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Der Sinn des Nobelpreises

Rede, gehalten beim Nobelpreis-Bankett zu Stockholm am 10. Dezember 1912.

Als Empfänger des diesjährigen Nobelpreises für Literatur danke ich Ihnen für die auch mich betreffenden warmen und freundlichen Worte. Sie dürfen gewiß sein, daß ich, und mit mir meine Nation, die mir widerfahrene Ehre von Grund aus zu würdigen weiß. Der Nobeltag ist eine Kulturangelegenheit des ganzen Erdballs geworden, und der großartige Stifter hat seinen Namen für unabsehbare Zeiten mit dem Geistesleben aller Nationen verknüpft. Bedeutende Menschen aller Zonen werden so wie heute noch in fernen Zeiten den Namen Nobel mit ähnlichen Empfindungen aussprechen wie Menschen früherer Zeit den eines Schutzpatrons, des hilfreiche Kraft nicht zu bezweifeln ist, und seine Denkmünze wird in Familien aller Völker von Geschlecht zu Geschlecht fortgeerbt und in Ehren gehalten werden. Es kann nicht anders sein, als daß ich hier dem großen Donator den sich immer erneuernden Tribut des Respekts darbringe. Und nach ihm der ganzen schwedischen Nation, die diesen Mann hervorgebracht und die sein humanitäres Vermächtnis so treu verwaltet. Und hierbei gedenke ich jener Männer, deren aufopfernde Lynkeusarbeit über den Kulturländereien der Erde zu wachen berufen ist, damit gute Keime genährt, das Unkraut gemindert werde. Ich danke Ihnen und wünsche, daß Sie in der segensreichsten aller Tätigkeiten nie erlahmen und nie wahrhaft reicher Ernte ermangeln mögen. Und nun trinke ich darauf, daß das der Stiftung zugrunde liegende Ideal seiner Verwirklichung immer näher geführt werde: ich meine das Ideal des Weltfriedens, das ja die letzten Ideale der Wissenschaft und der Kunst in sich schließt. Die dem Kriege dienende Kunst und Wissenschaft ist nicht die letzte und echte, die echte und letzte ist die, die der Friede gebiert und die den Frieden gebiert. Und ich trinke auf den großen, letzten und rein ideellen Nobelpreis, den die Menschheit sich dann zusprechen wird, wenn die rohe Gewalt unter den Völkern eine ebenso verfemte Sache geworden sein wird, als es die rohe Gewalt unter den menschlichen Individuen der zivilisierten Gesellschaft bereits geworden ist.


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