Johann Peter Hebel
Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes
Johann Peter Hebel

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Der Wolkenbruch in Türkheim

Ein ehemalig guter Bekannter des Hausfreundes tat im Oktober einen Streifzug auf Wein in das Elsass. Wie er in Türkheim abends in das Wirtshaus kommt, sitzt der Präsident da bei einem Schöpplein und isst zwei Bratwürste, eine nach der andern. »Herr Präsident«, sagte der gute Bekannte, »treff' ich Euch hier an? Eher hätte ich des Himmels Einfall vermutet.« Der Präsident lächelt und sagte: »Es ist alles möglich.« Sie bleiben beisammen, diskurieren allerlei miteinander, trinken auch allerlei miteinander, gehn miteinander in das Schlafgemach, jeder in ein Bett apart. Das Bett des guten Freundes hatte einen Umhang. Früh gegen Tag, wenn man anfängt sich zu strecken, stemmte er sich mit den Füssen gegen das untere Brett der Bettlade. Das Brett gab nach, der Betthimmel gab auch nach. Ein paar Bretter, ein Haspel, zwei Paar Schuh usw., Brastbergers Predigtbuch und eine grosse Flasche voll Kirschenwasser stürzten herunter. Aber die Flasche zerbrach unterwegs an dem Haspel und übergoss den guten Bekannten mit Kirschenwasser und Glasscherben »Herr Präsident, kommt mir zu Hilfe!« – »Was ist Euch begegnet?« fragte der Präsident. – »Ich glaube, der Himmel, der über dem Bett ist, sei eingefallen.« Da lachte der Präsident und sagte: »Es kommt mir auch so vor. Die Wolken hängen auch bis aufs Deckbett herunter. Sie sind von Tannenholz. Hab' ich Euch nicht gesagt, es sei alles möglich?«

 


 


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