Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Dritter Akt

Heunenland. König Etzels Burg. Empfangssaal.

Erste Szene

Kriemhild, Werbel, Swemmel.

Kriemhild.
So wagt er's ungeladen? Hagen Tronje,
Ich kannte dich!

Werbel.                     Er zieht voran und führt.

Kriemhild.
Greift gleich nach ihren Waffen, wenn sie kommen,
Ihr wißt, mit List.

Werbel.                         Es liegt uns selbst daran.

Kriemhild.
Habt ihr denn auch noch Mut, nun ihr sie kennt?

Werbel.
Dem Hornißschwarm erlag schon mancher Leu! –
Weiß Etzel etwas?

Kriemhild.                       Nein! – Und doch wohl: Ja.

Werbel.
Es ist nur –

Kriemhild.           Was?

Werbel.                         Auch in der Wüste ehren
Wir einen Gast.

Kriemhild.                 Ist Gast, wen keiner lud?

Werbel.
Bei uns sogar der Feind.

Kriemhild.                               Vielleicht ist alles
Nicht nötig. Hier wird König Gunther frei,
Und wenn sich in Burgund der Henker findet,
So brauche ich die Heun'schen Rächer nicht.

Werbel.
Doch, Königin –

Kriemhild.                   Euch halte ich auch dann,
Was ich euch schwur. Der Nibelungen Hort
Ist euer, wenn er liegt. Ich frage nicht,
Durch wen er fiel!

Werbel.                           Auch wenn wir nichts getan?
Trotz Etzels Zorn, dein bis zum Tod dafür!

Kriemhild.
Habt ihr die Königin Burgunds gesehn?

Werbel.
Die sieht kein Mensch.

Kriemhild.                           Auch nicht von ihr gehört?

Werbel.
Die wunderlichsten Reden gehen um.

Kriemhild.
Was denn für Reden?

Werbel.                               Nun, es wird geflüstert,
Daß sie in einem Grabe haust.

Kriemhild.                                         Und doch
Nicht tot?

Werbel.           Sie hat es gleich nach dir bezogen,
Fort in der Nacht, nach Wochen erst entdeckt,
Und nicht mehr wegzubringen.

Kriemhild.                                         Sie – Brunhild
In Siegfrieds heil'ger Ruhestatt?

Werbel.                                                 So ist's.

Kriemhild.
Vampyr.

Werbel.         Am Sarge kauernd.

Kriemhild.                                     Teufelskünste
Im Sinn.

Werbel.         Kann sein. Allein im Auge Tränen,
Und mit den Nägeln bald ihr Angesicht
Zerkratzend, bald das Holz.

Kriemhild.                                   Da seht ihr's selbst!

Werbel.
Der König gab Befehl, sie einzumauern,
Doch eilig setzte ihre graue Amme
Sich in die Tür.

Kriemhild.                 Dich treib ich wieder aus! –
(Nach langer Pause.)
Und meine Mutter schickt mir diese Locke
Und fügte nicht ein einz'ges Wort hinzu?

Werbel.
So ist's.

Kriemhild.
              Sie soll mich mahnen, denk ich mir,
Daß ich die Brüder nicht zu lange halte.

Werbel.
Es mag wohl sein.

Kriemhild.                     Sie ist so weiß, wie Schnee.

Werbel.
Doch hätte sie gewiß nicht dran gedacht,
Wenn sie ihr Traum nicht so geängstigt hätte,
Denn sie betrieb die Reise selbst mit Fleiß.

Kriemhild.
Was für ein Traum?

Werbel.                           Sie sah die Nacht, bevor
Wir ziehen sollten, alle Vögel tot
Vom Himmel fallen.

Kriemhild.                         Welch ein Zeichen!

Werbel.                                                               Nicht?
Die Kinder scharrten sie mit ihren Füßen
Zusammen, wie im Herbst die dürren Blätter –

Kriemhild.
Und ihre Träume gehen immer aus! –
Das ist ein Pfand!

Werbel.                         Du jubelst? Sie erschrak
Und schnitt, als wir zu Pferde steigen wollten,
Vom greisen Haupt die Locke sich herunter,
Und gab sie mir, wie einen Brief, für dich.

Kriemhild.
Nun richtet euch!

Werbel.                       Das Netz ist schon gestellt.

(Werbel und Swemmel ab.)

Zweite Szene

Kriemhild (die Locke erhebend).
Ich kann dich wohl verstehn! Doch fürchte nichts!
Mir ist's nur um den Geier, deine Falken
Sind sicher bis auf ihre letzte Feder,
Es wäre denn – doch nein, sie hassen sich!

Dritte Szene

Etzel tritt mit Gefolge ein.

Etzel.
Nun wirst du doch mit mir zufrieden sein?
Und wenn du's noch nicht bist, so wirst du's werden,
Bevor ich dich verlasse. Sag nur an,
Wie ich die Deinigen begrüßen soll.

Kriemhild.
Mein König –

Etzel.                       Stocke nicht! Bedinge dir's,
Wie's dir gefällt! Ich ging bis an das Tor,
Als ich den alten Dieterich von Bern
Zuerst empfing, und trug ein Diadem.
Dies war bis jetzt mein Höchstes, aber heut
Bin ich zu mehr bereit, damit sie sehn,
Daß auch der Heune dich zu schätzen weiß.
Bis an die fernsten Marken meines Reichs
Hab ich die Könige vorausgesandt,
Die mehr aus Wahl mir dienen, als aus Zwang,
Und Freudenfeuer, die von Berg zu Berg
Entzündet werden, flammen ihnen zu,
Daß sie an Etzels Hof willkommen sind
Und uns, auf welcher Straße sie sich nahn.
Soll ich nun auch noch Kronenprobe halten
Und meinen Purpur einmal wieder lüften,
So sprich's nur aus und kehr dich nicht daran,
Daß mich ein Zentner Eisen nicht so drückt,
Wie eine Unze Gold. Ich wähle mir
Die leichteste, und wenn du danken willst,
So kannst du sie mit einem roten Band
Mir für das Fest der Sonnenwende merken,
Damit ich sie sogleich zu finden weiß.

Kriemhild.
Mein Herr und mein Gemahl, das wär zu viel.

Etzel.
Zu viel vielleicht für sie, doch nicht für dich!
Denn du erfülltest mir den letzten Wunsch,
Der mir auf Erden noch geblieben war,
Du schenktest mir den Erben für mein Reich,
Und was ich dir im ersten Vaterrausch
Gelobte, halt ich auch: Du kannst nicht fordern,
Was ich versagte, seit ein Sohn mir lebt.
Und wenn du nichts für dich verlangen magst,
So laß mich's an den Deinigen beweisen,
Daß es mir Ernst mit dieser Rede ist.

Kriemhild.
Vergönne denn, daß ich sie nach Verdienst
Und Würdigkeit empfange und behandle,
Ich weiß am besten, was sich für sie schickt,
Und sei gewiß, daß jeder das erhält,
Was ihm gebührt, wie seltsam ich das Fest
Auch richten und die Stühle setzen mag.

Etzel.
So sei's! Ich lud ja nur auf deinen Wunsch,
Denn Vettern, die mich sieben Jahr verschmähn,
Kann ich im achten, wie sie mich, entbehren,
Drum ordne alles, wie es dir gefällt.
Wenn du mein halbes Reich verschwenden willst,
So steht's dir frei, du bist die Königin,
Und wenn du deine Kuchen lieber sparst,
So ist's mir recht, du bist des Hauses Frau!

Kriemhild.
Mein Herr und König, edel bist du stets
Mit mir verfahren, doch am edelsten
In dieser Stunde. Habe Dank dafür.

Etzel.
Um eins nur bitt ich: Laß mich deiner Huld
Den alten Dieterich von Bern empfehlen,
Wenn du ihn ehrst, so tust du, was mich freut.

Kriemhild.
Es soll geschehn, und das von Herzen gern.

Etzel.
Die Herrn von Thüring und von Dänemark
Schickt ich hinab, die Gäste zu begrüßen,
Doch Dietrich zog aus freien Stücken mit.

Kriemhild.
Er wird sie kennen!

Etzel.                               Nein, er kennt sie nicht.

Kriemhild.
Sie ehren oder fürchten!

Etzel.                                       Auch nicht! Nein!

Kriemhild.
Dann ist es viel!

Etzel.                         Weit mehr noch, als du glaubst.
Denn sieh: Es sind drei Freie auf der Welt,
Drei Starke, welche die Natur, wie's heißt,
Nicht schaffen konnte, ohne Mensch und Tier
Vorher zu schwächen und um eine Stufe
Herab zu setzen –

Kriemhild.                     Drei?

Etzel.                                       Der erste ist –
Vergib! Er war! Der zweite bin ich selbst.
Der dritte und der mächtigste ist er!

Kriemhild.
Dietrich von Bern!

Etzel.                             Er hält es gern geheim
Und rührt sich nur, wie sich die Erde rührt,
Wenn er nicht anders kann, doch sah ich's selbst.
Du kennst die Heunen: tapfer, wie sie sind,
Muß ich den Übermut gewähren lassen,
Der sie erfüllt vom Wirbel bis zum Zeh!
Wer's Handwerk kennt, der weiß, daß der Soldat
Im Feld nur darum unbedingt gehorcht,
Weil er im Stall zuweilen trotzen darf,
Und willig läßt er ihm das kleine Recht,
Die Feder so, die Spange so zu tragen,
Das er mit seinem Blut so teuer zahlt.
Drum kann ich auch die edlen Könige
Nicht so vor aller Ungebühr bewahren,
Wie ich's wohl möchte, auch mein letzter Knecht
Will seinen Teil von Etzels Macht und Ruhm,
Die er als allgemeines Gut betrachtet,
Und zeigt's, indem er pfeift, wenn andre beten,
Und schnalzt, wenn er sie höflich grüßen sieht.
So wagte einer hinter Dietrichs Rücken
Denn auch ein freches Wort, und das den Tag,
An dem er kam, er sah sich schweigend um
Und schritt zu einer Eiche, riß sie aus
Und legte sie dem Spötter auf den Rücken,
Der knickte unter ihrer Last zusammen,
Und alles schrie: Der Berner lebe hoch!

Kriemhild.
Das ahnt ich nicht!

Etzel.                             Er schwört sein Lob so ab,
Wie andre ihre Schande, und er würde
Die Taten gern verschenken, wie die Beute,
Wenn sich nur Nehmer fänden. Doch so ist's!

Kriemhild.
Und dennoch? – Über allem Menschenkind,
Und dein Vasall?

Etzel.                           Ich selbst erschrak, als er
Mit abgelegter Krone vor mich trat
Und seinen Degen senkte. Was ihn trieb,
Das weiß ich nicht, allein er dient mir treuer,
Wie viele, die ich überwand im Feld,
Und schon an sieben Jahr! Ich hätt' ihn gern
Mit meinen reichsten Lehen ausgestattet,
Doch nahm er nichts, als einen Meierhof,
Und auch von diesem schenkt er alles weg,
Bis auf ein Osterei, das er verzehrt.

Kriemhild.
Seltsam!

Etzel.             Errätst auch du ihn nicht? Er ist
Ja Christ, wie du, und eure Bräuche sind
Uns fremd und unverständlich. Kriecht doch mancher
Von euch in Höhlen und verhungert da,
Wenn ihm kein Rabe Speise bringt, erklettert
In heißer Wüste schroffe Felsenklippen
Und horstet drauf, bis ihn der Wirbelwind
Herunterschleudert –

Kriemhild.                         Heilige und Büßer,
Doch Dietrich trägt ein Schwert.

Etzel.                                                   Gleichviel! Gleichviel! –
Ich möcht ihm endlich danken, und mir fehlt
Die Gabe, die er nimmt. Tu du's für mich!
Du bist uns noch das erste Lächeln schuldig:
Schenk's ihm.

Kriemhild.             Du sollst mit mir zufrieden sein!


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