Paul Grabein
Das stille Leuchten
Paul Grabein

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Zweiter Teil.

I.

Die Glocke im »Hirschen« läutete zum Mittagessen. Holten hatte, vor dem Wirtshaus stehend, das phantasievolle Freskenbild über dem massigen Portal bewundert, das den großen Alexander auf seinem Bucephalus darstellte, dem der Maler des 16. Jahrhunderts treuherzig ein dickes Stierhaupt mit einem Maulkorb auf den Pferdeleib gesetzt hatte. Nun schritt er durch das dämmrige, tiefe Portal mit den Spitzbogen ins Haus.

Kathi, die freundliche Kellnerin, wies den neuen Gast durch die Gaststube zur Linken, wo die Knechte des Hauses patriarchalisch um einen runden Tisch bei Speise und Trank saßen, in den neuen Saalanbau. Hier wurde in der Vor- und Nachsaison den Gästen des »Hirschen« das gemeinschaftliche Mahl serviert.

Als Holten in den Raum trat, fand er die Pfleglinge des Hauses schon an der Tafel vor, wohl noch ein gutes Dutzend Herrschaften, die das selten schöne und warme Wetter hier noch in der zweiten Septemberhälfte vereint hielt. Das Eintreten des neuen Gastes war, wie erklärlich, ein kleines Ereignis für die alteingesessenen Hausgenossen. Holten bemerkte, wie er zur Tafel hinschritt, die auf ihn gerichteten Blicke und sah auch, wie flüsternd Bemerkungen über ihn getauscht wurden. Er ging, ohne darauf zu achten, dem rechten Ende des langen Tisches zu, wo offenbar ein noch unbesetzter Platz von der Wirtin für ihn reserviert war.

Platz nehmend stellte sich Holten dem alten Herrn mit goldener Brille vor, der rechts von ihm am Kopfende der Tafel saß.

»Sehr angenehm.« Mit etwas heiserer Stimme dankte der alte Herr, sich ein wenig vom Platz erhebend. »Professor Barck.«

Kam es Holten nur so vor, oder hörte er im selben Augenblick wirklich etwas wie ein leises Kichern vom entgegengesetzten Ende der Tafel, wo eine elegant gekleidete Dame, umgeben von mehreren Herren, präsidierte? Als Holten schnell einen Blick hinübersandte, sah er allerdings nur konventionell gleichgültige Mienen, doch schien es ihm, als ob um die Mundwinkel der Dame noch ein leichtes spöttisches Lächeln irrte.

Auch seinem Nachbar, einem noch jungen Manne, zur Linken nannte Holten seinen Namen – er verstand etwas wie Oberlehrer Huber – und ebenso seinem Gegenüber, einem gleich Professor Barck schon grauköpfigen Herrn mit ausrasiertem Kinnbart. Dieser erhob sich dienstbeflissen zur vollen Höhe und vertraute ihm mit freundlicher, aber doch respektvoller Miene an: »Mein Name ist Rentier Schwarz aus Steglitz bei Berlin.«

Während des Mahls musterte Holten dann weiter die Tischgenossen, und dabei bestätigte sich ihm noch mehr der erste Eindruck, den er vorhin gleich beim Anblick der Tafel gehabt hatte, als ob sich die Hausgenossenschaft des »Hirschen« in zwei stark entgegengesetzte, ja, wohl gar feindliche Lager spalte. Hier unten, an seinem Ende, hatten sich um Professor Barck offenbar die »gut bürgerlichen« Elemente geschart, während droben um die elegante Frau – denn das war sie wohl ohne Zweifel – sich die Herrschaften gruppiert hatten, die sich zu einer vornehmeren Gesellschaftsschicht rechneten. Eine Mittelspartei schienen ein paar ältliche Damen und ein Herr zu bilden, die zwischen den beiden Flügeln der Tafel das Zentrum einnahmen und sich ausschließlich miteinander in stark gedämpftem Ton unterhielten.

»Sie sind gewiß eben mit der Söldener Post herunter gekommen?« störte die Frage des Professors neben ihm Holten aus seinen stillen Betrachtungen.

Holten bejahte. Er sei heut morgen von Vent aufgebrochen.

»Den Teufel, da müssen Sie ja früh aus den Federn gekrochen sein. Aber sagen Sie, liegt da oben wirklich schon Schnee? Es wurde heut früh von den Leuten hier behauptet.«

»Allerdings hat es gestern dort einen tüchtigen Schneefall gegeben,« bestätigte Holten, »aber der Schnee geht natürlich wieder weg. Winter ist's dort selbstverständlich noch nicht.« Er mußte lächeln. Der alte Herr schien zu glauben, daß da droben schon ein sibirisches Klima herrsche. Jedenfalls benutzte er die einmal angeknüpfte Unterhaltung, um nun seinerseits einige Fragen an den Professor zu richten; er wollte sich über den oberen Teil der Tafel etwas näher orientieren.

»Bitte, Herr Professor, wer ist die Dame da oben, Ihnen gegenüber?«

»Haha! Die kennen Sie nicht, Verehrtester?« lachte der alte Herr grimmig vor sich hin und rückte sich die Brille zurecht. »Sie sind ja doch wohl Berliner, wenn ich recht verstanden habe?«

Holten nickte.

»Das ist ja eine Berühmtheit, die doch jeder Ihrer Landsleute kennen sollte«, und er schoß durch die Brillengläser einen giftigen Blick zu seinem Gegenüber hin. – »Jutta Salome – im bürgerlichen Leben Frau verwitwete Rechtsanwalt Fehlhaber – die größte Dichterin der Modernen!«

»Ah – die Salome?« Überrascht sah Holten zu der Frau hinauf. Das war also die so viel berufene Lyrikerin und Novellistin! – War sein leiser Staunensruf übrigens doch etwa an ihr Ohr geklungen? Im gleichen Moment traf ihn wenigstens ihr Blick forschend, spöttisch, herausfordernd und kalt abweisend in einem. Dann wandte sie mit stolzer Gebärde den Kopf, um den das sonnendurchleuchtete rotblonde Haar in einer flammenden Gloriole brannte, ihrem Nachbar zu, einem jungen Elegant, der in einem tadellosen Smoking zum Essen erschienen war.

»Und der Herr rechts von ihr?« fragte Holten weiter, den Blick aber immer noch auf die interessante Frauenerscheinung gerichtet.

»Ah, der junge Grünschnabel?« krächzte der Professor. »Ein kaltgestellter Leutnant aus Dresden – ein Herr Bencken. Er betrachtet hier Längenfeld als klimatische Übergangsstation ins Zivil – schuldenhalber. Seine Familie will ihn aber natürlich lieber aus Gesundheitsrücksichten verabschiedet wissen.«

Holten musterte flüchtig den jungen Mann; das übliche semmelblonde »Kavaliersgesicht« mit modern geschnittenem Bart, über stark eingebranntem Teint die blendend abstechende weiße Stirn. Da schien ihm der andere Nachbar der Frau Salome immerhin bemerkenswerter, ein auffallend kraftvoll gebauter Mann mit gebräuntem Gesicht im gut sitzenden englischen Jakettanzug. Er mischte sich jetzt gerade laut sprechend und unbekümmert in die Unterhaltung seiner Nachbarin mit dem Leutnant.

»Der,« beantwortete Professor Barck Holtens Frage, »ist ein gewaltiger Sportfex vor dem Herrn: Automobilist, Alpinist erster Klasse, Globetrotter und so nebenher auch noch Arzt – Dr. Adlon. Aber an übermäßiger Praxis dürfte er wohl nicht leiden.«

Schließlich stellte Barck unaufgefordert dem neuen Ankömmling noch einen dritten Herrn vor, der zwei Plätze weiter unten neben Dr. Adlon saß, einen noch ganz jugendlichen Menschen von offenem, sympathischem Wesen. Aus dem scharf geschnittenen, blassen Gesicht leuchteten die selten großen, glänzenden blauen Augen hervor. Eine lose um den Kragen geschlungene farbige Krawatte von Seide gab ihm etwas Lässiges, Künstlerhaftes. Holten wunderte sich denn auch nicht, als sein Nachbar ihm sagte: »Herr Rudorff – ein junger Maler – auch ein Verehrer der schönen Frau da oben, wie übrigens mehr oder minder das ganze Mannsvolk hier – aber bloß dritte Garnitur. Da sehen Sie, wie er sie mit seinen Vergißmeinnichtaugen anschmachtet.«

In der Tat lohte eben in den Blicken Rudorffs, der Frau Jutta Salome schon während der ganzen Mahlzeit unablässig beobachtet hatte, jedoch ohne jeden Erfolg, nun, wo sie einmal herablassend zu ihm hinnickte, die heiße Flamme verzehrender Leidenschaft auf.

»Da klopft es am Staketto!
Mit kränklicher Visage
Erhebt sich Don Riquetto,
Ein dritter Lieblingspage,«

zitierte der boshafte alte Schwätzer neben Holten mit grimmigem Behagen und fuhr dann fort:

»Die schöne Salome spielt wirklich mit dem Kopf dieses feurigsten ihrer Anbeter. Der gute Junge hat nämlich einen Herzfehler – auch einen physischen, wissen Sie – den er hier auskurieren sollte, aber die beständige Motion, in die ihn seine Dame versetzt, ist ihm verdammt wenig zuträglich, wie mir der Arzt neulich sagte.«

Mit einem gewissen mitleidigen Interesse heftete sich Holtens Blick auf den jungen Menschen drüben; doch dann schweifte er zu der Frau hinüber. Ahnte sie wohl, daß das, was ihr eine Laune war, für den anderen ein gefährliches Spiel um Gesundheit und Leben bedeutete? Was mochte die verwöhnte, offenbar doch an ein raffiniertes Gesellschaftsleben gewöhnte Frau überhaupt hierher in das einfache Bergdorf des Ötztals gelockt haben?

»Sie pflegen keinen Verkehr mit den Herrschaften da oben, Herr Professor?« erkundigte sich Holten offen.

»Den Teufel werd' ich tun!« zeterte Barck los; Holten hatte offenbar gerade seinen Tollpunkt getroffen. »Mit diesen Müßiggängern und Hohlköpfen! Ich habe Besseres zu tun. Ich bin ein Gelehrter und stamme aus einem alten Hamburger Kaufmannshause. Ich habe nicht den Ehrgeiz, mit diesen Herrschaften zu fraternisieren. Außerdem bin ich ein alter, leidender Mann, auf den diese noble Gesellschaft nicht die geringste Rücksicht nimmt – nicht wahr, Herr Schwarz?«

»Sehr wohl, Herr Professor,« bestätigte der Rentier aus Steglitz, wie vorhin höchst dienstbeflissen und respektvoll sich verneigend. Offenbar schätzte der alte Herr die Ehre sehr, zu den Vertrauten eines Herrn Professors zu gehören.

»Wenn Sie erst längere Zeit hier sein werden, werden Sie schon sehen, was das für eine rücksichtslose Bagage ist, all dieses vornehme Gesindel da. Ich bin hier, um mir mein chronisches Halsübel auszukurieren, das ich mir in fünfunddreißigjähriger Dienstzeit an der Gelehrtenschule in Hamburg zugezogen habe.« Ein laut vernehmliches, übertriebenes Krächzen machte, wie beabsichtigt, selbst die obere Hälfte der Tischgenossen einen Augenblick aufsehen. »Aber glauben Sie wohl, daß diese Herrschaften die geringste Rücksicht auf einen verdienten alten Beamten nehmen?«

Barck sprach so laut, daß man ihn da drüben unfehlbar vernehmen mußte. Das bekannte Klagelied machte denn auch die da oben ironisch lächeln und tuscheln. Holten war es peinlich, daß sich dabei auch auf ihn die schadenfrohen Blicke richteten. Aber in einem gewissen Trotz neigte er nun gerade augenfällig dem unbekümmert weiterschimpfenden und sich immer mehr ereifernden Professor sein Ohr.

»Im Gegenteil! Jeden Mittag von neuem haben sie sämtliche Fenster hier im Saal aufgerissen, daß ich aus dem Katarrh nicht mehr herauskam, bis ich mich bei Fräulein Hedwig – wissen Sie, Fräulein G'baur, die hier das Hauswesen leitet – energisch beschwert habe. Nicht wahr, Herr Schwarz?«

»Ganz recht, Herr Professor,« ließ sich gewissenhaft das Echo vernehmen.

»Seit der Stunde hassen sie mich aber wie die Sünde, sag' ich Ihnen,« machte sich Barck weiter Luft. »Sie sticheln und spötteln, wo sie können. Denken Sie, ich merke es etwa nicht? Haha, man hat nicht umsonst 35 Jahre lang seine Klasse regiert. Aber soll das nun etwa zuträglich für einen alten Mann sein, der außer seinem Halsübel auch noch ein Leberleiden hat? Allemal, wenn ich dieses verdammte Getuschel höre, tritt mir die Galle in die Leber – äh, äh,« ächzte mit schmerzverzogenem Gesicht der alte Herr, als ob in diesem Augenblick gerade wieder das Schreckliche eingetreten wäre. »Da soll nun alles Kurieren hier einen Zweck haben.«

In wildem Grimm blickte der alte Professor seine Widersacher alle der Reihe nach an.

»Nun, es sind doch gewiß aber auch angenehme, ruhige Menschen hier in der Gesellschaft,« beschwichtigte Holten den Aufgeregten. Sein Blick fiel auf die beiden ältlichen Damen und den alten Herrn ihnen gegenüber. »Zum Beispiel hier die drei Herrschaften in der Mitte.«

»So? Meinen Sie?« fuhr ihn aber der Professor gereizt an. »Ich sage Ihnen, das sind die Allerschlimmsten. Wegen dieser elendiglichen Frauenzimmer hab' ich mein schönes Zimmer im Dorf in der neuen Dépendance aufgeben müssen. Jeden Abend vor dem Schlafengehen schwätzten diese alten Weiber stundenlang, daß man kein Auge zutun konnte. Schließlich habe ich fluchend den Stiefelknecht gegen die Tür geschmissen. Da hatten diese Frauenzimmer dann noch die Frechheit, sich über mich bei Fräulein G'baur zu beklagen und ein Ultimatum zu stellen. Und so wurde ich ausquartiert – ich! Was sagen Sie dazu? Hier gegenüber in das alte Logierhaus.«

»Na, trösten Sie sich, Herr Professor,« lächelte Holten, »da haben Sie an mir einen Leidensgefährten.« Er war allerdings auf seinen Wunsch auch in das nur wenige Fremdenzimmer beherbergende Haus einlogiert worden.

»Und nun obenein behandeln mich diese alten Weiber noch wie Luft,« ergrimmte sich der Professor. »Aber natürlich, es sind ja Aristokratinnen – zwei Fräulein von Lychtritz – doch wer weiß, aus welchem Armenspittel sie hierher verschlagen sind. Ich will Ihnen aber sagen, woher die ganze Wut auf mich stammt. Vorher, im Anfang, waren diese Frauenzimmer ganz anders gegen mich – um den Bart sind sie mir gegangen, ja, Jagd haben sie auf mich gemacht.«

Zweifelnd sah Holten den eingetrockneten Alten an, wie er mit krummem Rücken dasaß.

»Jawohl,« schrie dieser heiser. »Jagd gemacht. Nun, man ist ja auch keine schlechte Partie. Hat seine schöne Pension, Privatvermögen dazu und ist noch eine respektable Persönlichkeit.«

Barck suchte sich Haltung zu geben – ein komischer Versuch, bei dem Holten kaum noch ein Lachen unterdrücken konnte.

»Das wäre also kein schlechter Fang für solche halb vertrockneten und verhungerten alten Jungfern. Darum haben sie eben jeden Abend das Zanken über mich gekriegt. – Aber ich hab' ihnen die Suppe böse versalzen. Hahaha!« freute sich grimmig der alte Hagestolz.

»Na, dann war's aber natürlich aus mit der Liebenswürdigkeit,« fuhr er geschwätzig fort. »Nun konnten sie die Nase nicht mehr hoch genug kriegen. Und jetzt haben sie seit ein paar Tagen obenein auch noch an einem anderen solchen adligen Hungerleider Sukkurs erhalten, an dem alten Knickstiefel ihnen gegenüber. Sehen Sie sich diesen Jammermann an: Das ist ein Kammerherr, ein veritabler Kammerherr von irgend so einem Duodezfürsten. Na, was sagen Sie nun? Sieht der Kerl nicht aus, daß man ihm fünf Groschen schenken möchte?«

Der Professor hatte trotz seiner Heiserkeit wieder so laut gesprochen, daß der in Rede stehende ältere Herr, der allerdings mit einer sehr reservierten Miene ein sehr bescheidenes Äußere vereinte, stirnrunzelnd herüber sah. Holten war das im höchsten Grade fatal, und leise bat er den Professor, doch seine Stimme zu mäßigen.

»Fällt mir ja gar nicht ein,« schnob ihn aber mit einem grimmigen Blick auf den Kammerherrn sein cholerischer Nachbar an. »Glauben Sie etwa, daß ich mich vor diesem Knickstiefel fürchte?« Immer mehr redete sich Barck, den Verhaßten durch seine Brillengläser anfunkelnd, in Wut. »Ich, ein Hamburger Bürger – ein Gelehrter, der dem Vaterland 35 Jahre lang seinen Dienst geweiht hat? Was hat denn der da im Leben geleistet? Scharwenzelt hinten und vorn – Speichel geleckt – den Lakaien gespielt.«

Holten wurde die Sache nachgerade höchst unangenehm. Man begann allgemein herüber zu sehen – der verrückte alte Professor kriegte ja heute einen richtigen Tobsuchtsanfall. – Er rückte daher unruhig auf seinem Stuhl:

»Verzeihung, Herr Professor, aber ich bitte Sie wirklich –«

Doch der Alte war nicht mehr aufzuhalten; er hatte wohl auch während des Gesprächs zu schnell hintereinander dem Wein zugesprochen.

»Jawohl! Was leisten sie denn sonst, diese faulen Drohnen der menschlichen Gesellschaft? Herr, ich sage Ihnen: Die französische Revolution hat ein Gott wohlgefälliges Werk getan, als sie all solch Volk zur Guillotine schleppte, aber leider nur halbe Arbeit. Man sollte ganz aufräumen mit ihnen, sag' ich Ihnen – man sollte ihnen allen einen Mühlstein um den Hals hängen und sie in die Ache draußen werfen, wo sie am tiefsten ist.«

Wütend, als wolle er seine fürchterlichen Drohungen auf der Stelle wahr machen, funkelten Barcks Augen die beiden ältlichen Fräulein an, die sicherlich seine letzten, laut hinausgekrächzten Tiraden vernommen haben mußten und nun geängstigt in die Höhe fuhren – im selben Augenblick, wo auch Holten aufstehen wollte. Er konnte unmöglich vor den Augen der ganzen, jetzt zum Teil halblaut lachenden Gesellschaft noch länger den geduldigen Zuhörer bei solchen Verrücktheiten abgeben.

Aber da erhob sich schon der Kammerherr mit steifer Würde und sagte laut zu den beiden erschreckten Damen ihm gegenüber, ohne aber einen Blick auf den Professor zu richten: »Darf ich Sie hinausgeleiten, meine Damen? Diese Insulten sind in der Tat nicht mehr zu ertragen. Ich werde diesen Herrn noch privatim sprechen.«

»Was – Insulten?« Der Professor fuhr nun seinerseits eilends in die Höhe. »Ich insultiere niemanden – ich kümmere mich um niemanden – ich bin für niemanden zu sprechen!« Und schleunigst stürzte er zum Saal hinaus, sogar seinen Schlapphut am Garderobehalter im Stich lassend. Ein schallendes Gelächter der ganzen Gesellschaft begleitete ihn.

Holten wäre am liebsten auch gleich hinausgegangen. Aber da gewahrte er den spöttischen Blick, mit dem Frau Salome ihn fixierte. Nun blieb er gerade.

»Man muß die Sache nicht so tragisch nehmen,« meinte versöhnlich der Rentier Schwarz zu ihm. »Der Herr Professor ist ein 'nen bißchen eigentümlicher alter Herr. Wir haben hier schon ein paarmal solche Szenen gehabt. So schlimm wie heut ist's allerdings bisher noch nie gewesen.«

 


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