Friedrich Hebbel
Die Nibelungen
Friedrich Hebbel

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Neunte Szene

Werbel, schon vorher mit Swemmel unter den Heunen sichtbar, ihnen unbemerkt gefolgt von Eckewart.

Werbel.                                               Nun, Freunde,
Verlangt euch nicht ins Nachtquartier?

Dankwart.                                                     Es ist
Uns noch nicht angewiesen.

Werbel.                                         Alles steht
Schon längst bereit.
(Zu den Seinigen.) Kommt! Mischt euch, wie sich's ziemt.

Dankwart.
Halt! Wir Burgunden bleiben gern allein.

Werbel (ermuntert die Seinigen zu kommen).
Ei, was!

Dankwart.       Noch einmal! Das ist unser Brauch.

Werbel.
Im Krieg! Doch nicht beim Zechgelag!

Dankwart.                                                     Zurück!
Sonst laß ich ziehn!

Werbel.                           Wer sah noch solche Gäste!

Rumolt.
Sie gleichen ihren Wirten auf ein Haar!

(Es wird geklatscht.)

Dankwart.
Man klatscht uns zu. Wer ist's?

Rumolt.                                             Errätst du's nicht?

Dankwart.
Ein unsichtbarer Freund.

Rumolt.                                   Ich sah vorhin
Den alten Eckewart vorüberschleichen,
Der Frau Kriemhild hinabgeleitet hat.

Dankwart.
Glaubst du, daß der es war?

Rumolt.                                         Ich denk es mir.

Dankwart.
Der hat ihr Treu geschworen bis zum Tode
Und war ihr immer hold und dienstbereit,
Das wär ein Wink für uns.

Zehnte Szene

Hagen kommt mit Volker zurück.

Hagen.                                         Wie steht's denn hier?

Dankwart.
Wir halten uns, wie du's befohlen hast.

Rumolt.
Und Kriemhilds Kämmrer klatscht uns Beifall zu.

Hagen.
Nun, Etzel ist ein Mann nach meinem Sinn.

Dankwart.
So?

Rumolt.
        Ohne Falsch?

Hagen.                           Ich glaub's. Er trägt den Rock
Des besten Recken, den sein Arm erschlagen,
Und spielt darin des Toten Rolle fort.
Das Kleid ist etwas eng für seine Schultern,
Auch platzt die Naht ihm öfter, als er's merkt,
Doch meint er's gut.

Dankwart.                       Warum denn kein Empfang?

Volker.
Mir kam es vor, als wär er angebunden,
Und hätte uns nur darum nicht begrüßt.

Hagen.
So war es auch. Sein Weib hat ihm gewehrt,
Hinabzusteigen, doch das bracht er reichlich
Durch seine Milde wieder ein.

Volker.                                             Ich dachte
An meinen Hund, als er so überfreundlich
Die Hand uns bot. Der wedelt immer doppelt,
Wenn ihn sein Strick verhindert, mir entgegen-
Zuspringen bis zur Tür.

Hagen.                                 Ich dachte nicht
An deinen Hund, ich dachte an den Leuen,
Der Eisenketten, wie man sagt, zerreißt
Und Weiberhaare schont.
(Zu Dankwart und Rumolt.) Nun eßt und trinkt!
Wir haben 's hinter uns und übernehmen
Die Wacht für euch!

Dankwart (zu Werbel und Swemmel).
                                  So führt uns, wenn's gefällt.

Werbel (zu Swemmel).
Tu du's!
(Heimlich) Ich muß sogleich zur Königin.

(Alles zerstreut sich. Werbel geht in den Palast. Eckewart wird wieder sichtbar.)

Eilfte Szene

Volker.
Was meinst du?

Hagen.                       Nimmer wird's mit Etzels Willen
Geschehen, daß man uns die Treue bricht,
Denn er ist stolz auf seine Redlichkeit,
Er freut sich, daß er endlich schwören kann,
Und füttert sein Gewissen um so besser,
Als er's so viele Jahre hungern ließ.
Doch sicher ist der Boden nicht, er dröhnt,
Wohin man tritt, und dieser Geiger ist
Der Maulwurf, der ihn heimlich unterwühlt.

Volker.
Oh, der ist falsch, wie's erste Eis! – Auch wollen
Wir überall des zahmen Wolfs gedenken,
Der plötzlich unterm Lecken wieder beißt.
Was nicht im Blut liegt, hält nicht vor. Doch sieh,
Wer schiebt sich da mit seinem weißen Haar
So wunderlich vorbei?

(Eckewart schreitet langsam vorüber, wie einer, der in Gedanken mit sich selbst redet. Seine Gebärden in Einklang mit Volkers Schilderung.)

Hagen (ruft).                         Ei, Eckewart!

Volker.
Er raunt, er murmelt etwas in die Lüfte
Und stellt sich an, als sähe er uns nicht,
Ich will ihm folgen, denn er rechnet drauf.

Hagen.
Pfui, Volker, ziemt es sich für uns, zu lauschen?
Schlag an den Schild und klirre mit dem Schwert!
(Er rasselt mit seinen Waffen.)

Volker.
Jetzt macht er Zeichen.

Hagen.                                 Nun, so kehr dich um.

(Sie tun es; sehr laut.)

Wer was zu melden hat, der meld es dort,
Wo man es noch nicht weiß.

Volker.                                         Das ist –

Hagen.                                                         Schweig still,
Willst du dem Heunenkönig Schmach ersparen?
Er sehe selbst zu.

(Eckewart schüttelt den Kopf und verschwindet.)

Volker.                         Das ist mir zu kraus!

Hagen (faßt ihn unter den Arm).
Mein Freund, wir sind auf deinem Totenschiff,
Von allen zweiunddreißig Winden dient
Uns keiner mehr, ringsum die wilde See,
Und über uns die rote Wetterwolke.
Was kümmert's dich, ob dich der Hai verschlingt,
Ob dich der Blitz erschlägt? Das gilt ja gleich,
Und etwas Beßres sagt dir kein Prophet!
Drum stopfe dir die Ohren zu, wie ich,
Und laß dein innerstes Gelüsten los,
Das ist der Todgeweihten letztes Recht.

Zwölfte Szene

Die Könige treten auf mit Rüdeger.

Gunther.
Ihr schöpft noch frische Luft?

Hagen.                                             Ich will einmal
Die Lerche wieder hören.

Giselher.                                   Die erwacht
Erst mit der Morgenröte.

Hagen.                                       Bis dahin
Jag ich die Eule und die Fledermaus.

Gunther.
Ihr wollt die ganze Nacht nicht schlafen gehn?

Hagen.
Nein, wenn uns nicht Herr Rüdeger entkleidet.

Rüdeger.
Bewahr mich Gott!

Giselher.                         Dann wache ich mit euch.

Hagen.
Nicht doch! Wir sind genug und stehn euch gut,
Für jeden Tropfen Bluts, bis auf den einen,
Von dem die Mücke lebt.

Gerenot.                                 So glaubst du –

Hagen.                                                               Nichts!
Es ist nur, daß ich gleich zu finden bin,
Wenn man mich sucht. Nun kriecht in euer Bett,
Wie's Zechern ziemt.

Gunther.                           Ihr ruft?

Hagen.                                             Seid unbesorgt,
Es wird euch keiner rufen, als der Hahn.

Gunther.
Dann gute Nacht!

(Ab in den Saal mit den andern.)

Dreizehnte Szene

Hagen (ihm nach).       Und merk dir deinen Traum,
Wie's deine Mutter bei der Abfahrt tat! (Zu Volker.)
Wir passen auf, daß er sich nicht erfüllt,
Bevor du ihn erzählen kannst! – Der ahnt
Noch immer nichts.

Volker.                           Doch! Er ist nur zu stolz,
Es zu bekennen.

Hagen.                       Nun, er wär auch blind,
Wenn er's nicht sähe, wie sich die Gesichter
Um uns verdunkeln, und die besten eben
Am meisten.

(Viele Heunen sind zurückgekehrt.)

Volker.                 Schau!

Hagen.                             Da hast du das Geheimnis
Des Alten! Doch ich hatt' es wohl gedacht! –
Komm, setz dich nieder! Mit dem Rücken so!

(Sie setzen sich, den Heunen ihre Rücken wendend.)

Fängt's hinter dir zu trippeln an, so huste,
Dann wirst du's laufen hören, denn sie werden
Als Mäuse kommen und als Ratten gehn!

Vierzehnte Szene

Kriemhild erscheint mit Werbel oben auf der Stiege.

Werbel.
Siehst du! Dort sitzen sie!

Kriemhild.                                 Die sehn nicht aus,
Als wollten sie zu Bett!

Werbel.                                 Und wenn ich winke,
Stürzt meine ganze Schar heran.

Kriemhild.                                         Wie groß
Ist die?

Werbel.         An Tausend.

Kriemhild (macht gegen die Heunen eine ängstlich zurückweisende Bewegung).

Werbel.                             Was bedeutet das?

Kriemhild.
Geh, daß sie sich nicht regen.

Werbel.                                         Tun die Deinen
Dir plötzlich wieder leid?

Kriemhild.                                 Du blöder Tor,
Die klatscht der Tronjer dir allein zusammen,
Indes der Spielmann seine Fiedel streicht.
Du kennst die Nibelungen nicht! Hinab!

(Beide verschwinden.)

Funfzehnte Szene

Volker (springt auf).
So geht's nicht mehr! (Geigt eine lustige Melodie.)

Hagen (schlägt ihm auf die Fiedel).
                                    Nein, das vom Totenschiff!
Das Letzte, wie der Freund den Freund ersticht,
Und dann die Fackel – Das geht morgen los.


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