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Achtes Kapitel

Jakobs Schicksale und Gemütsstimmung von Zürich bis Bern

Er will jetzt direkt auf Parnis, denn in Zürich hatte er viel vernommen, was dort alles vorbereitet werde, wie die Gesellen angesehen seien wie Barone, wie man in der Bildung und Aufklärung weiterkomme, daß man sich selbst gar nicht mehr begreife, so donnermäßig werde man gebildet. So fuhr er hoch in seinen Gedanken, der gute Jakob, aber Paris war weit, kotig der Weg, der Himmel schwarz wie das Hemd eines Schlossergesellen, welches derselbe vier Wochen auf dem Leibe gehabt, ohne es zu wenden. Eisenbahn war leider noch keine da, sonst hätte Jakob einige Böcke an eine gute Strecke gewendet, wäre unerwartet in Paris erschienen. Wie doch der gute König Louis Philipp geluget hätte, wenn so urplötzlich der Jakob in Paris eingerückt wäre! Er trappete also durch den Kot dahin, den kürzesten Weg nach Paris über Bern Geneff zu, von wo es gar nicht mehr weit bis Paris sei, wie er aus sichern Quellen vernommen hatte. Indessen, die Wege von Zürich gegen Bern hin sind grausam lang, sei es Kot, sei es Staub, und Jakobs Stiefel waren schlecht, mit dem Schuhwerk war er nicht für die Reise eingerichtet, mit dem Beutel weder für müßiges Weilen noch neue Anschaffungen. Er ließ sich daher herab, in einem bedeutendem Ort am Wege Arbeit zu suchen, und fand dieselbe auch.

Jakob war ein stolzer Geselle, hatte Ideen in Leib gekriegt, einen Schnauz ins Gesicht, dunkle Backen, und zornige Augen konnte er machen, daß die Fliegen zitterten an der Wand. Der neue Meister dagegen war jung, vom Handwerk verstand er wenig und mochte noch weniger dabei sein. Er hatte dasselbe notdürftig gelernt, wie es in der Schweiz an vielen Orten Sitte ist, wo man sich auch nicht darum kümmert, habe einer einen Lehrbrief oder keinen, wenn derselbe als Meister sich setzen will. Als Lehrbube schon war ihm das Heiraten im Kopf gesteckt, war er schon jeder Schürze nachgelaufen, hatte bei keinem Tanze gefehlt. Als er ausgelernt hatte, sollte er auf die Wanderschaft, das Gerede davon dauerte manchen Monat, endlich ging er, und nach wenig Wochen war er wieder da, angeblich weil die Choldera in Frankreich grausam regierte, daß kaum der zehnte Mensch überbleiben werde, wenn es wohlgehe. Er brachte die Nachricht mit, daß gegen die Choldera kein besser Heilmittel sei als das Heiraten, das tat er denn alsbald, und sieben Wochen nach seiner Heimkehr war er bereits ein glücklicher Ehemann.

Er hatte zwei- oder dreitausend Gulden erheiratet, hielt sich jetzt reich wie Krösus und gedachte, mit der Zeit das Handwerk im Großen zu treiben; er dachte nicht daran, daß beim Handwerk der Meister die Hauptsache ist und Geld in eines schlechten Meisters Hand wie Schnee auf warmem Ofen. Einstweilen hatte er nur ein klein Haus, redete aber viel vom Bau eines neuen. In der Stube, in welcher gegessen wurde, schliefen der Meister und die Frau Meisterin. Diese beiden hielten dafür, sie vermöchten es, länger im Bette zu bleiben als andere Leute, und faulenzen heiße gut Sach haben. Daß sie nicht mit den Gesellen aufstanden, versteht sich, aber sie konnten es auch nicht über sich bringen, zum Frühstück aufzustehen, so daß die Magd zur Not das Zimmer hätte herrichten können. Sie blieben also im Bette liegen, doch sollten es die Gesellen nicht merken, sie schämten sich denn doch dessen. Die Magd mußte nun das Bettuch oder das Tapis, wie man sagt, über das Bett decken, als wäre dasselbe gemacht und die Eheleute ausgeflogen. Unter dem Tapis aber lagen der Meister und die Frau Meisterin still wie Mäuschen; husten, niesen, schnarchen, kurz jeder Mucks wäre vom Bösen gewesen. Dicht nebenan gabelten die Gesellen in den Schüsseln herum oder klapperten mit den Kaffeetassen, während ab und zu die Magd ging. Ob die Gesellen die Nachbarschaft merkten, weil das Tapis gewackelt oder ein verdrückt Husten hörbar geworden oder die boshafte Magd boshafte Winke gegeben, wir wissen es nicht. Aber einmal an einem schönen Morgen schmiß Jakob aus Versehen die Kaffeekanne hinunter, seine Tasse nach, alles schrie auf, sprang auf, und unter dem Tapis hervor fuhr die Frau Meisterin, neben ihr erhob sich, doch etwas langsamer, der Meister mit halbem Leibe aus den Federn herauf. Wer das malen könnte, wie das stand und lag und glotzte und lange keines wußte, sollte es zur Türe hinaus oder wieder unter die Decke! Endlich strich Jakob den Schnurrbart und sagte: »Guten Morgen, Frau Meisterin! Das Ding ist kaputt gegangen; wenn Sie ein neues kaufen, so sollte es was größer sein.« Der Meister war ganz verdutzt und sprach kein Wort. Ein Lehrbursche, der sich selbst zum Meister schlägt, hat die gehörige Haltung nicht und nicht das gefaßte Blut und das rechte Wort. Der Frau Meisterin dagegen, der ging das Maul auf. Potz Himmel, wie strömten ihr die Titel heraus zum weitgeöffneten Schlunde, Halunk und Schießhund waren die allermanierlichsten und zartesten wohl von allen. Sie war ein derb Bauernmädel gewesen, verstand nichts von der Haushaltung, aber auch nicht Spaß, und wenn ihre Hände eben auch nicht die fertigsten waren, so war die Zunge desto geläufiger; sie handhabte sie wie ehedem Jupiter Blitz und Donner. Sie als Bauerntochter hatte aristokratisches Blut und eine gründliche Verachtung gegen so einen fremden, schäbigen Kerl, und besonders wenn er einen Schnauz hatte. Sie duzte auch alle Gesellen, und wenn diese darob sich ärgerten oder beim Meister beklagten, potz, wie begehrte die Frau Meisterin auf, was so ein hergelaufener Lumpenhund sich einbilde! Daheim habe sie den Schulmeister geduzt, den Statthalter, auch den Pfarrer, wenn es sie angekommen, und zu so einem Lump solle sie reden, als ob er Schultheiß wäre! Dazu zwinge sie der Teufel nicht, und reiße er ihr den Kopf ab, so surre sie noch mit der Röhre: »Du, du, du!«

Als sie so aus der Nachthaube heraus den Gesellen wüst sagte, lachten diese erst, daß das Haus zitterte. Als sie genug gelacht hatten, warf sich Jakob in die Brust und sagte, er gehe und packe sein Felleisen, sei er fertig, so komme er, den Lohn zu holen. Jakob hatte seine Stiefel gehörig sohlen und beschlagen lassen, einige Batzen Geld und große Langeweile; so war der Anlaß, wenn nicht herbeigeführt, so doch ihm gerade recht, um zu künden und Bern zuzuwandern, auf welches er sich sehr freute, denn er hatte viel davon erzählen hören, wie da schöne Promenaden seien und artige Mädchen. Der Meister ließ Jakob ungern ziehen, denn er hatte gehofft, ihm etwas ablernen zu können. Denn das ist der Trost und die Hoffnung aller, welche aus halb ausgemachten Lehrbuben zu Meistern geraten, alles, was sie nicht können, nach und nach von geschickten Gesellen zu erlernen. Wie widersinnig ein solcher Trost ist, und zu welchem Ende er führt, kann man täglich an verhudelten Meistern oder an ihren armseligen Haushaltungen sehen. Aber Jakob wollte fort. Er verachtete solch kleine Meister und kleine Orte, es zog ihn nach dem Großen hin, auch hoffte er, in Bern kräftig wirken zu können zur endlichen Entwicklung der Ideen der Menschenrechte, der Gleichheit der Güter, wo ein Ausschuß, in den er zu kommen hoffte, den andern gebe, was dieselben verdienten, das heißt, was der Ausschuß für gut finde.

Er wanderte also das stattliche Bernbiet, wo die großen Düngerhaufen, die schönen Matten, die großen Äcker die Wohlhabenheit der Bewohner bezeugen, herauf, doch diesmal ohne zu fechten. Er war zu stolz dazu, vor Leuten auf der Straße den Hut zu ziehen und sich demütig vor sie hinzustellen, vor Leute, welche nicht taugten, um ihm die Schuhriemen aufzulösen, denen er einst den Fuß auf den Nacken zu setzen hoffte. Er hielt es für eine Entwürdigung der Menschheit, zu bitten, wo man Rechte habe, für einen Verrat am Recht. Doch konnte er sich nicht enthalten, eine Ausnahme von der Regel zu machen. Etwas seitwärts von seinem Wege lag ein großer Bauernhof, der weit und breit und namentlich unter den Handwerksgesellen den Ruf großartiger, echt alttestamentlicher Gastfreundschaft hatte; dort um Nachtherberge anzuklopfen, entschloß er sich. Der Weg dazu war etwas streitig, führte durch wohl geschonte Wälder voll prächtiger Bäume endlich ins urbare Land hinaus, so weit man sehen konnte, alles eines Besitzers Eigentum. An einem Ende desselben stand das große hölzerne Haus, daneben der übliche steinerne Stock, rundum kleinere Gebäude, Speicher, Wagenschuppen usw. Große Holzstöße von schönem Buchenholz waren Zeugen, daß auf dem gastlichen Herde das Feuer selten erlosch. Ein großer Hund lag in der Abendsonne; unbehaglich war es Jakob, als er ihn sah, er hatte Malice auf die Hunde. Aber als der Hund den fremden Wanderer sah, stand er nicht bellend auf, das Haar sträubend auf dem Rücken, sondern wedelte freundlich mit dem buschichten Schwanze und blieb ruhig liegen. Als Jakob anklopfte, ließ man ihn nicht lange warten, und als er um ein Nachtlager fragte, da lief nicht eins zum andern, um zu fragen, ob es wohl tunlich sei, ihn zu behalten, oder wann man den letzten Übernächtler gehabt, und ob es nicht zu früh sei, schon wieder einen zu haben. Man sagte ihm freundlich: »Ja freilich!«, und hieß ihn absitzen. Bald setzte sich jemand neben ihn, fragte nach dem Woher, Wohin und ließ sich erzählen mit dem Behagen, welches einsam Wohnende oft an den Tag legen, wenn sie mit Leuten aus der Welt zusammentreffen.

Jakob war mit verbissenem Ingrimm angerückt, daß er bitten müsse, wo er befehlen sollte, und daß er zum Bitten sich erniedrige, plagte ihn ebenfalls; die sichtbare Fülle allenthalben, die auf vielen Edelhöfen nicht gesehen wird, vermehrte diesen Ingrimm noch. Daß ein dummer Bauer da sitzen solle herrlich und in Freuden trotz einem Baron, während er, Jakob, der Kern des Volkes, da anklopfen und die Mütze abziehen müsse, war das nicht aristokratisch, pfäffisch, verflucht, himmelschreiend! Dieser Ingrimm und die ihm erwiesene Höflichkeit ließen ihn unwillkürlich sich in die Brust werfen, zeigen, daß er auch was sei. Nun sagte er nicht, er sei der Jakob, und erzählte, wie viel er gegolten in Zürich im Verein, und was er für daherige Aussichten hatte, sondern er flunkerte wieder gewaltig mit dem, was er daheim sei und besäße, wie er aus einer hochansehnlichen Familie sei, auf wie großen Gütern seine Großmutter sitze, welch großes Geschäft, das einstweilen verpachtet sei, er besitze und antreten werde, sobald er heimkomme. Das Ding ging ihm ganz prächtig vom Munde und wurde ehrlich und gutmütig buchstäblich geglaubt. »Mutter«, hörte er eine Stimme drinnen in der Küche sagen, »Mutter, das ist einer aus einem vornehmen Hause, ein reicher Bursche, dem sollte man ein Bett frisch anziehen, und sollte man ihn nicht heißen mit uns essen?« »Wie du meinst, mir ists recht«, lautete die Antwort. Nun ward Jakob traktiert wie ein ehrenwerter Gast, aß am Familientische zu Nacht, besser als man in manchem Wirtshause um schwer Geld ißt, trank zwei gute Sorten Wein, schlief in einem herrlichen Bette, trank am Morgen Schokolade und aß, da eben gebacken ward, vortreffliche Kuchen dazu. Vorher hatte er die Ställe besehen, acht prächtige Rosse gesehen, zwanzig Kühe, von denen jede unter Brüdern wenigstens achtzig Taler wert, hatte gesprächsweise gehört, daß dies nicht der einzige Hof sei, den die Leute besäßen, und daß die ausgeliehenen Gelder sich vielleicht so hoch beliefen als der Wert des Grundeigentums. Das hatte ihn begreiflich wieder aufs neue ingrimmig gestimmt, seine Besitzungen waren über Nacht fast um die Hälfte gewachsen, und gewaltig strengte er sich an, um mit Essen und Trinken die Ungerechtigkeit, daß ein dummer Bauer so viel besitze, einigermaßen zu verkleinern. Als endlich Zeit zum Aufbruch war, sagte man ihm, wie sonst der Brauch sei, jedem Gesellen, welcher hier über Nacht gewesen, einen Zehrpfennig zu geben, ihm aber dürfe man kaum einen anbieten. Da sagte Jakob: »Versteht sich, einen Zehrpfennig würde ich übelnehmen, aber ein Andenken an diesen Ort schlage ich nicht aus.« Nun war drinnen guter Rat teuer, welches Andenken wohl am passendsten sein möchte für den reichen Reisenden, der so große Güter daheim habe. Eine Kuh oder ein Käs waren etwas unbequem zu transportieren. Ein Psalmenbuch oder ein Testament erhielten Beifall, wurden aber doch verworfen, weil man dachte, er werde bereits was solches bei sich haben und könne beleidigt werden, wenn man ihm zeige, man habe geglaubt, er habe weder Testament noch Psalmenbuch bei sich. Endlich ward man rätig, ihm einen schönen neuen Berner Fünfbätzler anzubieten, aus welchem er sich dann zum Andenken einen Uhrenschlüssel machen lassen könne. So geschah es auch, und Jakob nahm ihn hin mit Gelassenheit; zum Vorschlag mit dem Uhrenschlüssel meinte er, das Stück gefalle ihm so, wie es sei, am besten.

Als er wieder der Landstraße zumarschierte, schimpfte er vor sich hin gewaltig über den Bauernhochmut und die Ungerechtigkeit in der Welt. Hätte er nicht das Felleisen getragen, meinte er, so würden sie ihn wohl in einer Kalesche einige Stunden Wegs geführt haben, jetzt aber ließen sie ihn laufen, als ob er ein Hund wäre, nur weil sie sich seiner des Felleisens wegen geschämt hätten, und doch seien sie nur dumme Bauern, und wenn es mal anders werde, so wolle er die nicht vergessen. Den Hof nehme er unter seine eigene Verwaltung, und für etwas Besseres als für die Schweine zu hüten wüßte er die Besitzer nicht zu gebrauchen.

In Burgdorf hielt er sich eine Nacht auf. Er fand da Bekannte und einen lebendigen Austausch der Ideen. Heutzutage sind Ideen die Hauptsache, der Handwerksbursche wandert nicht mehr auf dem Handwerk, sondern bloß auf Ideen, und wenn er ißt und trinkt, so tut ers nicht des Hungers und des Durstes wegen, sondern wegen einer Idee. Guckt man aber diesen Ideen näher ins Gesicht, so sind sie zumeist nichts als zusammengeflickte Mäntelchen, welche man den eigenen und zwar tierischen Gelüsten umgehängt hat.

Burgdorf ist ein uralt, schön Zähringsches Schloß mit einem reichen Städtchen drum, in wilder und doch reicher, schöner Gegend. In neuerer Zeit ward das Schloß wieder berühmt durch Pestalozzi, welcher es einige Zeit bewohnte, das Städtchen aber durch gutes Bier, mit welchem es den ganzen Kanton versieht. Jakob kümmerte sich begreiflich weder um die Zähringer noch um Pestalozzi, sondern bloß um Bier und Ideen, nebenbei aß er noch brav Emmentalerkäs, ohne ihn jedoch besonderer Beachtung zu würdigen; beiläufig frug er auch, ob denn wirklich so schöne Maitli in Bern seien, als er habe sagen hören. Natürlich hielt er sich am meisten bei den Ideen auf, erzählte, wie er es dem Hund, dem Ratsherrn in Basel, gesagt habe, und wie weit man jetzt mit den Ideen in Zürich sei. Auf die Schweizer war er sehr übel zu sprechen. Wenn man mit ihnen spreche, ihnen die Ideen auseinandersetze so recht handgreiflich, als ob es Heuhaufen wären, welche man ausbreite mit Gabel und Rechen, so meine man, sie hätten einen begriffen und seien jetzt eingeweiht in die Grundsätze und seien Bundesgenossen. Aber wolle man die Grundsätze anwenden im Leben und die Ideen in die Verhältnisse bringen, so brüllten sie wie Kühe, und man habe die dummen Schweizer wieder, welche nichts begriffen, am wenigsten die neue Zeit. Und statt daß sie dankbar wären, weil man ihnen zeigen wolle, wie nach der Idee das Vermögen der Reichen zu verteilen und zu gebrauchen, Verdienst und Arbeit zu ordnen sei, wie man Pfaffen und Aristokraten den Garaus machen müsse, statt dankbar zu sein, könne man seine Knochen in Obacht nehmen und auf seinen Ideen weiterwandern. Er halte dafür, an den Schweizern sei Hopfen und Malz verloren, sie seien alle geborne Aristokraten und dumme Pfaffenknechte, darum wolle er so schnell wie möglich nach Paris hinein. Er setzte auseinander, wie es ihm in Zürich gegangen, als er seinem Meister, der als einer der ersten der Ihren gegolten, ihr Verhältnis grundsätzlich auseinandergesetzt, kein Hund auf seine Seite habe stehen wollen, auf einmal alle wieder Aristokraten und Pfaffenknechte gewesen wären. Ja, wenns aufs Reden ankäme, da gehe es wie gepfiffen und gesungen, aber sollte dann nach dem Pfeifen getanzt werden, liefe alles auseinander, und allen hingen die Zöpfe von hinten, wie der Herwegh gesagt habe.

Oh, wie da den guten Jungen die Augen funkelten, wie sie die Fäuste ballten, die langen Pfeifen fast schwindsüchtig zogen und sagten: »Ja, wären wir dabei gewesen, Himmelsackerment! Hier gehts anders zu, Schwerenot und Sauerkraut!« Sie verlebten einen herrlichen Abend, stärkten mit dem guten Bier die hohen Ideen der Zeit, daß dieselben anschwollen, schwer wurden wie Blei und die Köpfe, welche sie tragen sollten, hin- und herwackelten wie Müllerknaben unter schweren Mehlsäcken.

Am folgenden Morgen wanderte er Bern zu, schwerfällig und mißmutig. Verflucht schlecht Bier sei hier, sagte er. In Deutschland drunten hätte er einen ganzen Teich voll Bier austrinken können und alle Morgen einen Kopf gehabt so leicht wie eine Feder, und hier habe er kein halb Dutzend Maß getrunken und habe einen Kopf so dumm und schwer als wie ein Emmentalerkäs. Seine Reise ging daher sehr langsam, er konnte sich nicht satt schimpfen über die Schweiz, dieweil sie so lang sei. Hätte er das gewußt, so wäre er drum rumgegangen. Obgleich es von Burgdorf bis nach Bern nicht mehr als vier Stunden zu gehen ist, so war es doch schon gegen Abend, als er von der Papiermühle, wo er sich an einem Schoppen Wein gestärkt und dem Wirt den neuen Berner Fünfbätzler als Andenken hinterlassen hatte, aufbrach und langsam den Berg aufstieg. Droben sah er links in nie gesehener Nähe die großen, majestätischen Berner Berge. Indessen Notiz von den Bergen nahm er keine, sondern bloß von dem langen, langen Baumgang, zu welchem sich hier die breite Heerstraße gestaltet, neben welcher ein schöner, breiter Fußweg herläuft. Gradaus lief die Straße, an ihrem äußersten Ende stießen die Bäume zusammen, und nirgends noch sah er die Stadt. Das fiel ihm schwer ins Gemüt, daß er so lange noch gehen sollte, und hatte er doch geglaubt, wenn er auf den Berg käme, werde die Stadt ihm vor der Nase stehen. Diese Täuschung konnte er Bern nicht vergessen, er faßte Malice gegen die Stadt, welche nicht verging. Darum achtete er die Berge nicht, sondern ärgerte sich bloß an den Bäumen, wo immer einer nach dem andern kam, und je mehr er hinter sich ließ, desto länger schien ihm die Allee zu werden. Er wurde schrecklich falsch, und je falscher er wurde, desto langsamer und mühsamer ging er, und immer mehr schien ihm, man treibe Bosheit mit ihm, und was er dran ablaufe, das setze man ihm vornen wieder dran.

Endlich hielten die Bäume sich auseinander, es senkte sich der Weg. Weißes schimmerte durch die Bäume, ein mächtig Rauschen scholl herauf, aber was es sei, nahm Jakob nicht wunder. Er setzte sich auf eine Bank als wie zum Tode matt, und erst als er eine gute Weile gesessen hatte, ging er einige Schritte weiter und sah vor sich die gute Stadt Bern, die von der Aare umflossene, welche mächtig rauschend über eine Schwelle stürzt, welches Rauschen Alexander Dumas wahrscheinlich für Lawinendonner gehalten. Große Notiz nahm er aber ebenfalls nicht von ihr, sie schien ihm ein klein, elend Nest, von dem er nicht begreifen konnte, warum man so viel Aufhebens mache; so brummte er, während er den steilen Weg hinunterhumpelte. Er humpelte die Stadt hinauf durch die schönen Arkaden, belegt mit großen, schönen Steinplatten, und fluchte jämmerlich, wie hart die Steine seien; daß spitze Pflastersteine seinen Füßen noch ganz andere Leiden gebracht hätten, daran dachte er nicht.


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