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Der Königsritt

Der Hofkanzler von Müller saß auf einer Fußbank vor seinem Stubenherd im Hause des schwedischen Königs in Demotica und buk Pfannkuchen. Er hob den einen vertragenen Rockschoß in die Höhe gegen das Feuer und besichtigte ihn.

»Zwar hängen die Galonen noch fest an dem Rock,« sagte er zu Oberst Grothusen, der daneben stand und sich wärmte, »aber schändlich schwarz sind sie geworden. Und das übrige schwedische Gefolge fängt an, der Teufel hole sie, gerade wie Zigeunerpack auszusehen. Ich sage mit Fabrice: ich kann mich bald nicht mehr erinnern, wie Geldstücke aussehen, ob sie rund oder viereckig sind.«

»Sie sind so rund, daß sie wie Räder rollen!« antwortete Grothusen und rieb sich vergnügt die Hände. »Ein König, ein Hof, eine kleine Armee ohne was anderes als ein wenig zusammengepumptes Kleingeld in der Tasche ... Und das in einem türkischen Marktfleckchen, Hunderte von Meilen von dem eigenen Vaterland! Zu welcher Zeit sahest du dergleichen? Gott verzeih' mir, aber ist das nicht ein so kostbarer Anblick, daß es nichts tut, wenn es mit dem Zucker auf dem Pfannkuchen zuweilen knapp ist? Von der Pforte kriegen wir keinen einzigen Beutel mehr. Obwohl ich kaum Zeit habe, nachts zu schlafen, sondern nur daran arbeite, das Reisegeld von allen Schacherern der Welt aufzutreiben, so weiß ich doch kaum, wie wir ehrenhaft von hier wegkommen sollen. Ich habe Seiner Majestät gesagt, wir müssen die ganze Reihe Gläubiger mit uns nehmen, als Nachzug bis nach Schweden, und sie in Karlshamn einquartieren, bis sie bezahlt sind. Denk einmal: das kleine Karlshamn vollgepfropft von Türken, die in den Straßenecken knieen und Allah anrufen! Jaa, mein Lieber! Wenn wir nur wegkämen! Wir müssen unter Paukenschlag und Trompeten wegziehen, wie es Schweden ansteht, verstehst du? Glücklicherweise haben wir den Staat noch da vom vorigen Sommer, als ich in der Abschiedsaudienz beim Sultan war. Sie sind sicherlich weder wattiert noch gefüttert, die Schabracken, aber außen sitzt um so mehr Messingzeug und Troddeln ... Und das ist die Hauptsache ... Und selbst sehe ich ja aus wie eine ganze Exzellenz! Nicht? Spitzenkrause, Schnupflöffel aus reinstem Dukatengold ... Im Schrank einen Ehrenpelz, vom Sultan geschenkt, ein Paar abgetretene Pantoffeln, eine Nachtmütze und einen seidenen Schlafrock, den Düben froh sein sollte in der Hochmesse tragen zu dürfen. Aber das ist auch so das letzte und läßt erkennen, was von der ganzen Herrlichkeit übrig bleibt, bis wir heimkommen!«

Je länger Grothusen sprach, desto munterer wurde er. Schließlich ging er ans Fenster und riß es sperrangelweit auf.

»Was gibt's?« fragte Müller und zog fröstelnd den Rock zusammen.

»Es ist ein Haufe Türken, der da steht und wartet, daß man Seine Majestät ausreiten sehe. Es ist nämlich ein Platzregen, und da können sie ja begreifen, daß man nicht im Haus bleiben will.«

Grothusen tastete und suchte in seinen Rockschößen, und da er ein paar große Silbermünzen fand, warf er sie durch das Fenster und rief:

»So sieht Geld aus! Es leben die Schweden und ihr freigebiger, großer, mächtiger König!«

»Ist das dein eigenes oder des Königs Geld?«

»Wenn ich's wüßte!«

»Du brauchst ja nur dein eigenes Geld in der linken Rocktasche und des Königs Geld in der rechten zu tragen.«

»Aber der linke Rockschoß hat das gnädige Zugeständnis, nur in der Notdurft die Zwangsarbeit von der rechten zu übernehmen. Mein Lieber, ich lege ehrlich Rechenschaft ab. Jeden Abend rechne ich nämlich nach, wieviel sich noch im ganzen übrig findet.«

Das Volk murmelte, aber mürrisch brummend hob Müller die Pfannkuchen vom Feuer.

»Du hast deinen leichten Sinn, Bruder! Dennoch hätte ich euch nie zugetraut, daß ihr so vornehm werden würdet, daß ihr einen Freiherrn und Hofkanzler zum Leibkoch machtet, aber ich bin froh, daß meine Pfannkuchen den Herren schmecken. Oft habe ich mich gefragt, wie wir hier unten so willig und froh alle diese Jahre hindurch es haben aushalten können.«

»Das werde ich dir erklären. Es liegt für Menschen ein so eigener Zauber darin, täglich und stündlich mit dem zusammen zu sein, der über ihr Wohl und Weh bestimmt, daß man fragen kann, ob auch die himmlische Seligkeit einmal in gerade dem gleichen bestehen wird.«

»Es wäre gut, wenn dergleichen Zeitvertreib die Menschen auch edler und besser machte.«

»Ich danke dir, Bruder! Das Wort war für mich! Ich weiß genugsam, daß mein Rücken unter euch allen wenig geschont wird. Ihr nennt mich einen leichtsinnigen Tausendsasa, einen ... Ja, gleichwohl! Ein Skeptiker und Philosoph wie ich, der den Frühgottesdienst bedenklich verschläft, hat nicht viel Liebe unter euch Schweden zu erwarten. Ich tue wohl, mich damit zu trösten, daß der König selbst weniger empfindlich darin ist als ihr! Zu Hause gilt es zu fallen, und dann wirst du sehen, Bruder, daß die schwarze Perücke des alten Grothusen nicht hinter dem Glied bleiben wird.«

»Dort zu Hause, sagst du. Antworte mir ehrlich! Hofft Seine Majestät wirklich, dort frische Truppen sammeln zu können?«

»Das tut er ... Und er wird es auch können. Es wird ein Reichsfechten, wie die Welt seinesgleichen noch nie gesehen ... Meinetwegen! In der Stunde der Not die Wucherer zu rufen, du, das ist eine Sache ... Und die Ritter könnten selten werden, wenn es keine Wucherer gäbe ... Aber die Ehre und der Degen, das ist was anderes!«

»Und deshalb bricht er nun endlich auf? Ich habe doch zu bemerken geglaubt, daß er sich noch nicht ganz im klaren ist über die nächste Zukunft?«

»Je näher er gen Norden kommt, desto klarer wird sie ihm.«

»Du denkst an die Feinde, die alten und die zu erwartenden ... Sachsen, Rußland, Preußen, Hannover, Dänemark ... Sechs feindliche Völker zu bekriegen!«

»Sieben! Du vergissest den jüngsten und gefährlichsten Feind!«

»Welchen?«

»Die Schweden!«

Müller erhob sich von der Fußbank, und die beiden einäugigen Herren standen einander gegenüber.

»Gott im Himmel, rede nicht so! Du pflegst ja sonst zu denen zu gehören, die nicht verzweifeln. Dies ist eine fremde Sprache in deinem Mund.«

»Seitdem Seine Majestät die volle Gewißheit hat, daß seine Untertanen anfangen, ihn herauszufordern und ihm zu trotzen, reitet er mit der gleichen Hitze heimwärts wie zu einer Schlacht ... Was soll man auch nach den letzten Neuigkeiten glauben? Das Land ist ohne Regierung ... Die Ämter stehen still wie das Mühlrad an einem versiegten Bache. Die Reichstags- und die Ratsherren sprechen von Absetzen ... Wir hätten einen brennenden Aufruhr, wenn die Schweden nicht ein so gesetztreues Volk wären ... und dann ist es eben das, daß er der Fürst ist! Wimmre und jammre nur nicht, lieber Müller, denn alles das ist ja nur dein eigenes altes Lied ... Und sei nicht so verflucht geizig mit dem Zucker, sondern schütte des Mannes ganze Düte über die Pfannkuchen aus ... Und halte den Kopf hoch! Adieu!«

Müller stand bekümmert und ohne antworten zu können mitten im Zimmer. Auf seinem Gesicht malte sich die größte Verwunderung, denn er hörte durch die Tür Grothusen einem kleinen Tambour zurufen:

»August! Such einmal eine ordentliche Trommel heraus! Häng sie dir um, und komm mit mir in den Bazar.«

Müller schüttelte den Kopf und setzte sich wieder zu seinen Pfannkuchen.

»Was in Jesu Namen wird Grothusen jetzt für Tollheiten begehen mit der Trommel?«

 

Am nächsten Morgen zogen die Schweden frühzeitig von Demotica aus, um endlich die Heimfahrt nach der Ostseeküste anzutreten. Hunderte von Meilen hatten sie zu wandern durch Bergpässe und durch Wälder. Hinter ihnen ritt eine lange Reihe Türken, Juden und Armenier mit ihren Säcken und Bündeln. Es waren ihrer siebzig der gierigsten Gläubiger. Der König war froh und strahlend, und die Stadtbewohner mit ihren verschleierten Frauen flehten Gottes Segen herab auf den fortziehenden Helden. Nur Grothusen blieb zurück, denn seine türkischen Freunde hielten ihn noch in der Tür fest. Der eine stopfte ihm ein Tintenfaß in die Hand, der andere steckte ihm eine Tabakspfeife in den Mund, und die schwarzen Diener zogen ihn an seinem Rock. Seine großen Nasenlöcher hielt er hoch in die Luft, und mit Grandezza entleerte er seine Rockschöße über die Hände der Diener. Dann öffnete er das Schloß zu seiner Kleiderkiste.

»Liebster, liebster Freund,« sagte er, »diese ausgesuchte Nachtmütze habe ich eigens für dich anfertigen lassen und selbst benutzt, damit sie dir ein wirkliches Andenken an mich werden solle ... Und du, mein Vater! Diese splitterneuen Pantoffel ... Du wunderst dich, daß sie so niedergetreten sind ... In höchsteigner Person bin ich fleißig in ihnen gegangen, um herauszufinden, ob sie nicht zu hart für deine Füße sind ... Und du nimm diesen seidenen Schlafrock ...«

Wie ein Verfolgter sprang er auf seinen Wagen und befahl dem Kutscher, davonzufahren.

Als die Schweden am Abend nach Timurtasch kamen, überreichte ein Pascha dem König, als Geschenk vom Sultan, ein seidenes Zelt und einen Säbel mit edelsteinbesetztem Handgriff.

»Jetzt geht mein Zobelpelz dahin!« sagte Grothusen halblaut zum König. »Eine andere Gegengabe ist nicht aufzutreiben, und Eure Majestät selbst haben ja nichts als einen verstaubten Rock und ein halbes Dutzend grober Soldatenhemden.«

»Leihe mir auch das Tintenfaß und die Pfeife, die du neuerdings bekamst,« antwortete der König, den Schalk im Auge. »Ich müßte dem Häuptling des Janitscharengeleites auch etwas verehren.«

»Schenke den ganzen alten Grothusen als Eunuchen in des Sultans Serail!« jubelte Grothusen und rieb sich die Hände und wurde immer mutwilliger, je spaßiger es ward. In dem Augenblick fiel sein Blick auf seinen kleinen Tambour, der mit den Schlegeln unter dem Arm mutlos seines Weges ging.

»Deine Trommel hat keine Stimme im Maul! Da steckt irgend etwas Gestohlenes drin!« riefen die Kameraden des Knaben höhnend.

Als sie die Trommel untersuchten, fanden sie, daß sie mit vier Siegeln versiegelt war, und dem Knaben standen große Tränen in den Augen.

»Schlage du nur tapfer deine verstimmte Trommel!« befahl Grothusen. »Ich war es, der sie versiegelte wie Pilatus Christi Grab ... Und ein wenig Trauermusik müssen wohl doch die türkischen Wucherer hier hinter uns haben, die nun ins Exil reiten müssen an unserer Stelle.«

Aber abends, wenn die Schweden einige kurze Stunden beim Schein des Lagerfeuers ruhten, klopften und rüttelten die Musikanten an der Trommel und meinten, daß sie gefüllt sei mit unterschlagenem Königsgeld und Wertpapieren.

»So ein Spitzbube!« flüsterten sie. »Es ist keine Kunst, freigebig die linke Rocktasche zu leeren, wenn man die langen Finger in die rechte steckt!«

Schon um zwei Uhr in der Nacht ließ der König zum Aufbruch blasen. Er sprengte bei dem Lagerlicht zwischen den Felswänden hervor. Als er sich in Pitesti wieder an der Grenze der Christenheit befand, begegneten ihm die in Bender zurückgelassenen Scharen, und die letzten Saporoger, die in so manchen Gefahren treu geblieben waren, nahmen knieend seine Abschiedsworte entgegen. Dann ging er zu Grothusen.

Dieser war gerade im Begriff, die Gulden zu zählen, die einer von den Trabanten, der aus gewesen war, in Siebenbürgen aufgetrieben hatte. Der König sagte zu ihm:

»Mein Paßbrief ist nun fertig. Ich werde Kapitän Frisk heißen, und mit Rosen und Düring reite ich spornstreichs nach Stralsund.«

Da nahm Grothusen seinen galonierten Hut und seine Perücke ab und gab sie dem König.

»Pantoffeln, Nachtmütze, Ehrenpelz und seidenen Schlafrock ... Suche sie, suche sie! ›Alles ist weg!‹ Jetzt gehen Perücke und Hut! In der Verkleidung und dem tabakbraunen Leibrock werden Eure Majestät so zur Unkenntlichkeit ausstaffiert sein, daß, hätten nicht alle Rosen Glück bei den Frauen, keine Wirtshausmagd – salvo honore – den Herren ein Glas Wasser würde anbieten wollen. Ich für mein Teil bin dankbar, den Leib auf dem Königsritt quer durch Europa nicht opfern zu müssen...«

Grothusen selbst setzte sich jedoch sogleich auf den Reisewagen, um zuerst hinzugelangen und seinen Herrn am schwedischen Meer empfangen zu können, längs dessen Küsten der Feind jetzt seine Festungen und Städte baute.

Tag und Nacht übte der König unter wilden Ritten seine zwei auserwählten Begleiter und die Trabanten, die ihm in eintägigem Abstand folgen sollten. Als endlich die Stunde schlug, da er die Verkleidung anlegen und in den Sattel springen durfte, gab er seinem Wallach mit solcher Heftigkeit die Sporen, daß Düring und Rosen gleich beinahe ein paar Pferdelängen zurückblieben. Es war nicht nur die schwere Perücke, die seine Wangen erglühen machte. Er sah aus wie am Morgen vor einem Treffen. Er, der frisch und gesund Monate in einem Krankenbette ausgehalten hatte, um einer demütigenden Audienz beim Sultan zu entgehen, und der jahrelang seine Tage in einer türkischen Kleinstadt vertan hatte, in der Hoffnung, ein großes Heer als Gefolge sammeln zu können, ritt nun ungeduldig von dannen mit seinen zwei Kameraden und ohne einen einzigen Diener.

Die Hufe klirrten wider die Steine wie die eines durchgehenden Pferdes, und der erwachte Winzer sprang in seiner Hütte zur Tür.

»Wer reitet dort so ängstlich?« fragte er. »Ist es ein armer, verfolgter Deserteur, so mag er hier unter mein Dach steigen, und meine Frau und ich werden ihn verbergen und ihn auf Stroh betten...«

»Hüte dich, Vater, vor des Ritters Degen!« antwortete Düring. »Er sitzt bei Tag lose in der Scheide. Es ist ein Offizier, der ausgeschickt ward nach einem ungetreuen Freund und Anverwandten, und der eifrig ist, ihm zu begegnen ...«

Aber für sich selbst flüsterte er:

»Der Anverwandte heißt das schwedische Volk ... So sollte das unser letzter Kampf werden!«

Mit der versiegelten Trommel unter Körben und Kantinen auf dem Kutscherbock rüttelte Grothusen unterdessen gen Stralsund. Sein Herz schlug wie das eines Jünglings, als er zum erstenmal den Namen der Stadt auf einer schiefen Wegweisertafel las. Bald hörte er den Stundenschlag von der Nikolaikirche. Er unterschied die vereinzelten Lichter bei den Wachen und Kranken, und auf der Zugbrücke sprang er aus dem Wagen und rief dem Wächter zu:

»Der König, der König! Wo ist er? Welche Nachrichten?«

Der Wächter wußte nichts, und jeden Morgen spähte Grothusen von dem Wall aus nach seinem heimkehrenden Herrn. Die Züge vom klarsten Mondschein überstrahlt, kam der König eines Nachts in Dükers Haus an, und schon den nächsten Morgen, nachdem die Stiefel von seinen geschwollenen Füßen weggeschnitten worden waren, stieg Grothusen in seine Kammer mit der frohen Begrüßung:

»Majestät! Bin verliebt!«

Der König nahm ihn herzlich bei der Hand.

»Liebster Grothusen, wir werden hier etwas anderes zu bestellen haben, als Demoiselles aufzuwarten.«

»Es ist gar keine Demoiselle! Sie ist sicherlich sowohl Mutter wie Großmutter... Ich kenne sie übrigens nicht... Aber ich bitte demütigst, jetzt wie früher bei allen meinen Tollheiten Eure Majestät als geheimen Vertrauten behalten zu dürfen.«

Grothusen breitete seine Papiere vor dem König aus und deutete mitunter auf eine Ziffernkolonne, aber um die Arbeit leichter und lustiger zu machen, erzählte er unterdessen von seinem Abenteuer.

»Es war eines Mittags, gerade als ich mich hier zu Düker begeben sollte. Beim Knipertor lag in der Sonnenglut ein Haus, das so weiß war, daß es mir in die Augen stach und mich zwang, aufzuschauen. Da saß sie am Fenster... Nein, nun sind Eure Majestät an einer falschen Ziffernkolonne! ... Die zweitausend Gulden, die hier fehlen, habe ich für eigne Rechnung verzehrt... Ja, da saß sie am Fenster unter einer Gardine mit weißen Fransen. Auch sie war beinahe weiß, aber schön aufgekämmt, und ihr Antlitz war schmal und von unendlicher Milde überstrahlt... Sie ist sicher über siebzig Jahre, – aber sie ist ja immerhin eine Frau! Es gibt nichts so Vornehmes und Edles, gnädigster Herr, als eine alte Dame anzubeten. Man sehnt sich nicht danach, sich ihr zu nähern. Sie steht oben am Fenster wie eine Erinnerung, eine heilige Legende. Man grüßt sie nur verehrungsvoll mit dem Degen, wenn man mit seinen Truppen vorbei...«

»Es ist ganz spaßig, Grothuschen wieder zu hören. Meine alte Schwäche für geistreiche und verrückte Menschen scheint mit den Jahren zuzunehmen. Dieser holsteinische Görtz, der bald hierher kommt, muß auch so ein riesig behaglicher und beredter Herr sein mit großen Seelengaben.«

»Ich selbst habe seine Dienste Eurer Majestät allzeit anempfohlen, obgleich ich weiß, daß ich und Feifen dann allerschönstens in den Schatten kriechen dürfen. Ade! Ade! So ein kleiner Finanzenpfuscher wie ich taugt nicht länger in diesen schweren Tagen, da das ganze Reich auf dem Spiele steht. Hier bedarf es eines großen Höllenministers des Auswärtigen ... Görtz ist kühn und geistreich, ein Krieger in den Staatskünsten, und er hat den Administratoren von Holstein Geld wie Gras aufgetrieben. Er ist schlauer als zehn Grothusens und fünfzig Müllerns oder Feifens. Aber was mir Kopfzerbrechen macht, ist die Frage, wie man ein Billet d'amour aufsetzt an eine so hochbejahrte Dame, wie meine Schöne am Knipertor.«

Wieder leuchtete der Schalk aus des Königs Auge, er reichte Grothusen die Feder hin.

»Stell dich ans Tischende und schreibe, so werde ich diktieren.«

Der König überlegte eine Weile, danach begann er:

»Edelste Dame! Ein schmutziger, alter Kriegsmann, wie ich, darf gewiß nicht um eine Audienz bei einer so edeln Dame wie Madame betteln, aber die edle Dame könnte vielleicht günstiglichst ihm ihr Konterfei schicken, aber bald, denn mein König sagt, daß hier bald alles mit fallen endigen wird, so daß es gewaltig eilt mit dem Konterfei...«

Grothusen lachte und schrieb und lachte, und von Zeit zu Zeit sprach er von den Rechnungen und Staatsgeschäften und von Görtz. Als das Billett fertig war, faltete er es und küßte seines königlichen Freundes Hand, und nicht viel später marschierte er den Weg hinunter nach dem Knipertor.

Da geschah es schließlich eines Tages, daß Müller, welcher endlich auch in Stralsund angekommen war, mit Grothusen im Vorgemach des Königs saß und arbeitete. Ein Lakai öffnete die Türe und meldete:

»Herr Baron Georg Heinrich von Görtz!«

Einäugig, ritterlich, mit perlmutterbesetztem Griff am Kammerdegen und Orden auf dem kostbaren Sammetgewand, schritt Görtz über die Schwelle. Er faßte Grothusens und des verwirrten Müllers Hände und legte sie auf seine Brust. Auf diese Weise blieben die drei einäugigen Herren voreinander stehen. »Sagen sie mir aufrichtig,« sagte Görtz und deutete mit dem Kopf nach des Königs geschlossener Tür, »wie lange ist es eigentlich her, seit unser Held zuletzt badete?«

Grothusen antwortete:

»Laß mich sehen! Er badete das letztemal vergangenen Sommer zu Demotica... Aber er ließ sich in der Zwischenzeit mit Eiswasser übergießen... Über so etwas kann die Exzellenz gut mit ihm spaßen... Nur eines will ich raten. Sprechen Sie nicht unnötigerweise von den Schweden!«

Görtz schloß die Augen und nickte und ging zum König hinein.

Ein leiser Schatten flog über Grothusens faltige Stirn, und er murmelte Müllern zu:

»Während Seine Majestät sich dem Teufel verschreibt, gehe ich, glaube ich, auf den Jahrmarkt hinunter und verjage die Gedanken.«

 

Als Görtz den König begrüßte, trat er mit einer manierlichen Ungezwungenheit und ohne ein einziges schmeichlerisches Wort vor ihn hin.

»Wunderlich!« sagte er, »lassen Sie in einem großen Saale eine Münze fallen, so rollt sie über den ganzen Boden, bis daß sie sich unter dem Schrank versteckt.«

Der König, der gegen den fremden Glücksfreier noch teilweise mißtrauisch war, nahm einen Dukaten aus der Börse, die zufällig über den Papieren auf dem Tische offen dalag, und warf die Münze auf den Boden. Sie rollte im Kreis und blieb gerade vor ihm liegen. »Sapristi!« sagte Görtz. »Sapristi! Will man, daß das Geldstück unter den Schrank soll, so bleibt es mitten auf dem Boden liegen.«

Im gleichen Augenblick geschah es aus Versehen, daß der König mit dem Degengriff gegen die Börse stieß, so daß alle Dukaten klingend auf den Boden fielen. Wie eine Herde erschreckter Schafe jagten sie mit ihrem runden Rücken nach allen Seiten und versteckten sich unter dem Schrank und Tisch und schließlich sogar hinter dem Ofen.

Nun erst begann Görtz sich tief und tiefer zu bücken.

»Sehen Sie! Ich bin klein in Glaubenssachen, das bekenne ich ehrlich, aber in einem Stück bin ich doch abergläubisch. Eine Bombe kann mitten in ein dichtgedrängtes Bataillon fallen, ohne einen einzigen Mann zu verwunden, aber noch nie ist es in der Welt vorgekommen, daß ein Butterbrot auf den Boden fiel, ohne mit der Butterseite nach unten im Staube liegen zu bleiben. Es gibt in der Luft eine Art von Kobolden, die vom Teufel selbst eingedrillt sind. Wären sie nicht unsichtbar, so würden sie kleinen bräunlichen, umherfliegenden Bienen gleichen. Sie verursachen ihrerseits keine großen Übel, sondern nur kleine Ärgernisse, aber da, wo der Ärgernisse zu viel werden, kann es zuletzt mit einem großen Unglück endigen. Es sind diese kleinen unsichtbaren Kobolde, die gereizt und gelockt werden von den gezogenen schwedischen Waffen. Soll nun eine Flagge gehißt werden, so reißt der Strang. Soll ein Soldat über ein gefrorenes Grab schreiten, so bricht das Eis. Einfacher gesagt, Eure Majestät werden nun gleich eifrig vom Unglück verfolgt wie ehedem vom Glück.«

Der König trällerte leise:

»Wie, wenn man wollte,
Mit Absätzen sollte
Man treten Kobolde?«

» Quilibet fortunae suae faber! Man verscheuche sie. Um anzufangen weise man aus seiner Nähe alle kleinlichen Menschen, denn solches Volk hat eben so viel unsichtbare Kobolde im Hosengurt, wie ein Troßknecht Flöhe. Dann ziehe man den Degen gegen die ganze Welt und folge seines Willens Stern...«

»Die schwedischen Herren versichern, daß zu Hause bald kein Rundstück mehr aufzutreiben sei.«

»So lasse man neue Rundstücke schlagen! was ist Geld? Schuldzettel auf vorhandene Werte. Ob das Stück Königreich, das da oben liegt, nicht ein Wert ist, auf den man beinahe so viel Schuldverbindlichkeiten ausschreiben könnte, als man wollte?«

»Ich habe selbst längst an eine Notmünze gedacht. Aber wäre das rechtschaffen? Ein Herrscher soll ehrlich sein. Es darf sich kein Flecken an seiner Ehre finden lassen. Seien Sie des eingedenk!«

»Gewiß, gewiß! die Notmünze ist zu borgen! Im Jahre des Segens gibt man das Echte zurück und wirft die Notmünze in den Ofen. Wer hoch zielen will, darf sich auch nicht fürchten, selbst Luzifern die Pfeile schmieden zu lassen!«

Des Königs kühner Gedankenflug warf sich sogleich auf die Frage wie in ein Handgemenge gegen einfältige Vorurteile. Selbst hatte er nicht einmal in der Wüste die Hand in die Tasche gesteckt, ohne sie mit Dukaten füllen zu können. Gleichgültiger gegen seine Kleidung und seine Herberge als ein Bettler, hatte er doch nie einen Gegenstand gesehen, den er wirklich Sehnsucht gehabt hätte zu kaufen. Seine Dukaten hatte er nie zu etwas anderm verwandt, als um andere aufzumuntern und zu belohnen. Das Geld war für ihn ein Staatsmittel. Hingegen sah er täglich, daß, sobald er den anderen befahl, ihr Geld dem Heere zu geben, sie anfingen zu murren und Ausflüchte zu suchen, und seine Verachtung gegen solche Diener knäulte sich schlangengleich mit seiner unbezwinglichen Sehnsucht nach Genugtuung, nach Rache an seinen Feinden, die ihn angesichts der Welt in einen solchen Abgrund gestürzt hatten. War er nicht ein König, Herr über Millionen Menschen! Warum wurde er dann beständig gehindert und gebunden von solchen an sich wertlosen, kleinen Metallplatten, die hier Reichstaler und dort Gulden genannt wurden? Es war dies eine Erfindung, mit der der niedrige Sinn den Menschenwert umdrehte und die Ehrlichkeit betrog, um selbst zu schwelgen, wäre es irgend ein Verbrechen, an einer solchen Erfindung einige Schrauben umzusetzen? Eigentlich müßte das Geld ganz und gar abgeschafft werden.

Nach einigem Überlegen sagte der König:

»Und die Bedingungen?

»Daß ich holsteinischer Untertan verbleibe, aber frei meinen Mithelfer wählen darf und nur vor Eurer Majestät mich zu verantworten habe. Die Ämter sollen umgeformt werden mit größerem Nutzen für die Königsmacht. Das Heer ...«

Der König fiel ihm sofort in die Rede.

»Aber nicht ein Fußbreit Erde von dem väterlich ererbten Reich darf an den Feind abgetreten werden durch Friedensschluß oder Kaufvertrag. Lieber mögen wir alle sterben und mag ganz Schweden verbrennen. Ich fing den Krieg nicht an. Die Nachbarn legten sich in den Hinterhalt, als ich noch ein unerfahrenes Kind war.«

Jetzt erst kniete Görtz.

»Die Welt kann nie den Helden verstehen, der lieber bei seiner beschworenen Abrede verbleibt, als den schlauen Politiker spielt; aber feig ist, wer sich dem entzieht, einer solchen Standhaftigkeit zu dienen. Es standen schwache Zeichendeuter an der Wiege Eurer Majestät. Des Löwen Sternbild sahen sie wohl, aber sie lasen nicht in den Gestirnen, daß die Feuersbrunst schwedischer Großmacht schon dahinter angedeutet stand ... unwiderruflich ohne Abhilfe. Der Kämpe, der aus dem Steinhaufen stieg, um die Schweden in dem großen Streit zu sammeln, er braucht Männer. Ich bin ein Fremdling, aber so gewiß ich lebe, rede ich von Herzen und in Wahrheit. So lange meine Kräfte reichen, will ich von Ost und Westen das Holz zusammenschichten zu einem Bollwerk dieser Art, das nur schlimm genug gezimmert werden kann mit Nägeln von gutem Dukatengold.«

»Dies Spiel kann gefährlich werden.«

»Das Gefährliche ist das Lustige. Ein braver Diplomat muß jeden Tag für das Schafott bereit sein, wie ein Krieger für die Kugeln. Mißglückt alles, ja, dann soll auch das Bollwerk ein Scheiterhaufen werden, der die Nacht ringsum zum lichten Tage macht, und die Feinde zu bloßen Schatten und Schemen. Mir bleibt dann nur der Ehrentod, selbst auf dem Scheiterhaufen verbrennen zu dürfen bei meinem Herkules. Unsres guten Luthers »Wein, Weib und Gesang« hat mir immer zu sehr nach dem Wirtshaus geschmeckt, und ich will lieber die Worte setzen: »Wer nicht liebt Weib, Ruhm und Macht, der bleibt ein Narr bis in die Todesnacht!«

Angefeuert durch die augenblickliche Aufrichtigkeit und seine eigene Wärme, hatte Görtz vergessen, das Wort »Weib« zu streichen, aber der König achtete nicht darauf, sondern ging ihm mit blitzenden Augen entgegen.

»Mein Bild darf nicht auf die Notmünze gesetzt werden!« »wir können ja den ganzen Olymp nach abgedankten Göttern plündern.«

Der König stand lange schweigsam. Dann fügte er mit leiser und unsicherer Stimme hinzu:

»Es darf auch nicht das Wappen des schwedischen Reiches darauf gesetzt werden!«

Über seine gerunzelten Augenbrauen legte sich eine tiefe, finstere Schwermut.

Betroffen, unschlüssig und eilig stand Görtz vom Boden auf und ging ans Fenster und deutete auf den Platz hinunter.

»Wenn Eure Majestät nochmals bittere Gedanken überkommen, so gehe sie nur ans Fenster und schaue auf den Platz hinunter. Da wird es nicht schwer, herzlich zu lachen.«

»Es ist schon lange her, seit ich von Herzen lachte...«

Unten auf dem Platz unter den Mädchen beim Bretzelstand ging Grothusen auf und ab, und hinter ihm stand ein kleiner Tambour mit der versiegelten Trommel.

»Schlage nur einen kühnen Wirbel und trommle die Mägde zusammen,« befahl Grothusen.

Der Knabe rührte die Schlegel, und als alle Mädchen neugierig herzugesprungen waren und rings herum standen, brach Grothusen die Versiegelung auf und spannte das Trommelfell ab. Danach hob er aus der Trommel alle möglichen frauenhaften Spielereien, die er während des letzten Abends in Demotica auf dem Basar eingehandelt hatte. Es waren kleine Tücher und Schleier und Spiegel und Rosenölfläschchen und Halsbänder mit Halbmonden und Münzen. Er schwenkte die Tücher hoch in die Luft. Mit zurückgeworfenem Haupt und Schweißtropfen auf dem pfefferbraunen Antlitz rief er seine Waren aus und hielt eine Auktion. Für die eine Kleinigkeit verlangte er einen Kuß, für die andere eine Umarmung, für die dritte einen Tanz auf offenem Platze.

»Schau, schau,« fuhr Görtz fort, »wie unser Oberst seine heidnischen Tücher dem christlichen Frauensvolk zustopft! Er ist ein bon garçon, unser Freund da unten, aber Männer solchen Schlages sind doch nicht gewachsen, einem Karl dem Zwölften zu dienen ...«

Der König begann nun sich zu verneigen, zum Zeichen, daß Görtz abtreten könne.

»Der Verleumder hat auch behauptet, daß Sie, Baron, ein arger Schelm seien. Eines will ich Ihnen sagen. Wenn wir in Zukunft zusammen arbeiten, soll der Baron nie schlecht sprechen von irgendeinem Abwesenden, denn dann nehme ich immer die Partei des Abwesenden. Wieviel Schlimmes hat man nicht versucht, mir ins Ohr zu flüstern wegen der Trommel dort unten ... Und was enthält sie? Ja, harmlose Spielereien und Lappalien! Wenn Grothusen auch ein verschwenderischer Diener war, so hat er wenigstens nie etwas in den eigenen Sack gesteckt ... Jetzt will ich ein paar Akte durchgehen.«

Görtz biß sich in die Lippen, aber als er herunterkam, winkte er mit einer hochmütigen Gebärde seinen Freund Grothusen ans Wagenfenster.

»Der kranke und blutende Löwe von Ukraine und Poltava hat seine Tatzen so lange ausgeruht, daß die Klauen länger und schärfer geworden sind denn je. Drücket den Hut fest auf den Kopf und knöpfet den Rock, meine Herren, und haltet euch bereit! Die Herbststürme beginnen!«

 

Die geringzählige Besetzung von Stralsund hörte bald das Kanonenspiel des Feindes außerhalb der Mauern. Glockenschläge riefen die Mannschaft zu den Wällen oder zu brennenden Häusern. Gegen Morgen legte sich der König mit dem Hut über dem Gesicht zu einer Stunde Ruhe auf das Steinpflaster im Frankentor. Wach stierte er in den dunkeln Hut, aber die Knechte, die mit der Handlaterne auf ihn leuchteten, fanden nur das Kinn und die Lippen, über denen noch ein Lächeln schwebte, zusammengebissen und kalt, als hätte es nur zu seiner Gesichtsbildung gehört. Dann flüsterten sie, daß sie nie einen freimütigeren Helden gesehen hätten, aber abseits im Sternenlicht standen viele hohe Offiziere und sprachen davon, daß nur sein Tod das schwedische Reich retten könne.

Er wußte, wovon sie sprachen, obgleich er es nicht merken ließ. Das Volk, von dem er seine größten Träume geträumt hatte, erblickte bereits in seinem Tod die Erlösung. Wann erlitt ein König ein entsetzlicheres Geschick? War er denn nur geboren worden, um die Schweden in ihrem letzten großen Streit anzuführen und dann weggeworfen zu werden wie ein verbrauchtes Werkzeug? Seiner Schwester Gemahl schielte schon nach seiner Krone, und der Sohn seiner dahingeschiedenen Lieblingsschwester hob schon gegen ihn die Kinderhand.

Bei der Abendmahlsfeier demütigte er sich und betete mit aufrichtigen Tränen, aber nie weinte er über seine eigenen Mißgeschicke. Waren sie nicht einfach Feinde, denen er mit des Rächers Zorn zu begegnen hatte? Er wurde härter und kälter gegen die Offiziere und sprach öfter mit geballter Faust, aber er befahl auch um so strenger über sich selbst und seine eigenen Gedanken. Freilich vernachlässigte er immer mehr seine Kleidung, so daß er vierzehn Tage dasselbe schmutzige Hemd tragen konnte, aber er bezwang seinen hinkenden Gang. Sein Haar schimmerte schon silbrig, obgleich er kaum dreiunddreißig Jahre alt war, aber wenn er wachend in seinen Hut aufsah, wiederholte er für sich selbst: Es muß der Wille Gottes sein, dem ich folge. – Sodann richtete er sich auf wie ein ausgeruhter Jüngling und reichte seinen Mantel einem frierenden Graukopf, – aber wenn die Heimat oder die Schweden genannt wurden, dann zupfte er an seinen Rockknöpfen und schwieg.

Eines Tages exerzierte Grothusen mit größerem Eifer als gewöhnlich seine Soldaten unten vor dem Fenster der Schönen am Knipertor. Regungslos wie ein Bild saß die alte Dame hinter den Blumentöpfen, und als Grothusen seinen Hut abzog, blinkten die neuen Galonen.

Er winkte seinem kleinen Tambour.

»Noch hat deine Trommel nicht ihre volle Sprache. Laß sie uns öffnen. Hier liegt ein Paar der niedlichsten kleinen, goldgestickten Schuhe. Geh hinauf zu der Dame und sage ihr, daß dies eine Abschiedsgabe von Grothusen sei. Nun ist die Trommel leer.«

»Herr General! Es liegt eine türkische Goldmünze auf dem Boden.«

»Meiner Treu! Die ist in der Eile da hinein geraten. Es ist Königsgeld! Jetzt sollen wir hinaus nach Rügen, wo die Preußen und Dänen die Absicht haben, ans Land zu steigen, um uns auch von der Seeseite einzuschließen. Geh mit der Münze zum König und bitte ihn, sie als Erinnerung an die Jahre entgegenzunehmen, in denen Grothusen das Glück hatte, ihm in fernem Land dienen zu dürfen. Möge das Gold einmal in friedlichen Zeiten im Tiegel umgeformt werden zu ehrbarem Geld, auf dem die Schweden wieder sowohl ihr Wappen wie ihren König betrachten können. Sag all dieses in Demut vom Grothusen!«

Als alles zum Aufbruch geordnet wurde, salutierte Grothusen mit dem Haudegen vor seiner siebzigjährigen Dame. Während er die Straßen entlang ritt, winkte er den neugierigen Mädchen an Fenstern und in zusammengeschossenen Verkaufsbuden, und zum erstenmal seit Demotica donnerte seine Trommel mit voller Stimme. Es gab ein solches Echo von den Kirchenmauern, daß es dem dumpfen Rollen feindlicher Feldstücke glich. Unerschrocken, erregt ratschlagte Düker unten vor seiner Treppe mit dem König. Auf Bassewitzens erbittertes Geflüster über Görtz horchend, ritt Daldorff unter den Generalen, und der kleine Cronstedt klopfte seinem Stückjunker auf die Schulter. Bald eilte er nach der einen Seite, bald nach der anderen. Er untersuchte seine schnellfeuernden Kanonen, wie ein guter Stallmeister seine Pferde, und mitunter polierte er mit dem Zipfel seines Mantels die neuerfundenen Polhemschen Richtschrauben.

»Es wird ein harter Kampf,« sagte er, »und erst wenn Seine Majestät auf schwedischem Boden steht, will ich den Königsritt geglückt nennen.«

 

Die Herbststürme brausten in ihrem Dämmerlicht über Rügen, und es ächzte und stöhnte in den Klüften und an der Küste. Kein Stern erzählte von Gottes Güte, und als die Truppen zum Gottesdienst aufgestellt waren, erscholl aus des Predigers Mund das alte Rächerwort des Testamentes. Die Schweden hatten jetzt solchen Mangel an Leuten, daß sie als Vorposten angebundene Hunde ausstellen ließen, deren klagendes Geheul das Rauschen der Brandung unterbrach.

»Es bedeutet den Tod, wenn die Hunde winseln,« sagten die Soldaten.

Das Landvolk wurde mit Äxten und Sensen bewaffnet, aber durch den Regennebel geschützt, näherten sich die Feinde dem Strande und setzten schließlich draußen am nächsten unbewachten Dorfe, Stresow, mehr als zehntausend Mann an Land. Der Wind riß die Nebel weg, und der Mond stieg klar auf über der verödeten Gegend. Schon um die dritte Stunde der Nacht krochen die von den Feinden ausgestellten Feldwachen vorsichtig über den Sand zurück und meldeten, daß die Schweden sich näherten.

Der König stand einen Augenblick, um seinen Mantel abzuhaken, und wandte sich zu Daldorff und den Leibtrabanten:

»Die Jahre sind verflossen. Wir haben es gut zusammen gehabt! Wer weiß, wann das Blei im Schmelzlöffel siedet, das unser Tod wird.«

Grothusen zog von seiner Brust einen gelben Handschuhstulpen zwischen den Rockknöpfen hervor und antwortete:

»Ich nahm den Handschuh bei Bender von meinem gnädigen Herrn, und keine Frostnacht ist so kalt gewesen, daß der Handschuh nicht mein Herz erwärmt hätte.«

Da entblößte Daldorff sein Haupt:

»Wenn ich meine Kugel bekomme, – könnte dann mein armer und zerfieischter Staub noch lächeln und reden, in der Erde würde er sich nach den abziehenden Truppen wenden und eines dankbaren Mannes Segen über die rechtschaffenen Waffenbrüder herabflehen ... Ach, daß der Segen nur noch einmal unserem Wege leuchtete! Gleich dem Landmann, der es für nützlich erachtet, den alten Acker zuzuschütten und ihn neu zu besäen, so zerstückt und verändert Gott Reich und Macht, wenn er die neuen Grenzzeichen gesetzt hat, erlaubt er niemandem, die Marksteine an ihren früheren Platz zurückzutragen, wir verstehen nicht seinen Willen, wir erkennen bloß, daß er gegen uns ist.«

Der König antwortete:

»Gott ist mit uns. Es kann nicht sein Wille sein, daß das schwedische Reich zerstückt werde. Ist es so, so möge er uns das Zeichen dadurch geben, daß er uns einen nach dem anderen sterben lasse.«

»Das sind einfache und wahre Worte!« antwortete Daldorff. Die Offiziere, die außerhalb des Stadttors von Stralsund abseits im Sternenlicht miteinander geflüstert hatten, erinnerten sich nicht mehr ihrer düsteren Gedanken. Sie drängten sich statt dessen mitten unter die Leibtrabanten um dem König möglichst nahe zu kommen. Es schien ihnen, als ob sie in seinem Wesen etwas von Gottes eigner harter und unbarmherziger Liebe für das Rechtschaffene und für die Erfüllung seines Willens wiedererkennten.

Das Gespräch brach ab. Die Trompeten tönten nicht, die Trommeln wurden nicht gerührt, die Fahnen wurden zusammengerollt und gesenkt getragen. Mit gezogenem Degen schritt der König vor seiner Schar. Er hatte kaum dreitausend Mann. Die sollten jetzt kämpfen drei gegen zehn und die Feinde überrumpeln und ins Meer zurückjagen.

Er hielt inne:

»Was ist denn das? Hier stehen spanische Reiter, und im Mondlicht sehe ich eine Redoute! Die Feinde haben die Zeit gut ausgenutzt ... Vorwärts!«

Längs des Schanzdammes sprühten in demselben Augenblick eine Reihe von Feuerstrahlen empor, und die erste Salve krachte durch die Nacht, aber die Schweden stießen die spanischen Reiter beiseite und stürmten gegen den Wall hinan.

Cronstedts Kanonenkugeln sausten über ihren Köpfen und warfen Steine und Sand auf, wo sie die Verschanzung trafen. Der Boden bebte, und von allen Seiten blitzte das Musketenfeuer. Es schwirrte und schrie, als ob ein Heer hungriger Weihe über den Strand segele, die Pulverwolken häuften sich so hoch, daß das Mondlicht nur an einzelnen Stellen durchzudringen vermochte und daselbst auf dem Boden weiße Flecken wie von Schnee hinmalte. Noch lange konnten die Kämpfenden, wenn das Geräusch eine Zeitlang nachließ, aus der Ferne das Geheul der angebundenen Hunde hören, aber bald wieder wurde das Getöse so heftig, daß die Soldaten nicht einmal die Kommandorufe der Offiziere aufzufangen vermochten. Die Fäuste um den Degengriff geballt, stürzten die Schweden vorwärts wie Berserker beim Holmgang. Da blieb es nicht mehr ein geordnetes Treffen mit Anführern und gehorsamen Bataillonen. Es waren die letzten Kämpfer aus dem Heer, das durch Europa gezogen war, die nun im Herbst ihrer Taten zum letzten Male im Süden des schwedischen Meeres ihr Blut opferten. Es galt hier, Brust gegen Brust in einem Handgemenge auf Tod und Leben, ewige Heldenehre oder Schande.

Der Oberst Jakob Torstenson lag schon gefallen, aber sein Bruder Karl Ulrik brach sich Bahn über den Wall mit seinen Leibtrabanten und focht mitten in der feindlichen Verschanzung. Langsam zurückgedrängt, rief er, mit dem Rücken gegen die Erdmauer gedrückt und den sterbenden Hauptmann Adlerfeldt zwischen den Füßen:

»Haltet tapfer stand, liebe Kameraden! Mein Großvater führte das ganze Heer der Schweden und ich strecke den Degen nur vorm alten Dessauer selbst!«

Barhaupt und mit der Flamme des Zornes und der Begeisterung auf der Stirn, hieb der König sich seinen Weg zwischen den Klingen und Kolben. Er ging den mordenden Degenspitzen mit Herbststürmen in seinem Sinn entgegen, demütig, gleichgültig gegen Schmerz und Tod. Noch einmal grinste des Fähnrichs Aaberg zahnloses und männlich häßliches Gesicht an seiner Seite, und Seved Tolfslag brach Schädel und Waffen, das Musketenfeuer sprühte nach allen Seiten und sengte des Königs zerrissenen Soldatenrock. Er durchbohrte und schoß. Von derben Händen wurde er um den Leib gepackt, und er rang Arm in Arm mit gemeinen, fluchenden Soldaten. Ein dänischer Offizier, der ihn erkannte, faßte ihm mit der einen Hand in das dünne Haar und suchte ihm den Degen abzuringen, aber der König riß die Pistole aus der Scheide und schoß dem Dänen durch den Leib, so daß er tot niederfiel. Dann sprangen neue Feinde hervor, und Dessauers Reiter und Feldstücke fielen die Schweden von den Seiten an, so daß sie in dem Dunkel der stürmischen Novembernacht von einem Ring von stechenden Degen und flackerndem Donner umschlossen waren.

Der Generalmajor Strömfelt gab dem König sein Pferd, aber das Tier stutzte im Dunkel vor einem spanischen Reiter, stürzte bei einer Stückkugel zusammen und blieb auf dem Boden über dem König liegen. Als er sich frei zu machen versuchte, wurde er vor der Brust von einer verlaufenen Stückkugel getroffen, so daß das Blut ihm von den Lippen floß. Es wurde ihm schwarz vor den Augen, und er sank zurück, besinnungslos und halb im Sand begraben, aber die Hand noch um den Degen geballt.

Der Oberstleutnant Tranfelt stritt mitten in einem Schwarm von Dänen. In jeder Hand schwang er eine Waffe, und unter seinem aufgerissenen Rock und Hemd sah man drei Wunden auf der bloßen Brust. Als er nicht länger zu stehen vermochte, kämpfte er auf den Knieen, bis daß er fiel und den Geist aufgab.

Cronstedt war, verwundet und blutend, auf eines seiner Feldstücke emporgehoben worden.

»Das sind die Römer des Nordens,« sagte er, »die in der Nacht für ihre letzten Provinzen fallen!«

Vor ihm lag ein gestürzter Stückjunker mit der noch brennenden Lunte, und mitten durch das Getöse der Schlacht und des Sturmes klang ganz nahe eine betende Stimme. Es war ein Feldprediger, der hinter den Fechtenden sich über die verwundeten und Sterbenden beugte.

»Du König aller Könige! Rufe uns nicht zu wie den Kindern aus Jerobeams Haus: der, welcher stirbt in der Stadt, den sollen die Hunde fressen, wer aber auf dem Felde stirbt, den sollen die Vögel des Himmels fressen, denn der Herr hat es geredet! Warum versagst du uns das Zeichen, daß du noch mit uns seiest? Warum vergönnst du uns nicht, den Frieden des Sieges den Unseren zu verkünden, welche bluten, auf daß das harte Bett ihnen weich werde ...«

Bassewitz wurde schon auf zwei Musketen sterbend aus dem Handgemenge getragen, und Daldorff, der Veteran, der schon in so manchem Streite mitten unter den gefallenen Trabanten blutend das Leben des Königs gerettet und unter seinen Augen die Smaaländer Reiter bei Holofzin dem Tod entgegengeführt hatte, lag auf seinem ausgebreiteten Mantel, leichenblaß. Die Schüsse warfen ihr plötzliches Licht über die hauenden und gekreuzten Degen und über die Schatten gleichenden kämpfenden Soldaten. Beim Schein eines Feldstückes erkannte der Trabantenkorporal Baumgarten schließlich den König und hob ihn auf sein Pferd und umgab ihn mit den zurückgeschlagenen Schweden.

Da drang ein anhaltendes und heftiges Trommeln an des Königs Ohr, und als er sich forschend zur Seite wandte, unterschied er beim Grauen des Tages in einigem Abstand einen kleinen Tambour, der, mit den Schlegeln in der Hand, noch gegen den Feind gewendet da stand. Neben ihm lag ein Offizier auf dem Rücken, beide Arme gerade ausgestreckt. Der große, galonierte Hut saß noch stattlich und vornehm auf seinem Kopf. Das Halstuch aus französischen Blonden wehte rot befleckt im Winde, und rings um die abgetragenen Rockschöße schimmerten durcheinander in dem tauigen Heidekraut Konfektbissen und Silbermünzen.

»Wer ist der Gefallene?« fragte der König.

Rittmeister Ridderstadt antwortete:

»Es ist ein tapferer Kriegsmann vor Gott, von vielen Menschen aber geschmäht ... Es ist ein bevorzugter Freund Eurer Majestät ... Es ist Grothusen!«

Als Ridderstadt dies geantwortet hatte, ging er selbst in das Handgemenge zurück und erlitt den Tod.

 

Es war finstere Winternacht, als der König endlich in seiner Sechsruderschaluppe das unter Stückkugeln und Bomben rauchende Stralsund verließ. Düring, der so unermüdlich die Mühsale des Königsrittes geteilt hatte, war außerhalb der Stadtmauern in seinem Blute gefallen, aber sein Bruder saß am Steuer auf dem Rücksitz. Eine Menge Arbeiter gingen mit Keulen und Haken zu beiden Seiten der aufgebrochenen Eisrinnen, und Rosen, der zuvorderst stand, war dem König so lebendig ähnlich, daß sie ihm den Abschied winkten.

Von feindlichen Kugeln verfolgt, erreichte die Schaluppe das offene Meer, vergebens spähte jedoch Rosen nach den beiden schwedischen Schiffen »Snapp-opp« und »Snare-Sven«, die zur Begegnung hierher befohlen, aber vom Sturm zurückgeworfen worden waren. Da stieg der König mit seinen beiden Begleitern und einem Lakaien an Bord einer schweren Lastgaleote, die, mit roten Lappen auf ihrem dunkeln, elenden Segel, den Anker lichtete. Wo schwamm wohl jetzt die stolze Flotte, auf deren Deck er vor fünfzehn Jahren, jung und siegesgewiß, des alten Piper frohes Händeklatschen vernommen hatte! Die drohende Reihe von Masten, die Rosen am Horizonte auskundschaftete, war die von Tordenskiold. Erst weit draußen im Meer begegnete ihnen die Brigantine »Snapp-opp«, und mit zornigen Befehlen und düsteren Augen betrat der König das verspätete Schiff. War das der gnädige Herr, von dem die Seeleute hatten erzählen hören, daß er mit zierlichen Verbeugungen den Hut unter den Arm zu stecken pflegte? Er hob die Hand, um die Besatzung zu begrüßen, aber er beugte sich langsam und steif, und strafend fielen seine ersten Worte unter schwedischer Kriegsflagge:

»Der Schiffer von ›Snapp-opp‹ wird gestäupt werden! Aber der von ›Snare-Sven‹, der ganz ausgeblieben ist, er soll füsiliert werden!«

Der Sturm hob eine Eisscholle empor. Sie streckte ihren weißen Hals über den Plattbord wie die Geister Ertrunkener, aber als die Dunkelheit sich wieder ausbreitete, stand der König noch schweigend beim Mast ... Wäre er nicht ein Fürst gewesen, so hätte er sich noch wenden und eine versteckte Freistatt suchen können, aber jetzt würden ihm die Menschen bald nachlaufen und ihn mit sich ziehen. Er hätte eine Kaperflotte wehrhaft machen und auf dieser seine Jahre zwischen Degen und Schüssen verbringen können, nun aber befahlen ihm seine Untertanen, sich heimzuwenden, um ihrer Düngerhaufen und Sennhütten zu warten. Je mehr er sich dem Schonenwall näherte, desto deutlicher däuchte es ihn, daß es gelte, unter Feinden ans Land zu steigen. Er erinnerte sich des frühen Morgens an Karlbergs Königshof, als er, ehe die Großmutter und Schwestern erwacht, sich mit Hultman die Treppe hinunter stahl und in den Krieg ritt. Er wollte die bekannten Gesichter nicht wiedersehen. Er wollte nicht durch Stockholms Straßen reiten und das Volk mit Pechfackeln einen verschlagenen und schiffbrüchigen König begrüßen sehen. Wohl sah er, daß diese Schweden stets ihr Leben für ihn und das Stückchen Land ließen, das noch ihr Eigentum war, aber er wußte auch, daß viele unter ihnen in ihren stillen Gebeten Gott anriefen, er möge ihm einen schnellen Tod geben. Er sah das alles ebenso klar, als er es ehedem undeutlich gesehen hatte. Er dachte nicht an Frieden und Versöhnung. Er konnte nicht vergessen, daß die Tausende, die ihm gefolgt waren, ihre Kugel bekommen hatten, und daß seines Volkes Wehklagen und Segnungen sie in ihren überwachsenen Gräbern weich gebettet hatten, daß sie heilige Männer geworden waren, deren Sünden vergessen, aber deren Taten gepriesen wurden. Für einen Krieger gab es nur zwei Wege zur Versöhnung mit Gott und den Menschen, das war der Sieg oder die Todeswunde.

Als er in strömendem Nachtregen an dem Schonenwall ans Land stieg, kniete er nicht und zeigte keinen Seufzer der Wehmut oder Erleichterung. Eilig und ohne ein einziges Wort ging er zu einem großen Stein, der Stafstein genannt wurde. Er, der Reiter von Demotica, der Soldat, der unbekümmert sich auf Schneewehen zur Ruhe gelegt hatte, vergaß sich so ganz in dieser Stunde, daß er an der Leeseite hinter einem Stein Schutz suchte gegen einige harmlose Wassertropfen. Hier blieb er stehen.

Es läutete nicht in den Kirchen. Es wurde nicht geputzt und gefeuert in den Königshöfen. Während der Nachtregen in den Dachrinnen platschte, schliefen die Schweden in ihrem Heim und ahnten nicht, daß ihr König nach fünfzehn Jahren märchenhafter Siege und namenlosen Elendes, und mit dem Zorne des Verunglückten in seiner Seele, den Boden seines Reiches betrat, von niemand empfangen und begrüßt. Er sah nicht länger zurück, nur vorwärts. Rache! Dies Wort arbeitete wie ein Hammer in seinem Gehirn, Rache an den Wortbrüchigen, Rache an der Welt, die ihn zu einem armseligen Flüchtling stempelte, ohne Geld, ohne Macht ... aber eine große königliche Rache! Er wußte, daß am nächsten Tage viele von seinen Untertanen jubeln würden, aber daß auch viele zitternd Galgen und Schafott voraussahen. Er lächelte dazu. Seine Erbitterung war die des Schamgefühles und der verwundeten Liebe. Aus diesem Grund hatte er in den letzten Jahren es vermieden, von Schweden zu sprechen. Er wollte diese letzten Feinde bestrafen und besiegen, aber nicht auf dem Richtplatz. Ruhig und befehlend beabsichtigte er den Boden zu betreten, den sie nahe gewesen waren ihm zu entreißen. Er wollte sich mitten unter die düsteren Angesichter stellen. Gleich sorglos wie ein Hirte unter dem Gebüsch des Waldes, wollte er mitten unter den Verschworenen schlafen, falls sich welche fänden, und sie noch einmal zwingen, die Fahnen zu senken und ihm zu folgen, wohin er ginge. Er wollte die schwedischen Feinde besiegen, dadurch daß er ihnen zeigte, daß sie noch getreu waren.

Der Tag begann zu grauen, und einige Erdarbeiter kamen vom Feld, aber alle Farben leuchteten so hart und stark. Alles schien ihm so kalt und fremd.

»Ist das nun Schweden,« murmelte Rosen hinter seinem aufgeschlagenen Kragen. »Ich erkenne es kaum wieder.«

»Eure Augen sind vom Winde gerötet,« antwortete der König. Danach fügte er hinzu: »wenn wir nicht alles hier zu Hause wiedererkennen, so werden andere uns wiedererkennen!«

Er ließ sich von einem der Feldarbeiter den Weg nach Trelleborg zeigen. Mit dem ruhigsten Gesicht sprach er von seiner Sehnsucht, die gelehrten Professoren in Lund und den großen Polhem zu treffen, die ihm helfen sollten, einen Kanal quer durch Schweden zu bauen. In des Reiches unterster Ecke gingen die drei Herren zwischen den Planken und Schlafhütten der Kleinstadt gleich schiffbrüchigen Abenteurern, die im eigenen Lande fremd geworden sind, und unter dem tief herabgezogenen Hut weinte Rosen wie ein Kind.

Als der König dem Wegweiser seinen Lohn geben wollte, merkte er, daß alle Dukaten während der Fahrt weggeschenkt worden waren. Er fand nur die türkische Münze, die Grothusen in der Trommel mit sich geführt und ihm mit dem Wunsche geschenkt hatte, daß das Gold einmal in Friedenszeiten möge umgeschmolzen werden zu einem ehrlichen schwedischen Geldstück. Es war des Königs letzte Münze, und sie war nicht sein, denn sie war von einem türkischen Juden geborgt. –

Ohne ein Wort legte er die fremde Münze in die Hand des schwedischen Bauernsohnes.


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