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Kaiser Maxens Brautfahrt

Idyll

Das Innere einer Bauernhütte:, ärmlich, aber sauber, im Hochgebirge. Es ist gegen Abend im Herbst; man sieht durch die offenen Fensterchen Himmel, Berge, Wiesen, Wald. Emmerenz, ein altes Frauchen, sitzt am Spinnrad.

Emmerenz

's Fädel reißt, 's reißt immer wieder reißt's entzwei,
das will was heeßen! Na, was wird's denn heeßen ernd:
als mach dich fertig, denn dein Lebensfädel, altes Weib,
wird auch ni mehr wer weeß wie lange halt'n. Der Mann
is weg. Is nunter! 's war a Tag, wie heute warsch,
da koama Leute, die'n nuntertrugen uf
a Schultern, und das fichtne Kästel schwamm davon,
als wie a Hobelspan in unserm Bache schwimmt.
Von Stein zu Steine, immer drieber nunter weg,
zu Tale und wer weeß wohin? Wer kann das sag'n,
was wird, wenn's kommt, was eemal kommen soll und muß:
Ich nich! und andere auch nich! nu, ich frag' och nich
d'rnach. Ma brennt sich, und's tut weh. Ma lebt,
ma legt sich, abgemattet wie eens manchmal abends is,
ufs Bette und schläft ein: das tut nich weh und kann
der Tod sein! ... und wer schläft ... und wer einschlafen kann,
weshalbig soll denn der ni wieder kenn dernach
ufwachen, wenn die Zeit verschlafen is? ...

Kaiser Max, fünfundzwanzigjährig, im Jagdhabit, ist eingetreten. Er führt die Armbrust.

Guten Abend!

Max

Schönen Dank! Ich deute deinen Gruß mir, Alte, so,
als wenn du mir nichts Übles wünschtest, ob ich gleich
nur rate, nicht verstehe, was du sagst. – Wohin
muß ich mich wenden, welchen Weg empfiehlst du mir
hinab ins Kloster?

Emmerenz

Welches Kloster, scheener Herr?

Max

Der Bruderschaft des heiligen Laurentius.

Emmerenz

Erst, wenn es Euch gefällig ist, mein scheener Herr,
setzt Euch und ruht. Denn wer sich hierherauf verirrt,
muß müde sein.

Max

Ich bin nicht müde. Sage mir:
Wie weit nach deiner Schätzung ist es wohl von hier
zurück ins Kloster?

Emmerenz

Welches Kloster?

Max

Kann es wohl
ein andres als das allbekannte Kloster sein,
auf halber Höhe des Gebirges und geweiht
dem Schutzpatron der Gegend, Sankt Laurentio?

Emmerenz

Mein junger Herr, was Ihr da sagt, versteh' ich nicht.
Denn von dem Heiligen, den Ihr nanntet, hört' ich nie
bis jetzt: zeit meines Lebens! und doch ist
mein Alter fünfzig Jahr. Wie war der Name doch?

Max

Wenn ich dir sage, wunderliches altes Weib,
daß der Fürstbischof, euer Oberhirt und Herr,
unweit dem Kloster seine Burg errichtet hat:
den Stein, wo er dem Weidwerk sich zu widmen pflegt.

Emmerenz

O ja, das wär ich wissen, junger Herr. Mir wird
nichts weiter übrigbleib'n. Ich simmeliere schon
'ne ganze Weile, doch ich weiß: wie weit man geht
von hier ... 'nen Tagesmarsch nach jeder Seite fort,
da hat's kein Kloster, auch nich, wie Ihr sagt,
'nen Stein.

Max

Nun, deine Tagesmärsche, geb' ich zu,
sind wohl zu kurz, dem heiligen Laurentius
alltäglich deine Reverenz zu tun: indes
sind meine Glieder immerhin noch frisch genug,
zu wandern deiner Tagesmärsche zwei und mehr,
heut noch vor Nacht.

Emmerenz

Das kann ich Euch nicht glauben, Herr.

Max

Glaub oder glaub es nicht, nur gib mir einen Trunk,
wenn du ihn hast, am liebsten Milch, gib mir ein Stück
von deinem groben Brot, und dann ade, leb wohl!

Emmerenz

Es donnert, und es wird a Wetter niedergehn.

Max

Was tut's, ist doch kein Faden trocken sowieso
an meinem Jagdrock. Wandern will ich, laufen und,
wenn's not tut, springen, schwimmen meinethalben auch,
und ist's nicht anders, wenn der Sturm mich etwa packt
– der Roland, der durch eure Wälder, scheint es, zog
und Fichten knickte oder mit der Wurzel sie
ausbrach –, so will ich fliegen wie ein Federspiel.
In allen diesen Künsten bin ich wohl geübt.

Emmerenz

Was Euch so sehr nach Hause zieht, das kann wohl ernd
nischt Kleenes sein.

Max

Das sagst du wahr. Was bin ich hier?
Als wär' ich meines Augenlichts beraubt, als sei
tot meine Hand: denn niemand folgt auf meinen Wink!
als formt' ich Worte und es trüge sie kein Laut,
denn niemand ruft auf mein Gebot: Ja, hier, Herr, hier!
Auch hör' ich nichts, denn wo ist hier der Pfeiferchor?
Wo ist Musik? Das dumpfe Brüllen einer Kuh,
das Meckern einer Ziege nehm' ich nicht dafür!
Fast fühl' ich einen Taub- und Stummgeborenen mich
und lahm dazu und häßlich, einem Bauern gleich.
Ich, unter allen Menschen der zumeist Geachtete,
bin nun, zur Strafe dafür, daß ich einen Schritt
vom vorgeschriebenen Weg zu tun mich nicht enthielt,
sogleich verachtet, ausgesetzt, vergessen, nackt.
Ist der ein Mächtiger, dessen Macht sich gerade dann
in Ohnmacht wandelt, wenn er ihrer mehr als je
bedarf?

Emmerenz

De Toten, die sind mächtig, bester Herr:
Wir, die hier auf der armen Erde krabbeln, nicht.

Max

Oh, wenn Ihr ahnen könntet, Alte, wer ich bin!

Emmerenz

Nu ja, ja, sehn Se: freilich warsch vor langer Zeit,
da hatten wir 'ne Kalbe, die verkauften wir,
mei Mann und ich – a lebte damals noch, a is
jetzt tot –, und als wir uf a Markt gekommen warn,
da sahen wir a hänfnes Seil, hoch in der Luft,
und oben auf dem Seile ging a Mann. Er sah
bald aus wie Ihr. Wir hatten unsre Freude dran
wie ich an Euch.

Max

Nun, wenn du auch voll Runzeln bist
wie eine Morchel, daß ich dir gefalle, macht
dich, wenn nicht grade schön, doch weniger häßlich, Weib.
Allein, daß du mich, wie ich bin, für einen nimmst
von meinen Gauklern, einen, der die Brocken frißt
von meiner Knechte Tafel, schmerzt mich um so mehr.
Wo bin ich hier? an welchen Strand geworfen, und
wie heißt der kahle Stern, an welchem ich
gescheitert bin? Es ist die blühende Erde nicht,
die ich bewohne und beherrsche. Allerdings,
auch ich hab' lernen müssen, auf dem Seil zu gehn,
hoch über allen Menschenköpfen, und der Strick
ist zwischen Rathausturm und Kirchturm festgeknüpft.
Doch golden ist mein Seil, und eine Kaisergruft
empfängt den Leichnam, wenn ich falle.

Emmerenz

Hier ist Milch.

Max

Das stärkt. Lebt wohl! Ich habe nichts als Weidmannsheil
für heut zu wünschen. Keinen Dank. Doch der sich jetzt
als ein beschämter Bettelmann von hier entfernt,
kehrt wieder, und er schüttelt goldne Fülle aus
auf deinen Tisch.

Anna, die Tochter der alten Emmerenz, tritt ein. Hübsches fünfzehnjähriges Bauernmädchen.

Emmerenz

Tu Brot in seine Tasche, Kind! Er will
nich bleiben, ob's auch noch so sehr vom Himmel gießt,
a kann a Morgen nich erwarten.

Max

betrachtet verdutzt Anna

Ei! wie kommt
das Kind in deine Wildnis?

Emmerenz

Herr, sie ist von Gott
hervorgebracht wie Ihr und ich. Ein Mann, ein Weib
hat sie gezeugt: ich war das Weib. Die Wiesen sind
voll Blumen, die auf Füßen unsre Berge nich
erstiegen haben, und doch sind sie hier und blühn.

Max

Mag sein. Zu wenig fast, wie mir jetzt scheinen will,
hab' ich den Blick geweidet in der Blumenwelt
auf euren Bergen. Schönes Kind, wie heißt du denn?

Anna

Anna!

Max

Mariens Mutter also nahmst du dir
zur Schutzpatronin? Siehst du so erstaunt darob
mich an? Kennst du Mariens Mutter nicht?

Anna

Nein, Herr!

Max

Die Jungfrau selber aber kennst du doch?

Anna

Nein, Herr!

Max

Nein, Herr? Am Ende bist du nicht einmal getauft?

Emmerenz

Ihr müßt! Ihr müßt! Wir aber müssen nich ins Kloster gehn!
Deshalben, scheener Herr, versäumt jetzt keine Zeit!
's wird dunkel, runter is die Sonne allbereits.

Max

Nun, Alte, kommt es wahrlich schon auf eins hinaus,
ob ich hier noch ein Stündchen ruhe oder nicht.
Wenn ihr mich unter eurem Dach noch leiden mögt,
soll der besternte Kanzler mittlerweile doch
das Reich regieren. Meinst du nicht?

Emmerenz

gutmütig-schalkhaft

Du Morchel, du!

Max

Im Leben, Alte, muß ein jeder Spaß verstehn.

Emmerenz

Und ohne Spaß zu sterben, wenn das Stündlein kommt,
warum denn nich?

Max

reicht ihr die Hand

Und keine Feindschaft zwischen uns!

Emmerenz

Bewahre Gott! Ihr geht, wohin Ihr hingehört,
wir bleiben hier.

Max

Und wenn ich dich nun, Mütterchen,
dieweil ich andern Sinnes jetzt geworden bin
und Frost mich anfällt, bäte, laß die Kleider mich,
die ganz durchweichten, trocknen hier an deinem Herd?

Emmerenz

lachend

Da müßte Euer Turmseil warten, weiter nichts.

Max

wirft Jagdtasche, Rock und Armbrust weg

Ein Mann, ein Wort. Bring Reisig! Jedes Zweiglein soll
nach Läng' und Breite mein Schatzmeister Euch in Gold
zurückerstatten. Lodre hoch die Flamme auf!

Anna

Hier, lieber Herr.

Max

Ich rufe Anna dich,
du nennst mich Max: wir wollen wie Geschwister sein,
nicht anders. Sieh, wie hoch die Lohe prasselnd steigt,
wie sie uns beide, dich und mich, mit Glut bedeckt!
Nie schien mir heilig so wie jetzt dies Element.
Dich, Feuer, hab' ich lange schon im Knechtesdienst.
Nun wie vor einem Gotte möcht' ich knien vor dir.

Anna

Laß mich den Rock von deiner Schulter nehmen, Max.

Max

Wie herrlich mir dies Abenteuer plötzlich scheint!

Anna

Dein Hemd!

Max

Du spaßest, soll ich nackend vor dir stehn?

Emmerenz

Sie wird die Brust Euch kneten, scheener junger Herr,
wie sie gewohnt war, ihrem Vater es zu tun,
am Abend, wenn ein Tagewerk verrichtet war.
Des Vaters Wams aus Ziegenfellen such hervor!

Max

Ja, kleidet mich in Felle! denn dies Kleid erscheint
mir köstlicher als Purpur jetzt mit einemmal.
Macht mich vergessen, daß ich eine Puppe war,
tot und mit toten Edelsteinen ausstaffiert,
die man herumtrug durch die götterlose Welt.
Hier spür' ich Götter und den unbekannten Gott.
Gebt Arbeit mir, denn euch zur Last zu fallen, bin
ich wahrlich nicht gewillt.

Anna

Hier ist des Vaters Rock.
Doch, Mutter, viel zu groß für unsern Gast.

Max

Gib her!
Auch stinkt's ein wenig nach des Bockes Eigenschaft.
Was tut's, auch der Geruchssinn stärke sich einmal
an derber Kost. Hab' ich an meinem Hofe Herrlein nicht,
die stets in einer Moschuswolke gehn
und nichts mehr riechen, ob auch von dem üblen Duft
die Kavaliere gelblich sich verfärben rings?

Er ist in zottige Ziegenfelle gekleidet worden.

So, wett' ich, geht es mit den grauen Zotten mir
und ihrem Bisam. Hei, wie das die Glieder wärmt!
Und wie sich nun die stählern frische Bergesluft
eintrinkt, im Schutze des durchschwitzten Väterrockes!
Wann hab' ich unterm Panzer je so wohlig mich
gefühlt und so geborgen. Was denn schaff ich nun?

Emmerenz

am Fenster stehend, hinausblickend

O Jes! Was vor a kleener Vogel hat sich bloß
auf unserm alten Kirschbaum wieder eingenist't?
Heert bloß! Der pfeift! Das hat ma lange nich geheert.
Was singt er denn? Wie der zum letzten Male sang,
da war ich – dazumal, da konnt' ich sechzehn sein!
Seitdem hab' ich den kleen'n zweebeenigen Sittich nich
geheert und in der Nähe och nich mehr gesehn.

Max

Was für ein sonderbarer Vogel ist denn das?
Stark singt er – seine Brust muß sanggewaltig sein! –,
der Kleine! Und die ganze Stube ist erfüllt
von seiner Kehle Laut.

Er nimmt Anna bei der Hand und tritt mit ihr hinter die Mutter, alle drei blicken hinaus in den Kirschbaum.

Horch, Schwester, komm und sieh,
wie er, im Abendschein verzaubert, gleichsam als
ein künstlich Uhrwerk spielend, glüht.

Anna

O Mutter!

Emmerenz

Nun?

Anna

Ich möchte, daß der Gast nie wieder von uns geht.

Emmerenz

Der Vogelsteller ist noch nich geboren, der
den kleenen Burschen, der de dort im Kirschbaum pfeift,
einfängt.

Max

Ich tu's! Verlaß dich, Alte, nur auf mich,
ich will euch einen Vogelherd errichten hier,
trotz jenem Heinrich, den sie Finkler einst benannt,
und tausend außer diesem lockern Vogel hier
fang' ich mit Netz und Sprenkel euch für euren Tisch.

Emmerenz

Wo sitzt der lockre Vogel, scheener junger Herr?

Max

Wohin Ihr blicket, Alte, auf dem höchsten Zweig.

Emmerenz

Und wo der andere, der nicht weniger locker is?

Max

Das weiß ich nicht.

Emmerenz

Nun, ihr zweebeeden Jäger ihr!
Da wär ich euch was sagen: Sucht ihr zwee danach!
Ich will indes, damit er was zu picken hat,
für a Mehlwürmel sorgen gehn!

Sie geht hinaus, läßt das Paar allein.

Max

Was meint sie denn?

Anna

Oh, meine alte Mutter ist oft wunderlich.
Kommst du mit mir? Ich muß die Blesse melken gehn.

Max

O nimm mich mit dir! denn ein Grab wird ohne dich
mir jeder Raum, ein Grab die ganze weite Welt.

Anna

So komm!

Max

Doch wo die Mutter nicht zugegen ist.
Denn sieh, mit dir allein erfüllt ein solcher Geist
die Seele mir, daß sie von süßen Schauern trieft.
Ich hasse jeden, sollt' es selbst mein Bruder sein,
mein Vater, dessen bloße stumme Gegenwart
mich quälen würde, mir den Wein vergiften und
mit Feindschaft mich erfüllen bis zur Raserei.

Anna

Nun laß uns Gras vom Boden holen gehn! – Was tust du denn?

Max

Ich rede, mache Worte, weil Verworrenheit
mich überfällt! Weil du so schön bist! Weil du mich
so anblickst! So mit diesem weiten Blau anstrahlst!
Ich halte scheu hier überm Handgelenke dich
umspannt, weil ich, wenn du dich losmachst, sterben muß.
Ich bin ein Tor, ein Kaiser! Der nichts weiter will,
als Krone, Thron und Szepter, Scharlach, Hermelin
für eine Locke hinzugeben deines Haars,
für ein Berühren deines frischen Knospenmunds,
so leise, wie der Flügel eines Schmetterlings.

Anna

Berühr ihn, wenn du sonst dabei nicht weh mir tust.

Max

Sind diese Worte wirklich deinem Mund entflohn?
Und wag' ich es, dem Kelch, der so verführerisch
glüht, wie von kühlen Feuerweines Tau benetzt,
mich gierig anzusaugen, einer Biene gleich?
Ich wag' es nicht, weil Neid des Auges Sinn befällt,
dem eines Brudersinnes Gier den Raub begräbt.
Und doch!

Er küßt sie.

Anna

Halt, Fremder, gib ein wenig Atem mir!

Max

Die Blumenseele trink' ich dir aus deinem Leib.

Anna

Nein! Nein! Wohin verirren deine Finger sich?

Max

Sie schwelgten nie auf einer süßern Weide, Kind.

Anna

Ich sterbe! Willst du mich denn töten, bist du denn
ein Gott, der meine Seele mit sich nimmt?

Max

Nein. Doch kein Gott hat reinere Wonnen je gefühlt.

Anna

Die Mutter ruft! Ich sterbe!

Max

Und ich dir im Arm!

Anna

Zu Hilfe, Mutter, denn ich muß vor Glut vergehn!

Emmerenz

kommt wieder

Ei! Ei! Was muß ma da erleben, junger Herr!

Anna versteckt ihr Gesicht in der Schürze der Mutter.

Was soll ma nun wohl zu eim solchen Gaste sagen?

Max

kniet vor der Alten nieder

Dies tat ein Gott, der mächtiger ist als du und ich,
verzeih mir! Weise mich von deiner Schwelle nicht!
Denn wie ein Geist von ruheloser Qual gepeitscht,
müßt' ich in alle Ewigkeit um dieses Haus,
sofern du mich verstießest, ächzend und verflucht
an Ketten schleichen; aber sonst bestrafe mich,
ich bin dein Knecht: so laß mich harte Arbeit tun!
Dein bin ich: einem Tiere gleich! Nimm hin
den jungen Stier, auf daß er deinen Pflug dir reißt
durchs Ackerland, und was du sonst ihm auferlegst,
und sei mit Stacheln meinethalb sein Joch bedeckt.

Emmerenz

lachend

Halt! Immer sachte! Gar so happig sind wir nicht
uf junge Stiere. Bloß ihr müßt euch halt vertrag'n.
Was hat's denn aber, daß ihr schon uneinig seid? –
Jetzt geht zur Strafe, gleich geht auf den Boden nauf,
a jedes rafft'n Arm voll Heu und bringt das mit,
und in die Raufe, daß die Kuh zum Fressen kommt.
Und wenn das Böckla etwa wieder stoßen will,
da pack'n bei a Hörnern – denn der Vatersrock
aus Bockshaut is, wie's scheint, an allem Unglück schuld:
gut Kirschen essen war mit Vatern manchmal nich! –,
da pack'n bei a Hörnern, sag' ich, zieh 'm 's Fell
herunter – oh, wie manchmal hab' ich das gemacht! –,
und wie a nacktes Lämmel wird a vor dir stehn.
Jetzt Eile, Eile, eh's noch vollends finster wird.

Anna und Max springen davon. Emmerenz bleibt allein; sie fährt fort

Man is halt tot. Man stellt a Lichtel uf a Tisch
fer andre Leute, die de nich gestorben sein:
die sehn's, was in dem Lichte für a Zauber is,
und da dawider hält sich keene Finsternis.
Uns schließt sie ein.

Sie horcht

Hei, ieber beede Treppen nauf!
Ein Habicht und 'ne weiße Taube! Wie se lacht!
Nu, du kannst lachen! Bin ich doch a altes Weib
und lache, daß mir Troppen in a Augen stehn.
Oh, oh, der Sturm! Wie das in allen Fugen kracht,
das alte Haus! Halt feste! Jes, der Wirbelwind
im frischen Heu! Das kreischt und springt und tobt sich aus,
daß sich die Balken biegen: Lieber Gott, du, du!
Da möchte wohl a alter Türnoal neidisch wern.

Agnetendorf, 10. Juli 1905.


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