Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Siebente Szene

Hagen (ihr nach).
Nun ist dein Held nur noch ein Wild für mich!
Ja, hätt' er Strich gehalten, wär er sicher,
Doch wußt ich wohl, es werde nicht geschehn.
Wenn man durchsichtig ist, wie ein Insekt,
Das rot und grün erscheint, wie seine Speise,
So muß man sich vor Heimlichkeiten hüten,
Denn schon das Eingeweide schwatzt sie aus! (Ab.)

Achte Szene

Ute und der Kaplan treten auf.

Kaplan.
Es gibt dafür kein Bild auf dieser Welt!
Ihr wollt vergleichen, und Ihr wollt begreifen,
Doch hier gebricht's am Zeichen, wie am Maß.
Werft Euch vor Gott darnieder im Gebet,
Und wenn Ihr in Zerknirschung und in Demut
Euch selbst verliert, so werdet Ihr vielleicht,
Und wär's nur für so lange, als der Blitz
Auf Erden weilt, zum Himmel aufgezückt.

Ute.
Kann das geschehn?

Kaplan.                           Der heil'ge Stephanus
Sah, als das grimmentbrannte Volk der Juden
Ihn steinigte, des Paradieses Tore
Schon offenstehn und jubelte und sang.
Sie warfen ihm den armen Leib zusammen,
Ihm aber war's, als rissen all die Mörder,
Die ihn in blinder Wut zu treffen dachten,
Nur Löcher in sein abgeworfnes Kleid.

Ute (zu Kriemhild, die sich hinzugesellt hat).
Merk auf, Kriemhild!

Kriemhild.                         Ich tu's.

Kaplan.                                         Das war die Kraft
Des Glaubens! Lernt nun auch den Fluch
Des Zweifels kennen! Petrus, der das Schwert
Der Kirche trägt, und ihre Schlüssel führt,
Erzog sich einen Jünger, welchen er
Vor allen liebte. Dieser stand einmal
Auf einem Felsen, den das wilde Meer
Umbrauste und bespülte. Da gedacht er
Der Zuversicht, mit der sein Herr und Meister
Auf unsres Heilands ersten Wink das Schiff
Verließ und festen Schritts die See betrat,
Die ihn bedrohte mit dem sichren Tod.
Ein Schwindel faßte ihn bei dem Gedanken
An diese Probe, und das Wunder schien
Ihm so unmöglich, daß er eine Zacke
Des Felsens packte, um nur nicht zu fallen,
Und ausrief: Alles, alles, nur nicht dies!
Da blies der Herr, und plötzlich schmolz der Stein
Zu seinen Füßen ein, er sank und sank
Und schien verloren, und vor Furcht und Grauen
Sprang er hinunter in die offne Flut.
Doch diese hatte, von demselben Hauch
Des Ew'gen still getroffen, sich verfestigt,
Sie trug ihn, wie die Erde mich und Euch,
Und reuig sprach er: Herr, das Reich ist dein!

Ute.
In Ewigkeit!

Kriemhild.           So bete, frommer Vater,
Daß er, der Stein und Wasser so verwandelt,
Auch meinen Siegfried schützt. Für jedes Jahr,
Das mir beschieden wird an seiner Seite,
Erbau ich einem Heil'gen den Altar. (Ab.)

Kaplan.
Du staunst das Wunder an. Laß dir noch sagen,
Wie ich zu meiner Priesterkutte kam.
Ich bin vom Stamm der Angeln, und als Heide
Geboren unter einem Volk von Heiden.
Wild wuchs ich auf, und ward mit funfzehn Jahren
Schon mit dem Schwert umgürtet. Da erschien
Der erste Bote Gottes unter uns.
Er ward verhöhnt, verspottet und zuletzt
Getötet. Königin, ich stand dabei
Und gab ihm, von den andern angetrieben,
Mit dieser Hand, die ich seitdem nicht brauche,
Obgleich der Arm nicht lahm ist, wie Ihr glaubt,
Den letzten Schlag. Da hört ich sein Gebet.
Er betete für mich, und mit dem Amen
Verhaucht' er seinen Geist. Das wandte mir
Das Herz im Busen um. Ich warf mein Schwert
Zu Boden, hüllte mich in sein Gewand
Und zog hinaus und predigte das Kreuz.

Ute.
Dort kommt mein Sohn! Oh, daß es dir gelänge,
Den Frieden, welcher ganz von hier entwich,
Zurückzuführen!

(Beide ab.)

Neunte Szene

Gunther tritt mit Hagen und den andern auf.

Gunther.                     Wie ich euch gesagt:
Sie rechnet auf die Tat, wie wir auf Äpfel,
Wenn's Herbst geworden ist. Die Alte hat,
Um sie zu reizen, hundert Weizenkörner
In ihrer Kammer still herumgestreut:
Sie liegen unberührt.

Giselher.                           Wie ist es möglich,
Daß sie so Leben gegen Leben setzt?

Hagen.
So möcht ich selber fragen.

Gunther.                                     Und dabei
Kein Treiben und kein Drängen, wie's bei Dingen,
Die doch an Ort und Zeit und Menschenwillen
Gebunden sind, natürlich ist, kein Fragen,
Kein Wechsel in den Zügen, nur Verwundrung,
Daß man den Mund noch öffnet und nicht meldet:
Es ist vollbracht!

Hagen.                         So sage ich dir eins:
Sie liegt in seinem Bann, und dieser Haß
Hat seinen Grund in Liebe!

Gunther.                                     Meinst du's auch?

Hagen.
Doch ist's nicht Liebe, wie sie Mann und Weib
Zusammenknüpft.

Gunther.                     Was dann?

Hagen.                                           Ein Zauber ist's,
Durch den sich ihr Geschlecht erhalten will,
Und der die letzte Riesin ohne Lust,
Wie ohne Wahl, zum letzten Riesen treibt.

Gunther.
Was ändert das?

Hagen.                       Den löst man durch den Tod!
Ihr Blut gefriert, wenn seins erstarrt, und er
War dazu da, den Lindwurm zu erschlagen
Und dann den Weg zu gehn, den dieser ging.

(Man hört Tumult.)

Gunther.
Was ist denn das?

Hagen.                         Das sind die falschen Boten,
Die Dankwart hetzt. Er macht es gut, nicht wahr?
Auch der wird's hören, der gerade küßt!

Zehnte Szene

Siegfried kommt; als Hagen ihn bemerkt.

Hagen.
Bei Höll und Teufel: Nein! und zehnmal: Nein!
Es wäre Schmach für uns, und Siegfried denkt
Gewiß, wie ich. Da kommt er eben her.
Nun sprich, du magst entscheiden!
(Als Dankwart auftritt.)                 Freilich ändert
Dein Wort nichts mehr, die Antwort ist gegeben,
(zu Dankwart) Du hast die Peitsche sicher nicht geschont?
(Zu Siegfried.) Doch setze immerhin dein Siegel bei!

Siegfried.
Was gibt's?

Hagen.               Die Hunde bitten jetzt aufs neue
Um Frieden, doch ich ließ die lump'gen Boten
Vom Hof herunter hetzen, ehe sie
Noch ausgesprochen hatten.

Siegfried.                                     Das war recht!

Hagen.
Der König schilt mich zwar, er meint, man könne
Nicht wissen, was geschehn –

Siegfried.                                         Nicht wissen! Ha! –
Ich weiß es, ich! Packt einen Wolf von hinten,
So gibt er Ruh von vorn!

Hagen.                                     Das wird es sein!

Siegfried.
Was sonst! Es wimmelt ja in ihrem Rücken
Von wilden Stämmen. Nun, die säen nicht
Und wollen dennoch ernten.

Hagen.                                         Seht ihr's nun?

Siegfried.
Nur werdet ihr den Wolf nicht schonen wollen,
Weil er nicht grade Zeit hat, sich zu wehren –

Hagen.
Gewiß nicht.

Siegfried.             Stehen wir den Füchsen bei
Und treiben ihn ins letzte Loch hinein,
In ihren Magen, mein ich!

Hagen.                                       Tun wir das,
Doch scheint's nicht nötig, daß wir uns erhitzen,
Drum rat ich heut zur Jagd.

Giselher.                                     Ich zieh nicht mit.

Gerenot.
Ich wahrlich auch nicht.

Siegfried.                               Seid ihr jung und keck
Und wollt von einer Jagd zu Hause bleiben?
Mich hätt' man binden müssen, und ich hätte
Den Strick noch abgenagt. O Jägerlust!
Ja, wenn man singen könnte!

Hagen.                                           Ist's dir recht?

Siegfried.
Recht? Freund, ich bin so voll von Wut und Groll,
Daß ich mit einem jeden zanken möchte,
Drum muß ich Blut sehn.

Hagen.                                     Mußt du? Nun, ich auch!

Eilfte Szene

Kriemhild kommt.

Kriemhild.
Ihr geht zur Jagd?

Kriemhild.                   Jawohl! Bestell dir gleich
Den Braten!

Kriemhild.           Teurer Siegfried, bleib daheim.

Siegfried.
Mein Kind, eins kannst du nicht zu früh erfahren,
Man bittet einen Mann nicht: bleib daheim!
Man bittet: nimm mich mit!

Kriemhild.                                 So nimm mich mit!

Hagen.
Das wird nicht gehn!

Siegfried.                         Warum nicht? Wenn sie's wagt?
Es wird ja wohl das erstemal nicht sein!
Den Falken her! Ihr, was da fliegt, und uns,
Was hüpft und springt. Das gibt die beste Lust.

Hagen.
Die eine sitzt voll Scham in ihrer Kammer,
Die andre zöge in den Wald hinaus?
Es wär, wie Hohn!

Siegfried.                       Das hab ich nicht bedacht.
Jawohl, es kann nicht sein.

Kriemhild.                                 So wechsle nur
Das Kleid!

Siegfried.           Noch einmal? jeden deiner Wünsche
Erfüll ich, keine Grille.

Kriemhild.                             Du bist herb.

Siegfried.
Laß mich hinaus! Die Luft nimmt alles weg,
Und morgen abend bitte ich dir ab!

Hagen.
So kommt!

Siegfried.         Jawohl. Nur noch den Abschiedskuß.
(Er umarmt Kriemhild..)
Du sträubst dich nicht? Du sagst nicht: morgen abend!
Wie ich? Das nenn ich edel.

Kriemhild.                                   Kehr zurück!

Siegfried.
Ein wunderlicher Wunsch! Was hast du nur?
Ich zieh hinaus mit lauter guten Freunden,
Und wenn die Berge nicht zusammenbrechen
Und uns bedecken, kann uns nichts geschehn!

Kriemhild.
O weh! Gerade das hat mir geträumt.

Siegfried.
Mein Kind, sie stehen fest.

Kriemhild (umschließt ihn nochmals)
                                            Kehr nur zurück!

(Die Recken ab.)

Zwölfte Szene

Kriemhild.
Siegfried!

Siegfried (wird noch einmal sichtbar).
                  Was ist?

Kriemhild.                       Wenn du nicht zürnen wolltest –

Hagen (folgt Siegfried rasch).
Nun, hast du deine Spindel schon?

Siegfried.                                                 Du hörst,
Daß sich die Hunde nicht mehr halten lassen,
Was soll ich?

Hagen.                   Warte doch auf deinen Flachs!
Du sollst im Mondschein mit den Druden spinnen.

Kriemhild.
Geht! Geht! Ich wollte dich nur noch mal sehn!

Hagen und Siegfried (ab).

Dreizehnte Szene

Kriemhild.
Ich finde nicht den Mut, es ihm zu sagen,
Und rief ich ihn noch zehnmal wieder um.
Wie kann man tun, was man sogleich bereut!

Vierzehnte Szene

Gerenot und Giselher treten auf.

Kriemhild.
Ihr noch nicht fort? Die schickt mir Gott hieher!
Ihr lieben Brüder, laßt euch herzlich bitten,
Gewährt mir einen Wunsch, und wenn er euch
Auch töricht scheint. Begleitet meinen Herrn
Auf Schritt und Tritt und bleibt ihm stets im Rücken.

Gerenot.
Wir gehn nicht mit, wir haben keine Lust.

Kriemhild.
Ihr keine Lust!

Giselher.                 Wie sprichst du? Keine Zeit!
Es gibt so viel für diesen Zug zu ordnen.

Kriemhild.
Und eure Jugend ward damit betraut?
Wenn ich euch teuer bin, wenn ihr es nicht
Vergessen habt, daß eine Milch uns nährte,
So reitet nach.

Giselher.                 Sie sind ja längst im Wald.

Gerenot.
Und einer deiner Brüder ist ja mit.

Kriemhild.
Ich bitte euch!

Giselher.                 Wir müssen Waffen mustern,
Du wirst es sehn. (Will gehen.)

Kriemhild.                   So sagt mir nur noch eins:
Ist Hagen Siegfrieds Freund?

Gerenot.                                         Warum denn nicht?

Kriemhild.
Hat er ihn je gelobt?

Giselher.                         Er lobt ja schon,
Wenn er nicht tadelt, und ich hörte nie,
Daß er ihn tadelte.

(Beide ab.)

Kriemhild.                     Dies ängstigt mich
Noch mehr, als alles andre. Die nicht mit!

Funfzehnte Szene

Frigga tritt auf.

Kriemhild.
Du, Alte? Suchst du mich?

Frigga.                                       Ich suche niemand.

Kriemhild.
So willst du etwas für die Königin?

Frigga.
Auch nicht. Die braucht nichts.

Kriemhild.                                         Nichts und immer nichts!
Kann sie denn nicht verzeihn?

Frigga.                                             Ich weiß es nicht!
Sie hatte keinen Anlaß, es zu zeigen,
Sie wurde nie gekränkt! Ich hörte Hörner,
Gibt's heute Jagd?

Kriemhild.                     Hast du sie wohl bestellt?

Frigga.
Ich! – Nein! (Ab.)

Sechzehnte Szene

Kriemhild.           O hätte ich's ihm doch gesagt!
Du teurer Mann, du hast kein Weib gekannt,
Jetzt seh ich's wohl! Sonst hättst du nimmermehr
Dem zitternden Geschöpf, das sich aus Furcht
Verrät, ein solch Geheimnis anvertraut!
Noch höre ich den Scherz, mit welchem du's
Mir in die Ohren flüstertest, als ich
Den Drachen pries! Ich ließ dich schwören,
Es keinem Menschen weiter zu entdecken,
Und jetzt – ihr Vögel, die ihr mich umkreist,
Ihr weißen Tauben, die ihr mich begleitet,
Erbarmt euch meiner, warnt ihn, eilt ihm nach! (Ab.)


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