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Die Bestattung eines Helden

Auf dem Galgenhügel außen vor Stockholm in der Winterdämmerung blieb ein Mann vor dem Häuschen des Henkers stehen und klopfte ans Fenster. Da niemand antwortete, drehte er sich um und horchte nach der Stadt zu, die Hand am Ohr. Danach ging er ein Stück vorwärts gegen den Waldsaum, wo Görtzens Bediente flüsternd mit ihren Spaten standen.

»Guten Abend, Kameraden,« sagte er. »Es ist nur Duval, der Küchenmeister. Heraus mit der Laterne ohne Furcht! Der Meister ist weg. Alle Menschen sind jetzt in Stockholm versammelt, um die Leichenprozession Seiner Majestät zu schauen.«

Der eine von den Bedienten zog aus dem Mantel die angesteckte Laterne hervor und leuchtete in einen Sarg hinunter, der ohne Deckel neben dem heimlich geöffneten Grabe stand. Da lag auf noch frischen Tannenzweigen eine Leiche im schwarzen Samtgewand, den abgehauenen Kopfe zwischen den Füßen.

Duval schüttelte die geballte Faust gegen die Stadt und murmelte zwischen den Zähnen:

»Ihr rachgierigen Schweden! So sind denn das die irdischen Reste des stolzen Baron Görtz, unseres gnädigen Herrn. Aber gedenkt: wie ein Philosoph und Rittersmann ging er zum Richtblock und zuckte die Achseln über euer Bluturteil. Das Werkzeug schlugt ihr entzwei, den König aber, der es in seiner Hand hielt, ihn führt ihr in diesem Augenblick unterm Samthimmel zu seiner letzten Ruhestätte. Meint ihr, daß sein Schlaf ruhig sein wird?«

»Jetzt fängt das Beerdigungsläuten an,« sagten die Bedienten und drohten mit den Spaten gegen die Stadt, wo der Schein der Feuer schon den Nachthimmel färbte. – »Hört, wie die Glocken vergebens den Frieden herabrufen.«

Duval antwortete:

»Frieden können sie nicht über ein Grab herabrufen, wo die Menschen noch streiten ... Gestern Abend verkleidete ich mich als Knecht und ging in ein Wirtshaus hinein und sagte zu den Leuten: ›Werft morgen Steine auf das Bahrtuch. Stehen nicht eure blutigen Wunden noch ganz offen? Führte er nicht den Degen gegen seine eigenen Untertanen? Rufet über dem Leichenschlitten des Volksbedrückers rechten Namen ... König Herzlos, König Gottversucher, König Tor.‹«

»Und welche Antwort bekam der Küchenmeister?«

»›Hassest du ihn denn?‹ – antworteten die Männer. Was sollte ich darauf antworten, ich Ausländer? Ist dies nicht das Wunderbare mit diesem Fürsten, daß niemand ihn hassen kann? Zwei erbitterte Menschen können sich nicht begegnen und ihn tadeln, ohne daß sie anfangen, an ihren eigenen Worten zu zweifeln, wenn sie auseinander gehen; und wenn sie sich das nächstemal treffen, sprechen sie von ihm mit entblößtem Haupte. Sind wir denn selber die Toren? Tausende von Menschen stehen heute abend schweigend längs der Straßen, aber es findet sich nicht einer, der ihn haßte. Bei dem ersten drohenden Worte würden sie sich um den Leichenschlitten sammeln und ihn verteidigen, ohne selbst sagen zu können, warum. Seht ihr, Kameraden, mitunter legen wir einen Menschen auf die Waagschale und alle unsere Klugheit auf die andere, aber doch merken wir, daß die Wage gleich steht. Wisset ihr, was das bedeutet? Das bedeutet, daß es bei dem Menschen einen Tropfen der ewigen Gerechtigkeit gibt, denn der Tropfen ist schwerer als Gold und Blei, und wir haben keine Gewichte, um ihn zu wägen. Mögen wir alles das zu Eisenblut umgießen, was nach unserer Meinung jener Mensch verbrochen hat, klar liegt doch dieser Tropfen auf seiner Stirn, und die Wage bewegt sich nicht. Ich sprach von dem Bahrtuch ... Würde ich wohl selbst einen Stein auf dies Bahrtuch werfen wollen? Was ich haßte, das war die Härte des Schicksals gegen meinen eigenen Herrn.«

Die Bedienten nahmen jetzt ihre Hüte ab und fingen zu schluchzen an.

»Unser armer, unglücklicher Herr! Wer wird wohl für seine Seele eine Glocke läuten?«

»Brüder, es ist ein armseliges Schauspiel, wenn der Schiffer stirbt und alle Ratten hinauslaufen und am lichten Tage nagen ... Wir wollen jetzt die irdischen Reste unsers Herrn in einem Koffer verbergen und sie auf diese Weise heimlich mit uns aus dem Lande führen. Im Notfall müssen wir die Beine am Knie abschneiden. Dann begraben wir ihn in der Gruft seiner Väter und waschen sein Antlitz und legen die Orden auf seine Brust. Dann wird sich auch irgendeine barmherzige Hand finden, die die Armesünderglocke läutet ...«

Während Görtzens Bediente auf dem Galgenhügel bei ihren Spaten weinten, lag der gefallene König zwischen den Wachslichtern auf dem Königshofe Karlsbergs. Gleich den Geringsten unter den Gemeinen lag er in einem sauberen, weißen Hemd aus grobem Leinen, aber um den Schädel und das graue Haar saß ein Lorbeerkranz. Das Lächeln war noch im Tod auf seinem Munde geblieben, so daß die Zähne ein bißchen zum Vorschein kamen.

Ein Kißchen mit Gewürzen war über das Gesicht gelegt, und nachdem der Sarg geschlossen worden, wurde er von zwölf wettergebräunten Obersten die Treppe hinabgetragen und auf den schwarzgekleideten Schlitten unter einen Himmel aus Kronensamt gesetzt. Rechts zu Häupten ging Gierta, und dreißig dunkle und ernste Trabanten umgaben den Schlitten mit gezogenen Partisanen. Dicht daneben unter den schwarzen, langen Mänteln der Hofdiener begleitete noch der alte Hultman seinen Herrn, gleich wie er ihm gefolgt war über den Schnee der Ukraine und die Aschenfelder Poltawas. Es däuchte ihn, als ob alles, was in der Welt heilig und groß war, seinen Tod gefunden hätte, und als der Nachtwind in den entlaubten Linden rauschte, erinnerte er sich jener Stunde, da er draußen vor der geschlossenen Kammertür knieend den König sein Abendgebet lesen hörte. Sein Blick trübte sich, aber zu oberst auf dem Bahrtuch erkannte er des Reiches Krone, die er noch unter den von Lehm und Blut besteckten Soldatenröcken in einem Laufgraben beständig über des Königs Haupte hatte schweben sehen.

Als der Leichenzug sich durch Karlsbergs Gittertor bewegte, waren schon alle Feuer längs der Königinstraße und den Brücken bis an Riddarholmen angesteckt worden, aber die Februarnacht brütete sternenlos und wolkig über der Stadt. Zu hinterst unter den Trabanten marschierte ein ganz junger Mann. Sein rosiges Gesicht mit der strengen Stirn hatte eine solche Ähnlichkeit mit dem Bilde Sankt Georgs in der Großkirche, daß die Kameraden ihn unter sich Bruder Georg nannten. Tags zuvor hatte er beim Reichsrat Tessin gespeist und viel von dem Flüstern der Unzufriedenen gehört; unruhig spähte er über die Zuschauer.

»Sie stehen stumm,« dachte er. »Es muß so sein. Es ist ein Unglücklicher, den wir zu Grabe führen, ein von Gott und den Menschen verlassener Einsamer... ein Held!«

Als die vordersten Herolde auf der Königinstraße sichtbar wurden, wo die Bürgerschaft zu Fuß Spalier bildete, trat aus dem Haus Wredes der Hofstaat heraus, in langen Mänteln und von Düben geführt.

Der kam ebenso steif wie damals, als er in Bender die Lakaien mit der Muskete exerzierte, aber als er in der Ferne das Banner erblickte, an dem der Wind mit solcher Heftigkeit riß, daß es nahe daran war, gesenkt zu werden, neigte er den Kopf. Er ging so gebeugt, daß seine Verwandten in den Fenstern ihn nicht erkannten. Hierauf traten die Ritterschaft und der Adel aus dem Hause Cronhjelms, und der Landmarschall Per Ribbing, der mit Mühe die schlüpfrigen Treppensteine herunterstieg, drehte sich halb herum und sagte:

»Ich bin froh, daß ich kinderlos bin, denn sonst würde ich mich heute Abend der gefallenen Söhne erinnern, die meinen zitternden Arm nicht mehr stützen können.«

Aber als er ringsum die Geschlechter erkannte, die gelichtet waren wie ein Wald, wo jeder zweite Baum von der Axt gefallen ist, fügte er ganz leise, wie zu sich selbst, hinzu:

»Hätte ich gefallene Söhne gehabt, vielleicht hätte ich dann meinen einsamen Gang weniger schwer empfunden. Dulce et decorum est pro patria mori.«

Der Feuerschein beleuchtete die Menschen in den Fenstern und auf den Kirchtürmen, wo die Glöckner sich aus den offenen Luken verbeugten. Schritt für Schritt bewegte sich der Zug vorwärts unter dem Getöse der Pauken und der verstimmten Trompeten, und der Leichenschlitten schaukelte in dem Schnee. Rings um Norrbro schäumte das schwarze Wasser des »Stromes«, wo einst Klein Karins kleiner Geliebter, in einen Sack eingenäht, herunter geworfen worden war, und wo der Schlamm die gesunkenen Kähne und Segelboote bedeckte, die einstmals unter den Eichen bei Agnefit geankert hatten. Auf dem Riddarholmer Friedhof, wo in alten Tagen die Ersten des Landes fünfzig lötige Mark bezahlt hatten, um ihre Grabstätte unter den steinernen Platten zu bekommen, paradierte die neugebildete Leibgarde. Alle sieben Mann war ein dunkler, leerer Raum mit einem Leuchtfeuer, als hätte da ein Licht für die Gefallenen und Verwundeten gebrannt. Das Volk flüsterte davon, aber demütig und leise. Niemand weinte, und niemand drohte. Alle die Schweden ahnten, daß Jahrtausende starr auf diesen Abend zurückblicken sollten. Sie fühlten, daß sie jetzt die Hälfte ihres eigenen Wesens begruben.

Die wunderliche Kirche, um die jede Zeit ihre verschiedenen Tempel für entschlafene Großen gebaut hatte, leuchtete wie bei der Christmette, und von dem Turme läutete das Erz, das ehemals über dem obersten Schießgange in »Drei Kronen« geschwebt hatte. Bruder Göran hatte schon lange vergessen, über die Volksmenge zu spähen, und er faßte den nächststehenden Hofjunker am Mantel.

»Niemals hörte ich ein Glockenläuten, das mir so zu Herzen ging ... Es ist eine betende Freude in jedem Glockenschlage, als gälte es eine Krönung; und vielleicht ist es so. Kommt er nicht heute abend nach Hause, zu seiner Hauptstadt, nach achtzehn Jahren? Ist es nicht der erwartete, der ersehnte Siegeseinzug?«

»Und der Sieg?«

»Die Standhaftigkeit seines Willens siegte in jener Nacht bei Fredrikshall, als Gott ihn tot darniederschlug.«

»Diese Standhaftigkeit wendete er wie eine Geißel gegen uns.«

»Sind denn deine Augen noch nicht geöffnet, daß du nicht siehst: es waren unser eigner, verschwiegener Wille und Drang, die er verteidigte gegen unseren eignen Zweifel, wie einer eine Standarte schirmt gegen eine aufständige Wache.«

Es war Bruder Göran nicht mehr, als folgte er einem verlassenen Einsamen zum Grabe. Er sah, als der Held gefallen war, daß ihn die auf ihre Arme hoben, die am härtesten unter seiner Standhaftigkeit gelitten hatten.

Als Bruder Göran durch das Kirchentor hereintrat, wurde er von den fünfhundert Wachslichtern geblendet, die vor vergoldeten Bildern in einer Pyramide am Altare brannten. Er erinnerte sich nicht mehr, daß es eine Beerdigungsfeier war. Er meinte, die Musik spiele das Weihnachtslied, er meinte, daß es sei Christmette und das Fest des Mitwintermorgens für das Heim, für das Land, für die toten oder abwesenden Verwandten. Er dachte an die Gefallenen, an die Gefangenen in Sibirien und an alles, was gewesen war.

An einer schwarzen Tafel rechts waren in Goldbuchstaben die neun Jahre beschrieben, da das Glück die Schweden begleitet hatte, aber an der Tafel links las man von den neun Jahren, da das Glück beständig geflohen war.

Dort versammelten sich nun die letzten überlebenden Krieger.

Die Hofleute ordneten sich an den Denkmälern hinter dem Lichttempel, wo Magnus Ladulos und Karl Knutson unbeweglich mit ihren Steinzeptern lagen. Höre das Geklirr von Ritterketten und heiteren Turnieren, höre das wehmütige Rauschen des Schilfes am Fogelvik!

Der tapfere Axel Roos und sein Freund Aberg, der jetzt durch Gicht und Wunden so krank und schwach war, daß er sich auf eine Krücke stützte, standen auf dem Grabstein des ältesten Wasageschlechtes. Siehe, heißblütige Herren, stolz, ehrgeizig, beredt, schnell bereit, mit der Hand zu drohen oder zu gebieten!

Jede Felsenplatte in dem Boden, jeder Ziegelstein in der Mauer wurde von Sagen erleuchtet, wie Laternen von ihrer Flamme. Wie klingen nicht die Schellen des Mantels durch die Kirche, wenn König Albrecht, die Finger in dem Barte und die rötlichen Augen halb geschlossen, von breitbeinig schaukelnden Hättebrüdern umgeben, sein Deutsch mit dem Reichsmarschall der Schweden spricht! Aber wer erscheint in der Türe vor dem Panier mit den Leoparden? Die Königin Christina von Dänemark ist es und ihr Diener, während der Belagerung zu Gerippen abgemagert, sie tragen ihre Kleiderkisten, Tapeten und Silbersachen und alle die Kostbarkeiten, die den Hunger nicht haben stillen können. Hornstöße rütteln an den Fenstern. Bleich, die Hände vor den Augen, steigt sie auf die größte Kleiderkiste hinauf und stiert von dem Chor zur Stadt empor, wo, gleich einem Frühjahrsstrom von geschmolzenem Eis und Schnee, das Heer Sten Stures mit seinen runden Sturmhüten wogt, – und die ganze Zeit klirren die Fensterscheiben.

Auf die Stelle des Chores, wo Ritter Karl Nilsson Färla in grauer Vorzeit durchbohrt und mit einem Splitter der Altarschranke in der Hand zu Boden gefallen war, stand das Panier, aber die Krone wurde auf die andere Seite niedergesetzt, wo König Gösta dem Laurentius Petri den Hirtenstab gereicht hatte, und wo die Gebeine Torkel Knotssons ruhten. Höre den Gesang, höre das Gemurmel in den Karleschen Urländern, wo die Kreuzfahne über Wahrsager und Zauberer und über Jumalas blutbestrichenes Grausteingespenst weht!

Längs dem Gange zeigten von beiden Seiten die Partisanen der Trabanten gegen den Fußboden, unter der der fromme Beichtvater der Heiligen Brigitta den ewigen Schlaf schlief! Salve Regina! Siehe die Stadt Jerusalem, wo in Pilgerkleidern dein Beichtkind die Harfenschläge der Heiligen im Himmel hört!

Die Fußtritte und die schweren Rädchen der Sporen weckten das Echo unter dem Stein, wo das widrige Blut Göran Perssons mit dem seines Sohnes beigesetzt worden war. Wie hacken die Krähen des Galgenhügels die Hand des Pfarrersohnes, die die beiden Königsbrüder auseinanderstieß, – und dennoch sitzen sie nicht in Freuden beieinander. Grau die Haare, grau die hängenden Lumpen, steht der Tor am Gefängnisgitter, aber Johann durchmißt die Kapelle in der Burg zu Stockholm, mit Tinte auf den Nägeln und einer Handschrift im Gürtel. Einsam ist er, und Nacht ist es, aber auf dem Lettner sitzt der Musikmeister, und die Orgel spielt und spielt!

Der weiße Schein der Wachskerzen leuchtete über die dunkelgewordenen, fast schwarzen Gesichter der Krieger, und oben am Gewölbe erblickte man in dem gesprungenen Mörtel rote Striche, wie von Geißelhieben auf Menschenhaut. Es war die alte Mönchsschrift, die Selbstbedrohung, das auf der Stirn der Schweden eingenarbte Urteil: Sechs der Ursachen waren, sind und werden sein zu Schwedens Verhängnis: Eigennutz, hinterlistiger Haß, Verachtung gegen die Gesetze, Gleichgültigkeit für das allgemeine Wohl, kurzsichtige Neigung für Fremde, hartnäckiger Neid gegen Landsleute. – Die letzten Worte leuchteten blutrot, nur die Worte von der Verachtung gegen die Gesetze waren geblichen und beinahe ausgewischt. Wie, würden vielleicht eines Tages alle Worte ausgestrichen sein?

Zwischen den schwarzen Trauertapeten bahnte sich der Lichtschein den Weg zu den aufgesteckten Fahnen und Stammwappen, zu den feuerroten Hörnern des Oxenstjernschen Schildes und den blauen Löwen der Löwenhaupte. Dann lauschten die Toten zu Flöten und Paukenschlägen. Torstensson erinnerte sich, wie er mit der Feldkarte auf seiner Bahre saß, und Banér, wie er längs der Front mit seiner jungen Frau ritt, einem Kind, das vor den Blicken so vieler Männer scheu auf den Sattelknopf heruntersah ... Und in eine Decke aus drap d'or gehüllt, die Frauenhände, von untröstlichen Tränen genäßt, zum letzten Mal zurecht gelegt hatten, lag ihr König mit geschlossenen Augen, und in den Psalmen hörte er das Rauschen milder Sommerwinde über Lorbeerwäldern. Alle verstanden sie, daß heute nacht wieder ein schwedischer Fürst zu ihren Wohnungen herniederstieg.

In dem Dunkel draußen vor der Kirche, wo unter dem stummen Volke Rentmeister Rafelt die mit Not zustand gekommene Denkmünze auswarf, donnerten Cronstedts Feldgeschütze, und der Pulverrauch drang durch die Fenster herein.

So war denn jetzt die Karolinische Heldensage zu Ende, und jedes Gemüt empfand eine Leere, die nichts zu füllen vermochte. Draußen vor den Türen zündeten schon die Bedienten ihre Fackeln an, um dem Hofe heim ins Königshaus zu leuchten.

Bruder Göran stand mit weit offenen und träumenden Augen. Er bewegte die Lippen, und, von anderen gehört, flüsterte er:

»Laßt uns in stürmischen Nächten mit Fackeln seine Erinnerung feiern! Wo sah ich eine Grabschrift, so groß wie die, welche unser geschlagenes Volk jetzt über ihn ritzt: er machte uns nicht glücklich, und doch beweinen wir keinen wie ihn!«

Die Trabanten schulterten.

Jetzt schwiegen die Orgel, die Flöten und die Pauken. Es wurde so still, daß das kleinste Geklirr einer Waffe vernehmbar ward. Mit rauhen und erstickten Stimmen stimmten die Krieger den letzten Todespsalm an, und Schritt für Schritt trugen die Reichsräte langsam und schwer den Sarg in das Gewölbe hinunter.

Die Treppe zu der Gruft der Karle senkte sich an der Seite des Chores. Das Goldzepter in der Hand, Goldkrone, Goldapfel, Goldschlüssel, Goldschwert, – so lag er gerüstet, der zehnte Karl, siegreich und mächtig. Ohne Schmuck lag der elfte. Siehe den Holzschuhtanz der dalekarlischen Mägdelein in Mora, höre feste Worte von Gesetz und Recht, und Ernte und Frieden! – Wo wichen die wohl hin, die goldenen Tage? Wo stehen jetzt die verriegelten Scheunen?

In demselben Raum, wo der Sarg jetzt niedergesetzt wurde, pflegte vormals Pater Hieronymus, barfuß und gefolgt von der langen Reihe der Graumönche, vor dem Altar des Sankt Franziskus zu knieen. Früh vor der Tagesdämmerung kam er immer gleich treu und gleich still durch die erkaltete Kirche, aber eines Morgens blieb er weg. Er war nach Rom gegangen und hatte die Papstkrone auf seinen Kopf gesetzt. Höre den Silberklang der Glocken des Laterans, höre das Geräusch der Palmenzweige der Gemeinde!

Also hatte die Sage den Raum schon geheiligt. Wo die Altarlichter für Sankt Franziskus brannten, der evangelische Armut und Entsagung gepredigt und den Boden und die Felsenkluft zum Lager gehabt hatte, da schlief nun der Herr und König, der die Armut der Schweden zu ihrer Zierde machte. Ihr Schatten aus längst Vergangenem, zur Erde Gestiegenem, im Sternenlicht Schlafendem! Ihr, Echo einer gesungenen Sage! Höret ihr! Höret ihr, wer jetzt des Nachts an eure Wohnungen klopft? Es ist ein König, das ahntet ihr; aber merktet ihr die Sehnsucht, mit der er schon lange klopfte? Die Sage, die liebte er ... das unter großen Sternen Schlafende. Er sehnte sich danach, das Echo einer gesungenen Sage zu werden.

Zwei Steine wurden in ihren Eisenringen emporgehoben, und das Grab wurde geschlossen.


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