Johann Peter Hebel
Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes
Johann Peter Hebel

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Zwei Gehilfen des Hausfreunds

Es wird in Zukunft bisweilen von einem Adjunkt die Rede sein, was der geneigte Leser nicht verstehen könnte, wenn es ihm nicht erklärt würde. Als nämlich der Hausfreund den Rheinländischen Kalender noch schrieb, er schreibt ihn noch, hat er den Bezirk seiner Hausfreundschaft diesseits Rheins, wie die Franzosen das Land jenseits Rheins, in zwei Provinzen geteilt, in die untere und in die obere, und hat in die untere einen Statthalter gesetzt, einen Präfekt, der aber nicht will genannt sein, denn er ist kein Landskind. Auch nennt ihn der Hausfreund selber nicht leicht Statthalter, und niemand, sondern Adjunkt, denn selten ist jeder auf seinem Posten, sondern sitzen beieinander un schreiben miteinander neue, hochdeutsche Reimen oder sinnreiche Rätsel. »Zum Exempel, Adjunkt«, sagt der Hausfreund: »Ratet hin, ratet her, was ist das?«

Der arme Tropf
Hat keinen Kopf;
Das arme Weib
Hat keinen Leib;
Die arme Kleine
Hat keine Beine.
Sie ist ein langer Darm,
Doch schlingt sie einen Arm
Bedächtig in den andern ein.
Was mag das für ein Weiblein sein?

»Hausfreund«, sagt der Adjunkt, »wenn Ihr mir einen Groschen leiht, so will ich Euch für dieses Rätsel ein paar Bretzeln kaufen. Den Wein, den wir dazu trinken, bezahlt Ihr. Ratet hin, ratet her, was ist aber das?

Holde, die ich meine.
Niedliche und Kleine,
Ich liebe dich, und ohne dich
Wird mir der Abend weinerlich.
Auch gönnst du mir,
Nachrühm' ich's dir,
Wohl manchen lieblichen Genuss;
Doch bald bekommst du's Überdruss
Und laufst zu meiner tiefen Schmach
Ein feiles Mensch den Juden nach.
Und dennoch, Falsche aus und ein,
Hörst du nicht auf, mir lieb zu sein.

Ihr erratet's nicht«, sagt der Statthalter, »wenn ich's Euch nicht expliziere. Es ist eine Adjunktsbesoldung, zum Exempel meine eigene, die ich von Euch bekomme.«

Allein der Adjunkt hat selber wieder eine Adjunktin, nämlich seine Schwiegermutter, die Tochter hat er noch nicht, bekommt sie auch nicht; und der Hausfreund hat an ihm einen ganz andern Glückszug getan, als sein guter Freund, der Doktor, auf seiner Heimreise aus Spanien an der Madrider Barbiergilde. Denn als er aus der grossen Stadt Madrid heraustritt, seinem Tierlein wuchsen in dem warmen Land und bei der üppigen Nahrung die Haare so kräftig, dass er nach Landesart zwei Barbiere mitnehmen musste, die auch ritten, und wenn sie abends in die Herberge kamen, so rasierten sie sein Tierlein. Weil sie aber selber keine gemeine Leute waren und die ganze Nacht Arbeit genug hatten, bis das Tierlein eingeseift und rasiert und wieder mit Lavendelöl eingerieben war, so nahm jeder wieder für sein eigenes Tierlein zwei Barbiere mit, die ebenfalls ritten, und diese wieder. Als nun der Doktor oben auf dem pyrenäischen Berg zum ersten Mal umschaute und mit dem Perspektiv sehen wollte, wo er hergekommen war, als er mit Verwunderung und Schrecken den langen Zug seiner Begleiter gewahr wurde, und wie noch immer neue Barbiere zum Stadttor von Madrid herausritten und inwendig wieder aufsassen, sagte er bei sich selbst: Was hab' ich denn nötig, länger zu reiten; es geht nun jetzt bergunter, – und ging früh am Tag in aller Stille zu Fuss nach Montlouis.

Also hat der Hausfreund mit seinem Adjunkte auch die Adjunktin des Adjunkten gewonnen, ist aber nicht erschrocken und davon gelaufen. Wer's noch nie erlebt hat, wie sie allen Leuten Red' und Antwort gab und schöne Schweizerlieder vom Rigiberg singen und wie sie sich verstellen kann, bald meint man, man sehe eine Heilige mitten aus dem gelobten Land heraus, bald die heidnische Zauberin Medea, und noch viel, wer's nicht gesehen hat, stellt sich's nicht vor.

Der freundlichen Schwiegermutter des Adjunkts soll dieses Büchlein zum Dank und zur Freundschaft gewidmet sein.

 


 


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