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XXVI. Kapitel.

Und wieder reiste ein Reisender zu Luise.

Er wußte weniger von ihr, als der Reichsgraf von Medem, und er wußte mehr. Wußte alles, was Luise seit der Petersburger Reise wieder zu ertragen gehabt. Ganz Petersburg und seine Feste waren wie Pein und Strafe, drückte sie manche Enttäuschung im Rückblick aus. Gewiß, sie hatte dort die Freundschaft von Alexanders Mutter gewonnen – aber das war nicht ein ganzer Trost für eine Entzauberung. Politische Sorgen kamen mit neuer Wucht:

Der Aufstand Österreichs, die Tiroler Erhebung, Andreas Hofers Geschick, Schills Untergang, die Niederlage Österreichs.

Bruder George besaß Briefe von Luise, die hoffnungslos waren. »Gott weiß, wo ich begraben werde, schwerlich in preußischer Erde. Österreich singt sein Schwanenlied, und dann fahr' wohl, Germanien.« So schrieb sie, die alle Kraft an Preußens Wiedergeburt setzte, sie, die an den Mann gefesselt war, dessen politische Klugheit in dem Lieblingswort »biaiser«, sich hindurchwinden, gipfelte.

Der Erbprinz von Mecklenburg starrte in den müden Herbsttag hinaus. Er war voll Reue. Er selbst hatte Luise noch mit einem Zerwürfnis gequält, und zwar zu einer Zeit, wo die Thronentsagung des Königs fast Beschluß geworden, und wo Luise wieder ein Kind trug. Den kleinen Albrecht, der nun zu Königsberg getauft werden sollte. In Gegenwart Ikas und Bruder Karls. Mein Gott, seit 1806 würde man endlich wieder beisammen sein. Ob er die Lieblingsschwester nicht gar zu verändert fand? Die Ärzte hatten Angst um sie. Aber ihr Herz konnte doch nicht krank sein, wie ließe sich das mit ihrer immerwährenden Tätigkeit vereinen? Sie hatte soeben noch nach Pestalozzischem Vorbild eine Erziehungsanstalt gegründet, sie empfing Pädagogen und Theologen, korrespondierte mit Humboldt über Bildungsfragen, war in ewiger Bemühung um den Kronprinzen und all ihre Kinder. Es durfte ihr doch nicht so schlecht gehen! Großer Gott, sie durfte nicht im Elend sterben.

Plötzlich näherte sich ein herrschaftlicher Wagen. Der Prinz sprang auf, hob die Lorgnette, sah eine weiße Gestalt neben einem Offizier sitzen – und preßte die Hände auf sein Herz. Dies – konnte Luise nicht sein, flehte er, während er wußte, ach, sie ist es doch. Starrend und sprachlos, mit verkrampften Händen stand er da – bis ein Winken kam.

Der Prinz stieß einen Schrei aus, entstürzte dem Wagen, flog über die Landstraße, umarmte die Schwester. Ein Weinender, ein Fassungsloser. Ihm war, als müsse er eine schon Verklärte zurückrufen in die Wärme des Lebens.

Als er endlich aufblickte, war er wieder gefaßt, bereit, vor dieser Rührenden, Verklärten ein guter, froher Weltmann zu sein, der verbergen kann, wie sehr seine Seele erschüttert ist.

»Wir sind viele Schritte weiter als am Tage von Jena«, sagte er abends, im Alleinsein mit Luise. »Ein kleiner Ring begrenzt unser Leben, seine dunkelste Biegung hast du überschritten. Sag', Luise, war es sehr hart?« Er faßte ihre Hände, sah sie aufleuchtend an. »Du bist doch unser Stolz, du bist unser Herz. Sag' mir das Härteste, was du trugst, und leg' es damit auf mich.«

Und ihm war, als würde sie vor seinen Augen ganz klein, kinderklein. Er hörte ihre Stimme, die klang wie Kinderweinen:

»Das Härteste, mein George – das waren die Träume. In den Träumen bin ich in Charlottenburg, in Berlin, auf der Pfaueninsel, in Sanssouci und ach, in Paretz gewesen und am Rhein –

Und dann wacht' ich auf und wußte: nie mehr, nie mehr. George, das wäre genug gewesen, daran zu sterben.«

Der Prinz stürzte der Schwester zu Füßen. – –

 

Eines fahlen Wintermorgens trat die Königin bei ihren Geschwistern ein. Ihre Schritte waren wie ein Taumeln. Ihr Mund leuchtete in fieberhaftem Rot aus dem blassen Gesicht. Einer Traumwandlerin gleich schritt sie vorwärts, unnahbar, entrückt.

Ika Solms überflog ein Schauer, Georges Herz zog sich zusammen. Um Gottes willen, war neue, fürchterliche Botschaft? Die Königin öffnete die Lippen.

»Ika, George, hört ihr mich? Ich bin dreiunddreißig Jahre alt, nicht wahr? Und du hast ein blaues Kleid an, Ika, und diesen Ring an meiner Hand hat mir Friedrich Wilhelm in Frankfurt gegeben. Und zwei Schwestern Friedrichs des Großen waren Markgräfinnen in den Hohenzollernschen Stammlanden: Wilhelmine in Bayreuth und Friederike Luise in Ansbach –«

»Luise, ja doch, natürlich, Ansbach-Bayreuth – es quält dich, ach sprich nicht mehr davon –«

»Ihr müßt mich nicht unterbrechen – oder doch, sagt mir, ich weiß alles richtig, nicht wahr? Du bist in Rom und Paris gewesen, George, nicht wahr?«

Er trat ihr bebend näher. »Luise«, bettelte seine Stimme. Sie lächelte. Sie hob das weiße Gesicht.

»Nicht wahr, ich bin bei Verstand? Ja, denkt euch, ich sage etwas Wirkliches, Wahres: der König und ich und die Kinder – und ihr alle, wir werden, schon bald – nach Berlin zurückkehren. Ich bin nicht vorher gestorben! Ich werde unser Palais und das Brandenburger Tor wiedersehen – und Charlottenburg, und die Pfaueninsel – und Sanssouci – und ich – wirklich ich, eure Luise, werde wieder in Paretz sein – im Paradies –«

Der Prinz verbarg sein Gesicht in den Händen. Ika Solms stürzte auf die Schwester zu, nahm die Wankende an ihr Herz, lachte: »Und ich darf mit dem Schulzen von Paretz tanzen, das erlaubst du doch, gnädige Frau von Paretz?«

Es war Wirklichkeit. Es war kein Traum mehr, aus dem man zu schrecklicher Enttäuschung erwachte:

Der Reiseweg ging Berlin zu.

Bruder George war vorausgeeilt. Er wollte die Stimmung der Stadt kennenlernen, in der vor drei Jahren das schlimme Liedchen geklungen: Unser Demel ist in Memel.

Der Prinz fand die Stadt verwandelt. Napoleon selbst hatte dafür gesorgt, daß jene Preußen, die so freudig sich als Weltbürger gefühlt, ihre Enttäuschungen erhielten. Drei Jahre Besatzung, die endlosen Gelderpressungen hatten genügt, den Traum von Brüderlichkeit zu zerstören. Berlin jubelte seinem Königspaar entgegen.

Der 23. Dezember zog herauf, ein strahlender Wintersommertag. Ein von der Stadt geschenkter Galawagen, mit lila Samt ausgeschlagen, fuhr der Königin bis Weißensee entgegen. Es war ein kostbares Geschenk, aufgebracht von Verarmten. Und Luise dachte: Sie lieben mich noch? Sie mußte letzte Fassung herbeizwingen, um nicht in Tränen zu vergehen; sie mußte letzte Furcht verscheuchen. Konnte es denn möglich sein, daß sie alles wiedersah, was tausendmal ersehnt in brennendem Heimweh?

Und dann kam es: das Königspaar zog in Berlin ein. Friedrich Wilhelm zu Pferd neben dem Wagen Luisens, der Kronprinz und Prinz Wilhelm mit ihrem Regiment. Durch unermeßliche Menschenmassen, durch Jubelrufe ging der Weg.

Sie, die in dunkler Nacht aus Berlin hatte fliehen müssen, fliehen, um Jahre unsäglichen Leids an der Grenze des Landes zu verbringen, war wieder hier, war wieder umjubelt und von Huldigung umgeben?

Eine ungeheure Welle der Bewegung hob ihr Herz. Vor ihren Augen verflimmerten Linien und Farben. War's nicht, als höben sich die Viktorien vom Zeughaus lebendig, beflügelt in das mystische Blau dieses Winterhimmels? War's nicht, als seien alle Menschen Brüder geworden? Sie war wieder hier, in dieser geliebten, geliebten Stadt – sie betrat wieder die Schwelle des Hauses, das sie vermeint hatte, nicht wiedersehen zu dürfen.

Das Vestibül tat sich auf, die stolze Treppe winkte. Hundert Gestalten, im Glanz von Uniformen, in seidenrauschenden Gewändern, in höfischer Haltung, und doch durchzittert vom Gefühl der Stunde, verbeugten sich vor ihr, die keine Worte fand, nur hilflose Gebärden.

Denn ihr war, als müsse sie versinken.

Sie sah ihren Bruder, der lachte, breitete die Arme aus:

»Berlin hat wieder zu seinem Herzen gefunden. Ich fand mein Herz überall«, stammelte er.

Luisens alter Vater streckte ihr zitternde Hände entgegen. Halb ohnmächtig vor Freude und Schwäche sank sie an sein Herz.

Heimkehr! Holdestes Wort! Es klang ihr in seiner einfachsten Form, es klang ihr in seiner ewigen Verheißung: einmal kommen wir alle heim. –

Luise erlebte jeden Tag wie ein Wunder! Alles, was um sie war, beseligte sie: die alten Gemächer, die alten Gesichter, der Klang der Glocken vom Dom, die Luft von Berlin. Es drängte sie zu tausend Wiedersehen. Wenn es die Kälte nur irgend gestattete, fuhr sie aus, durch den Tiergarten, die Straßen nach Bellevue und Charlottenburg, in die Friedrichstadt, die Dorotheenstadt, zu den alten Kirchen. Jedes Stück von Berlin war ihr wie ein Geschenk, jeder Platz eine Begebenheit. Sie verfiel in Rührung, wenn sie alte Ladenschilder wiedererkannte, sie hatte Lust, jeden Soldaten mit Enthusiasmus zu begrüßen, ihr bebte das Herz, wenn festen Tritts die Wache aufzog, wenn Regimenter im Klang der alten Märsche antraten.

Berlin! Berlin! Schneelicht zitterte über seinen Kuppeln und Dächern. Das alte Preußenschloß mit seinen schier unendlichen Zimmerfluchten und Erinnerungen war ihr wieder zugänglich. Über der Spree taumelten wirren Flugs die weißen Möwen. Schloß Monbijou zauberte ihr allen Scharm des Jahrhunderts vor, in dem sie geboren. O wie wunderschön war Berlin. Wie tausendmal geliebt war diese teure Stadt! In einem atemlosen Aufruhr eilte Luise, alles zu begrüßen.

Friedrich Wilhelm aber saß – ach fast, als sei nichts geschehen – wieder still in seinem Arbeitskabinett, erledigte die Eingänge, konferierte mit seinen Ministern. Ganz wie einst. Und ganz wie einst hatte das Hofleben wieder eingesetzt. Großer Neujahrsempfang, Bälle um Bälle, Fest des Roten Adlerordens, Audienzen, Paraden, Truppenbesichtigungen.

Sollte – o unbegreifliches Geschehen – nach alledem, was man erlebt – die alte Zeit neu auferstehen? –

Nur zu bald wurde sie eines anderen belehrt:

Preußen konnte jene hundert Millionen Franken, die Napoleon nun befristet forderte, nicht aufbringen. Ein Gesandter reiste nach Paris und brachte am 9. März die bange Botschaft zurück: wenn nicht sofortige Zahlung, so die Abtretung von Schlesien.

Die Königin war schon angekleidet zum großen Hofball, als ihr Friedrich Wilhelm das nicht mehr zu Verhehlende mitteilte. Wie mit Asche bestäubt schien sein Gesicht, in tiefem Mißmut lag seine Haltung.

»Ministerium sagt, es gibt keinen Ausweg. Können das Geld nicht schaffen, können nicht Krieg machen. Müssen Schlesien opfern.«

Sie sah ihren Mann an, als rede er irre. Es ging um Schlesien, das Schlesien Friedrichs des Großen, dieses teuerste, mit unsäglichen Opfern wiedererrungene Land, dessen Name ewigen Ruhm an die preußischen Fahnen geheftet.

»Du willst –« die Stimme brach ihr.

Der König wiederholte eintönig: »Kann nicht mehr anders.« Eine Zornwelle flutete durch Luises Herz, Purpurglut stieg in ihre Wangen. Sie stand in sekundenlangem Schweigen – und in tödlicher Einsamkeit. So weit entfernt von ihrem Gatten, wie in diesem Augenblick, war sie nicht einmal vor dem aufgezwungenen Gang zu Napoleon gewesen!

»Schlesien aufgeben? Nie! Und wenn ich den Soldaten die Fahne vorantragen müßte! Schlesien lassen? Nie, nie

Ihre halb gebrochene Stimme schrillte. Ihr ganzes Wesen war glühender Protest.

Die Nachricht traf sie unvorbereitet. Sie trieb ihr das Blut zum Herzen, sie ließ alles Elementare in Luise fessellos auffluten. Empörung war in ihren Augen, Zorn in der Gebärde.

Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten: ihre Einsicht, ihr gesunder Verstand wußten, wenn dies geschah, gab der König der Welt den Beweis hoffnungsloser Schwäche, letzter Unfähigkeit.

Dies – durfte nicht sein! Dies mußte verhindert werden.

Sie schonte nichts mehr, sie zerriß Schleier der Güte und Nachsicht.

»Ich müßte glauben, ich hätte dich nie gekannt, wenn du dieses tätest.«

Der König wich zurück. Durch seine Augen flackerte Entsetzen. Er hatte sie nie das Maß verlieren sehen, er hatte sie nie von Zorn überflammt gesehen seiner Person gegenüber.

Sie starrten einander an. Es war der einmalige Augenblick ihres Lebens, da sie wie Kämpfer voreinander standen. Dunkel wußte Friedrich Wilhelm, als sie einst für Ansbach-Bayreuth das Unmögliche wollte, hatte sie vor ihm – gekniet. Stunde, die er mühselig aus seinem Erinnern vertrieben!

Jetzt glühte ihm eine Gegnerin entgegen!

Der geliebte Raum mit seinen Lichtern und Spiegeln erlosch. Wurde wie eine Totengruft.

Luise maß den Mann, der ihr Schicksal und der auch ihre Liebe war, in aufgepeitschtem Hochmut einer kühnen Frau. Was stand er hier, wie aus Holz, ein Automat, ein Mensch des ewigen Gehenlassens. Sie stieß ein letztes Wort heraus:

»So gib mir deinen Degen, Friedrich Wilhelm.«

Sie konnte das unerhörte Wort nicht mehr zurückrufen. Es war gesprochen. Es war das Furchtbarste, was der König je aus eines Menschen Mund vernommen.

Friedrich Wilhelm erzitterte.

Und wußte jäh, was sie litt.

Die unverbrüchliche Vornehmheit seines Wesens hob sich zu der einzigen Entgegnung, die Luisens Wort auszulöschen vermochte.

»Du bist krank, liebes Herz.«

Sie war ernüchtert. Sie war getroffen!

Großer Gott, sie hatte die Grenzen überschritten, hatte den Mann, den sie doch liebte mit der ganzen Zärtlichkeit ihres Herzens, beleidigt. Ihre Seele floß hin in Mitleid.

Schluchzend warf sie sich in seine Arme:

»Fritz, mein Fritz, verzeih! Ich glaube es ja mit meiner ganzen Seele, du bist nur deiner nicht mehr mächtig vor dieser fürchterlichen Nachricht –« ihre Lippen drängten nach seinem Mund, ihre Hände umklammerten sein Gesicht – »ich weiß, wie es der große Friedrich von dir wußte: Du wirst dir Schlesien nicht nehmen lassen

Sie rief die Worte wie eine letzte Beschwörung. Ihr blondes Haupt lag an Friedrich Wilhelms Herzen, ihre Stimme hastete Worte zu flatternden Gedanken.

»Wir müssen jetzt tanzen, Fritz, ich bin doch so leichtsinnig, ich muß immer wieder tanzen. Aber da auf dem Ball ist der Fürst Wittgenstein – er ist früher selbst Teilhaber eines Kreditinstituts in Kassel gewesen, er kennt alle Finanzierungsmöglichkeiten – ich habe schon mehrmals mit ihm geredet – ich will den letzten Schmuck opfern, den ich habe – die Berliner Bankiers werden Kredite geben – die Bürger werden sich bereit finden lassen, in eine Zwangsanleihe auf ihr Vermögen zu willigen – Wittgenstein hat mir schon gesagt, er hält es nicht für unmöglich, auf diese Weise die Kriegsschuld aufzutreiben – und Hardenberg« – ihre Stimme verdämmerte in ein Erinnern – »du mußt Hardenberg rufen, er weiß doch alles besser als ich –«

»Du glaubst, Fürst Wittgenstein –?« zaghaft fragte der König. Sie erhob ihr erblaßtes Gesicht, matt, wie nach einer Liebesstunde, vom Schicksal gezeichnet mit den Spuren des Grams und des letzten Aufgebots.

»Ich werde tanzen – und von Schlesien sprechen. Ich will keine glückliche Stunde mehr erleben, wenn ich nicht diesen Abend dir eine Hoffnung bringe.«

 

Vom Lustgarten dröhnte der Salut der Kanonen, vom Dom der Klang der Glocken. Die Musik der Berliner, Potsdamer Regimenter spielte der Königin das Morgenständchen. Friedrich Wilhelm saß auf ihrem Bettrand, hielt ihre lieben Hände. Sie war so bleich. Sie schien so matt. Und doch glühte in ihren Augen die Hoffnung. Der Fürst Wittgenstein hatte ihr auf dem Ball versprochen, das Äußerste zu tun, mit den Berliner Bankhäusern zu konferieren, Geld von den Bürgern als Nationalschuld zur Errettung Schlesiens aufzutreiben. Ihre Majestät wolle sich beruhigen: dürfe der Appell für Schlesien in ihrem Namen sein: er wage, sein Wort zu geben für das Gelingen.

Der König streichelte Luises Hände.

»Nun bist du es, die für Schlesien kämpft und siegt.« –

Der Hof war versammelt. Alles wie einst.

Die Wogen weißer Federbüsche von Generalshüten, der Glanz von Uniformen und Orden. Gesandte aller Länder, europäischer Prunk im preußischen Palais.

Die Königin nahm die Glückwünsche entgegen. Wie es sein mußte, der Rangordnung nach.

Sie hatte schon viele Stunden gestanden, tausend liebenswürdige Worte gesagt, Hunderte von Malen die Hand zum Kuß gereicht. Nun endlich konnten sich noch die Vertrauten ihres Herzens nähern, die Damen und Herren des engeren Zirkels. Sie sah mit verschwimmenden Augen auf die Freundin von Berg, sie lächelte Ika und dem Bruder zu, die sich in Herzensfreundlichkeit Marie von Kleist und dem Dichter Heinrich von Kleist beigesellt. Ach, Luise wußte, der Seltsame sehnte sich in geordnete Verhältnisse zurück. Wäre nur der König nicht so unerbittlich gegen einen Offizier, der »entlaufen« war, freiwillig gegangen.

Sie winkte mit dem Fächer, Kleist trat heran. Und mit stockender Stimme sprach Heinrich von Kleist:

»Erwäg' ich, wie, in jenen Schreckenstagen,
Still Deine Brust verschlossen, was sie litt,
Wie Du das Unglück, mit der Grazie Tritt,
Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,

Wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen
Selbst oft die Schar der Männer zu Dir schritt,
Wie trotz der Wunde, die Dein Herz durchschnitt,
Du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen:

O Herrscherin, die Zeit dann möcht' ich segnen!
Wir sahn Dich Anmut endlos niederregnen –
Wie groß Du warst, das ahneten wir nicht!

Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert,
Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!«

Luisens Augen entstürzten Tränen.

Fassungslos reichte sie dem Dichter die blassen Hände.


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