Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierte Szene

Die Recken treten wieder ein.

Gunther.
Ihr seid ein Schalk, Herr Siegfried.

Siegfried.                                                 Nehmt Ihr's krumm?

Giselher.
Vergebt mir nur, daß ich's sogar gewagt,
Mich Euch zu stellen. Doch ich will zur Strafe
Mit meiner alten Mutter Ute ringen,
Und wenn ich sie besiege, sollt Ihr mich
Vor allem Volk bei schallenden Trompeten
Mit Eichenlaub bekränzen, wenn Ihr wollt!

Siegfried.
Nichts mehr davon! Der Wurf war nicht so schlecht,
Euch fehlen nur zehn Jahre.

Hagen.                                         War das letzte
Denn endlich Euer Bestes?

Siegfried.                                   Kann man das
Im Spiele zeigen?

Gunther.                       Noch einmal willkommen!
Und glücklich pries ich mich, wenn's mir gelänge,
Dich anders, als für flüchtigen Besuch
An mich zu fesseln. Doch, was hätte ich,
Das ich dir bieten könnte. Wär es auch
Mein rechter Arm – mit dem ich mir den Dienst
Von deinem linken gern erkaufen möchte –
Du sagtest nein und kämst wohl auch zu kurz!

Siegfried.
Nimm dich in acht, ich bettle, eh du's denkst!

Gunther.
Was es auch sei, es ist voraus gewährt.

Siegfried.
Hab Dank für dieses Wort! Ich werde dir
Es nie vergessen, doch ich gebe dir's
Sogleich zurück, denn meine Wünsche sind
Vermeßner, als du ahnst. Ich war bescheiden,
Als ich dein Reich bloß forderte.

Gunther.                                               Du wirst
Mich nicht erschrecken.

Siegfried.                               Hörtest du vielleicht
Von meinen Schätzen? Nun, das ist gewiß,
Für Gold und Silber brauchst du nicht zu zittern,
Ich hab so viel davon, daß ich es lieber
Verschenkte, als zu Hause schleppte, doch
Was hilft's mir? Was ich dafür kaufen möchte,
Ist nimmer feil!

Gunther.                   Das ist?

Siegfried.                                 Du rätst es nicht? –
Ein anderes Gesicht, als dieses hier!

Gunther.
Hast du die Kraft des alten schon erprobt?

Siegfried.
An meiner Mutter, ja! Und da mit Glück,
Denn ihr gefällt's!

Gunther.                       Nicht sonst noch?

Siegfried.                                                   Allerdings!
Hast du's denn nicht bemerkt? Ein Mägdlein sah
Vorhin auf uns herunter in den Hof,
Und als sie, ihre goldnen Locken schüttelnd,
Die, wie ein Vorhang, ihr die Augen deckten,
Mich unter euch erblickte, fuhr sie rascher
Zurück, wie ich, als sich im Reich der Zwerge
Die Erde, die mein Fuß betrat, auf einmal
Zu einem Angesicht zusammenzog,
Das mir die Zähne zeigte!

Gunther.                                   Bloße Scheu!
Versuch's nur immer weiter. Wenn's dir aber
Am Werber fehlt: ich leiste dir den Dienst,
Nur mußt du mir den gleichen auch erweisen,
Denn Kriemhild, meine Schwester, darf nicht ziehn,
Bevor hier Brunhild ihren Einzug hielt.

Siegfried.
Welch einen Namen nennst du da, o König?
Die nord'sche Jungfrau denkst du heimzuführen,
Der flüss'ges Eisen in den Adern kocht?
Oh, gib es auf!

Gunther.                 Warum? Ist sie's nicht wert?

Siegfried.
Nicht wert! Ihr Ruhm durchfliegt die Welt! Doch keiner
Kann sie im Kampf bestehen, bis auf einen,
Und dieser eine wählt sie nimmermehr.

Gunther.
So sollte ich aus Furcht vor ihr nicht werben?
Welch eine Schmach! Viel lieber gleich den Tod
Von ihrer Hand, als tausend Jahre Leben
In dieser Ohnmacht schimpflichem Gefühl.

Siegfried.
Du weißt nicht, was du sprichst. Ist's Schmach für dich,
Daß dich das Feuer brennt, und daß das Wasser
Dich in die Tiefe zieht? Nun, sie ist ganz,
Wie's Element, und einen Mann nur gibt's,
Der sie bewält'gen und, wie's ihm gefällt,
Behalten oder auch verschenken kann!
Doch möchtest du sie wohl von einem nehmen,
Der nicht ihr Vater, noch ihr Bruder ist?

Gunther.
Erst werd ich sehen, was ich selbst vermag!

Siegfried.
Es glückt dir nicht, es kann dir gar nicht glücken,
Sie wirft dich in den Staub! Und glaube nicht,
Daß Milde wohnt in ihrer ehrnen Brust,
Und daß sie etwa, wenn sie dich erblickt,
Es gar zu einem Kampf nicht kommen läßt!
Das kennt sie nicht, sie streitet um ihr Magdtum,
Als wär ihr Leben selbst daran geknüpft,
Und wie der Blitz, der keine Augen hat,
Oder der See, der keinen Schrei vernimmt,
Vertilgt sie ohne Mitleid jeden Recken,
Der ihr den Jungfraun-Gürtel lösen will.
Drum gib sie auf und denk nicht mehr an sie,
Wenn du sie nicht aus eines andern Händen,
Wenn du sie nicht von mir empfangen magst!

Gunther.
Und warum sollt ich nicht?

Siegfried.                                   Das frag dich selbst!
Ich bin bereit mit dir hinabzuziehn,
Wenn du die Schwester mir als Lohn versprichst,
Denn einzig ihrethalben kam ich her,
Und hättest du dein Reich an mich verloren,
Du hättst es dir zurückgekauft mit ihr.

Hagen.
Wie denkst du's denn zu machen?

Siegfried.                                               Schwere Proben
Sind zu bestehn! Sie wirft den Stein, wie ich,
Und springt ihm nach, so weit er fliegt, sie schleudert
Die Lanze und durchbohrt auf hundert Schritte
Ein siebenfaches Erz, und so noch mehr.
Allein, was tut's, wir teilen uns ins Werk,
Mein sei die Arbeit, die Gebärde sein!

Hagen.
Er soll den Anlauf nehmen, du willst werfen
Und springen?

Siegfried.               Ja! so mein ich's! Und dabei
Ihn selbst noch tragen!

Hagen.                                 Torheit! Wie ist's möglich,
Sie so zu täuschen?

Siegfried.                         Durch die Nebelkappe,
Die mich schon einmal ihrem Blick entzog!

Hagen.
Du warst schon dort?

Siegfried.                           Ich war's! Doch warb ich nicht,
Auch sah ich nur, ich wurde nicht gesehn! –
Ihr staunt und schaut mich voll Verwundrung an?
Ich merk es wohl, ich muß den Kuckuck machen,
Eh ihr mir trauen könnt, doch denke ich,
Wir sparen's für die Fahrt, denn die ist lang,
Auch kann ich, wenn ich von mir selbst erzähle,
Dabei ins Wasser sehn!

Gunther.                                 Nein, sprich uns gleich
Von Isenland und deinen Abenteuern!
Wir hören's gern und waren schon dabei,
Es selbst zu tun.

Siegfried.                   Auch das! Mich trieb die Lust
Am Kampf so weit hinunter, und ich traf
Dort gleich den ersten Tag bei einer Höhle
Zwei junge Recken, die sich grimmig stritten.
Es waren Brüder, König Niblungs Söhne,
Die ihren Vater kaum begraben hatten –
Erschlagen auch, wie ich nachher vernahm –
Und schon ums Erbe zankten. Ganze Haufen
Von Edelsteinen lagen aufgetürmt
Um sie herum, dazwischen alte Kronen,
Seltsam gewundne Hörner und vor allem
Der Balmung, aus der Höhle aber blitzte
Das rote Gold hervor. Als ich erschien,
Verlangten sie mit wildem Ungestüm,
Daß ich den Schatz als Fremder teilen sollte,
Und gern gewährt ich's, um den Mord zu hindern,
Mit dem sie sich bedrohten, doch umsonst.
Denn, als ich fertig war, fand jeder sich
Verkürzt, und tobte, und ich warf die Hälften
Auf ihr Begehren wieder durcheinander
Und teilte abermals. Da wurden sie
Noch zorniger und drangen, während ich
Gebückt auf meinen Knien lag und still
Auf einen Ausgleich sann, in toller Wut
Mit rasch gezognen Degen auf mich ein.
Ich, um der Rasenden mich zu erwehren,
Griff zu dem Balmung neben mir, weil ich
Die eigne Klinge nicht mehr ziehen konnte,
Und eh ich's dachte, hatten alle beide,
Wie Eber, welche blind aufs Eisen laufen,
Sich selbst gespießt, obgleich ich liegen blieb
Und ihrer schonte, und so ward ich Erbe
Des ganzen Hortes.

Hagen.                           Blutig und doch redlich!

Siegfried.
Nun wollt ich in die Höhle gehn! Wie staunt ich,
Als ich den Eingang nicht mehr fand. Ein Wall,
So schien's, war plötzlich aus dem Schoß der Erde
Hervorgestiegen, und ich stach hinein,
Um mir den Weg zu bahnen. Doch, da kam
Statt Wassers Blut, es zuckte, und ich glaubte,
Ein Wurm sei in dem Wall versteckt. Ich irrte,
Der ganze Wall war nur ein einz'ger Wurm,
Der, tausend Jahre in der Felskluft schlafend,
Mit Gras und Moos bewachsen war, und eher
Dem zack'gen Rücken einer Hügelkette,
Als einem Tiere glich, das Odem hat.

Hagen.
Das war der Drache!

Siegfried.                         Ja, ich schlug ihn tot,
Indem ich ihn bestieg, eh er sich bäumte,
Und ihm von hinten her, den Nacken reitend,
Das blaue Haupt zerschmetterte. Es war
Vielleicht das schwerste Stück, das ich vollbrachte,
Und ohne Balmung wär's mir nicht geglückt.
Dann hieb ich mich durch seinen Riesenleib,
Durch all das Fleisch und die gewalt'gen Knochen,
Wie durch ein felsigtes Gebirg, allmählich
Bis an die Höhle durch. Doch hatte ich
Sie kaum betreten, als ich mich umklammert
Von starken Armen fühlte, die mein Auge
Nicht sah, und die mir dennoch fast die Rippen
Zusammendrückten, ganz, als ob die Luft
Es selber täte! Es war Alberich,
Der wilde Zwerg, und niemals war ich wohl
Dem Tod so nah, als in dem grausen Kampf
Mit diesem Ungetüm. Doch endlich wurde
Er sichtbar, und nun war's um ihn geschehn.
Denn, ohne es zu wissen, hatt' ich ihm,
Derweil ich mit ihm rang, die Nebelkappe
Vom Kopf gerissen, und mit seiner Hülle
Verlor er auch die Kraft und stürzte hin.
Nun wollt ich ihn zertreten, wie ein Tier,
Da löste er, schon unter meinen Fersen
Mit seinem Hals, sich rasch durch ein Geheimnis,
Das ich nicht ahnte, er entdeckte mir
Den Zauber, der im Blut des Drachen steckte,
Solange es noch rauchte, und ich ließ
Ihn eilig frei und nahm mein rotes Bad.

Gunther.
So hast du dir an einem einz'gen Tage
Den Balmung und den Hort, die Nebelkappe
Und deine Haut von Horn erkämpft?

Siegfried.                                                   So ist's!
Ja, auch die Vögelsprache! Als ein Tropfe
Des Zauberbluts mir auf die Lippen sprang,
Verstand ich gleich das Zwitschern über mir,
Und hätt' ich nicht zu rasch ihn abgewischt,
So würd ich auch, was hüpft und springt, verstehn.
Denkt euch: auf einmal flüstert es im Baum,
Denn eine alte Linde deckte alles,
Dann kichert's, lacht und höhnt, so daß ich Menschen
Zu hören glaube, die, im Laub versteckt,
Mein Tun verspotten. Wie ich um mich schaue,
Erblick ich nichts, als Vögel, Krähen, Dohlen
Und Eulen, die sich streiten. Brunhild wird
Genannt, auch ich. Ein Knäuel dunkler Reden
Hinüber und herüber. Eins nur klar,
Daß noch ein Abenteuer meiner harrt.
Die Lust erwacht. Die Dohle fliegt voran,
Die Eule folgt. Bald sperrt ein Flammensee
Den Weg und eine Burg, wie glühendes
Metall in bläulich-grünem Schimmer leuchtend,
Taucht drüben auf. Ich halte an. Da ruft
Die Dohle: Zieh den Balmung aus der Scheide
Und schwing ihn dreimal um das Haupt! Ich tu's,
Und schneller, wie ein Licht, erlischt der See.
Nun wird's lebendig in der Burg, Gestalten
Erscheinen auf der Zinne, Schleier flattern,
Und eine stolze Jungfrau späht herab.
Da kreischt die Eule auf: Das ist die Braut!
Nun mit der Nebelkappe fort! Ich hatte
Sie bloß zur Probe aufgesetzt und wußte
Nicht einmal, daß ich sie noch trug. Doch jetzt
Hielt ich sie mit den Händen fest, weil ich
Die kecken Vögel darnach haschen sah.
Denn Brunhild rührte, wie sie droben stand,
In aller ihrer Schönheit nicht mein Herz,
Und wer da fühlt, daß er nicht werben kann,
Der grüßt auch nicht.

Volker.                             Das ist ein edles Wort.

Siegfried.
So schied ich ungesehn und kenne doch
Die Burg und ihr Geheimnis, wie den Weg.

Gunther.
So führ mich, Held!

Volker.                           Nein, König, bleib daheim,
Es endet schlecht.

Siegfried.                     Du meinst, ich kann nicht halten,
Was ich versprach?

Volker.                           O doch, ich meine nur,
Daß falsche Künste sich für uns nicht ziemen!

Gunther.
Mit andern geht's ja nicht.

Volker.                                       So stehst du ab.

Gerenot.
Das rat ich auch.

Hagen.                       Ei nun! Warum?

Gunther.                                               Mir scheint's
So wenig schimpflich, als ins Schiff zu steigen,
Wenn man das fremde Ufer nicht durch Schwimmen
Erreichen kann, und statt der Faust den Degen
Zu brauchen.

Siegfried.             Nimm es so, und schlage ein!

Gunther.
Wohlan! Für Brunhild gebe ich dir Kriemhild,
Und unsre Hochzeit feiern wir zugleich!

Hagen (legt den Finger auf den Mund, sieht Siegfried an und schlägt ans Schwert).

Siegfried.
Bin ich ein Weib? In Ewigkeit kein Wort!
Ich stelle mich, wenn ihr zum Kampfe eilt,
Als hätt' ich was an unsrem Schiff zu richten
Und geh zum Strand hinunter, daß sie's sieht,
Doch in der Nebelkappe kehr ich wieder
Und kneif dich in den Arm und steh dir bei!

(Alle ab.)



 << zurück weiter >>