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§ 156–168. Maßregeln bei der Heilung, wenn der Vorrath gekannter Arzneien zur Findung eines vollkommen homöopathischen Mittels zu klein ist.

§. 156.

Zuweilen trifft sich's bei der noch eingeschränkten Zahl genau nach ihrer wahren, reinen Wirkung gekannter Arzneien, daß nur ein Theil von den Symptomen der zu heilenden Krankheit in der Symptomenreihe der noch am besten passenden Arznei angetroffen wird, folglich diese unvollkommene Arzneikrankheits-Potenz in Ermangelung einer vollkommnern angewendet werden muß.

§. 157.

In diesem Falle läßt sich freilich von dieser Arznei keine vollständige, unbeschwerliche Heilung erwarten. Denn es treten dann bei ihrem Gebrauche einige Zufälle hervor, welche vorher in der Krankheit nicht zu finden waren, Nebensymptome von der nicht vollständig passenden Arznei. Diese hindern zwar nicht, daß ein beträchtlicher Theil des Uebels (die den Arznei-Symptomen ähnlichen Krankheits-Symptome) von dieser Arznei getilgt werde; und dadurch ein ziemlicher Anfang der Heilung entstehe, aber doch nicht ohne jene Nebenbeschwerden.

§. 158.

Die geringe Zahl der in der bestgewählten Arznei anzutreffenden homöopathischen Symptome thut der Heilung jedoch in dem Falle keinen Eintrag, wenn diese wenigen Symptome größtentheils doch von ungemeiner, die Krankheit besonders auszeichnender Art (charakteristisch) waren; die Heilung erfolgt dann doch ohne sonderliche Beschwerde.

§. 159.

Ist aber von den auszeichnenden (charakteristischen), sonderlichen, ungemeinen Symptomen des Krankheitsfalles unter den Symptomen der gewählten Arznei nichts in genauer Aehnlichkeit vorhanden, und entspricht sie der Krankheit nur in den allgemeinen, nicht näher bezeichneten, unbestimmten Zuständen (Uebelkeit, Mattigkeit, Kopfweh u. s. w.), und findet sich keine homöopathisch passendere unter den gekannten Arzneien, so hat der Heilkünstler sich keinen unmittelbar vorteilhaften Erfolg von der Anwendung dieser unhomöopathischen Arznei zu versprechen.

§. 160.

Indessen ist dieser Fall auch bei der jetzt noch eingeschränkten Zahl nach ihren reinen Wirkungen gekannter Arzneien sehr selten, und seine Nachtheile, wenn er ja eintreten sollte, mindern sich, sobald eine folgende Arznei in treffenderer Aehnlichkeit gewählt werden kann.

§. 161.

Entstehen nämlich beim Gebrauche dieser zuerst angewendeten, unvollkommen homöopathischen Arznei Nebenbeschwerden von einiger Bedeutung, so läßt man bei acuten Krankheiten diese erste Gabe nicht völlig auswirken, und überläßt den Kranken nicht der vollen Wirkungsdauer des Mittels, sondern untersucht den nun geänderten Krankheitszustand auf's Neue und bringt den Rest der ursprünglichen Symptome mit den neu entstandenen in Verbindung zur Aufzeichnung eines neuen Krankheitsbildes.

§. 162.

Nun wird man leichter ein diesem entsprechendes Analogon aus den gekannten Arzneien ausfinden, dessen selbst nur einmaliger Gebrauch die Krankheit wo nicht gänzlich vernichten; doch der Heilung um Vieles näher bringen wird. Und so fährt man, wenn auch diese Arznei zur Herstellung der Gesundheit nicht völlig hinreichen sollte, mit abermaliger Untersuchung des noch übrigen Krankheitszustandes und der Wahl einer darauf möglichst passenden, homöopathischen Arznei fort, bis die Absicht, den Kranken in den vollen Besitz der Gesundheit zu setzen, erreicht ist.

§. 163.

Wenn man bei der ersten Untersuchung einer Krankheit und der ersten Wahl der Arznei finden sollte, daß der Symptomen-Inbegriff der Krankheit nicht zureichend von den Krankheits-Elementen einer einzigen Arznei gedeckt werde – eben der unzureichenden Zahl gekannter Arzneien wegen, – daß aber zwei Arzneien um den Vorzug ihrer Paßlichkeit streiten, deren eine mehr für den einen Theil, die andere mehr für den andern Theil der Zeichen der Krankheit homöopathisch passe, so läßt sich weder anrathen, die eine Arznei unbesehens nach der andern zu brauchen, noch auch, beide zugleich anzuwenden, weil niemand voraussehen kann, weder in welchen genauen Zustand die Krankheit von der erst gebrauchten Arznei versetzt werden könnte, noch auch, im zweiten Falle, wie sehr die eine Arznei die andre in der Wirkung hindern und umstimmen würde (§. 271. 272.).

§. 164.

Weit besser ist es hier, die für vorzüglicher unter beiden zu achtende, unvollkommen homöopathische Arznei zuerst allein zu geben. Sie wird freilich die Krankheit zum Theil mindern können, aber dagegen einen Zusatz neuer Symptome hervorbringen.

§. 165.

In diesem Falle kann nach den Gesetzen der Homöopathie keine zweite Gabe dieser ersten Arznei gereicht werden; aber auch die bei der anfänglichen Indication für die zweite Hälfte der Symptome passend gefundene Arznei kann hier nicht unbesehens an ihrer Stelle und ohne weitere Untersuchung der nunmehr anwesenden Symptome, in dem Zustande angewendet werden, den die erstere Arznei übrig gelassen hat.

§. 166.

Vielmehr muß auch hier, wie überall, wo eine Aenderung des Krankheitszustandes vorgegangen ist, der gegenwärtig noch übrige Symptomenbestand aufs Neue ausgemittelt und (ohne Rücksicht auf die anfänglich passend geschienene, zweite Arznei) eine dem neuen, jetzigen Zustande möglichst angemessene, homöopathische Arznei von Neuem ausgewählt werden.

§. 167.

Es trifft sich nicht oft, daß die anfänglich als zweit-beste gewählte Arznei nun noch passen sollte. Fände sich dieß aber gleichwohl nach der neuen Untersuchung, daß sie auch jetzt noch wenigstens eben so gut, als irgend eine andre Arznei in Aehnlichkeit der Symptome (homöopathisch) paßte, so würde sie um desto mehr das Zutrauen verdienen, vorzugsweise angewendet zu werden.

§. 168.

In den unvenerischen, folglich aus Psora entstandenen, chronischen Krankheiten bedarf man zur Heilung oft mehrer, nach einander anzuwendender, antipsorischer Heilmittel, jedes folgende dem Befunde der nach vollendeter Wirkung des vorgängigen übrig gebliebenen Symptomen-Gruppe gemäß, homöopathisch gewählt. Nur wenige derselben werden mit Nutzen zum zweiten Male wiederholt (m. s. in dem Buche von den chronischen Krankheiten).


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