Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Zweiter Akt

Worms. Schloßhof.

Erste Szene

Rumolt und Giselher einander begegnend.

Giselher.
Nun, Rumolt, soll ein Baum noch stehen bleiben?
Du führst ja wochenlang schon Wälder ein
Und rüstest dich so grimmig auf die Hochzeit,
Als kämen Mensch und Zwerg und Alf zugleich.

Rumolt.
Ich mache mich darauf gefaßt, und fänd ich
Den Kessel irgendwo nicht recht gefüllt,
So steckt ich flugs den säum'gen Koch hinein
Und rührte mit dem Küchenjungen um.

Giselher.
So bist du denn des Ausgangs schon gewiß?

Rumolt.
Ich bin's, weil Siegfried wirbt. Wer unterwegs
Zwei Königssöhne fängt und uns sie schickt,
Als ob es aufgescheuchte Hasen wären,
Der nimmt's wohl auch mit Teufelsweibern auf.

Giselher.
Da hast du recht. Wir haben gute Pfänder
An diesem Lüdegast und Lüdeger!
Mit einem Heer gedachten sie zu kommen,
Wie nie Burgund ein gleiches noch gesehn,
Und als Gefangne stellten sie sich ein,
Die nicht einmal des Hüters mehr bedurften:
Koch zu, Gesell, an Gästen fehlt's dir nicht!

(Gerenot kommt.)

Da ist der Jäger!

Gerenot.                     Aber nicht mit Wild!
Ich war auf unsrem Turm und sah den Rhein
Mit Schiffen, wie bedeckt.

Rumolt.                                       Das ist die Braut!
Da laß ich gleich zur Stunde alles schlagen,
Was brummt und brüllt und blökt und grunzt im Hof,
Damit sie's in der Ferne schon vernimmt,
Wie sie empfangen werden soll!

(Es wird geblasen.)

Gerenot.                                               Zu spät!

Zweite Szene

Siegfried (tritt mit Gefolge auf).
Da bin ich wieder!

Giselher.                       Ohne meinen Bruder?

Siegfried.
Sei ruhig! Als sein Bote steh ich hier! –
Doch nicht, um dir die Meldung auszurichten!
Sie geht an deine Mutter, und ich hoffe,
Daß ich auch deine Schwester sehen darf.

Giselher.
Das sollst du, Degen, denn wir schulden dir
Den Dank noch für die beiden Dänenprinzen.

Siegfried.
Ich wollte jetzt, ich hätt' sie nicht geschickt.

Giselher.
Warum? Du konntest uns nicht besser zeigen,
Was wir an deinem Arm gewonnen haben,
Denn wahrlich, schlechte Männer waren's nicht.

Siegfried.
Mag sein! Doch hätte ich das nicht getan,
So hätt' vielleicht ein Vogel das Gerücht
Verbreitet, daß sie mich erschlagen hätten,
Dann fragt ich nun: wie nahm Kriemhild es auf?

Giselher.
Sie nützten dir auch so genug bei uns!
Daß man sich die Metalle und das Erz
Durch tücht'ge Schläge zur Trompete rundet,
Das hab ich längst gewußt, von Menschen war's
Mir aber unbekannt, und diese beiden
Beweisen, was ein Schmied, wie du, vermag.
Sie lobten dich – wenn du's vernommen hättest,
Du wärst noch heute rot! Und das nicht bloß
Aus Klugheit, die den Feind wohl öfter preist,
Weil sie die Schmach der eignen Niederlage
Dadurch vergoldet, nein, aus wahrer Lust.
Doch hörst du das am besten von Kriemhild,
Die gar nicht müde ward, sie auszufragen:
Da kommt sie her.

Dritte Szene

Ute und Kriemhild treten auf.

Siegfried.                       Ich bitte dich!

Giselher.                                               Was ist?

Siegfried.
Nie wünscht' ich meinen Vater noch herbei,
Daß er mir sage, wie ich kämpfen solle,
Doch meine Mutter könnt ich heute brauchen,
Um sie zu fragen, wie man reden muß.

Giselher.
Gib mir die Hand, wenn du so blöde bist.
Man nennt mich hier das Kind. So mag man sehen,
Wie dieses Kind den Löwen führt!
(Er führt Siegfried den Frauen zu.) Der Held
Aus Niederland!

Siegfried.                   Erschreckt nicht, edle Frauen,
Daß ich's allein bin.

Ute.                                 Tapfrer Siegfried, nein!
Das tun wir nicht, du bist der Recke nicht,
Der übrigbleibt, wenn alle andern fallen,
Damit das Unglück einen Boten hat.
Du meldest mir die neue Tochter an
Und Kriemhild ihre Schwester.

Siegfried.                                         Königin,
So ist's!

Giselher. So ist's! Nichts weiter? Und auch das
Noch schwer heraus gebracht? Mißgönnst du sie
Dem König, meinem Bruder, oder hast du,
Es ist bis jetzt kein Beispiel zwar bekannt,
Im Kampf die Zunge dir verstaucht? Doch nein,
Du brauchtest sie vorhin ja flink genug,
Als du mir von Brunhildens braunen Augen
Und schwarzem Haar erzähltest.

Siegfried.                                             Glaubt es nicht!

Giselher.
Er hebt, um es mit Nachdruck abzuleugnen,
Noch drei von seinen Fingern auf, und schwört
Zu Blau und Blond.

Ute.                                 Dies ist ein arger Schalk,
Der zwischen Birk und Haselstaude steht:
Der Rute seiner Mutter längst entwachsen,
Hat er des Vaters Gerte nie gespürt
Und ist so übermütig, wie ein Füllen,
Das nichts vom Zaum und von der Peitsche weiß.
Vergib ihm, oder zücht'ge ihn!

Siegfried.                                         Das möchte
Gefährlich sein! Ein wildes Füllen zäumen
Ist schwer, und mancher hinkt beschämt davon,
Bevor er es besteigen kann!

Ute.                                               So geht
Er wieder ohne Strafe aus!

Giselher.                                     Zum Dank
Will ich dir was verraten.

Kriemhild.                                 Giselher!

Giselher.
Hast du was zu verbergen? Fürchte nichts!
Ich kenne dein Geheimnis nicht und blase
Von deinen Kohlen keine Asche ab.

Ute.
Was ist es denn?

Giselher.                     Jetzt hab ich's selbst vergessen!
Wenn eine Schwester plötzlich so errötet,
So denkt man doch als Bruder drüber nach
Und fragt sich nach dem Grund. Ei nun, gleichviel!
Mir fällt's wohl noch vorm Sterben wieder ein,
Und dann erfährt er's gleich.

Siegfried.                                     Du magst wohl spotten,
Denn ich vergesse meinen Auftrag ganz,
Und eh ich euch noch in die Sonntagskleider
Getrieben habe, hört ihr die Trompeten,
Und Gunther zieht mit seiner Braut hier ein!

Giselher.
Siehst du den Küchenmeister denn nicht rennen?
Dem hat dein Kommen schon genug gesagt!
Doch helf ich ihm! (Er geht zu Rumolt.)

Kriemhild.                     So edlem Boten dürfen
Wir keine Gabe bieten!

Siegfried.                               Doch! O doch!

Kriemhild (nestelt an einer Spange und läßt dabei ihr Tuch fallen).

Siegfried (hascht nach dem Tuch).
Und diese sei's!

Kriemhild.                 Die ziemt nicht dir, noch mir!

Siegfried.
Kleinodien sind mir, was den andern Staub,
Aus Gold und Silber kann ich Häuser baun,
Doch fehlt mir solch ein Tuch.

Kriemhild.                                         So nimm es hin.
Ich hab es selbst gewirkt.

Siegfried.                                 Und gibst du's gern?

Kriemhild.
Mein edler Siegfried, ja, ich geb es gern!

Ute.
Doch nun erlaubt – es wird auch Zeit für uns!

(Ab mit Kriemhild.)

Vierte Szene

Siegfried.
So steht ein Roland da, wie ich hier stand!
Mich wundert's, daß kein Spatz in meinem Haar
Genistet hat.

Fünfte Szene

Der Kaplan (tritt heran).
                      Verzeiht mir, edler Recke,
Ist Brunhild denn getauft?

Siegfried.                                 Sie ist getauft!

Kaplan.
So ist's ein christlich Land, aus dem sie kommt?

Siegfried.
Man ehrt das Kreuz.

Kaplan (tritt wieder zurück).
                                  Man ehrt's wohl so wie hier,
Wo man sich's neben einer Wodanseiche
Gefallen läßt, weil man nicht wissen kann,
Ob ihm kein Zauber innewohnt, so wie
Der frömmste Christ ein Götzenbild noch immer
Nicht leicht zerschlägt, weil sich ein letzter Rest
Der alten Furcht noch leise in ihm regt,
Wenn er es glotzen sieht.


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