Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Fünfte Szene

Volker (hält Giselher zurück).
Mein Giselher, ich muß dir was vertraun.

Giselher.
Du mir?

Volker.         Auch bitt ich dich um deinen Rat.

Giselher.
Wir ritten fast die ganze Zeit zusammen,
Und jetzt auf einmal? Nun, so faß dich kurz!

Volker.
Sahst du das Mägdlein? Doch, was frag ich noch,
Sie hielt ja keinen Becher in der Hand.

Giselher.
Sprich nicht so dumm, ich hab sie wohl gesehn.

Volker.
Du hast ja aber doch den Kuß verschmäht,
Den sie dir schuldig war –

Giselher.                                     Was höhnst du mich?

Volker.
Ich muß dich prüfen, eh ich's glauben kann,
Denn das vom Becher ist dein eignes Wort.
Wie alt erscheint sie dir?

Giselher.                                 Nun laß mich aus!

Volker.
Du hast noch Zeit. Führt sie den Mädchentitel
Schon unbestritten?

Giselher.                         Kümmert's dich?

Volker.                                                         Jawohl:
Ich möcht hier werben, und ich muß doch wissen,
Daß sie den Bräutigam nicht stehenläßt,
Wenn sie zum Blindekuh gerufen wird.

Giselher.
Du willst hier werben? Du?

Volker.                                         Nicht für mich selbst!
Mein Helm ist, trotz der Beulen, die er hat,
Noch blank genug, mir mein Gesicht zu zeigen.
O nein, für Gerenot.

Giselher.                         Für Gerenot?

Volker.
Nun frag ich dich im Ernst: ist's Euch genehm?
Dann tu ich's gern! Hab ich's doch selbst gesehn,
Daß ihn's durchfuhr, als ob der Blitz ihn träfe,
Wie er dies Kind am Fenster stehen sah.

Giselher.
Ihn? Er hat nicht einmal hinauf geschaut!
Das war ja ich.

Volker.                     Das wärest du gewesen?
Sprachst du denn auch zu mir?

Giselher.                                           Das glaub ich nicht,
Doch dafür sprech ich jetzt. Ihr habt ja immer
Gedrängt, ich sollte frein, und Gerenot
Am allermeisten – Nun, es wird geschehn!

Volker.
Auf einmal?

Giselher.             Wenn sie will. Ich hab den Kuß
Der Höflichkeit verschmäht –

Volker.                                             Ist's wirklich so?

Giselher.
Verpaßt, wenn's dir gefällt, wie meinen Teil
Vom großen Kuchen, doch es ist mir gleich,
Einen andern oder keinen! (Rasch ab.)

Sechste Szene

Volker.                                         Ei, das kommt,
Wie's Fieber! Aber ganz zur rechten Zeit,
Drum blies ich auch hinein mit vollen Backen,
Denn, wenn wir uns mit Rüdeger verschwähern,
Ist Etzels redlichster Vasall uns Freund. (Ab.)

Siebente Szene

Garten.
Rüdeger und seine Gäste. Bankett im Hintergrund.

Hagen.
Hast du ihr im geheimen nichts gelobt?

Rüdeger.
Hätt' ich's getan, so müßt ich's wohl verschweigen!

Hagen.
Ich glaub es doch. Der Umsprung war zu rasch!
Erst war sie durch die Werbung tief gekränkt,
Dann war's ihr plötzlich recht.

Rüdeger.                                         Und wenn es wäre:
Kann sie verlangen, was man weigern muß?

Hagen.
Wer weiß! Doch mir ist's gleich!

Rüdeger.                                               Ich kenne das!
Wohl mag ein Weib, das schwer beleidigt ist,
Auf Rache sinnen und in blut'gen Plänen
Uns alle überbieten: kommt der Tag,
Wo sich ein Arm für sie erheben will,
So hält sie selbst mit Zittern ihn zurück
Und ruft: Noch nicht!

Hagen.                                 Kann sein! – Wo bleibst du, Volker?

Achte Szene

Volker tritt auf.

Volker.
Ich hatte Krankendienst! – Die Luft bei Euch
Ist nicht gesund. Hier brechen Fieber aus,
Die über zwanzig Jahre ruhig schliefen,
Und das so heftig, wie ich's nie gesehn.

Rüdeger.
Wo ist dein Kranker denn?

Volker.                                         Da kommt er just!

Neunte Szene

Giselher tritt auf.

Rüdeger.
Zu Tisch! Dort lösen wir dies Rätsel auf,
Wenn wir die Nüsse und die Mandeln knacken.

Giselher.
Mein edler Markgraf, erst erlaubt ein Wort.

Rüdeger.
So viel der Küchenmeister noch gestattet,
Nicht mehr noch weniger.

Giselher.                                   Ich bitte Euch
Um Eurer Tochter Hand.

Gerenot.                                 Ei, Giselher!

Giselher.
Ist's dir nicht recht? Sprich auch! Und laß uns schwören:
Wie uns das Los auch fällt, wir grollen nicht!
Du lachst? Du sprachst wohl schon und hast dein Ja?
Nun wohl, ich halt auch dann, was ich gelobt,
Doch nehm ich nie ein Weib!

Gerenot.                                         Was fällt dir ein!

Rüdeger (winkt Frau und Tochter).
Tritt her, Gudrun!

Hagen (schlägt Giselher auf die Schulter).
                              Du bist ein braver Schmied!
Das wird ein Ring! – Ich leg mein Fürwort ein!

Gunther.
Das tu auch ich. Es wird mich hoch erfreun,
Wenn ich auf diese reine Jungfraunstirn
Die Krone setzen darf.

Giselher (zu Gudrun).         Und du?

Götelinde (da Gudrun schweigt).     O weh!
So wißt Ihr's nicht schon längst durch das Gerücht?
Mein Kind ist taub und stumm.

Rüdeger.                                           Ich geb Euch gern
Euer Wort zurück.

Giselher.                       Ich hab's noch nicht verlangt,
Sie wäre ohne das zu gut für mich.

Hagen.
Recht, hämmre tüchtig zu! Denn solch ein Ring
Paßt ganz in unsre Kette.
(Zu Volker.)                     Wenn sie's wagt,
So soll sie zehnmal blut'ger sein, wie ich!

Giselher.
Gudrun – Ach ich vergesse! Lehrt mich rasch
Die Zeichen, die Ihr braucht, mit ihr zu reden,
Und diesmal fragt für mich.

Gudrun.                                       Ei, glaub's doch nicht,
Ich schämte mich ja nur.

Volker.                                   Du liebes Kind!
Auf deinen Lippen muß ein Zauber wohnen,
Wer sich beim ersten Kuß was wünscht, der hat's.

Giselher.
So sprich!

Gudrun.           Mein Vater sprach ja auch noch nicht.

Hagen (zu Rüdeger).
Da hast du Vollmacht! Siegle! Denn dein Koch
Wird ungeduldig.

Rüdeger (gegen Gunther).
                              Braucht es meiner noch?
Muß ich die Rolle jenes Narren spielen,
Dem eine Krone auf den Scheitel fiel,
Und der gen Himmel rief: Ich nehm sie an?
Es sei, und also sag ich ja! (Zu Hagen.) Nun weißt du,
Wie tief ich gegen euch verschworen bin.

Hagen.
So gebt euch denn die Hände! Brav! Der Ring
Ist fertig! Keinen Schlag mehr, Schmied! Die Hochzeit
Erst bei der Wiederkehr!

Giselher.                                 Warum?

Götelinde.                                               Ei wohl!

Rüdeger.
Ich harrte sieben Jahr.

Hagen.                                 Doch darfst du nicht
Zurückgewiesen werden, wenn dir auch
Ein Paar von deinen Gliedern fehlen sollten –
(Zu Gudrun.) Ich steh dafür, er kommt nicht ohne Kopf!

Rüdeger.
Das gehn wir ein. Es gilt ja nur ein Fest.

Dietrich (tritt plötzlich hinzu).
Wer weiß! Frau Kriemhild weint noch Tag und Nacht.

Hagen.
Und Etzel duldet's? Pah! Da schellt der Koch.

Dietrich.
Ich bin gekommen, um euch das zu sagen,
Es ist geschehn, nun achtet's, wie ihr wollt.

(Geht mit Rüdeger zum Bankett.)

Zehnte Szene

Hagen.
Hört ihr's? Das sprach Herr Dieterich von Bern.

Dietrich (kehrt wieder um).
Seid auf der Hut, ihr stolzen Nibelungen,
Und wähnt nicht, daß ein jeder, der die Zunge
Jetzt für euch braucht, den Arm auch brauchen darf.
(Folgt Rüdeger.)

Eilfte Szene

Volker.
Das sprach ein König, der gewiß zuletzt
Auf Erden Argwohn schöpft.

Hagen.                                           Sie kennen ihn.

Volker.
Und weise Nixen, die dem Zauberborn
Entstiegen –

Hagen.                 Willst du schwatzen?

Gunther.                                                 Nun, was ist's?

Hagen.
Sie meinten, gute Panzer täten not –

Volker.
Und nützten doch zu nichts.

Gunther.                                     Was tut's? Die Hülfe
Ist bei der Hand.

Hagen.                         Wie das?

Gunther.                                     Du gehst zurück!

Hagen.
Zurück?

Gunther.       Jawohl! Du meldest meiner Mutter,
Was hier geschah, damit sie Betten stopft,
Und freust dich, daß du uns gerettet hast.
Denn die Gefahr, vor der du ewig warnst,
Ist nur für dich und nicht für uns vorhanden,
Wir sind gedeckt, sobald du selbst nur willst,
Und deinen Auftrag hast du! Kehr denn um!

Hagen.
Gebeutst du's mir?

Gunther.                       Wenn ich gebieten wollte,
So hätt' ich's schon zu Worms am Rhein getan!

Hagen.
Dann ist's ein Dienst, den ich dir weigern muß.

Gunther.
Siehst du? Es ist dir nicht allein um mich!
Du willst nicht fehlen, wo man spotten könnte:
Wo bleibt er denn? Er fürchtet sich doch nicht?
Nun, was dich treibt, das treibt auch mich! Ich will
Nicht warten, bis der Heunenkönig mir
Ein Spinnrad schickt. Ja, wenn die Norne selbst
Mit aufgehobnem Finger mich bedräute,
Ich wiche keinen Schritt zurück! Und du
Bist unser Tod, wenn's drunten wirklich steht,
Wie du's uns prophezeist. Doch –
(Er schlägt Hagen auf die Schulter.) Komm nur, Tod!

(Folgen den andern.)


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