweichen!

»Und du Rindvieh, du Esel, du Idiot, hast sie eingelassen?« zischt er den erschrockenen Diener an. »Warum hast du sie nicht fortgeschickt?«

»Ich wußte doch nicht … sie wollte …«

»Schweig. Ein guter Diener hat immer zu wissen, was er tun soll …«

Kelim überlegt. Kehrt machen und wieder fortgehen? Aber sie hat ihn bestimmt schon pfeifen hören und ist imstande, ihm nachzulaufen … und zudem – braucht er sich denn vor ihr zu fürchten? Er ist doch frei und kann tun, was ihm beliebt? Sie verlangte keine Garantien …

Kurzen Prozeß also machen, da sie schon einmal durchaus nicht verstehen will …

Mit sehr gemessenem Gruß und eiskalter Miene betritt er sein Arbeitszimmer.

»Meine Gnädigste, Sie sehen mich erstaunt über einen Besuch, auf den ich keineswegs vorbereitet sein konnte … Verzeihen Sie daher, wenn Sie warten mußten. Womit kann ich Ihnen dienen?«

Sein kalter Ton und mehr noch sein eisiger Blick, der gleichgültig über sie hinweggeht, als sei sie gar keine Person, sondern eine Sache, treffen Irene tief. Ein schneidender Schmerz durchzuckt sie.

Sie legt einen Augenblick die Hand auf die Stirn. Da ist er wieder, der stechende, bohrende Schmerz in ihrem Kopf, der sie schon seit Tagen martert, ihre Gedanken verwirrt, ja, ihr das Denken für Augenblicke überhaupt unmöglich macht …

Fort damit! Ihn niederkämpfen! Was hat sie nur sagen wollen? … Richtig, nun fällt ihr wieder ein, warum sie gekommen ist …

»Sascha …« stammelt sie, »du fragst, warum ich hier bin – weißt du es denn wirklich nicht? Liebst du mich denn nicht mehr?«

Er macht eine ungeduldige Bewegung.

»Meine beste, gnädige Frau, wenn Sie gekommen sind, um Geständnisse von mir zu erpressen in bezug auf etwas, das der Vergangenheit angehört, so muß ich zu meinem Bedauern sagen, daß Ihr Besuch vollkommen zwecklos ist,« antwortet Sascha Kelim mit mitleidloser Brutalität. »Ich glaube, Ihnen durch mein Fernbleiben genügend bewiesen zu haben, wie die Dinge liegen. Jede andere Frau hätte – längst verstanden und sich das Demütigende eines solchen Besuches danach wohl erspart …«

»Sascha!« unterbricht ihn Irene aufschreiend und preßt abermals die Hand an die Stirn. »Geständnisse erpressen … die der Vergangenheit angehören …? Das kann doch dein Ernst nicht sein … Nein, nein, du zürnst mir nur wegen der Benedikt … willst mich strafen … oder solltest du sie mehr lieben als mich? Aber sie ist eine Diebin, Sascha … sie hat mir einen Diamantring gestohlen … sie hat die Flucht ergriffen … ist gar nicht mehr hier … Du mußt mir glauben … das ist keine Person, die deiner Liebe würdig ist …«

Wirr, abgerissen fallen die Worte von ihren Lippen.

Sie erfüllen Kelim nur mit Ungeduld. Der angelernte Pariser Kulturfirnis versinkt jäh in den brutalen Urinstinkten seiner östlichen Heimat, geht unter in seiner nackten Selbstsucht, die nur mehr den einen Drang kennt, diese Szene so rasch wie möglich zu beenden …

Zornig stampft er mit dem Fuß auf.

»Was geht mich das Schicksal der Benedikt an?« schreit er. »Und was geht es Sie an, ob ich sie liebe oder nicht? Mit Ihnen bin ich jedenfalls fertig … längst, längst! Und nun wissen Sie wohl endlich Bescheid und verlassen mich?«

Irene steht regungslos und starrt ihn irr an.

Einen Augenblick zögert er – es tut ihm leid, Edine die Freude zu verderben – dann aber, da Irene sich nicht rührt, fügt er entschlossen, mit grausamer Schärfe jedes Wort betonend, noch hinzu: »Wenn Sie noch nicht begriffen haben sollten, mag die Tatsache Sie über meine Gefühle belehren, daß ich mich heute mit Baronesse Edine Werndl verlobt habe und unsere Vermählung schon demnächst in Paris stattfindet

Irene stößt keinen Schrei aus und rührt auch jetzt kein Glied. Immer noch starrt sie Kelim mit irrem Blick an. Ist das derselbe Mann, der einst …? Wieder verwirren sich ihre Gedanken. Edine? … Edine ist doch Ronalds Braut …?

»Soll ich meinen Diener rufen, damit er Sie hinausgeleitet?« fragt Kelim völlig ungerührt.

Sie schüttelt stumm den Kopf, wendet sich zur Tür und schreitet langsam, mit automatenhaften Schritten hinaus …

In ihren Schläfen pocht und hämmert es. Ihr Kopf schmerzt zum Zerspringen, und doch ist eine seltsame Leere darin. Kalte Schauer jagen durch ihren Leib, den die Beine kaum zu tragen vermögen.

Ach, wie bin ich müde … so entsetzlich müde, denkt sie, und so kalt ist mir … Nur heim … heim … zu Bett …

So langt Irene taumelnden Schrittes in Wolfeck an.

Ihr Mann steht in der Halle, als sie diese betritt, aber sie sieht ihn gar nicht. Wie eine Nachtwandlerin will sie an ihm vorüber.

Er aber, erschreckt über ihr verändertes Aussehen, eilt auf sie zu.

»Irene – was ist dir? Wo warst du solange?«

Sie legt die Hand an die Stirn, sucht sich sichtlich zu besinnen.

»In … Ravelsperg … bei … bei … Kelim,« antwortet sie dann mechanisch, während ein Schütteln ihren Leib durchläuft.

»Irene …!? Das konntest du …« Das Wort erstirbt Schlomm im Munde, als er ihren leeren Blick erkennt. Nein, jetzt ist keine Zeit zu Vorstellungen. Sie ist krank, das sieht er ja. Und war sich vielleicht gar nicht bewußt, was sie tat …

Daß ihr aber in Ravelsperg, wenn sie wirklich dort war, ein grausames Erwachen beschieden gewesen, davon glaubt Schlomm überzeugt sein zu können.

Er ruft nach Kammerjungfer und Stubenmädchen, da Rosa in den Park gegangen ist, um nach den Kindern zu suchen, und bringt mit beider Hilfe seine Frau zu Bett.

Chauffeur Drechsler wird mit dem Auto nach dem Hausarzt, Dr. Machold, geschickt.

Dann sitzt Hans Schlomm an Irenes Bett, ihre Hand in der seinen haltend, und wartet ungeduldig auf Dr. Macholds Erscheinen, denn Irene scheint ihm tatsächlich sehr krank zu sein.

Zwar liegt sie still da und hat die Augen zumeist geschlossen, aber wenn sie diese öffnet, haben sie immer noch denselben unheimlich leeren Ausdruck, der Schlomm schon in der Diele unten erschreckte. Und ihre Hand ist bald eiskalt, bald von brennender Hitze durchglüht. Zuweilen geht es wie Schüttelfrost durch ihren Leib, daß ihre Zähne klirrend aneinanderschlagen.

Irene selbst ist sich weder der Gegenwart ihres Mannes bewußt, noch daß sie daheim in ihrem Bett liegt. Sie glaubt immer noch unterwegs zu sein, einem Ziel zustrebend, das sie nicht erreichen kann und dessen Namen sie vergessen hat …

Schattenhaft nur gleiten Gedanken durch ihren schmerzenden Kopf – abgerissene Gedankengänge in wirrem, endlosem Reigen …

Sascha – die Benedikt – Edine – Paris – Hochzeit – der Brillantring, der drüben wohlversteckt in einem Wandschränkchen der Bibliothek liegt …

Endlich kommt der Arzt. Sein Gesicht wird immer ernster, während er die Kranke untersucht und die Temperatur mißt.

39,9 liest er vom Thermometer ab und wendet sich dann bekümmert an den Hausherrn.

»Ich fürchte, Herr von Schlomm, unsere arme gnädige Frau ist schwerer erkrankt, als ich anfangs vermutete. Es wäre am zweckmäßigsten, sie morgen früh gleich nach dem Lobsteiner Krankenhaus überführen zu lassen. Wenn Sie wollen, veranlasse ich noch heute nacht das Nötige.«

»Nach dem – Krankenhaus? Mein Gott, ist es denn so schlimm?«

»Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich annehme, daß wir es mit dem Ausbruch eines schweren Nervenfiebers zu tun haben. Hat Ihre Frau Gemahlin in letzter Zeit vielleicht heftige seelische Aufregungen oder einen plötzlichen Schreck durchgemacht?«

»Es ist möglich … Genaues weiß ich nicht darüber,« antwortet Schlomm zurückhaltend und fährt dann rasch ablenkend fort: »Aber warum ins Krankenhaus? Man kann doch eine Pflegerin nehmen, auch ich selbst …«

»Es würde nicht genügen. Die Kranke bedarf ständiger ärztlicher Aufsicht. Das Fieber wird noch steigen, es können Injektionen nötig sein, die augenblicklich gegeben werden müssen, um das Leben zu erhalten, und über deren Anwendung nur ein Arzt entscheiden kann. Glauben Sie mir, es ist am besten so. In einem Spital hat man ganz andere Behelfe als in einem Privathaus, und es kann sich hier um Leben oder Tod handeln …«

Schlomm starrt beklommen vor sich hin. Um Leben oder Tod! Arme Irene … so bitter muß sie ihre törichten Träume büßen …?

Dann ist er wieder allein mit der Kranken, nachdem Dr. Machold sich mit dem Versprechen entfernt hat, frühmorgens mit einem Krankentransportauto wiederzukommen und die Überführung der Kranken selbst leiten zu wollen.

Eine Stunde später kehrt Ronald erschöpft und verzweifelt nach Hause zurück. Er hat bis jetzt nach Elisabeth gesucht, aber weder ihm noch der Behörde ist es gelungen, eine Spur von ihr zu finden.

Daheim hört er von der Erkrankung Irenes und eilt sofort zu seinem Vater ins Krankenzimmer. Dieser gibt ihm die nötigen Erklärungen, soweit er solche überhaupt zu geben vermag, und zieht dann den inzwischen eingetroffenen Brief der Gräfin Gadenbruck aus der Tasche, den er Ronald reicht.

»Dies brachte vorhin ein Bote aus Waldheim. Fräulein Benedikt ist dort …«

»In Waldheim bei Gadenbrucks,« unterbricht ihn Ronald, in tiefster Seele erleichtert, aber gleichzeitig sehr betroffen. »Wie kommt sie dahin? Kennt sie denn die Leute?«

»Nimm den Brief mit dir und lies ihn aufmerksam. Du wirst einige Überraschungen darin finden. Wir besprechen dann morgen, was unsererseits unternommen werden könnte, um die peinliche Diebstahlsgeschichte aus der Welt zu schaffen. Jetzt muß ich die von Doktor Machold angeordneten kalten Wickel bei Mama erneuern. Gute Nacht, Ronny.« –

Ronald liest fassungslos das von der Gräfin so scharf und hochfahrend verfaßte Schreiben.

Aber Schärfe und Hochmut gehen wirkungslos an ihm vorüber – nur die Tatsache trifft ihn erschütternd, daß Elisabeth von altem Adel ist, aber selbst ihm dies verschwiegen hat, und daß sie eine Kette fortgesetzter Demütigungen und Kränkungen trotzdem klaglos ertragen hat, ohne ihren Rang je zu verraten.

Wie niederträchtig haben Edine und seine Stiefmutter sie behandelt! Wie nah lag die Versuchung, ihnen einmal ins Gesicht zu sagen: »Wie dürft ihr mir so begegnen – mir, die viel höher steht als ihr?«

Sie hat es nie getan, obwohl es ihr wohl manchmal auf den Lippen gelegen haben mochte. Still und in Demut hat sie alles hingenommen, was ihr an Schlimmem in diesem Hause begegnet ist …

Wenn Ronald bisher noch nie ganz begriffen hätte, welche Seelengröße Elisabeth besaß, in dieser Stunde wäre es ihm klargeworden. Aber er weiß es ja längst …

Wieder einmal verwünscht er sein Schicksal, das ihn von diesem edlen, herrlichen Mädchen trennt. Das ihm sogar jetzt noch verbietet, seinem übermächtigen Drang zu folgen und zu ihr zu eilen, um ihre Verzeihung für die letzte ihr angetane Schmach zu erflehen und ihr zu schwören, daß er nie einen Augenblick daran geglaubt habe …

Nein, nicht einmal das darf er, denn er fühlt nur zu deutlich, daß ihm die Kraft fehlen würde, auch diesmal in den Grenzen zu bleiben, die seine Ehre ihm vorzeichnet …

Er würde den Vater zu ihr schicken …

Schlomm sitzt indessen am Bett seiner Frau und lauscht schaudernd den wilden Fieberphantasien der Kranken.

Das Fieber ist noch gestiegen, die anfängliche Ruhe dahin. Irene spricht beständig erregt vor sich hin. In wirren Bildern zieht alles, was sie durchlebt, noch einmal an ihr vorüber, dringt qualvoll auf sie ein, erfüllt sie mit immer neuem Schrecken.

Kelims Verhalten gegen sie, sein rohes Benehmen zuletzt, Edines falsche Freundschaft, die Ringgeschichte – alles, alles kommt über die fieberglühenden Lippen. Nur von Kelims Verlobung spricht Irene nicht – einfach weil ihr schmerzender, bereits von der Krankheit wirrer Kopf diesen letzten Schlag nur mehr schattenhaft erfaßte und die Erinnerung daran sofort wieder erlosch.

Schlomm wischt sich wiederholt den Schweiß von der Stirne. Was muß er hören!

Was anderen wirr und unzusammenhängend erschienen wäre, gibt ihm ein klares Bild der letzten Geschehnisse. Besonders auch von dem schändlichen Spiel, das man mit Elisabeth Benedikt getrieben, um sie aus Wolfeck zu vertreiben, und daß es Edine gewesen ist, die seiner Frau diesen höllischen Gedanken eingegeben.

Welch ein Abgrund – in den Schlomm während dieser Nachtstunden neben der Fiebernden blicken muß!

Er atmet ordentlich auf, als endlich der Morgen heraufzieht und Dr. Machold mit dem Sanitätsauto erscheint, um Irenes Transport nach dem Krankenhaus zu bewerkstelligen.

Erleichtert blickt er dem fortrollenden Wagen nach. Er fühlt – es ist am besten so. Er hätte sich der Kranken jetzt nicht unbefangen widmen können. Zu tief hat ihn der Blick, den er in ihre Seele getan, erbittert und – beschämt. Er muß erst alles das verwinden, ehe er sich ihr wieder nähern und versuchen kann, sie einem neuen, besseren Leben zuzuführen. Er wird dann vielleicht auch Entschuldigungen finden. Jetzt hat er keine …

Ob es je gelingen wird? Zum erstenmal Zweifelt Schlamm daran …

Neben ihm steht Ronald, den Brief der Gräfin Gadenbruck in der Hand.

»Hier ist der Brief zurück, Papa. Ich gehe gleich nach dem Frühstück in die Fabrik, du aber mußt wohl im Lauf des Vormittags nach Waldheim …«

»Das war ohnehin meine Absicht. Es ist meine Pflicht, da die Diebstahlsgeschichte sich aufgeklärt hat« … Er zögert einen Augenblick. Soll er Ronald alles sagen? Dann müßte er auch Edine anklagen, ihm ihr Spiel enthüllen …

Nach kurzem Besinnen verwirft er den Gedanken. Später vielleicht einmal. Ronald glaubt ja ohnehin nicht an Elisabeths Schuld – wozu also Unfrieden zwischen den Verlobten stiften? So teilt er dem Sohn nur mit, was nötig ist – daß seine Frau, offenbar schon mit krank verwirrtem Sinn alles nur fingiert habe.


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