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Gleichwie einem Siebmacher oder einem Hafenbinder, wenn er in einem kleinen Ort zu Hause ist, können seine Mitbürger nicht das ganze Jahr Arbeit und Nahrung geben, sondern er begibt sich auf Künstlerreisen im Revier herum und geht seinem Verdienst nach; also auch der Zirkelschmied ist fleissig darauf im andern Revier und handelt nicht mit Zirkeln, sondern mit Trug und Schelmerei, um die Leute zu berücken und sich freizutrinken im Wirtshaus. Also erscheint er einmal in Obernehingen und geht gerade zum Schulz. »Herr Schulz«, sagt er, »könntet Ihr kein ander Wetter brauchen? Ich bin durch Euere Gemarkung gegangen. Die Felder in der Tiefe haben schon zu viel Regen gehabt, und auf der Höhe ist das Wachstum auch noch zurück.« Der Schulz meinte, das seie geschwind gesagt, aber besser machen sei eine Kunst. »Ei«, erwidert der Zirkelschmied, »auf das reise ich ja. Bin ich nicht der Wettermacher von Bologna? In Italien«, sagte er, »wo doch Pomeranzen und Zitronen wachsen, wird alles Wetter auf Bestellung gemacht. Darin seid ihr Deutsche noch zurück.« Der Schulz ist ein guter und treuherziger Mann und gehört zu denen, die lieber geschwind reich werden möchten als langsam. Also leuchtete ihm das Anbieten des Zirkelschmieds ein. Doch wollte er vorsichtig sein. »Macht mir morgen früh einen heitern Himmel«, sagte er, »zur Probe, und ein paar leichte weisse Wölklein dran, den ganzen Tag Sonnenschein und in der Luft so zarte, glänzende Fäden. Auf den Mittag könnt Ihr die ersten gelben Sommervögel los lassen, und gegen Abend darf's wieder kühl werden.« Der Zirkelschmied erwiderte: »Auf einen Tag kann ich mich nicht einlassen, Herr Schulz. Es trägt die Kosten nicht aus. Ich unternehm's nicht anderst als auf ein Jahr. Dann sollt Ihr aber Not haben, wo Ihr Euere Frucht und Euern Most unterbringen wollt.« Auf die Frage des Schulzen, wieviel er für den Jahrgang fordere, verlangte er zum voraus nichts als täglich einen Gulden und freien Trunk, bis die Sache eingerichtet sei, es könne wenigstens drei Tage dauern; »hernach aber von jedem Saum Wein, den ihr mehr bekommt«, sagte er, »als in den besten Jahren, ein Viertel, und von jedem Malter Frucht einen Sester.« »Das wär' nicht veil«, sagte der Schulz. Denn dortzuland sagt man veil statt viel, wenn man sich hochdeutsch explizieren will. Der Schulz bekam Respekt vor dem Zirkelschmied und explizierte sich hochdeutsch. Als er nun aber Papier und Feder aus dem Schränklein holte und dem Zirkelschmied das Wetter von Monat zu Monat vorschreiben wollte, machte ihm der Zirkelschmied eine neue Einwendung: »Das geht nicht an, Herr Schulz! Ihr müsst auch die Bürgerschaft darüber hören. Denn das Wetter ist eine Gemeindssache. Ihr könnt nicht verlangen, dass die ganze Bürgerschaft Euer Wetter annehmen soll.« Da sprach der Schulz: »Ihr habt recht! Ihr seid ein verständiger Mann.«
Der geneigte Leser aber ist nun der Schelmerei des Zirkelschmieds auf der rechten Spur, wenn er zum voraus vermutet, die Bürgerschaft sei über die Sache nicht einig geworden. In der ersten Gemeindsversammlung wurde noch nichts ausgemacht, in der siebenten auch noch nichts, in der achten kam's zu ernsthaften Redensarten, und ein verständiger Gerichtsmann glaubte endlich, um Fried' und Einigkeit in der Gemeinde zu erhalten, wär's am besten, man zahlte den Wettermacher aus und schickte ihn fort. Also beschied der Schulz den Wettermacher vor sich: »Hier habt Ihr Euere neun Gulden, Unheilstifter, und nun tut zur Sache, dass Ihr fortkommt, eh' Mord und Totschlag in der Gemeinde ausbricht.« Der Zirkelschmied liess sich nicht zweimal heissen. Er nahm das Geld, hinterliess eine Wirtsschuld von zirka 24 Mass Wein, und mit dem Wetter blieb es, wie es war.
Item, der Zirkelschmied bleibt immer ein lehrreicher Mensch. Merke, wie gut es sei, dass der oberste Weltregent bisher die Witterung nach seinem Willen allein gelenkt hat. Selbst wir Kalendermacher, Planeten und übrigen Landstände werden nicht leicht um etwas gefragt und haben, was das betrifft, ruhige Tage.