Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XVI. Kapitel.

Die preußischen Regimenter krochen heim in ihre Kasernen. Es war Ruhe im Lande! Herrliche, köstliche Ruhe, höhnten die Offiziere. Man ließ sich die Diktate aus Paris gefallen, bedankte sich mit krummem Buckel, daß man die holde Luft des faulen Friedens noch atmen durfte, und kehrte heim in seinen Stall. Wer Augen gehabt zu sehen, merkte bei dieser Mobilmachung, daß die Bewegungsmöglichkeiten des Heeres peinlich langsam waren, merkte, es würde gut sein, dieses Heer zu reformieren, zu erneuern, von hundert unzeitgemäßen Belastungen zu befreien, ehe man wieder einmal sogenannt mobil machte. Aber die alten Heerführer hatten taube Ohren für die Ansichten »junger Heißsporne«. Und ein junger Heißsporn war man auch noch, wenn man Neidhardt von Gneisenau, Blücher, Rüchel oder Scharnhorst hieß. Denn die Oberbefehlshaber, die Fürsten Hohenlohe und Braunschweig, waren bei Leuthen dabeigewesen oder gar schon im Dreißigjährigen Krieg? Waren sie siebzig, waren sie hundert, waren sie tausend Jahre alt? –

Prinz und Prinzeß Solms hatten Ansbach verlassen, ehe der Marschall Bernadotte einzog. Nun saß Ika in einem Zimmer bei ihrer Luise und kritzelte an einer wehmütigen Antwort auf eine herzbewegliche Bittschrift der Bürger Ansbachs, ihr geliebter König möge sie nicht lassen! Sie durfte Luise diese Bittschrift nicht zeigen, mon Dieu, nein. Dem Rex auch nicht. Er war ja machtlos. Er weinte, wenn er den Namen Ansbach hörte. Er – weinte. Der alte letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, der die Provinzen Preußen zurückgegeben hatte, war in England gestorben. Das Dragoner-Regiment Bayreuth, das einst bei Hohenfriedberg sechsundsechzig Fahnen erbeutet, besaß nun keinen Chef mehr. Die arme Luise mußte heute, es waren so kalte Märzentage, in der Uniform der Bayreuth-Dragoner Parade über das Regiment abnehmen. Es hatte gebeten, sich in Zukunft nach der Königin nennen zu dürfen! Wenn sie sich bei dem Festakt nur fassen konnte. Den Namen Bayreuth noch einmal auszulöschen, würde ihr hart ankommen. –

Ihren Geburtstag wollte sie diesmal nicht in Berlin verbringen. Arme Luise.

Teilnahmsvoll sah Ika das Königspaar abreisen.

Ika bedachte, was sie denn zu einer gründlichen Erheiterung tun könne. Aber es fiel ihr nichts ein, als ihr lang gehegter Wunsch: sich von ihrem Solms scheiden zu lassen. Ob Luise diese Distraktion goutierte? Louis Ferdinand hatte zwar jetzt zwei nahe Freundinnen, die Fromm und die Wiesel. Aber das war weniger, als hätte er eine gehabt. Sie wollte doch mal ein Billett nach Bellevue schreiben und Louis Ferdinand an die alten Zeiten erinnern – – Mit wem aber vertrieb man sich für den Augenblick die Zeit? Ika überlegte. In Luisens Salon sah man immer die Berg, den Prediger Schleiermacher, General Scharnhorst. Nein, sie waren keine Amüsements. Mit wem konnte man ein bißchen klatschen? Zum Beispiel über die sonderbaren Besuche Hardenbergs, der mit seinem Freunde Alopäus neue Verbrüderungspläne zwischen Preußen und Rußland schmiedete. Ika lachte auf. Zu niedlich: wenn Hardenberg von seinem Landgut herein nach Berlin kam, wurde er geheimnisvoll wie ein zärtlicher Freund in die Zimmer der Königin geleitet, und nach einem Weilchen schlich der Rex zum Stelldichein. Ika ließ die alte Voß zu sich bitten.

»Liebste Voß, amüsieren Sie mich ein wenig.«

Die Gräfin antwortete kummervoll: »Der kleine Prinz Ferdinand scheint mir gefährlich krank.«

Ika seufzte. Mein Gott, die Tristessen jagten einander, schrecklich, schrecklich! –

Die Königin saß bei ihrem kleinen Sohn. Er war fünfzehn Monate alt, konnte noch kaum ein paar Worte formen. Und auch sein armes Lallen war jetzt verstummt. Blaß und reglos lag er in seinem Bettchen. Luise hatte es an ein Fenster rücken lassen, solange die Sonne hereinfiel. Sie saß daneben und redete den Kleinen an: »Willst du nicht mit den Märzensonnenstrahlen spielen, mein Ferdinandchen? Die Märzensonne ist deiner Mutter Sonne, und deine Mutter hat ihren kleinen Ferdi so lieb.« Das arme, müde Kind bewegte hilflos ein Händchen. –

Luise wurde abgerufen, sich umzukleiden. Der König bestand auf ihrer Teilnahme an einem Festmahl. Sie gehorchte. Aber dann konnte sie sich plötzlich nicht mehr beherrschen, Konversation zu machen, angstbebend sprang sie auf und eilte zu dem Kind.

Sie ist nervös geworden, flüsterten ihre Gäste untereinander. Überhaupt, sie sah krank aus und gequält vor innerer Unruhe. Dem kleinen Ferdinand ging es nicht besser. Sie verwachte die Nacht bei ihm, sie bat und flehte: »Mein Ferdinandchen, wird Gott mir dich wohl wieder schenken?«

Sie ging durch einen neuen kummervollen Tag. Der König war nach Potsdam zu Truppenbesichtigungen gefahren. Ika saß mit im Krankenzimmer. ›Nun wird sie ein drittes Kind tot sehen‹, dachte die Schwester.

Ärzte und Wärterinnen gingen aus und ein. Die Königin hielt die Händchen des armen Bübleins, wollte sie warm küssen. Ika konnte es nicht mehr mit ansehen, verließ den Raum.

Stunden später führte sie Luise von der kleinen Leiche fort.

Die Königin weinte nicht mehr. Sie saß auf dem Rand ihres Bettes und blätterte in dem kleinen Neuen Testament, das ihr Fräulein von Gélieu, die Genferin, zur Konfirmation geschenkt. Es war ein oft gebrauchtes Buch. Luise wußte auch die Stelle auswendig, die sie suchte. Doch es schien ihr wie ein Trost, mit Augen zu erblicken, daß es diese Worte gab, einst gesprochen, um durch Jahrtausende zu klingen: ›Je suis la résurrection et la vie; celui qui croit en moi, vivra, quand même il serait mort. Et quiconque vit, et croit en moi, ne mourra point pour toujours –« Evang. Joh. XI, Vers 25: Ich bin die Auferstehung und das Leben usw..

Ihre bleichen Lippen wiederholten:

»Je suis la résurrection et la vie –«

 

Hufeland stand vor der Königin.

»Eine Badereise nach Pyrmont wie Schillers berühmte Frau? Mein bester Hufeland, ich bin doch keine berühmte Frau. Und der König ist so sehr an meine Gegenwart gewöhnt.«

Hufeland räusperte sich, rieb seine knochigen Hände aneinander.

»In der Tat,« fuhr Luise fort, »ich habe im Augenblick anderes zu tun. Ich muß zum Beispiel mit dem Minister vom Stein konferieren. Er hat eine Denkschrift für den König verfaßt, ich bin gebeten, sie zu überreichen. Dies quält mich sehr. Stein greift aufs schroffste die Kabinettsräte an und fordert ungeheuere Reformen. Dies in einer Ausdrucksweise, die den König so reizen würde, daß ich keine Wirkung davon erhoffen kann.«

Hufeland sah sie schmerzlich an. Ärzte erfahren Geheimnisse wie Beichtväter. Ihm war es eine Last, zu hören, daß die kranke Frau nun so sehr in die Wirrnisse, in das Elend der politischen Dinge hineingezogen war.

»Lassen Eure Majestät doch den Herrn Minister zu sich befehlen und sagen ihm dies. Auf einige Milderungen der Diktion wird es dem Freiherrn nicht ankommen. Auch mag sich ein anderer Bote finden, die Denkschrift Seiner Majestät zu überreichen.«

Luises Hände spielten mit dem Musselinschal, der um ihre Schultern lag: »Ich müßte es selbst tun«, antwortete sie. »Diese Denkschrift enthält ungeheuerliche Anklagen, besonders gegen Lombard. Der König wird rasen, wenn er dies liest. Sein Zorn kann den Überbringer treffen. Es ist feige von mir, dies einer anderen Person zuzumuten.«

Hufeland starrte auf das glänzende, aus edlen Hölzern kunstreich zusammengesetzte Parkett zu seinen Füßen. Wie unzuträglich waren solche Aufregungen für Ihre Majestät. Und wie wenig war er geeignet, einer Königin politische Ratschläge zu geben. Endlich räusperte er sich von neuem.

»Ihro Majestät werden all den Dingen viel ruhiger, viel gelassener ins Auge sehen, wenn Ihro Majestät Gesundheit wieder gekräftigt ist. Wenn Ihro huldvolle Majestät mir eine große Gnade erweisen wollen, so schreiben Sie, während ich warten darf, den Brief an Seine Majestät, des Inhalts, daß Hofarzt Brown und Dero untertänigster Diener mit Seiner Majestät sprechen müssen wegen Pyrmont.«

Sie lächelte und wechselte den Platz. Hufeland trat an ein Fenster. Wie unermeßlich rührend sie war. Kein Wort der Angst um ihr Befinden. Nur die Sorge, der König könne sie nicht entbehren, wenn sie verreiste.

Luise schrieb:

»Berlin, 12. April 1806.

Bester Freund! Die Ärzte wünschen ernstlich, mit Dir reden zu können wegen meiner miserablen Gesundheit, die, ich kann es nicht leugnen, wirklich durch Seelenkummer, der seit dem September unaufhörlich an meiner Lebenskraft nagte, sehr herunter ist. Du kennst meine Gesinnungen, meine Liebe für Dich, Du kannst Dir also leicht denken, daß eine Trennung von fünf oder sechs Wochen grade in einer Zeit, wo Du meiner bedarfst, mir viel kostet, aber ich glaube, um eine längere zu verhüten, bin ich Dir, mir und unsern Kindern schuldig, alles zu tun, um mich zu erhalten. Tue ich nichts Ernstliches dieses Jahr, so wird mein Zustand der Schwäche und Entkräftung mit jedem Monat ärger, und ich werde Dir in einem Jahre vielleicht schon zur Last, ein Gedanke, der mir manche bittere Träne kostete. Es ist also besser, ich gehe, wohin der Ausspruch der Ärzte mich schickt; es ist besser, daß wir uns auf einige Zeit trennen, als bald auf immer. Bin ich gestärkt, geheilt, so bin ich bald die alte wieder, Dir eine weitere Gesellschafterin und Freundin (denn mein frohes Gemüt ist jetzt mit einem Nebel umzogen) und meinen Kindern eine nützliche Hilfe. Vergib diese Zeilen, die Dir vielleicht einen Augenblick Mißmut verursachen werden, allein mein Zustand macht sie notwendig.

Deine treue Luise.«

Erst im Sommer wurde die Reise angetreten. Durch märkischen Sand, durch Staub und Hitze schlich der Wagen.

Endlich war Pyrmont erreicht. Es schickte sich an, seine glänzendste Saison zu feiern, denn die Nachricht von der Anwesenheit der Königin rief die Quartiermacher vornehmer Badegäste herbei. Vorerst war es noch still. Und eine grenzenlos Ermüdete wandelte durch die alte Lindenallee, mit ihrer getreuen Voß, den jüngeren Hofdamen und dem guten Hufeland.

Luise war dankbar für eine kurze Zeit der Stille. Sie ging manchmal zu dem kleinen Tempel mit dem hohen Säulenrund, saß wohl auch dort nieder und las in alten Büchern. Fand eine einst geliebte Stelle im Herder wieder: »Um Ort und Stunde deines künftigen Daseins gib dir keine Mühe. Die Sonne, die deinem Tage leuchtet, mißt dir deine Wohnung und dein Erdengeschäft, und verdunkelt dir so lange alle himmlischen Sterne. Sobald sie dir untergeht, erscheint die Welt in ihrer größeren Gestalt: die heilige Nacht, in die du einst eingewickelt lagest und einst eingewickelt liegen wirst, bedeckt deine Erde mit Schatten und schlägt dir dafür am Himmel die glänzenden Bücher der Unsterblichkeit auf.«

Sie las von Jean Paul: »Jede Liebe glaubt an eine doppelte Unsterblichkeit, an die eigene und an die fremde. Wenn sie fürchten kann, jemals aufzuhören, so hat sie schon aufgehört.«

Ach, sie brauchte nichts mehr zu fürchten für die Unsterblichkeit der Freundschaft Alexanders. Eine beglückende Botschaft war aus Berlin gekommen: der König hatte mit dem Zaren ein geheimes Waffenbündnis abgeschlossen. Sie lebte auf von der Stunde an, da sie dies erfuhr! Ja, sie fand fast zu ihrer alten Heiterkeit zurück, als sie sich umgeben sah von ihrem Vater, Frau von Berg und, ach, Alexanders Schwester, der Großfürstin Marie Paulowna.

Luise fand auch Verehrer zu Pyrmont. Sie war darauf recht stolz. Der eine kam hoch zu Roß von Münster herüber, war oft schon bei Sonnenaufgang auf der Kurpromenade und trank wacker den Brunnen mit: General Blücher. Der andere bewies ihr durch alle Stunden des Tages, daß er sie anbetete. Er hieß Bruder George. Ach, wie wunderschön, einen Verehrer zu besitzen, den man so recht von Herzen liebhaben durfte. Mit dem man, ohne daß die arge Welt an der Tugend einer Königin verzweifeln mußte, allein, weit hinaus in die sommerlichen Wälder reiten konnte und über grüne Hügel.

War das nicht Glück? War's nicht, als seien die unnennbaren Tage holdester, unschuldiger Freuden heimgekehrt?

Sie konnte wieder singen. Sie mochte wieder singen, wenn sie allein im stillen Wald war mit Bruder George.

Er wünschte sich die alten Lieder, die er schon kannte. Er liebte es, wenn sie zur Laute sang.

Die Abendsonne beglänzte ein wunderliches Paar am Waldrand. Zu den Füßen der blonden Königin lag im Grase ausgestreckt ein junger, eleganter Herr, die feurigen Augen an ihre Lippen gebannt. Und die blonde Königin sang ein Lied von Wolfgang Amade Mozart:

»Abend ist's, die Sonne ist verschwunden,
Und der Mond strahlt Silberglanz.
So entfliehn des Lebens schönste Stunden,
Fliehn vorüber wie ein Tanz.

Bald vielleicht mir weht, wie Westwind leise
Eine stille Ahnung zu,
Schließ' ich dieses Lebens Pilgerreise,
Fliehe in das Land der Ruh'.

Weih' mir, weih' mir liebend eine Träne,
Schäme dich nur nicht, sie mir zu weihn.
Oh, sie wird in meinem Diademe
Dann die schönste Perle sein.«

Sie lächelten ein wenig zu diesen Worten, die beiden Kinder, geboren im achtzehnten Jahrhundert. Sie lächelten wie über eine Jugenderinnerung, die einem wohl tut.

»George, wie hold ist der Sommer.«

»Blonde Schwester, wie hold bist du

 

Als Luise wegen Friedrich Wilhelms Geburtstag mit verfrühtem Abbruch der Kur zurückreiste, erhielt sie in Magdeburg die Nachricht von der Gründung des Rheinbundes. Die alten Reichsstaaten erstarben in Glück, mit dem großmächtigsten Kaiser verbündet sein zu dürfen. Sie waren sogenannt souverän geworden, hatten majestätische Titel empfangen, triumphierten in Untertänigkeit vor der französischen Majestät.

Der König schrieb dies voll Erbitterung. Er fügte dem Brief an, daß er Luisen ein Stück entgegenkommen würde. »Du bist und bleibst doch das Liebste, was ich auf Erden habe«, las sie – um dann zu vernehmen, daß er sich »jede Theaterszene bei der Begrüßung verbäte«.

Sie seufzte. Er blieb unverrückbar derselbe, nüchtern, karg in der Geste. Nun, ihre Kinder würden »Theaterszenen« der Begrüßung wohl gerne erdulden. –

Luise fand Berlin in Aufruhr. Der Geburtstag des Königs war noch ein schönes Familienfest in Charlottenburg, alle Sorgen schienen zu schlafen. Dann aber eilten erregte, von Leidenschaft erfüllte Menschen zu Luise, voran Prinzeß Radziwill. Man titulierte sie jetzt: »die Seele des Hasses gegen Napoleon«. Sie war im Schlosse, als der König Lucchesinis Depesche erhielt, die mitteilte, daß Napoleon den Engländern Hannover zurückgeben wollte.

Hannover, für das Ansbach-Bayreuth geopfert war! Der König brachte Luise die Botschaft in seiner trockenen Weise. Sie brach in Tränen aus. Die Prinzessin Radziwill aber, Louis Ferdinands leidenschaftliche Schwester, konnte nicht an sich halten. Sie rief in die Atmosphäre der wohlerwogenen Worte hinein:

»Das ist der Krieg!«

Ja, niemand konnte mehr zweifeln, daß das der Krieg war. Niemand als Friedrich Wilhelm. Noch einmal rang er den großen Kampf mit seinem Gewissen, das in der Aufrechterhaltung des Friedens die erste Pflicht eines Landesvaters sah.

Er schloß sich ein, die Königin suchte verzweifelt sein Ohr. Sie wurde von allen Seiten bestürmt. Der Freiherr vom Stein selbst brachte ihr die Nachricht, daß die Brüder des Königs, die Prinzen Louis Ferdinand und August, die Generäle Rüchel und Phull sowie der Minister selbst, dem Herrscher eine Denkschrift gesandt, die den Umschwung forderte. Luise hatte sich kaum innerlich mit der Wirkung dieses Schrittes auseinandergesetzt, als die Voß zu ihr kam und zitternd berichtete, Seine Majestät hätten im höchsten Zorn dem Prinzen Louis Ferdinand befohlen, Berlin zu verlassen.

Die Königin vergaß, daß sie keine »Theaterszenen« aufführen durfte. Sie stürzte in das Gartenzimmer zum König. Sie bat und flehte. Hätte er denn nicht die Pflicht, auf die Mitglieder des königlichen Hauses zu hören? Hart und laut sagte sie das Wort »die Pflicht«. Da wurde ihr, unglücklichen Augenblicks, der Prinz Louis Ferdinand gemeldet. Sie errötete. Kalt antwortete der König für sie:

»Ihre Majestät ist für Seine Königliche Hoheit den Prinzen Louis Ferdinand nicht zu sprechen –«

Ihre Hände bebten, ihre Augen verdunkelten sich, und – sie gehorchte. Weinend irrte sie durch ihre Zimmer. Sie mußte es erdulden, daß man den edelsten, glühendsten Patrioten des Landes beleidigte? Sie mußte zusehen, wie man den kühnsten Mann, den einzigen genialen Prinzen, beiseite stellte? Ein ohnmächtiger Zorn erfaßte sie – –

Am Abend empfing sie einen Zettel des Prinzen.

»Ich werde mein Blut für den König und mein Vaterland vergießen, ohne jedoch einen Augenblick zu hoffen, es zu retten.«

War es dieser Verzweiflungsruf, der ihr plötzlich Kraft gab?

Sie sagte dem König, daß sie ein ferneres Hinausschieben des doch unvermeidlich gewordenen Kampfes für nicht mehr vereinbar mit seiner Ehre hielte. Für unvereinbar mit der Ehre des preußischen Staates.

Der König antwortete ihr nicht.

Sie litt Qualen. Sie, die als Frau naturnotwendig den Krieg und all seine Schrecken fürchten mußte, sie, die in christlicher Weltanschauung tief Beruhende, sollte es sein, die nicht mehr den Frieden wünschen durfte?

Das Schicksal wurde barmherzig zu ihr. Nicht Luise, sondern die Haltung Napoleons brachte die Entscheidung. Demütigung über Demütigung wurde aus Paris dem Staate Preußen diktiert, bis keine andere Wahl mehr blieb, als die Waffen zu ergreifen.

Jubel überflutete Berlin. Ein unerträglich gewordener Zustand, als Schande, als tiefe Erniedrigung gefühlt, war umgesetzt in den Entschluß, zu handeln.

Aufbruch, Ausmarsch!

In namenloser Erregung erfuhr Luise, daß der König wünschte, sie möge ihm ins Hauptquartier folgen.

Jubel umbrandete ihren Wagen. Von den Linden, von den Bäumen des Tiergartens winkten goldene Blätter.

Zum erstenmal seit den Tagen des Großen Kurfürsten ließ sich ein preußischer Herrscher von seiner Gemahlin ins Feld begleiten! Friedrich Wilhelm bedachte wohl nicht, daß er Luise damit dem Urteil des Feindes preisgab. Er brauchte sie. Ihren Rat hatte er hundertmal zurückgewiesen. Ihre Gegenwart war ihm notwendig wie Brot und Wasser.


 << zurück weiter >>