Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Zweite Szene

Bechlarn.
Empfangsaal. Götelinde von der einen Seite mit Gudrun, Rüdeger von der andern mit Dietrich und Hildebrant. Hinter ihnen Iring und Thüring
.

Götelinde.
Es freut mich, edler Dieterich von Bern,
Euch in Bechlarn zu sehn, nicht minder gern
Erblick ich Euch, Herr Hildebrant. Ich habe
Nur eine Zunge, und ich kann mit ihr
Zwei tapfre Recken nicht auf einmal grüßen,
Allein ich hab zwei Hände, die dem Herzen,
Das Euch gleich stark entgegenschlägt, gleich willig
Gehorchen und
(sie streckt ihre Hände aus)
                          verbeßre so den Fehl.

Dietrich (während der Begrüßung).
Zu milde Worte für so alte Knochen!

Hildebrant.
Das find ich nicht. Ich küß sie noch einmal,
(er küßt auch Gudrun)
Da sie nun einmal doppelt vor mir steht.

Dietrich.
Die Ähnlichkeit ist wirklich groß genug,
Um die Verwechslung zu entschuldigen.
(Er küßt Gudrun gleichfalls.)

Rüdeger.
Nur immer zu!

Dietrich.                 Ich und mein Waffenmeister,
Wir spielen heut: Wer ist der größte Narr?
Mit braunen Köpfen haben wir gerauft,
Mit weißen küssen wir!

Götelinde (zu Iring und Thüring).
                                        Euch, edle Herrn
Von Dänemark und Thüring, hab ich schon
So oft gesehn, daß ich Euch wohl als Freunde
Behandeln darf!

Thüring (während der Begrüßung).
                            Herrn Dieterich gebührt
Der Rang auch ohne das. Wo er erscheint,
Tritt alles gern zurück.

Dietrich.                               Wenn wir uns so
Zusammenfinden, wir, die Amelungen,
Und Ihr, die Ihr aus fernstem Norden stammt,
Ein jeder mehr, als hundertmal, gekerbt
In blut'gen Kämpfen, wie ein Eichenbaum,
Den sich der Jäger für die Axt bezeichnet,
Doch nie gefällt, wie der, so möcht ich glauben,
Wir haben, ohne selbst darum zu wissen,
Das Kraut gepflückt, das vor dem Tode schützt.

Iring.
Ein Wunder ist's.

Thüring.                       Das Wunder ist nicht groß!
Einst saßen wir auf unsren eignen Thronen,
Jetzt sind wir hier, um für den Heunenfürsten
Die blut'gen Nibelungen zu begrüßen
Und tragen unser Diadem zum Spott.
Herr Etzel hat sich seinen stolzen Hof
Aus Königen gebildet, und er sollte
Für sich auf einen neuen Namen sinnen,
Bei dem man gleich an dreißig Kronen denkt:
Wir aber hätten wohlgetan, das Zepter
Mit einem Bettelstabe zu vertauschen,
Der Stock, das schnöde Mittelding, entehrt.

Dietrich.
Auch ich bin unter Euch und kam von selbst.

Thüring.
Jawohl, doch keiner ahnt, warum, und Etzel,
Das glaube nur, ist so erstaunt, wie wir.
Wärst du von meinem Holz, so würd ich glauben,
Du hättst dich eingefunden, um den Löwen
Zu spielen und ihn selber zu verschlingen,
Nachdem er Bär und Wolf im Magen hat,
Doch dies liegt deinem Wesen fern, ich weiß,
Und da du ganz aus freien Stücken tust,
Was wir aus Klugheit und aus halbem Zwang,
So mußt du wunderbare Gründe haben,
Die unser plumper Kopf nicht fassen kann.

Dietrich.
Ich habe Gründe, und der Tag ist nah,
Wo Ihr sie kennenlernt.

Iring.                                     Ich brenne drauf,
Sie zu erfahren, denn daß du dich beugst,
Wo du gebieten könntest, ist so seltsam,
Daß es, ich sag es frei, an Schande grenzt,
Besonders dieser Weg.

Thüring.                                 Das mein ich auch!

Rüdeger.
Vergeßt nicht Etzels Sinn und edle Art!
Ich würd ihm willig dienen, wenn ich auch
So frei, wie Dietrich, wäre, denn er ist
Uns gleich an Adel, doch wir hatten's leicht,
Wir erbten's mit dem Blut von unsern Müttern,
Er aber nahm es aus der eignen Brust!

Thüring.
So fühl ich nicht, ich folge, weil ich muß,
Doch wäre ich, wie der –

Iring.                                         Ich tröste mich
Mit unsern Göttern, denn derselbe Sturm,
Der uns die Kronen raubte, hat auch sie
Gestürzt, und wenn's mich auch einmal verdrießt,
Daß dieser (er faßt an sein Diadem)
                  Reif nicht länger blitzt, wie sonst,
So tret ich rasch in Wodans Eichenhain,
Und denk an den, der mehr verloren hat!

Dietrich.
So machst du's recht! – Das große Rad der Welt
Wird umgehängt, vielleicht gar ausgetauscht,
Und keiner weiß, was kommen soll.

Rüdeger.                                                   Wie das?

Dietrich.
Ich saß einst eine Nacht am Nixenbrunnen
Und wußte selbst nicht, wo ich war. Da hab ich
Gar viel erlauscht.

Rüdeger.                       Was denn?

Dietrich.                                           Wer sagt's dir an?
Du hörst ein Wort und kannst es nicht verstehn,
Du siehst ein Bild und weißt es nicht zu deuten,
Und erst, wenn was geschieht, besinnst du dich,
Daß dir's die Norne schon vor Jahr und Tag
In Schattentänzen vorgegaukelt hat!

(Trompeten.)

Iring.
Die Helden nahn!

Thüring.                       Die Mörder!

Rüdeger.                                           Davon still!

Dietrich.
So blieb ein Rätsel mir im Ohre hängen,
Das lautete: Der Riese soll den Riesen
Nicht fürchten, nur den Zwerg! Hättst du's gelöst?
Seit Siegfrieds Tod versteh ich's nur zu wohl.

Götelinde (am Fenster. Die Trompeten ganz nahe).
Da sind sie.

Gudrun.               Welche muß ich küssen, Mutter?

Götelinde.
Die Kön'ge und den Tronjer!

Rüdeger (zu den Recken).             Kommt denn, kommt!

Dietrich.
Ihr, um zu grüßen, um zu warnen ich.

Rüdeger.
Wie?

Dietrich.
          Ja! Wenn sie auf meine Winke achten,
So trinken sie mit dir und kehren um! (Im Abgehen.)
Halt Feuer und Schwefel auseinander, Freund,
Denn löschen kannst du nicht, wenn's einmal brennt.

(Alle ab.)

Dritte Szene

Götelinde.
Tritt her zu mir, Gudrun, was zögerst du?
So edlen Gästen dürfen wir uns nicht
Gleichgültig zeigen.

Gudrun (tritt gleichfalls ans Fenster).
                                  Mutter, sieh doch den,
Den Blassen mit den hohlen Totenaugen,
Der hat's gewiß getan.

Götelinde.                           Was denn getan?

Gudrun.
Die arme Königin! Sie war doch gar
Nicht lustig auf der Hochzeit.

Götelinde.                                       Was verstehst
Denn du davon? Du bist ja eingeschlafen,
Bevor sie's werden konnte.

Gudrun.                                       Eingeschlafen!
Ich schlief in Wien nicht einmal ein, so jung
Ich damals auch noch war! – So saß sie da,
Den Kopf gestützt, als dächte sie an alles,
Nur nicht an uns, und wenn Herr Etzel sie
Berührte, zuckte sie, wie ich wohl zucke,
Wenn eine Schlange uns zu nahe kommt.

Götelinde.
Pfui, pfui, Gudrun!

Gudrun.                         Du kannst mir's sicher glauben,
Ihr habt's nur nicht bemerkt. Du lobst mein Auge
Doch sonst –

Götelinde.             Wenn's Nadeln aufzuheben gibt.

Gudrun.
Der Vater nennt mich seinen Hauskalender –

Götelinde.
Es soll nicht mehr geschehn, du wirst zu keck.

Gudrun.
So war sie lustig?

Götelinde.                     Wie's der Witwe ziemt!
Nichts mehr davon! (Sie tritt vom Fenster zurück.)

Gudrun.                           Es fiel mir ja nur ein,
Als ich – (Schreit auf.)
                Da ist er!

Vierte Szene

Rüdeger tritt mit seinen Gästen und den Nibelungen ein. Giselher folgt später und hält sich abseits.

Hagen.                                 Wir erschrecken hier?

(Allgemeine Begrüßung.)

Hagen (zu Gudrun).
Man hat mich wohl verleumdet und verbreitet,
Daß ich nicht küssen kann? Hier der Beweis.
(Er küßt sie, dann zu Götelinde.)
Verzeiht mir, edle Frau! Ich war besorgt
Für meinen Ruf und mußte eilig zeigen,
Daß ich kein Lindwurm bin. Doch, wär ich's auch,
So hätt' ein Kuß von diesem Rosenmund
Mich so gewiß zum Schäfer umgewandelt,
Als es im schönsten Märchen je geschah.
Was soll ich? Veilchen suchen? Lämmer fangen?
Ich wette um den zweiten Kuß mit dir:
Die Blumen sollen nicht ein Blatt verlieren,
Die Lämmer nicht ein Haar! Sprich, gehst du's ein?

Rüdeger.
Zum Imbiß jetzt! Im Grünen ist gedeckt.

Hagen.
Erst laß uns deine Waffen doch besehn!
(Tritt vor einen Schild.)
Das ist ein Schild! Den Meister möcht ich kennen,
Der ihn geschmiedet hat. Doch hast du selbst ihn
Gewiß nicht aus der ersten Hand.

Rüdeger.                                               Versuch's,
Ob du errätst, wer ihn vor mir besaß.

Hagen (nimmt den Schild von der Wand).
Ei, der ist schwer. Nur wen'ge gehn herum,
Die solch ein Erbstück nicht verschmähen müßten.

Götelinde.
Hörst du, Gudrun?

Hagen.                         Du kannst ihn liegenlassen,
Wie einen Mühlenstein, wo's dir gefällt,
Er schützt sich selbst.

Götelinde.                         Habt Dank für dieses Wort.

Hagen.
Wie, edle Frau?

Götelinde.                 Habt Dank, habt tausend Dank,
Es war mein Vater Nudung, der ihn trug.

Volker.
Dann hatt' er Recht, als er Euch schwören ließ,
Euch keinem andern Recken zu vermählen,
Als dem, der seine Waffen brauchen könne,
Man denkt zum Schild sich leicht das Schwert hinzu.

Hagen.
Das hab ich nie gehört. Was solch ein Fiedler
Doch alles weiß!

Rüdeger.                     Es war so, wie er sagt.

Hagen (will den Schild wieder aufhängen).
Nun, ich beklage seinen Tod von Herzen,
Ich hätt'- verzeiht – ihn selbst erschlagen mögen,
Es muß ein trotz'ger Held gewesen sein.

Götelinde.
Laßt ihn nur stehn.

Hagen.                         Das tut kein Knecht für mich.

Rüdeger.
Schon gut. Wir wissen jetzt, was dir gefällt!

Hagen.
Meinst du? Zum Balmung würd er freilich passen,
Den mir der wackre Siegfried hinterließ,
Und daß ich Waffen sammle, leugn' ich nicht.

Rüdeger.
Nur nimmst du keine aus der ersten Hand.

Hagen.
Ich liebe die erprobten, das ist wahr!

(Alle ab.)


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