Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Sechste Szene

Gunther tritt ein.

Gunther (zu den Brüdern).
Wie steht's?

Kriemhild (kniet vor ihm nieder).
                      Mein Herr, mein Bruder und mein König,
Ich bitte dich in Demut um Gehör.

Gunther.
Was soll das heißen?

Kriemhild.                         Wenn du wirklich heut,
Wie man mir sagte, dich zum ersten Mal
Als Herrn erwiesen hast –

Gunther.                                     Zum ersten Mal!

Kriemhild.
Wenn du die Krone und den Purpur nicht
Zum bloßen Staat mehr trägst und Schwert und Zepter
Zum Spott –

Gunther.             Du redest scharf.

Kriemhild.                                       Das wollt ich nicht!
Doch wenn's so ist, und wenn auf deine Krönung
Die Thronbesteigung endlich folgen soll –

Gunther.
Nimm's immer an.

Kriemhild.                     Dann ist ein großer Tag
Für die gekommen, welche schweres Unrecht
Erlitten haben, und als Königin
Von allen, welche Leid im Lande tragen,
Bin ich die erste, die vor dir erscheint
Und Klage über Hagen Tronje ruft.

Gunther (stampft).
Noch immer fort!

Kriemhild (erhebt sich langsam).
                              Der Rabe, der im Wald
Den öden Platz umflattert, wo's geschah,
Hört nimmer auf, zu kreisen und zu krächzen,
Bis er den Rächer aus dem Schlaf geweckt.
Wenn er das Blut der Unschuld fließen sah,
So findet er die Ruh nicht eher wieder,
Bis das des Mörders auch geflossen ist.
Soll mich ein Tier beschämen, das nicht weiß,
Warum es schreit, und dennoch lieber hungert,
Als seine Pflicht versäumt? Mein Herr und König,
Ich rufe Klage über Hagen Tronje,
Und Klage werd ich rufen bis zum Tod.

Gunther.
Das ist umsonst!

Kriemhild.                   Entscheide nicht so rasch!
Wenn du denn auch mit deiner armen Schwester
Und ihrem Jammer schneller fertig wirst,
Wie sie in bessrer Zeit mit deiner Hand,
Als sie der wüt'ge Hirsch dir aufgeschlitzt;
Wenn du dem Schmerz, der ruhig sagen kann:
Ist meinesgleichen irgend noch auf Erden,
So will ich lachen und mich selbst verspotten,
Und alle segnen, die ich sonst verflucht!
Wenn du ihm kalt den kleinsten Trost verweigerst
Und ihn von hinnen schreckst mit finstern Brauen:
Erwäg es doch und nimm dein Wort zurück.
Ich bin's ja nicht allein, die Klage ruft,
Es ruft das ganze Land mit mir, das Kind
Braucht seinen ersten Odemzug dazu,
Der Greis den letzten, Bräutigam und Braut
Den köstlichsten, du wirst es schaudernd sehn,
Wenn's dir gefällt, sie vor den Thron zu laden,
Daß jedes Alter, jeder Stand erscheint.
Denn, wie die brechend-schwere Donnerwolke,
Hängt diese Blutschuld über ihnen allen
Und dräut mit jedem Augenblicke mehr.
Die schwangern Weiber zittern, zu gebären,
Weil sie nicht wissen, ob kein Ungeheuer
In ihrem Mutterschoß herangereift,
Und daß uns Sonn und Mond noch immer leuchten,
Gilt manchem schon als Wunder der Natur.
Wenn du dein königliches Amt versäumst,
So könnten sie zur Eigenhülfe greifen,
Wie's einst geschah, bevor's noch Kön'ge gab,
Und wenn sich alle wild zusammenrotten,
So dürften sie, da du nun einmal fürchtest,
Noch fürchterlicher, als der Tronjer, sein!

Gunther.
Sie mögen's tun.

Kriemhild.                 Du sprichst, als zeigt ich dir
Einen Rock mit trocknem Blut, als hättest du
Den Helden nie gesehn, in dessen Adern
Es kreiste, seine Stimme nie gehört,
Noch seiner Hände warmen Druck gefühlt.
Kann das denn sein? So färbe du, o Erde,
Dich überall, wie dich der grause Mord
Bei den Burgunden färbte! Tauche dich
In dunkles Rot! Wirf's ab, das grüne Kleid
Der Hoffnung und der Freude! Mahne alles,
Was lebt, an diese namenlose Tat,
Und bringe, da man mir die Sühne weigert,
Sie vor das ganze menschliche Geschlecht.

Gunther.
Genug! Ich kam in einer Absicht her,
Die Dank verdient.
(Zu Ute.)                 Hast du mit ihr gesprochen?

(Auf ein bejahendes Zeichen Utes.)

Gut! Gut! – ich will dich nicht um Antwort fragen,
Der Bote mag sie selbst entgegennehmen,
Damit er sieht, daß du dich frei bestimmst.
Ich hoffe, du gestattest ihm Gehör,
Es ist der alte Markgraf Rüdeger,
Die Sitte will es, und er bittet drum.

Kriemhild.
Der Markgraf Rüdeger ist mir willkommen.

Gunther.
So send ich ihn. (Zu Ute und den Brüdern.)
                          Laßt ihr sie auch allein!

(Alle ab.)

Siebente Szene

Kriemhild.
Er fürchtet sich! Er fürchtet Hagen Tronje,
Und Hagen Tronje, hör ich, fürchtet mich! –
Du könntest Grund erhalten! Mag die Welt
Mich anfangs schmähn, sie soll mich wieder loben,
Wenn sie das Ende dieser Dinge sieht!

Achte Szene

Rüdeger mit Gefolge tritt ein.

Kriemhild.
Seid mir willkommen, Markgraf Rüdeger! –
Doch sprecht, ist's wirklich wahr, was man mir meldet,
Ihr seid als Bote hier?

Rüdeger.                             So ist's! Doch nur
Als Bote Etzels, der kein einz'ges Zepter
In Königshänden unzerbrochen ließ,
Als das der Nibelungen.

Kriemhild.                               Einerlei,
Ich bin darum nicht weniger erstaunt!
Ihr seid mir längst gerühmt. Ein Abenteuer
Und Rüdeger, der's andern weggenommen,
Die wurden stets zugleich bei uns genannt,
Und wenn man Euch als Boten schicken kann,
So sollte man Euch doch so lange sparen,
Bis man ums Beste dieser Erde schickt.

Rüdeger.
Das hat mein Herr und König auch getan.

Kriemhild.
Wie, Rüdeger, du wirbst um eine Witwe
Und suchst sie in der Mördergrube auf?

Rüdeger.
Was sagst du, Königin?

Kriemhild.                             Die Schwalben fliehen
Von dannen, und die frommen Störche kehren
Ins hundertjähr'ge Nest nicht mehr zurück,
Doch König Etzel spricht als Freier ein.

Rüdeger.
Unselig sind die Worte, die du redest.

Kriemhild.
Unsel'ger noch die Taten, die ich sah! –
Verstell dich nicht! Du weißt, wie Siegfried starb,
Und hättst du nur das Ammenlied behorcht,
Womit man jetzt am Rhein die Kinder schreckt.

Rüdeger.
Und wenn ich's weiß?

Kriemhild.                           Herr Etzel ist noch Heide,
Nicht wahr?

Rüdeger.             Wenn du's verlangst, so wird er Christ!

Kriemhild.
Er bleibe, was er ist! – Ich will dich nicht
Betrügen, Rüdeger, mein Herz ist tot,
Wie der, für den es schlug, doch meine Hand
Hat einen Preis!

Rüdeger.                   Ich biet ein Königreich,
Das auf der Erde keine Grenzen hat.

Kriemhild.
Ein Königreich ist wenig oder viel,
Wie wird's bei Euch verteilt? Dem Mann das Schwert,
Nicht wahr, die Krone und der Herrscherstab,
Dem Weib die Flitter, das gestickte Kleid?
Nein, nein, ich brauche mehr.

Rüdeger.                                         Was es auch sei,
Es ist gewährt, noch eh du's fordern kannst.

Kriemhild.
Herr Etzel wird mir keinen Dienst versagen?

Rüdeger.
Ich bürge dir!

Kriemhild.               Und du?

Rüdeger.                                 Was ich vermag,
Ist dein bis auf den letzten Odemzug

Kriemhild.
Herr Markgraf, schwört mir das!

Rüdeger.                                               Ich schwör es Euch!

Kriemhild (für sich).
Sie kennen meinen Preis, ich bin's gewiß!
(Zu den Dienern.)
Die Könige!

Rüdeger.             So hab ich denn dein Wort?

Kriemhild.
Herr Etzel ist auch in Burgund bekannt,
Wer seinen Namen hört, der denkt zuerst
An Blut und Feuer, dann an einen Menschen! –
Jawohl, du hast mein Wort! – Man sagt: die Krone
Muß ihm ums Angesicht zusammenschmelzen,
Der glühnde Degen aus den Händen tröpfeln,
Eh er im Stürmen innehält! Das ist
Der Mann dafür, dem wird es Wollust sein!

Neunte Szene

Ute und die Könige treten ein.

Kriemhild.
Ich hab's mir überlegt und füg mich Euch!
Herr Markgraf Rüdeger, reicht mir die Hand,
Ich fasse sie, als ob es Etzels wäre,
Und bin von jetzt der Heunen Königin.

Rüdeger.
Ich huld'ge Euch!
(Er zieht nebst den Seinigen das Schwert dabei.)

Ute.                             Und ich, ich segne dich.

Kriemhild (weicht vor ihr zurück).
Laß! Laß! Dein Segen hat ja keine Kraft! (Zu den Königen.)
Doch ihr – Geleitet ihr mich selbst hinab,
Wie's König Dankrats Tochter fordern darf,
Und wie's der Herr der Welt erwarten kann?

Gunther (schweigt).

Rüdeger.
Wie! Nein?

Kriemhild.         Ihr weigert mir mein Fürstenrecht? (Zu Rüdeger.)
Herr Markgraf, fragt bei König Gunther an,
Wodurch ich es verwirkt.

Gunther.                                 Ich weigre nichts,
Doch hab ich Gründe, jetzt den Rhein zu hüten,
Und bitte Euch, Herr Markgraf, meine Schwester
Dem Herrn, den sie gewählt, in meinem Namen
Zu übergeben und mich zu entschuldigen,
Ich sehe später nach, wie er sie setzt.

Kriemhild.
Du gibst dein königliches Wort darauf?

Gunther.
Ich tat es schon.

Rüdeger.                 So übernehm ich sie!

Kriemhild.
Nun noch ein letzter Gang zu Siegfrieds Gruft.
Beredet ihr indes das übrige!

(Eckewart tritt hervor.)

Mein treuer Eckewart hat mich gewiegt,
Und ob auch alle andern mich verlassen,
Er fehlt gewiß nicht hinter meinem Sarg. (Ab.)


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