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§ 34. Eben so heilen starke Curen mit allopathischen Arzneien keine chronische Krankheit, sondern unterdrücken sie nur so lange, als der Angriff mit heftigen Arzneien dauert, welche keine der Krankheit ähnliche Symptome für sich erregen können; hernach kommt die chronische Krankheit eben so schlimm und schlimmer wieder hervor.

§. 34.

Dieß sah nun die gewöhnliche Arzneischule so viele Jahrhunderte mit an; sah, daß die Natur selbst nicht einmal irgend eine Krankheit durch Hinzutritt einer andern, auch noch so starken, heilen kann, wenn die hinzutretende der schon im Körper wohnenden unähnlich ist. Was soll man von ihr denken, daß sie dennoch fortfuhr, die chronischen Krankheiten mit allopathischen Curen zu behandeln, nämlich mit Arzneien und Recepten, die, Gott weiß, welchen? doch fast stets einen dem zu heilenden Uebel nur unähnlichen Krankheitszustand selbst zu erzeugen vermögend waren? Und wenn die Aerzte bisher die Natur auch nicht genau beobachteten, so hätten sie doch aus den elenden Folgen ihres Verfahrens inne werden sollen, daß sie auf zweckwidrigem, falschem Wege waren. Sahen sie denn nicht, wenn sie, wie allgewöhnlich, gegen eine langwierige Krankheit eine angreifende, allopathische Cur brauchten, daß sie damit nur eine der ursprünglichen unähnliche Kunstkrankheit erschufen, welche nur so lange sie unterhalten ward, das ursprüngliche Uebel bloß zum Schweigen brachte, bloß unterdrückte und bloß suspendirte, was jedoch allemal wieder zum Vorschein kam und kommen mußte, sobald die Kraft-Abnahme des Kranken nicht mehr gestattete, die allopathischen Angriffe auf das Leben fortzusetzen? So verschwindet freilich durch oft wiederholte, heftige Purganzen der Krätz-Ausschlag gar bald von der Haut, aber wenn der Kranke die erzwungene ( unähnliche) Darmkrankheit nicht mehr aushalten und die Purganzen nicht mehr einnehmen kann, dann blüht entweder der Haut-Ausschlag, nach wie vor, wieder auf, oder die innere Psora entwickelt sich zu irgend einem bösen Symptome, da dann der Kranke, außer seinem unverminderten, ursprünglichen Uebel, noch eine schmerzhafte, zerrüttete Verdauung und Kräfte-Verlust, zur Zugabe, zu erdulden hat. So, wenn die gewöhnlichen Aerzte künstliche Hautgeschwüre und Fontanelle äußerlich am Körper unterhalten, um dadurch eine chronische Krankheit zu tilgen, so können sie zwar nie damit ihre Absicht erreichen, können dieselbe nie damit heilen, da solche künstliche Hautgeschwüre dem innern Leiden ganz fremd und allopathisch sind; aber indem der durch mehre Fontanelle erregte Reiz ein zuweilen stärkeres ( unähnliches) Uebel ist, als die inwohnende Krankheit, so wird diese dadurch nicht selten auf einige Zeit zum Schweigen gebracht und suspendirt Aber auch nur suspendirt, und zwar unter allmäliger Abmergelung des Kranken. Viele Jahre hindurch von Fontanellen unterdrückte Fallsucht kam stets und schlimmer wieder zum Vorscheine, sobald man sie zuheilen ließ, wie Pechlin Obs. phys. med. lib. 2. obs. 30. und Andre bezeugen. Purganzen können aber für die Krätze, und Fontanelle für eine Fallsucht nicht fremdartigere, nicht unähnlichere Umstimmungs-Potenzen, nicht allopathischere Cur-Mittel seyn, als die allgewöhnlich, aus ungekannten Ingredienzen gemischten Recepte für die übrigen namenlosen, unzählbaren Krankheits-Formen in der bisherigen Praxis. Auch diese schwächen bloß, und unterdrücken und suspendiren die Uebel nur auf kurze Zeit, ohne sie heilen zu können, wenn sie nicht gar, wie oft, durch langwierigen Gebrauch einen neuen Krankheitszustand zu dem alten Uebel hinzufügen.


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