Johann Gottfried Herder
Gesammelte Abhandlungen, Aufsätze, Beurtheilungen und Vorreden aus der Weimarer Zeit
Johann Gottfried Herder

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Ueber den Einfluß der schönen
in die
höhern Wissenschaften.

1781.Zuerst gedruckt in den »Abhandlungen der baierischen Akademie über Gegenstände der schönen Wissenschaften«. Erster Band. München 1781, S. 139–168. Daraus abgedruckt im ersten Bande von J. G. Heinzemann's »Literarischer Chronik«, I (1785). S. 137–162. Vgl. Herder's Schulrede »Vom falschen Begriff der schönen Wissenschaften« (1782), Werke, XVI. S. 55 ff. Wir folgen dem Texte der Ausgabe der Werke, welche aus dem oben S. 3, Anm. angeführten Grunde vom Originaldrucke bedeutend abweicht – D.

 

Ut hominis decus ingenium, sic ingenii ipsius lumen est eloquentia.
                                            Cic.Brut. 15, 59. – D.

 

Zuvörderst ist auszumachen, wie man das Wort schöne und höhere Wissenschaften nimmt. Sollen die erstern nichts Anders sein, als was junge, müssige Gemüther gern darunter verstehen möchten, eine tändelnde, üppige Lectüre, schale Verse und Romane, Kritiken und witzige Journale, so ist wol vom guten Einflusse derselben nicht viel zu sprechen. Und da solcher Mißbrauch des Wortes in unsern Tagen ziemlich allgemein ist und die kurfürstliche Akademie ohne allen Zweifel zum Zwecke hat, daß die Beantwortung ihrer vorgelegten Frage praktisch und nützlich werde, so muß leider der Anfang dieser Abhandlung vom Mißbrauche der Sache und von seinem bösen Einflusse handeln, damit wir sodann auf den bessern Gebrauch und seine Nutzbarkeit kommen.

Zu nichts ist die Jugend geneigter, als vom Schweren auf das Leichtere zu springen, zumal wenn dies zugleich angenehm ist und eine schöne Oberfläche hat. Sie läßt also gern die alten Autoren, die die wahren Muster des Schönen sind, Philosophie, Theologie und gründliche Kenntnisse anderer Art ruhen, um sich an den witzigen Schriften ihrer Sprache zu erholen und die Einbildung damit zu füllen. So geht's in Schulen und auf Akademien, und da in den frühern Lebensjahren der Geschmack seine Richtung erhält, so schreitet man fort, wie man begann. Auch in Zeiten und Ständen, wo man's nicht vermuthet, sieht man jetzt Schönwissenschaftler und Schönkünstler, wie man sie gern entbehrte: ästhetisch-poetische Prediger, witzige Juristen, malende Philosophen, dichtende Geschichtschreiber, hypothesirende Meßkünstler und Aerzte. Das Leichte hat über das Schwerere gesiegt, die Einbildung hat vor dem Verstande Platz genommen, und je mehr Reize und Anlässe es von außen giebt, diese Auswüchse menschlicher Seelenkräfte und schöner Literatur zu befördern, desto mehr gedeihen sie und ersticken das Trockne, Schwerere mit ihrem üppigen Wuchse.

Der Schade hievon ist theils für die Subjecte selbst, die auf diesen Irrweg gerathen, theils für die Wissenschaften, die sie bauen oder bauen sollen, beträchtlich und oft lange unersetzlich. Wir werden Alles, was wir sein sollen, nur durch Mühe, durch Uebung. Unter welchem Vorwande, zumal in jüngern Jahren, wir diese vernachlässigen, haben wir schon immer den Nachtheil, daß, wenn unsere Nerven ungeübt, unsere Kräfte unentwickelt blieben, wir, so reich unsere Beute von außen sein mag, in uns selbst arm und schwach sind. Ein Jüngling, allein in den schönen Wissenschaften erzogen, ist ein Zärtling in den Gärten der Armida oder gar in der Grotte der Kalypso verzaubert:Vgl. Herder's Werke, XVI. S. 41. – D. er wird nie, wenn ihm nicht die ernstere Wahrheit als Retterin erscheint, ein Held oder ein verdienter Mann werden. Das Schöne in den Wissenschaften, wie er darnach läuft, ist nur Colorit, nur Oberfläche; er pickt darnach wie der Vogel nach der Farbe, er hascht darnach wie nach einer schönen Wolke: die schöne Ansicht vergeht, und er hat nichts.

Zudem ist nicht Alles Gold, was glänzt, und nicht Alles schön, was einem unerfahrnen Jünglinge oder verzärtelten Weibe so scheint. Die Modelectüre der Zeit ist oft ein Garte voll Sodomsäpfel, auswendig schön, inwendig voll Staub und Asche. Ein Jüngling, der, was und wie etwas sogenannt Schönes gedruckt erscheint, es begierig verschlingt, hält gewiß ungesunde Mahlzeit; Gutes und Böses ißt er durch einander, und da das Meiste süß und üppig ist, so wird sein Geschmack verdorben und verwöhnt. Das Reich seiner Wissenschaft, wenn es so enge wie seine Zeit ist, kann ihm nicht bessere Früchte geben, als diese giebt, und er kann aus ihnen nicht gesündere Säfte kochen, als die Früchte ihm gewähren. Kommt nun noch dazu, daß der also genährte Jüngling selbst Richter in den schönen Wissenschaften wird, ehe er Schüler, Meister, ehe er Lehrling geworden: gnade Gott für den Einfluß! Was je die Sophisten zu Sokrates' Zeit waren, sind solche Kunstrichter in unsern Tagen: sie wissen Alles, sie entscheiden über Alles; die Kunst zu schwatzen haben sie gelernt, und worüber läßt sich nicht schwatzen? Am Meisten darüber, wovon man nichts weiß; da kann man unbegriffene Sachen wünschen, da kann man witzeln und schöngeistern.

Jede Wissenschaft, in die ein solches Gemüth tritt, wird durch seinen ungesunden Anhauch verpestet und durch seine üppige Behandlung entnervt und verdorben. Welch ein unwürdiges Geschöpf ist ein eleganter Theolog nach dem neuesten Gewächse! Nicht Gottes Wort predigt er, sondern schöne Phrasen, hexametrische Tiraden, eine aus witzigen Schriften erbettelte Moral.Im ersten Druck steht hier: »Phrasen, Klopstockische Hexameter oder Crébilon'sche Moralen«. – D. Nicht Gottes Wort liest er, er übersetzt an ihm alte Geschichte, Briefe und Lieder in die neueste ästhetische Form; er commentirt Moses, David und Johannes, wie Ariost, Milton und La Fontaine. Seine Glaubenslehre ist eine liberale Philosophie, seine Pastoralklugheit eine ästhetische Wohlgefälligkeit gegen alle herrschenden Meinungen und nutzbaren Laster. Einem Menschen, dem Würde in seinem Amt, strenger Umriß in dem, was er denkt, will und sucht, fehlt, ihm ist alles Zubehör schöner Wissenschaften von außen her, Schminke oder ein zusammengeflickter Narrenmantel.

Ich übergehe Juristen und Aerzte, um mit einigen Zügen den Zärtling vorzustellen, der als ein sogenannter schöner Geist in der Philosophie, Geschichte oder gar Mathematik schön thut. Wenn er uns über alle diese Sachen artige Modeworte, Porträte, Bilder, Aehnlichkeiten, witzige Einfälle und Geschichtchen giebt; wenn er uns sagt, nicht was geschehen sei, sondern malt, was hätte geschehen sollen; wenn er uns, was da ist, nicht zeigt, sondern mit Blumen umhüllt, damit es errathen werde: ei des schönen Philosophen, des poetischen Geschichtschreibers, des witzigen Mathematikers, des herrlichen Kunstrichters! Alle diese, alle höhere Wissenschaften werden verderbt, wo solche Affen Muster sind und Exempel geben. Eine Bibel ist nicht Bibel mehr, wenn sie ein ausgemaltes ästhetisches Kunstbuch, eine Glaubenslehre nicht Glaubenslehre mehr, wenn sie ein Kram geschminkter Meinungen sein soll, und auch eine Philosophie nicht Philosophie mehr, wenn sie, statt zu lehren, tändelt und, statt Wahrheit zu erforschen, nach Farben und Flittergolde läuft. Was ist eine Geschichte ohne Wahrheit? was eine Wissenschaft ohne Gewißheit und strengen Umriß? was eine Sittenlehre ohne feste Grundsätze der Uebung? was eine Weisheit voll Tandes und schöner Thorheit? Alle Geschäfte werden von diesen Buttervögeln schöner Wissenschaften benascht und verunehrt; sie saugen an ihnen nach Bequemlichkeit Saft, und was sie nachlassen, sind Keime verheerender Raupen.

Die höchste Wissenschaft ist ohne Zweifel die Kunst zu leben; und wie Manchen haben seine schöne Wissenschaften um diese einzige, diese göttliche Kunst gebracht! Die Liebe, die glücklich macht, wird selten durch Romane dem Herzen angebildet; die größten Romanhelden oder ‑Heldinnen finden in der wahren Welt selten, was sie suchen, und oft etwas ganz Anders, als wovon sie träumten. Ihre überspannte Einbildungskraft ermattet bei wirklichen Gegenständen und kann nicht genießen, was sie hat; erschlaffte, weiche, üppige Hände können aus der Materie des Lebens das Kunstbild nicht bereiten, was aus ihnen erst bereitet werden soll. Ein immer nur dem Vergnügen nacheilender Jüngling, wie kann er ein Mann, ein würdiger Ehemann und Vater, ein arbeitsamer Geschäftsmann, ein unermüdeter Diener des gemeinen Wesens, ein untersuchender, gerechter Richter, ein tüchtiger Arzt, ein geschäftiger Weiser, ein Wahrheitsforscher und Wohlthäter des menschlichen Geschlechts in seinem Kreise werden? Zu Allediesem gehört ernste Bildung, wahre Erziehung, Geschmack an Mühe und Fleiß, ein treues Herz, ein guter Verstand, ein redlicher Zweck und mit festem Willen auch erworbene Kräfte, den Zweck zu erreichen. Ist dies Alles nicht da, buhlen wir in Allem nur um das Flittergold des Angenehmen, des Leichten, Wohlgefälligen und Schönen, verachten, was Mühe bringt, was Untersuchung kostet: die Götter geben uns nichts ohne Mühe, sie verkaufen alle ihre Gaben theuer,Vgl. Herder's Werke, XVI. S. 31 f. – D. und am Theuersten ihre edelste Gabe, den Kranz der Belohnung eines guten Gewissens. Die Ueberzeugung, gethan zu haben, was wir thun sollten, was Keiner für uns thun konnte, wird nicht durch elogia fremder Zungen und Federn, nicht durch Schminke von außen, nicht durch Geschwätz oder Schönkünstelei erworben: sie ist die Frucht der ernstesten Anstrengung, die höchste Wissenschaft und Kunst des Lebens. Alles, was zu dieser nicht führt, ist Eitelkeit und Dunst, ein schöngefärbter, aber betäubender und vielleicht giftiger Nebel. Viele Mängel und Unglückseligkeiten unsrer Staaten, unsrer Stände, Aemter und Geschäfte lassen sich auf die unglückselige Ueppigkeit und Weichheit zurückführen, die sich in unsere Erziehungskammern, in Schulen, Kirchen, Paläste und Häuser eingeschlichen hat und allenthalben ihre bösen Wirkungen zeigt.

Das Beste ist auch hier, ein Besseres durch That und Vorbild in bessern Begriffen und Beispielen zu zeigen; es ist dies die Absicht der Frage: welchen Einfluß die schönen Wissenschaften, recht gefaßt und recht geübt, in die höhern Kenntnisse haben.

Schöne Wissenschaften sind die, welche die sogenannten untern Seelenkräfte, das sinnliche Erkenntniß, den Witz, die Einbildungskraft, die sinnlichen Triebe, den Genuß, die Leidenschaften und Neigungen ausbilden sollen; ihre Erklärung selbst zeigt also gnugsam, daß sie auf die höhern Wissenschaften, die sich mit dem Urtheil und Verstande, dem Willen und den Gesinnungen beschäftigen, den schönsten und besten Einfluß haben.

1. Alle Kräfte unsrer Seele sind ursprünglich nur eine Kraft, wie unsere Seele nur eine Seele. Wir nennen oben und unten, hoch und niedrig, was nur vergleichungs- und beziehungsweise so ist; im Ganzen aber ist ein richtiger Verstand ohne richtige, wohlgeordnete Sinne, ein bündiges Urtheil ohne eine geregelte und zu ihrem Dienst brauchbar gemachte Einbildungskraft, ein guter Wille und Charakter ohne wohlgeordnete Leidenschaften und Neigungen nicht möglich. Also ist's Irrthum und Thorheit, die höheren ohne die schönen Wissenschaften anzubauen, in der Luft zu ackern, wenn der Boden brach liegt.

Wer hat je einen Mann von richtigem Verstande gekannt, den sein sinnliches Urtheil immer irre führte? Wer sah je mit dem Verstande recht, wenn er mit seinen Augen und der Phantasie immer falsch sah? Wer war Herr über seinen Willen, dem seine Leidenschaft nicht gehorchte, dem die Phantasie befahl, der in allen seinen geheimen Neigungen Stricke fühlte, die ihn, den Simson, sieben- und tausendfach fesselten, ohne daß ihn eine andre Kraft befreite? Die schönen Wissenschaften sind also oder sollen sein Ordnerinnen der Sinne, der Einbildungskraft, der Neigungen und Begierden; das Sehglas zur Wahrheit, die sich uns Sterblichen immer nur im Schein offenbart; Dienerinnen, die den Grund unsrer Seele ordnen, damit Wahrheit und Tugend sich ihr offenbare: ein Mehreres kann kaum zu ihrer Rechtfertigung und höchsten Bestätigung gesagt werden.

2. Sinne und sinnliche Kenntnisse sowie geheime Neigungen und Lüste sind das Erste, das in unsrer Seele aufwacht; der Verstand kommt spät und die Tugend, wenn sie uns nicht durch sinnliche Uebungen eingepflanzt wird, gemeiniglich noch später. Also ist mit der Jugend jugendlich anzufangen; unsere sinnlichen Kräfte sind sinnlich zu behandeln und zu bilden, durch leichte Regeln und, noch besser, durch gute Exempel. Die schönen Wissenschaften beschäftigen sich mit beiden; also ist ihr früher Gebrauch der Natur und Ordnung der menschlichen Seele angemessen und hiemit für alle andern Wissenschaften gnug empfohlen.

Wem in seiner Jugend Gedächtniß, Sinne, Witz, Phantasie, Lust und Neigung verkümmert und abgestumpft wurden, was wird dessen Verstand in reiferen Jahren für Materialien haben, die er bearbeite, was für Formen und Formeln, nach denen er sich übe? Was kann sein Wille thun, wenn seine Kräfte, richtig zu imaginiren, zu wollen und zu thun, unerweckt und ungebildet oder gar mißbildet sind? Er schreibt auf einem vermalten, verknitterten, ungeleimten Papiere; mit stumpfen Waffen will er streiten und mit ungeschickten, verrosteten Werkzeugen oder gar ohne Werkzeug das größte Kunstwerk des Lebens, die Bildung seiner Seele, vollführen.

Wie die Morgenröthe vor der Sonne vorhergeht und Frühling und Saat vor der Ernte hergehen müssen, so die schönen vor den höheren Wissenschaften. Sie streuen aus, was die letztern ernten; sie geben schönen Schein, diese wärmen und leuchten mit ihrer ganzen Wahrheit.

3. Sinne und Leidenschaften, Phantasie und Neigung können in gewissem Verstande die größten Feinde des Guten und der Wahrheit werden. Sind sie überwunden und nach geschlossenem Frieden der Wahrheit zu Freunden erworben, so ist die Sache gemacht: die höheren Wissenschaften triumphiren auf ihren Schilden. Das allein ist wahre Weisheit, die den Sinnen durchaus nicht nur nicht widerspricht, sondern sie vielmehr berichtigt, ordnet und bestätigt. Das allein ist ein schöner Vortrag der Geschichte, zu dem die That selbst gleichsam den Ausdruck gewählt hat, in dem sie wie die Seele in ihrem Körper lebt. Das ist das wahre Recht, was auf jeden Vorfall einzig und ganz paßt, gleichsam eine lebendige Intuition desselben. Das ist die schönste Gottesgelahrtheit, die mit Würde, Wahrheit und Einfalt auf menschliche Herzen wirkt. Die höhern Wissenschaften sind also alle die Frucht einer gesunden Geistesorganisation, deren schöne Naturblüthe die andern, die sogenannten schönen Wissenschaften pflegten.

Ich fühle wohl, wie viel ich hiemit gesagt habe, und daß man mich fragen kann, wo es denn dergleichen schöne Wissenschaften gebe. Ohne mich hiedurch vom Wege schrecken zu lassen, antworte ich blos, daß, wenn es schöne Wissenschaften giebt, sie solche sein und den Zweck und Nutzen haben sollten, oder sie verdienen nicht diesen Namen. Es ist keine schöne, sondern eine häßliche Wissenschaft, die die Phantasie aufregt und verführt, statt sie zu ordnen und recht zu führen; die den Witz mißbraucht, statt ihn zum Kleide der Wahrheit zu gebrauchen; die die Leidenschaften kindisch kitzelt und sie empört, statt sie zu besänftigen und zu guten Zwecken zu leiten. Ich bin gewiß, daß die Alten auch in diesem Betracht mehr schöne Wissenschaft als wir hatten; sie nämlich, auf ihrer Stelle. Ihre Poesie und Beredsamkeit, ihre Erziehung und Cultur hatte viel mehr Weisheit und Zweck, aufs Leben zu wirken, in sich als unsere meiste Lectüre oder unsere schönen Schulphrasen. Also auch von dieser Seite ist die Lesung der Alten, recht gebraucht und wohlgeordnet, die wahre Wissenschaft des Schönen zu Vorbereitung einer höheren Kenntniß.

Wo nämlich ist der sogenannte schöne Ausdruck so genau und natürlich das Bild und Kleid der Wahrheit als bei ihnen, den Griechen und Römern? Wer die Sprache der Natur lernen will, wo lernt er sie mehr und angenehmer als bei Griechenlands ersten Dichtern? Wer bürgerliche Weisheit hören will, wo hört er sie angenehmer als in ihrer Beredsamkeit und Geschichte? Homer war der erste Philosoph und Plato sein Schüler; Xenophon und Polyb, Livius und Tacitus sind gewiß große Menschen- und Staatskenner, aus denen in spätern Zeiten die größten StaatsgelehrtenIm ersten Druck steht: »aus denen Macchiavell und Grotius«. – D. ihre Weisheit holten; Demosthenes und Cicero sind Redner, von denen man mehr lernen kann als den Numerus ihrer Perioden: und welcher größere Geist der neuern Zeiten wäre es überhaupt, der sich nicht eben an den Alten zum Reformator seiner höheren Wissenschaft gebildet hätte?

Dem Theologen z. B. ist die Kenntniß und Auslegung der Bibel nöthig: welcher Theolog hat je diese Auslegung vorzüglich und glücklich getrieben ohne genauere Kenntniß der Alten und ohne Bildung der schönen Wissenschaften? So lange diese lagen, lag auch das gelehrtere Studium der Bibel; mit jenen lebte es auf, und fortan gingen beide beinahe in gleichem Schritte. Ein Theil der Bibel ist Poesie; wer ist, der sie glücklich auslegte ohne Gefühl fürs Schöne und Wahre der Dichtkunst? Welche Schaaren und Heerden von Commentatoren die Propheten und Psalmen dogmatisch- und grammatisch-erbärmlich zerrissen und mißdeutet haben, weil der Geist der hohen poetischen Sprache derselben sie nie begeistert hatte, weil sie, was poetischer Naturausdruck sei, nicht verstanden! Auch die Geschichte und die Anmahnungen der Bibel sind voll Bilder und sinnlicher Vorstellungen; Niemand kann sie verstehen und anwenden, der diese Vorstellungskraft nicht hat und übt.

Der Prediger soll ans Volk reden; wie soll er zu ihm reden, wenn er's nicht kennt, wenn er weder zu seinem Verstande noch zu seinem Herzen den Zugang weiß, weil es ihm selbst an Herz und Bildung fehlt? Er soll die Geschichte und Sittenlehre einer andern Zeit der seinigen eigen machen; wie kann er's, wenn er weder jene noch diese im rechten Licht sieht und im rechten Sinne vergleicht? Die Irrthümer und Fehltritte, die aus dieser Unwissenheit und Ungeübtheit entstehen, wären durch alle Felder der Theologie in dicken Beispielen anzuführen, wenn es Ort und Zweck erlaubte.

Von der Rechtsgelehrsamkeit haben es Andre gnug erwiesen, daß es ihr nicht Schaden, sondern den größten Vortheil bringe, wenn mit dem Gefühl der Billigkeit der reine gesunde Verstand und schlanke Sinn der Wahrheit in Sachen und Ausdruck sie belebt. Daß die Geschichte und Staatsklugheit sich mit der feinern Cultur und Humanität wohl geselle, wird Niemand zweifeln. Was sollte humaner gedacht und geschrieben sein als eine Menschengeschichte? Und wo sollte mehr Menschenkenntniß und Humanität herrschen als in der Wissenschaft, die die Menschen regiert? In reiferen Jahren werfen ohnedas die meisten sogenannten gründlichen Gelehrten und Geschäftsmänner das bloße Spielzeug und Klapperwerk der Musen weg und ergetzen sich am Verständigen, am Menschlichen in Poesie und Geschichte. Ein Menschenleben, wie es Homer verfolgt, ein Glückswechsel, wie ihn Aeschylus und Sophokles schildern, ein Charakter, wie ihn Tacitus festhält, Begebenheiten und Leidenschaften, wie sie Shakespeare in ihren verborgensten Fäden entwickelt, Fehler und Albernheiten, wie sie Aristophanes und Lucian, Hudibras, Swift und Sterne zeichnen, ein schönes Leben, wie Horaz und Addison, Montaigne und Fénélon es abbilden: gewönne man an ihm nicht Menschenkenntniß, häusliche und politische Weisheit, woher ließe sie sich lernen? Der berühmteste Eroberer las den Homer als ein Kriegsbuch; mehr als ein Staatsmann lernte aus den alten Geschichtschreibern und Rednern seine beste Geschäftsweisheit.

Ueber die nothwendige und nützliche Verbindung der schönen Wissenschaften und Weltweisheit ist die ganze Geschichte Zeuge. So lange und so oft beide Freundinnen waren, blühten beide; schieden sie sich und haßten einander, so ging eine und die andere zu Grabe. Plato flog wie eine Biene über Homer's Blumenbeeten, und Aristoteles selbst war gewiß kein Musenverächter. Als aber in den mittlern Zeiten die Scholastiker sich allem Sonnen- und Tageslicht entzogen und in ihren gelehrten Klüften barbarische Worte erfanden und Namenschälle zertheilten, was ist aus ihrer Logik und Metaphysik geworden? Nur da die schönen Künste zurückkehrten, ging auch den Wissenschaften der Abstraction ein Licht auf; sie fingen nicht nur an, in Gemeinschaft zu leben, sondern oft war derselbe gute Kopf dort und hier ein Erfinder. Von Baco bis zu Leibniz waren alle helle Denker in der Philosophie auch Freunde des Ergetzenden und Schönen; ihr Ausdruck war klar wie ihr Geist; selbst ihre Gedankenspiele wurden oft Leiterinnen zur Wahrheit.

Sollte ich alle großen Namen nennen, die die schönen mit den höheren Wissenschaften oft selbst mit mehr als einer derselben glücklich verbanden, welche Namenreihe wäre vor mir! Beinahe scheint's ein Vorzug aller edleren Geister zu sein, daß sie sich nicht in eine Kunst oder Wissenschaft einschlossen, sondern die eine durch die andere belebten und gleichsam in keiner, die den Geist bildet, ganz fremde waren. Das Reich der Wissenschaften in allen seinen Gebieten ist ein Reich, wie die menschliche Seele in allen ihren Kräften nur eine und dieselbe Seele ist. Jene Provinzen liegen einander näher oder entfernter; abgerissen und inselhaft ist aber keine, und zu allen ist Zugang. In der Geschichte des menschlichen Geistes wie der menschlichen Wissenschaften hat es die sonderbarsten Combinationen der Gedanken gegeben, und eben durch sie ist aus und in jeder Wissenschaft ein eignes neues Gute erwachsen. Der Dichter und Redner, der Philosoph und Staatsmann betrachtet und behandelt, wenn er Theologie treibt, sie auf andere Art; Jeder kann mit der seinigen einen Nutzen schaffen, den der Andere nicht schaffen konnte. So in allen andern Feldern der Wissenschaften: auf allen kann die Blume des Schönen gedeihen nach der Gattung, zu der sie gehört, und dem Orte, den sie einnimmt. Allgemein geben die schönen Wissenschaften den höheren Licht, Leben, sinnliche Wahrheit, Reichthum; sie geben dies sowol dem Stoff als der Form, sowol den Gedanken als dem Ausdrucke; ja, sie sollen's dem ganzen Geiste und Charakter, dem Herzen und Leben Dessen geben, der sie mit rechter Art treibt. Ein Mensch, der schön denkt und schlecht handelt, ist ein so mißgebildetes, unvollkommenes Wesen als ein andrer, der richtig denkt und sich krumm und elend ausdrückt. Einheit ist Vollkommenheit, sowol in den Wissenschaften als in den Kräften der menschlichen Seele, sowol im Stoff als in der Form, im Gedanken wie im Ausdruck.

Ich könnte noch mehr ins Detail gehen und bei einzelnen Wissenschaften, schönen und höhern, zeigen, wie sie sich einander stützen und heben; ich halte es aber dem Zwecke, zu welchem ich schreibe, undienlich. Vielmehr will ich von der Ordnung und Methode reden, die nach meiner Meinung und Erfahrung von Jugend auf am Besten zu nehmen sein möchten, dabei beiderlei Kenntnisse sich aufs Beste einander beistehen und helfen.

1. Die schönen Wissenschaften müssen den höhern vorausgehen, doch also, daß auch in jenen Wahrheit zum Grunde liege.

Die Ordnung, wie sich Tages- und Jahreszeiten, menschliche Lebensalter und die Kräfte unsrer Seele entwickeln, zeigt uns diesen Weg. Wie die Morgenröthe dem Mittage und Frühling dem Sommer vorgeht, wie mit der Jugend, dem Frühlinge des Lebens, zuerst die Blüthen der Seele, Sinne und sinnliche Kenntnisse erwachen: so hat die Erziehung, die der Natur folgen soll, diese auch zuvörderst zu ordnen. Die schöne und angenehme Geschichte der Natur, ein Reich der Anschauungen, das Abbild der Schöpfung Gottes, geht ohne Zweifel der abstracten Physik vor, einem Reich menschlicher Gedanken und Speculationen; nicht anders die leichte und angenehme Geschichte der Menschheit einer abstracten Metaphysik und Sittenlehre. Die Logik, die sich mit deutlicher Erkenntniß, mit Begriffen, Sätzen und gelehrten Schlüssen beschäftigt, werde von einer andern Logik vorbereitet, die den gesunden Verstand und die Phantasie leitet; und da dies besser durch Beispiele als durch Lehren geschieht, so kommen wir eben hiemit wieder auf den schönen Weg der alten Schriftsteller. Werden diese den Jünglingen aus den Händen gespielt, um sie dafür mit sogenannten höhern Kenntnissen zu beschenken, so weiß ich nicht, ob ihnen, wenn sie gleich alles gelernte Scientifische im Gedächtniß behielten, der Schade jenes Verlusts ersetzt würde. Was man zu früh lernt, lernt man nicht recht. Ein metaphysisches Kind, ein systematischer Knabe ohne Materialien, ohn' alle Blüthe der Erkenntniß ist ein junger Greis, der verwelkt war, ehe er blühte. Schaffe der Jugend erst Reichthum an Sachen und mancherlei sinnliche Gewißheit; die Deutlichkeit gelehrter Begriffe wird aus ihnen wie die Frucht aus dem Keim und der Blüthe zu ihrer Zeit werden.

Es versteht sich hiebei, daß man weder bei Alten noch Neuern Worte von Gedanken, Ausdruck von Sachen zu trennen habe; gedankenlose Worte, der schönste leere Ausdruck ist eine verwelkte Blüthe. Wer in den Alten nur Phrases fängt, hat nicht einmal Schmetterlinge gefangen; er haschte nach dem Staube ihrer Flügel. Wer in den Neuern nur Formeln und Ausdrücke aufjagt, füllt den Kopf seiner Lehrlinge vollends mit Spinngewebe. Aber gute Sachen wohl gesagt ihnen darstellen, treffliche Beispiele schön vorgestellt ihnen entwickeln, wohlgeordnete Bilder und Phantasien in einer schönen Sprache ihnen ins Gemüth prägen, das bildet und nützt lebenslang.Hier folgt im ersten Druck noch: »Sie sind Bienen auf einem Blumenfelde, die nicht müssig fliegen, nicht leer wiederkommen, sondern mit Honigbeute; ist diese erst da, so ist Zeit, sie zu schichten und zu ordnen.« – D. Ein Jüngling, der in diesen Uebungen versäumt, in diesen Wissenschaften verwahrlost ist, wird sie sich mühsam und spät ersetzen, dagegen das sogenannte Höhere sich auf ihren Grund zu rechter Zeit selbst baut.

Nur liege auch den schönen Wissenschaften Wahrheit zum Grunde! Ein Lehrer, der in den höhern Wissenschaften erfahren ist, wird diese bei jeder seiner Vorübungen im Sinn und Hinterhalte haben, wenn er sie auch nicht der Form nach treibt. Denn muß nicht, vom Buchstabiren und Lesen an, ein Mensch wissen, was er liest? und wenn er zu den Uebungen der Schreibart geht, muß er nicht wissen, was er schreibt? Es wäre die äußerste Schande, leer Stroh zu dreschen, wenn in jeder Literatur die Felder voll Früchte stehen; und wenn die Frucht in Speise verwandelt werden soll, o so unterscheide man nur zwischen gesunder und ungesunder Speise! Ein an guten und schönen Mustern geübter Jüngling, der seine Kräfte fühlt, wird unmöglich fach- und wortarm bleiben. Mit der Materie wird sich ihm die Form eindrücken; unvermerkt wird er in dieser fortdenken, fortschreiben und, wenn es das Glück will, forthandeln. Leset ihm gut vor, und er wird, ohne daß er's weiß und fast will, gut lesen lernen. Lasset ihn sich an guten Mustern üben und das Schlechte ihm nicht bekannt werden, bis er sich jene eigen gemacht hat, so wird er auch in den höhern Wissenschaften gut denken, mithin auch gut reden; denn das schönste Kleid der Gedanken ist immer das engste, das anschließende Kleid der Wahrheit.Im ersten Druck folgt hier noch: »Unvermerkt kommt der Jüngling in das ernsthafte Schwerere, und es ist ihm nicht schwer, er hat gleichsam nur dazu gelernt.« – D.

2. Die schönen Wissenschaften, recht verstanden, haben den Vorzug, daß sie für alle Stände und Geschäfte sind, statt dessen jede höhere nur ein abgesondertes Feld baut; sie müssen also, zumal mit der Jugend, in dieser Allgemeinheit getrieben werden.

In frühern Jahren weiß Niemand so leicht, wozu er lernt; der Beruf und die Geschäfte des Lebens hangen nicht immer von unsrer Neigung und Willkür ab. Ist also ein Mensch gar zu einschließend und abgeschränkt auf eine höhere Wissenschaft oder Lebenssphäre vorbereitet worden, und das Glück ist ihm ungünstig, so ist er verloren; er kann nicht sein, was er sein wollte, und er war nichts außer diesem.

Zudem so hat eigentlich kein Geschäft und keine Wissenschaft eine so abgezäunte Sphäre, daß sie nicht mit andern zu thun hätte; völlige Einseitigkeit also in einem Fache gebiert nichts als Haß und Neid, unbillige Verachtung und taube Unschicklichkeit gegen jedes andere, das uns vielleicht zunächst grenzt. Der pure pute Jurist verachtet den Theologen so unbillig, als dieser jenen aus Rache oft mißversteht und mißbraucht; der Metaphysiker verketzert den Poeten, wie dieser jenen verspottet: Alles nicht zur Ehre der Wissenschaft oder zum Nutzen des gemeinen Wesens, das Aller bedarf und jeden Würdigen in seiner Art schätzt und ehrt. Die schönen Wissenschaften und der gesunde Verstand sind gleichsam die Gemeinflur, wo sich alle höheren Kenntnisse zusammen finden und erholen, wo jede ihres besondern Amts vergißt und sich des allgemeinen Zweckes der Menschheit erinnert. Ist dieser Platz von Jugend auf von Allen besucht und bestellt worden, so sind sie gleichsam Jugendfreunde; sie haben einerlei Philosophie des Lebens gelernt und sich zu ihren verschiednen Geschäften in einer Schule bereitet.

Und da öffentliche Anstalten für die Wissenschaften Versammlungsörter sind, aus denen die Lehrlinge nachher in alle Stände und Aemter gehen, so können diese Gemeinfluren, als Vorübungen für Alle, nicht sorgsam und unparteiisch gnug angebaut werden. Es ist nicht gut, wenn Schulen blos für Theologen sind und alle Vorübungen in ihnen, als ob nur Theologen daher kommen sollen, getrieben werden; es wäre aber ebenso übel, wenn irgend eine andere Wissenschaft oder Facultät sich ausschließend zum Zwecke machte. Die schönen Wissenschaften heißen humaniora, sie dienen der Menschheit und sollen ihr in allen Ständen und Formen dienen. Sie sind zu etwas mehr da, als ästhetisch zu predigen oder Anakreontisch zu dichten; auch der Staatsmann soll sich an ihnen nicht nur ergetzen, sondern durch sie bilden; auch der Philosoph und Meßkünstler soll an ihnen sein gesundes Gefühl stärken. Alle sind wir Menschen und sollen Humanität lieben; auch waren's zu allen Zeiten und in allen Ständen Zierden der Menschheit, die sie geliebt und geübt haben.

3. Es ergiebt sich aber auch hieraus, was eigentlich schöne Wissenschaften sind, die diesen Namen verdienen; humaniora sind's, Wissenschaften und Uebungen, die das Gefühl der Menschlichkeit in uns bilden. Wodurch dies gebildet wird, das ist schöne Wissenschaft; wo nicht, da ist sie's nicht, mit welchen Titeln sie auch prange.

Man rechnet Sprachen und Poesie, Rhetorik und Geschichte dazu; es kommt aber immer darauf an, wie Sprachen und Poesie, Rhetorik und Geschichte getrieben werden; sonst können auch sie häßliche, unnütze Wissenschaften bleiben. Der Sinn der Menschheit (sensus humanitatis) macht sie zu dem, was sie sein sollen; alsdann ist aber auch die Philosophie ihnen nicht fremd oder widrig, vielmehr müssen sie alle mit einer Art Philosophie getrieben und durch sie zur Humanität belebt werden: eine solche Philosophie ist gewiß doctrina humanitatis. Es ist unleugbar, daß die alten Theoristen, Aristoteles und Quintilian, diesen Sinn der Menschheit bei ihrem Unterrichte mehr im Auge hatten als die meisten neuern Theoristen. Aristoteles' unvollständige Poetik zergliedert die griechische Tragödie und will sogar ihr die Reinigung der Leidenschaften zum Zweck machen; ein Lehrer der Wissenschaften, der den Homer und Sophokles in dieser Absicht erklärt, hätte eine große Bahn vor sich. Aristoteles' Rhetorik ist ebenso voll von Kenntniß der menschlichen Seele und der Leidenschaften als voll Kenntniß der bürgerlichen Zwecke und Geschäfte, zu denen geredet werden soll. Plutarch's Schriften sind alle in diesem zarten Sinne der Menschheit geschrieben, sowol seine Abhandlungen als Lebensläufe; Cicero selbst kommt ihm hierin nicht bei. Quintilian ist eine Tenne voll goldner, gereinigter Weisheitskörner. Unter den neueren Theoristen hat sich Rollin insonderheit nach dem Geschmacke der Alten gebildet, und unter uns hat insonderheit Sulzer in diesem Geschmacke des Wahren und Guten theorisirt. Mit diesen und andern Hilfsmitteln, theils unter den genannten, theils unter andern Nationen, läßt sich in unsern Tagen wol eine Theorie der schönen Wissenschaften vortragen, von der man sagen kann, daß sie den höheren mit Geist und Leben diene.

Wie aber Theorie allein nicht Alles thut, so kommt's am Meisten auf Beispiele Solcher an, die in den höhern Wissenschaften mit dem wahren Sinne der Menschheit, und in den schönen mit Sinn und Vorgeschmack der höhern geschrieben und gehandelt haben. Ich will mein Lied nicht doppelt singen und die alten Dichter, Redner, Geschichtschreiber und Philosophen, bei denen Alles noch glücklicherweise Eins war, abermal und aufs Neue rühmen. Auch unter den Neuern hat jede höhere Wissenschaft schöne Genien gehabt, die sie im wahren Geiste der Menschheit behandelt haben, wie es auch an Dichtern nicht gefehlt hat, die mehr als Dichter waren und dies Mehrere ihren Werken eindrückten. Ich darf von den Letzten nur die Namen eines Dante, Petrarca, Tasso, eines Milton, Swift, Pope, eines Haller, Withof, Lichtwer, Lessing und Kästner nennen, sowie unter Jenen an Thuan und Montaigne, Sidney und Shaftesbury, Macchiavell und Sarpi, Erasmus und Grotius erinnern, um das Andenken so vieler Andern in andern höhern Wissenschaften zu erneuern. Ein Lehrer der Humanität, der im Geiste dieser Männer lehrt, wird, und wenn, wie in Trotzendorf's Schule, Heere von Jünglingen von ihm für alle Stände und Aemter wären, für Alle lehren. Er wird nicht mellitos verborum globulos et omnia dicta factaque papavere et sesamo sparsa auswerfen: qui inter haec nutriuntur, non magis sapere possunt, quam bene olere, qui in culina habitant,Petron., 1. 3. – D. sondern Stoff und Form geben, daß der Geist seiner Schüler hell, ihre Phantasie und Sinne wohlgeordnet, ihr Ausdruck durch Wahrheit schön und geschmückt durch Einfalt werde, am Meisten aber, daß sich in ihnen der Sinn bilde, die Menschheit überall zu lieben und ihr wahres Gute zu befördern – der beste Einfluß in die höhern Wissenschaften sowol als die große Kunst des Lebens.Hier schließt sich im ersten Druck noch an: »Wohl dem Lande, das die schönen Wissenschaften also pflegt! wohl dem Lande, wo sie diesen Einfluß in die höhern Gebiete der menschlichen Wissenschaft haben!« – D.

 


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