Paul Grabein
Das stille Leuchten
Paul Grabein

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IV.

Nein, Herr Rudorff, Sie sollten wirklich die Partie nicht mitmachen.« Mit Nachdruck empfahl es Fräulein Hedwig G'baur dem jungen Maler. Man saß abends, wie gewohnt, um den runden Stammtisch im holzgetäfelten Herrenstübchen des »Hirschen«, wo sich einzelne Gäste mit der Familie G'baur und den Honoratioren des Orts gemütlich zu vereinen pflegten.

»Herr Gott, warum in aller Welt denn bloß nicht?« rief Rudorff. »Ihr tut ja wirklich alle, als ob ich schon aus dem letzten Loch pfeife!« Und ärgerlich stürzte er das Glas mit dem rubinroten Terlaner hinunter.

»Fräulein Hedwig hat schon recht«, bestätigte gutmütig der Uhrmacher und Allerweltskünstler von Längenfeld, Herr Berthold, und blickte den jungen Maler treuherzig aus seinen ehrlichen Blau-Augen in dem schnauzbärtigen Gesicht an. »Der Aufstieg zur Magdalenenwand ist scho' gar a bissel sehr steil.«

»Na, wenn eine Dame ihn fertig bringt, dann wird er mir wohl auch nicht schaden.«

»Ja freili,« sagte der blonde Riese mit den Kinderaugen und stopfte mit der mächtigen Hand die Pfeife nach. »Aber die Frau Fehlhaber'n is scho' a rechtschaffnes Frauenzimmer. Die nimmt's beim Steig'n mit a'm Mo auf.«

»Und Sie sollten doch immer a bissel an Ihre Gesundheit denken, Herr Rudorff,« bat Fräulein Hedwig. »Ihre Frau Mutter hat mir's doch so aufs Herz gebunden –«

»Bitte, nun aber Schluß!« Eine jähe Röte schoß dem jungen Menschen ins Gesicht, und seine Pupillen erweiterten sich auffällig, fast ganz schwarzblau geworden. »Ich bin kein Kind mehr, das man am Gängelband führt. Ich weiß allein, was ich zu tun und zu lassen habe.« Wild sprang er auf, riß seinen Hut vom Nagel und stürmte aus dem Zimmer hinaus.

Einen Augenblick herrschte Schweigen am Tisch: nur Herr Berthold kratzte sich bedenklich am Kopf, vielsagend den Peter G'baur ansehend. Dann taten beide einen stillen Schluck.

»So is's g'fehlt,« meinte dann der Uhrmacher zu Fräulein Hedwig. »Es müßt' sich scho' wer hinter die Frau Fehlhaber'n stecken.«

Holten, der in den drei Tagen seines Hierseins bereits in diesem kleinen Kreise einfacher, aber prächtiger Menschen ganz heimisch geworden war, nickte zu dem Sprecher hin. Er selbst hatte das gerade eben gedacht.

»Herr Berthold hat ganz recht,« bestätigte er. »Aber wer soll's der Dame beibringen, und wird es was nützen – das ist die noch größere Frage.«

»Wann der Herr Doktor etwa einmal ihr was sagen möchten,« meinte der Uhrmacher zum Ortsarzt gewandt.

»Lassen's mi aus mit der Fehlhaber'n!« wehrte der aber entsetzt ab. »Lieber tu i schon alleini a Bein amputier'n, als mi mit dera Dam' no a mal einlass'n.«

Der gute Doktor hatte allerdings gleich im Anfang mit Frau Jutta keine angenehmen Erfahrungen gemacht.

»Nun, und du, Hedwig,« wandte sich der Peter G'baur an seine Schwester, »wann du vielleicht –«

»I, Gott bewahr' mi!« Fräulein Hedwig streckte beide Hände mit gespreizten Fingern abwehrend von sich. »Wir steh'n uns so scho wie Hund und Katz. Wenn ich ihr was sag', tut sie sicher schnurstracks das Gegenteil!«

»Ja, da –« Und der Peter steckte achselzuckend sein braunes, schwarzbärtiges Gesicht ins Weinglas.

Fräulein Hedwig wandte sich an Holten, der neben ihr saß und mit dem sie sich gern unterhielt.

»Schade ist's schon um den jungen Menschen,« sagte sie ernster. »Er ist a bissel hitzig, aber sonst ein guter Kerl. Seine Mutter hat ihn vor vier Wochen selber herbracht aus Berlin, eine liebe, nette Frau. Sie war so besorgt um ihn und hat mich eindringlich bet'n, ihn a bissel zu überwachen. Im Anfang ist alles ganz gut 'gangen, bis die Frau Fehlhaber hier auf'taucht is'. Seitdem is' er net mehr zu halten. Er is' ja bis über beide Ohr'n in sie verschoss'n und läuft ihr nach wie a junger Hund. Das Unglück will's no obendrein, daß der Herr Dr. Adlon und auch der Herr Bencken a paar Leut' sind, dene nix zu viel wird, und so rennt s' halt den ganzen Tag mit dena in den Bergen umanand. Und er, der Herr Rudorff, will den beiden natürli net nachstehn. So geht's denn mit seiner G'sundheit gar net recht vorwärts – im Gegenteil; er muß jetzt seine Tropf'n wieder tagtäglich nehmen, die er schon ganz hat weglass'n könna. Es ist a Schand', daß die Frau net selber einsieht, was sie an dem jungen Menschen für Schaden anricht'.«

»Es wird also nichts helfen, man wird es ihr sagen müssen,« erklärte Holten bestimmt. »Wissen Sie wirklich niemanden, der dazu geeignet wäre?«

Fräulein G'baur schüttelte den Kopf: »Niemanden – wenn Sie selber es nicht tun wollten.«

Sie hatte es mehr im Scherz gesprochen und war daher doch etwas erstaunt, als Holten nach einem Augenblick sagte: »Wenn ich sie nur schon persönlich kennte!« Halb war es ein Gefühl moralischer Verpflichtung, hier einen jungen, unerfahrenen Menschen vor Schaden zu bewahren, halb aber auch der heimliche Wunsch, diese hochmütige Frau mit kalter Überlegenheit einmal zurecht zu weisen.

Fräulein Hedwig nahm Holtens Gedanken gleich lebhaft auf. »O, wenn es nur das ist! Wir gehen ganz einfach jetzt noch hinauf – es wird grad' musiziert, hören Sie? – Und da mach' ich Sie mit den Herrschaften, die Sie noch nicht kennen, bekannt. Kommen Sie nur.« Und schnell stand sie auf.

Holten folgte ihr.

Als sie oben in den kleinen, behaglich ausgestatteten Salon eintraten, kamen sie gerade in einen Liedervortrag hinein. Frau Jutta Salome stand in der Nähe des Klaviers und begleitete sich selbst zu einem französischen Chanson nach der Art Swen Scholanders mit der Gitarre. Den Fuß ungeniert auf einen Stuhl gestellt und den linken Arm mit dem Instrument aufs Knie gestützt, stand sie mit nachlässiger Grazie, vornüber geneigt da und blickte beim Singen ihre Zuhörer so etwas von unten herauf an. Bald hatten ihre Augen etwas Müdes, Verschleiertes und schlossen sich zuweilen fast ganz; bald aber leuchteten sie auf, heiß, verführerisch, grausam, und ihre vorher schlaffen, weichen Züge erstarrten zu einer ehernen Maske von tragischer Leidenschaft.

Holten war, um nicht zu stören, mit Fräulein Hedwig am Eingang stehen geblieben; so befand er sich der Sängerin fast unmittelbar gegenüber, und seine Blicke hefteten sich fest auf ihre ganze Erscheinung. Wahrhaftig! Ein verführerisches Weib. Dieses dämonische Spiel der Leidenschaften, diese schlangenhafte, lockende Schmiegsamkeit des schlanken und doch weichen Leibes, dieses selbstbewußte Sichgehenlassen von fast männlicher Freiheit der Bewegungen – das alles konnte wohl einem jungen, unerfahrenen Menschen das heiße Blut zum Sieden bringen.

Frau Jutta Salome hatte beim Eintreten der beiden nur mit einem flüchtigen, gleichgültigen Blick von ihnen Kenntnis genommen, dann aber unbekümmert um sie das Auge den andern Zuhörern zugewandt. Trotzdem aber fühlte sie, daß der Blick des Fremden unablässig auf ihr ruhte. Ein geheimes Gefühl der Befriedigung stieg in ihr auf. Aha, also auch er war dem Zauber ihrer Persönlichkeit zugänglich – im übrigen ja natürlich nur selbstverständlich. Gab es denn überhaupt einen Mann, der gegen weiblichen Reiz, richtig entfaltet, unempfänglich gewesen wäre? Alle waren sie ja – natürlich nach dem Grade ihres Temperaments – Sklaven ihrer männlichen Leidenschaften und damit den Launen der verführerischen und klugen Frau auf Gnade und Ungnade ausgeliefert.

Trotzdem aber gewährte es Frau Jutta eine gewisse Genugtuung, nun auch an diesem Fremden die ersten Anzeichen ihrer beginnenden Herrschaft zu bemerken. Sie kannte ihn ja nur erst aus der Entfernung; aber er war dem äußeren Anschein nach – besonders hatte sie das aus seiner auffällig kühlen Zurückhaltung ihr gegenüber geschlossen – eine von jenen seltenen Naturen, die ihr männlicher Stolz nur widerstrebend dem beherrschenden weiblichen Reiz verfallen läßt. Das waren die, wo es sich wirklich lohnte, alle Künste spielen zu lassen, wo der langweilige, zahme Dutzendflirt zu einem nervenanspannenden, erbitterten Kampf wurde, wo man schließlich als Triumphator einen im Liebesrausch rasenden und doch zähneknirschenden Besiegten zu seinen Füßen sich winden sah. Sollte ihr nach langer Pause wieder einmal eine solche große Sensation ihres Lebens beschieden sein?

Und plötzlich wandte sie langsam den Kopf nach dem Mann an der Tür. Ein herrenhaftes, eingehendes Mustern, wie einst die römische Cäsarin den neuen Sklaven mit kühlem Herrscherblick überflogen haben mochte, der fortan in ihre Dienste treten sollte. Sie musterte seine hohe, kraftvolle Gestalt, das ernste, energische Gesicht, aus dem Klugheit und Willenskraft deutlich sprachen. Ein spitz geschnittener Vollbart, den sich Holten seit seinen letzten Wanderwochen im kulturentlegenen Hochgebirge hatte stehen lassen, kleidete das gebräunte schmale Antlitz gut und gab ihm ein weltmännisches Gepräge.

Frau Jutta Salome war mit dem Ergebnis ihrer Musterung zufrieden. Wirklich, es lohnte sich, die Sache zu beginnen – ein Gegner, der sie wirklich würde reizen können! So brachte ihr dieses weltabgeschiedene Gebirgsdorf, auf das sie in einem Anfall von Großstadtüberdruß verfallen war, das sie aber nachgerade schon zu langweilen anfing, denn doch noch eine ungeahnte Überraschung. Also denn vorwärts! Der Gegner stellte sich ihr – es hieß Fühlung mit ihm nehmen.

Mit einem lockenden, fragenden Blick aus ihren halbgeschlossenen Augen drang Frau Jutta, während sie die Schlußworte ihres Chansons, leis verhallend, träumerisch sang, in Holtens Seele ein: Wer bist du? Verstehst du das dunkle Lied der Sphinx? Bist du der Mann, der rätselvollen, suchenden Seele die Erlösung zu bringen?

Begeistertes Händeklatschen. Alle ihre Verehrer, Damen und Herren, umringten die schöne Frau mit überschwänglichen Lobes- und Dankesworten. Sie nahm sie mit leisem Lächeln auf; sie kannte ja den Eindruck dieser ihrer Kunst zur Genüge. Aber wo blieb der Neuling in diesem Kreise ihrer Tributpflichtigen? Es wurde Zeit, daß er nun auch seine Huldigung darbrachte. Sie hatte sich schon eine spöttische Bemerkung zurechtgelegt, mit der sie ihm die üblichen Bewunderungsphrasen kurz abschneiden wollte – aber er kam nicht. Ein Blick über die Schulter zeigte ihn ihr drüben, im Gespräch mit einer der jungen Frauen.

Diese unerhörte Gleichgültigkeit reizte sie endlich. Oder war es nicht vielmehr sogar ein ganz geflissentlich zur Schau getragenes Übersehen ihrer Person? Ah – der Unverschämte! Aber sie würde sich rächen. Doch zunächst Selbstbeherrschung und größte Liebenswürdigkeit, als ob nichts geschehen wäre. Sie mußte ihn erst einmal fest am Zügel haben, ehe sie ihn strafen durfte.

Erst mehrere Minuten später – man war schon bei ganz anderen Dingen – trat Holten mit Fräulein Hedwig auf sie zu.

»Erlauben Sie, gnädige Frau, daß ich Ihnen unseren neuen Hausgenossen vorstelle – die Herrschaften haben sich ja wohl noch nicht persönlich kennen gelernt? – Herr Dr. Holten aus Berlin.«

»Freue mich sehr, Herr Doktor. Vom Ansehen kennen wir uns ja bereits schon ganz gut,« sie lächelte schalkhaft, auf ihren fast feindseligen Blickwechsel über den Tisch weg anspielend. »Ihr Name ist mir übrigens geläufig. Sind Sie vielleicht verwandt mit dem »Niedersachsen«-Holten, von dem man ja jetzt so viel in den Zeitungen liest?«

»Ich bin er selbst,« verneigte sich Holten leicht.

»Ah – nicht möglich,« erstaunte sie. »Aber das ist ja interessant! Daß man Sie hier in diesem Erdenwinkel kennen lernen muß.«

»Bitte, machen Sie mir Längenfeld nicht schlecht,« scherzte Fräulein Hedwig und trat dann, die beiden sich selbst überlassend, zu einer anderen Gruppe ihrer Gäste.

»Und wir wohnen doch beide in Berlin,« fuhr Frau Jutta fort. »Aber Sie verkehren wohl nicht viel in der Gesellschaft?«

Holten sah sie mit leichtem, spöttischem Lächeln an: »Sie glauben das aus einem gewissen Manko an Umgangsformen schließen zu sollen?« parierte er schnell den versteckten Hieb ihrer doppelsinnigen Frage.

»Wie meinen Sie das?« staunte sie, anscheinend ganz harmlos.

»Nun zum Beispiel, daß man nicht einmal soviel savoir vivre besitzt, um einer Dame nach einem gewiß doch charmanten Vortrag in der Gesellschaft alsbald sein Entzücken pflichtschuldigst zu Füßen zu legen.«

Sie sah ihn fest an. Ah! Das hatte sie ihm gar nicht zugetraut. Er war keck, er wagte es sogar, sie gleich anzugreifen – nach einer schnell erspähten Blöße zu zielen. Aber – nur um so besser! Die Partie versprach wirklich interessant zu werden. Endlich doch einmal ein ihr gewachsener Gegner.

»O, Sie irren,« kam es gleichgültig von ihren Lippen. »Es war mir wirklich noch gar nicht aufgefallen, daß Sie nicht vorher unter meinen ›Bewunderern‹ waren. Aber es scheint in der Tat, daß Ihnen mein Gesang nicht gefallen hat?«

»Wollen Sie die Wahrheit hören, meine gnädige Frau?«

»Selbstverständlich doch!« Und sie warf den Kopf zurück, auf eine spöttische Kritik gefaßt. Offenbar, er versuchte ihr durch verblüffende Keckheit zu imponieren, aber er taxierte sie falsch.

»Sie singen wie die verkörperte Leidenschaft – nicht nur mit der Stimme, fast noch mehr mit den Mienen, mit dem ganzen Körper. Es ist ein hoher künstlerischer Genuß, Sie so zu sehen.«

Ein Blick flog zu ihm, unsicher, nun doch verblüfft. Das hatte sie allerdings nicht erwartet. Er war offenbar ganz unberechenbar. War das nun aber wirklich seine Meinung?

Er hielt ihren nach Gewißheit forschenden Blick mit seinem überlegen-ironischen Lächeln aus – ah, sie konnte ihn fast schon hassen wegen dieses impertinenten Lächelns. – Kein Zweifel. Er weidete sich an dieser ihrer ersten Niederlage. Umgehend mußte sie wieder wett gemacht werden.

»Eine neue Nuance der alten Phrase!« spottete sie und wandte sich, anscheinend gelangweilt, ab. »Ich hatte mich schon darauf gefreut, endlich einmal jemanden zu finden, der mir offen seine Meinung sagte – es wäre doch zum mindesten interessant gewesen.«

»Ihrem Wunsche könnte leicht Genüge geschehen, wenn auch in einem anderen Punkte, meine gnädige Frau. Doch fürchte ich, Sie möchten das vielleicht weniger interessant finden.«

Schnell fuhr sie wieder herum.

»Wieso?« Ihre Augen blitzten ihn herausfordernd an. »Reden Sie. Ich wünsche es.«

»Wie Sie befehlen,« verneigte er sich mit ironischer Höflichkeit. »Also auf die Gefahr völliger Ungnade hin –« Er sah ihr fest ins Gesicht. »Sie planen morgen eine Besteigung der Magdalenenwand und haben auch dazu Herrn Rudorff animiert –«

»Pardon,« scharf klangen ihre Worte. »Sie vergreifen sich im Ausdruck: Herr Rudorff will sich freiwillig der Partie anschließen.«

»Bitte – klammern wir uns nicht an Worte«, forderte Holten sehr bestimmt. »Tatsache ist jedenfalls, daß Herr Rudorff, der aus Gesundheitsrücksichten jede Strapaze vermeiden sollte und früher auch vermieden hat, wie vielfach letzthin so auch jetzt an dieser Partie, direkt oder indirekt veranlaßt durch Sie, teilnimmt.«

»Und wenn – was geht es Sie an?« Kalt musterte sie ihn von oben herab. »Sind Sie sein Vormund? Ich glaube, Herr Rudorff selbst würde sich das sehr energisch verbitten.«

»Ohne Zweifel,« erwiderte Holten gelassen. »Das kann mich aber nicht abhalten, das zu tun, was ich unter allen Umständen für meine Pflicht halte.«

»Und das wäre?«

»Sie sehr höflich, aber dringlich zu bitten, meine gnädigste Frau, Ihren Einfluß auf den jungen Mann gütigst nach der entgegengesetzten Seite aufzubieten und ihn vor schweren Schädigungen seiner Gesundheit zu bewahren, in die er sich in einer freilich ja nur sehr begreiflichen, allzu ritterlichen Schwärmerei« – wieder eine leise, ironische Verneigung – »besinnungslos stürzt.«

»Ihre Fürsorge für den jungen Mann hat wirklich etwas Rührendes,« spottete Frau Jutta, nur schwer ihren Ärger verbergend. »Und Ihre Gründe dafür?«

»Ich hoffe, Sie als Frau werden sie voll zu würdigen wissen, meine Gnädigste.« Fest und ruhig trafen sie seine ernsten Blicke. »Eine besorgte Mutter hat den jungen Menschen der Obhut dieses Hauses anvertraut, in der Erwartung, daß er hier gesunden werde. Wollen Sie diese Hoffnung einer Mutter zuschanden machen – um einer Laune willen, meine gnädige Frau?«

»Ah, Sie sind wirklich unerhört!« Frau Jutta stampfte mit dem Fuß auf. »Wie können Sie es wagen, so zu einer Dame zu sprechen?«

»Sie drückten eben vor einer Minute noch den Wunsch nach meiner offenen Meinung aus, wenn ich nicht irre.«

»Und ich bin stark genug, sie zu hören,« herrschte sie ihn an. »Ich bewies es, indem ich Ihnen bis hierher Gehör schenkte. Aber Sie mißbrauchen meine Langmut.«

»Ich werde Sie sofort von meiner Gesellschaft befreien.« Mit kühler Freundlichkeit verneigte er sich. »Aber ich darf hoffen, daß Sie meine Bitte erfüllen werden.«

»Ich werde tun, was mir beliebt!« Mit hochmütiger Gebärde wandte sie sich von ihm ab.

 


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