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Vor dem Saal. Brand, Feuer und Rauch. Er ist rings mit Amelungenschützen umstellt. Zu dem Saale führen von beiden Seiten breite Stiegen hinauf, die in einem Balkon zusammenstoßen.
Hildebrant, Dietrich
Hildebrant.
Wie lange soll der Jammer denn noch dauern?
Dietrich.
So lange, fürcht ich, bis der letzte fiel.
Hildebrant.
Sie werden Herr des Feuers. Seht nur, seht!
Schon schluckt der Rauch die lichte Flamme ein.
Dietrich.
Dann löschen sie mit Blut.
Hildebrant. Sie waten drin
Bis an das Knie und können ihre Helme
Als Eimer brauchen.
Die Tür des Saals wird aufgerissen, Hagen erscheint.
Hagen. Puh!
(Kehrt sich um.) Wer lebt, der ruft!
Hildebrant.
Der edle Hagen, dem Ersticken nah!
Er taumelt!
Dietrich. Etzel, du bist fürchterlich!
Das Schreckgesicht, das du gesehn am Himmel,
Das stellst du wohl auf Erden vor uns hin.
Hagen.
Komm, Giselher, hier gibt es frische Luft!
Giselher (von innen).
Ich finde nicht!
Hagen. So taste an der Mauer,
Und folge meiner Stimme.
(Tritt in den Saal zurück.) Falle nicht,
Da ist der Totenberg! (Führt Giselher heraus.)
Giselher. Ha! – Das erquickt!
Ich lag schon! Dieser Qualm! Noch eher Glut!
Gunther, Dankwart und Gerenot erscheinen mit Rumolt in ihrer Mitte.
Gunther.
Da ist das Loch.
Dankwart. Schnell! Schnell!
Gerenot (aufatmend). Das ist was wert!
Gunther (zu Rumolt, der zu fallen anfängt).
Dem hilft's nicht mehr.
Hagen. Tot?
Dankwart. Küchenmeister, auf! –
Vorbei!
Giselher.
Durst, Durst!
Hagen. Ei, geh doch in die Schenke
Zurück, an rotem Wein gebrichts ja nicht,
Noch sprudelt manches Faß.
Hildebrant. Versteht Ihr das?
(Deutet auf den Totenwinkel.)
Die ausgelaufnen Fässer liegen dort!
Dietrich.
Gott helfe uns!
Hagen. Ein Glück nur, daß der Saal
Gewölbt ist. Ohne diesen Ziegelrand,
Der uns beschirmte vor dem Kupferregen,
Hätt' alles nichts geholfen.
Gunther. Brätst du nicht
In deinem Eisen?
Hagen. Stell dich an den Wind,
Jetzt können wir ihn brauchen.
Gunther. Weht's denn noch?
Kriemhild (aus einem Fenster).
Nun, Waffenmeister?
Hildebrant. Schießt!
(Die Schützen erheben ihre Bogen.)
Hagen. Ich decke euch!
(Er erhebt seinen Schild, dieser entfällt ihm und rollt die Treppe herunter.)
Hinein! (Ruft herab.)
Beseht den Schild, bevor ihr lacht!
Er ward nur schwerer, doch mein Arm nicht schwächer,
Denn alle eure Speere stecken drin! (Folgt den übrigen.)
Hildebrant.
Ich halt es nicht mehr aus. Wollt Ihr denn nicht
Ein Ende machen?
Dietrich. Ich? Wie könnt ich das?
Ich bin des Königs Mann und um so mehr
Verpflichtet, treu zu bleiben, als ich mich
Freiwillig und aus bloßem Herzensdrang
Ihm unterwarf!
Hildebrant. Vergeßt nicht!
Dietrich. Davon nichts.
Hildebrant.
Die Zeit ist abgelaufen, die Ihr selbst
Euch setztet, im Gehorsam Euch zu üben,
Und Eure Zeugen leben!
Dietrich. Heute das?
Hildebrant.
Heut oder nie! Die Helden können sterben,
Die Gott bis jetzt so wunderbar verschont.
Dietrich. Dann soll ich eben bleiben, was ich bin!
Das setzt ich mir zum Zeichen, wie du weißt,
Ob ich die Krone wieder tragen, oder
Bis an den Tod zu Lehen gehen soll,
Und ich, ich bin zu beidem gleich bereit.
Hildebrant.
Nun, wenn Ihr selber schweigt, so rede ich!
Dietrich.
Das tust du nicht! Auch bessertest du nichts!
(Legt ihm die Hand auf die Schulter.)
Mein Hildebrant, wenn eine Feuersbrunst
Im Haus entsteht, so kehrt der Knecht noch um,
Der seiner Pflicht gerade ledig ward,
Und hätt' er schon die Schwelle überschritten:
Er zieht die Feierkleider wieder aus
Und wirft sein Bündel hin, um mit zu löschen,
Und ich, ich zöge ab am jüngsten Tag?
Hildebrant.
Sie werfen wieder Tote aus den Fenstern,
Herr, endigt jetzt! Der Teufel hat genug!
Dietrich.
Wenn ich auch wollte, wie vermöcht ich's wohl?
Hier hat sich Schuld in Schuld zu fest verbissen,
Als daß man noch zu einem sagen könnte:
Tritt du zurück! Sie stehen gleich im Recht.
Wenn sich die Rache nicht von selbst erbricht
Und sich vom letzten Brocken schaudernd wendet,
So stopft ihr keiner mehr den grausen Schlund.
Hildebrant (ist auf die Seite gegangen und kehrt zurück).
Nun folgen unsre Edlen endlich auch
Den armen Knechten nach. Die meisten sind
Nur noch an ihrem Panzer zu erkennen,
Der tapfre Iring flog der Schar voran.
Herr, geht nicht hin, Ihr könnt ihn doch nicht küssen,
Sein Kopf ist ganz verkohlt.
Dietrich. Das treue Blut!
Hagen (wird oben wieder sichtbar).
Hildebrant.
Hagen noch einmal.
Kriemhild tritt auf.
Kriemhild. Schießt!
Hagen (verschwindet wieder).
Kriemhild. Wie viele leben
Denn noch?
Hildebrant (deutet auf den Totenwinkel).
Wie viele tot sind, siehst du hier!
Dietrich.
Alle Burgunden, die ins Land gezogen,
Sind auch gefallen –
Kriemhild. Aber Hagen lebt!
Dietrich.
An sieben tausend Heunen liegen dort –
Kriemhild.
Und Hagen lebt!
Dietrich. Der stolze Iring fiel.
Kriemhild.
Und Hagen lebt!
Dietrich. Der milde Thüring auch,
Irnfried und Blödel und die Völker mit.
Kriemhild.
Und Hagen lebt! Schließt Eure Rechnung ab,
Und wärt Ihr selbst darin die letzten Posten,
Die ganze Welt bezahlt mich nicht für ihn.
Hildebrant.
Unhold!
Kriemhild. Was schiltst du mich? Doch schilt mich nur!
Du triffst, was du gewiß nicht treffen willst,
Denn, was ich bin, das wurde ich durch die,
Die Ihr der Strafe gern entziehen möchtet
Und wenn ich Blut vergieße, bis die Erde
Ertrinkt, und einen Berg von Leichen türme,
Bis man sie auf dem Mond begraben kann,
So häuf ich ihre Schuld, die meine nicht.
Oh, zeigt mir nur mein Bild! Ich schaudre nicht
Davor zurück, denn jeder Zug verklagt
Die Basilisken dort, nicht mich. Sie haben
Mir die Gedanken umgefärbt. Bin ich
Verräterisch und falsch? Sie lehrten mich,
Wie man den Helden in die Falle lockt.
Und bin ich für des Mitleids Stimme taub?
Sie waren's, als sogar der Stein zerschmolz.
Ich bin in allem nur ihr Widerschein,
Und wer den Teufel haßt, der spuckt den Spiegel
Nicht an, den er befleckt mit seiner Larve,
Er schlägt ihn selbst und jagt ihn aus der Welt.
Hagen erscheint wieder.
Hagen.
Ist König Etzel hier?
Kriemhild. Ich sprech für ihn.
Was wollt Ihr?
Hagen. Offnen Kampf in freier Luft.
Kriemhild.
Das weigr' ich Euch, und wär's nach mir gegangen,
So gäb's auch drinnen keinen Kampf, als den
Mit Hunger und Durst und Feuer!
Dietrich. Der König selbst!
Etzel tritt auf.
Hagen.
Herr Etzel, ist's geschehn mit Eurem Willen,
Daß man den Saal in Brand gesteckt, als wir
Die Wunden uns verbanden?
Etzel. Habt Ihr uns
Die Toten ausgeliefert? Habt Ihr mir
Nicht selbst mein Kind verweigert?
Dietrich. Das war schlimm!
Etzel.
Wir pflegen unsre Toten zu verbrennen!
Wenn Euch das unbekannt gewesen ist,
So wißt Ihr's jetzt.
Hagen. Dann seid Ihr quitt mit uns!
Gewährt uns denn, was Ihr nicht weigern könnt,
Wenn Ihr den größten Schimpf nicht wagen wollt.
Kriemhild.
Der größte Schimpf ist, Euch das Ohr zu leihn.
Schießt! Schießt!
Hagen. Trägt sie die Krone?
Etzel. Was wollt Ihr mehr?
Ich legte Euer Los in Schwesterhand.
Kriemhild.
Die Toten hielten sie als Pfand zurück,
Um auch die Lebenden hineinzulocken,
Die nicht aus Torheit kamen.
Etzel. Stamm um Stamm!
Sie haben meinen ausgelöscht, sie sollen
Auch selbst nicht fortbestehn.
Kriemhild. Was gibt's denn hier?
Der alte Rüdeger in Wut?
Rüdeger jagt einen Heunen über die Bühne und schlägt ihn mit der Faust zu Boden.
Rüdeger. Da liege
Und spei noch einmal Gift.
Etzel. Herr Rüdeger,
Ihr helft dem Feind? Wir haben der Erschlagnen
Auch ohne Euch genug.
Kriemhild. Was hat der Mann
Getan?
Rüdeger (zu Etzel).
Bin ich dein bloßer Zungenfreund?
Schnapp ich nach Gaben, wie der Hund nach Fleisch?
Trag ich den Sack, der keinen Boden hat,
Und obendrein ein festgeleimtes Schwert?
Etzel.
Wer sagt denn das?
Rüdeger. Wenn man's nicht sagen darf,
So schilt mich nicht, daß ich den Buben strafte:
Der warf mir das soeben ins Gesicht,
Als ich mit Tränen all des Jammers dachte,
Den diese Sonnenwende uns beschert,
Und brüllend stimmte ihm sein Haufe bei.
Kriemhild.
So stand ein ganzer Haufe hinter ihm?
Herr Rüdeger, die Strafe war zu hart,
Denn viele, wenn nicht alle, denken so,
Und eine beßre Antwort wär's gewesen,
Wenn Ihr sogleich das Schwert gezogen hättet,
Um auf die Nibelungen einzuhaun.
Rüdeger.
Ich? Hab ich sie nicht selbst ins Land gebracht?
Etzel.
Drum eben ist's an dir, sie fortzuschaffen.
Rüdeger.
Nein, König, das begehrst du nicht von mir!
Du hast mir kaum gestattet, dir die Dienste
Zu leisten, die ich dir entgegentrug,
Und solltest fordern, was ich weigern müßte,
Und hinge Haut und Haar und alles dran?
Ich kann und will sie nicht verteidigen,
Doch hab ich sie auf Treue hergeführt,
Und darf ich sie nicht schützen gegen dich,
So leih ich dir doch auch nicht meinen Arm.
Kriemhild.
Du tust, als wärst du noch ein freier Mann
Und könntest dich entscheiden, wie du willst!
Rüdeger.
Kann ich's denn nicht? Was hindert mich, wenn ich
Die Lehen niederlege?
Kriemhild. Was? – Dein Eid!
Du bist bis an den letzten Odemzug
Mein Knecht, und darfst mir keinen Dienst verweigern,
Wohlan denn, dieser ist es, den ich will.
Rüdeger.
Ich kann nicht sagen, daß du lügst, und doch
Ist's nicht viel besser, denn ein andres Weib
Hat meinen Eid gefordert und erhalten,
Ein andres aber legt ihn heute aus.
.
Du sprichst von Treue, Rüdeger. Ich darf
Dich wohl zum Zeugen nehmen, daß ich sie
Heilig zu halten weiß. Doch, gilt das hier?
Sie stehen jenseits der Natur und brauchen
Als Waffe, was im Abgrund still versank,
Eh sich der Bau der Welt zusammenschloß.
Sie werfen uns den Kot der Elemente,
Der, ausgeschieden, unten sitzen blieb,
Als sich die Kugel rundete, hinein.
Sie reißen alle Nägel aus und sägen
Die Balken durch. Da mußt auch du den Damm
Wohl überspringen, wenn du helfen willst.
Kriemhild.
So ist's. Der gift'ge Degen ist die Schande
Des ersten, doch der zweite schwingt ihn frei!
Rüdeger.
Es mag so sein, es ist gewiß auch so,
Ich will mit Euch nicht streiten. Doch bedenkt:
Ich habe sie mit Wein und Brot begrüßt,
Als sie die Donaugrenze überschritten,
Und sie geleitet bis zu Eurer Schwelle,
Kann ich das Schwert wohl gegen sie erheben,
Nun sie in ihren größten Nöten sind?
Wenn alle Arme, die man zählt auf Erden,
Im allgemeinen Aufstand der Natur
Sich gegen sie bewaffneten, wenn Messer
Und Sensen blitzten und die Steine flögen,
So fühlte ich mich immer noch gebunden,
Und höchstens stände mir ein Spaten an.
Etzel.
Ich hab dich auch geschont, so lang ich konnte,
Und ruf dich ganz zuletzt.
Rüdeger. Barmherzigkeit!
Was soll ich sagen, wenn mein Eidam mir,
Der junge Giselher, entgegentritt
Und mir die Hand zum Gruße beut? Und wenn
Mein Alter seine Jugend überwindet,
Wie tret ich wohl vor meine Tochter hin? –
(Zu Kriemhild.)
Dich treibt der Schmerz um den Verlorenen,
Willst du ihn auf ein Kind, das liebt, wie du,
Und nichts verbrach, vererben und es töten?
Das tust du, wenn du mich zum Rächer wählst,
Denn, wie das blut'ge Los auch fallen mag,
Ihr wird der Sieger immer mit begraben,
Und keiner von uns beiden darf zurück.
Kriemhild.
Das alles hättest du erwägen sollen,
Bevor der Bund geschlossen ward. Du wußtest,
Was du geschworen!
Rüdeger. Nein, ich wußt es nicht,
Und, beim allmächt'gen Gott, du hast es selbst
Noch weniger gewußt. Das ganze Land
War deines Preises voll. In deinem Auge
Sah ich die erste Träne und zugleich
Die letzte auch, denn alle andern hattest
Du abgewischt mit deiner milden Hand.
Wohin ich trat, da segnete man dich,
Kein Kind ging schlafen, ohne dein zu denken,
Kein Becher ward geleert, du hattest ihn
Gefüllt, kein Brot gebrochen und verteilt,
Es kam aus deinem Korb: wie konnt ich glauben,
Daß diese Stunde folgte! Eher hätt' ich
Bedächtig vor dem Eid den eignen Hals
Mir ausbedungen, als die Sicherheit
Der Kön'ge, deiner Brüder. Wär's dir selbst
Wohl in den Sinn gekommen, wenn du sie
Im Kreis um deine alte graue Mutter
Versammelt sahst, um in den Dom zu gehn,
Daß du dereinst ihr Leben fordern würdest?
Wie sollte ich's denn ahnen und den ersten
Und edelsten der Jünglinge verschmähn,
Als er um meine Tochter warb!
Kriemhild. Ich will
Ihr Leben auch noch heute nicht! Die Tür
Steht offen für sie alle, bis auf einen:
Wenn sie die Waffen drinnen lassen wollen
Und draußen Frieden schwören, sind sie frei.
Geh hin und rufe sie zum letzten Mal.