Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Kapitel

Um Mitternacht muß Jakob eine Predigt hören, und wie sie wirkt

Eines Abends wars, daß es dem Jakob ging wie einem Schiff auf dem Meere wenn der Sturm wütet, wenn Nebel auf den Wassern liegt oder Nebel vor des Kapitäns Augen, daß sie den Kompaß nicht sehen und auf die Seekarten sich nicht verstehen, er ward verschlagen von den Kameraden weit aus der üblichen Straße. Er hatte eben auch Nebel auf seinen Augen, draußen war es schön und klar, denn blau war der Himmel, und rund ohne dunstige Gewänder wandelte der Mond seine von Gott ihm vorgeschriebene Bahn.

Als nach den französischen Julitagen in der Schweiz die aus alten aristokratischen Trümmern neu aufgekleisterten aristokratischen Gebäude eingerissen wurden, da riß auch die alte Zürich nicht bloß die Verfassung ein, sondern auch seine Schanzen und Mauern, füllte die Gräben aus, öffnete die Stadt, daß sie eins ward mit dem Lande, das heißt, daß keine Mauern den geheimnisvollen Kampf mehr hemmten, der zwischen allen Städten und dem Lande ist, in welchem, je mehr die Barrieren der Städte niedergerissen, scheinbar die Städte geschwächt werden, in Wirklichkeit aber desto gieriger die Städte das Land verschlingen. Es ist sehr merkwürdig, daß die Höchsten der Städte zumeist zum Heil der Städte am wenigsten beitragen, daß gerade sie es sind, welche gewöhnlich leiblich und geistig sich selbst dem schlechtesten Städtegeist opfern. An manchem Orte verbarg sich hinter freisinnigen Demonstrationen der Geist der Spekulation, der entweder einen schönen Hausplatz für seine eigene Person im Auge hatte oder aber eine Lücke im Staate einnehmen wollte, welche durch den Verkauf von Hausplätzen zu decken war. Kurz, es ist halt so in der Welt, daß hinter allem in der Welt was liegt, hinter dem größten Berge liegt was, hinter dem längsten Meere liegt was, und das ist halt so, dieweilen kugelrund die Welt ist.

Also auch Zürich hieb die alten Zöpfe ab, ward eine moderne Stadt, entblößte seinen Busen dem ganzen Lande, gewann das schönste Quartier, die schönste Promenade zum See hinauf, wo jetzt auf einem Vorsprunge das neue Münster steht mit seiner herrlichen Aussicht in Gottes Herrlichkeit, wo es auch innen herrlich sein wird, wenn in seinem Worte Jehova dahinfährt in leisem Säuseln des Windes oder auf dem Donnerwagen seines Zornes. Hieher ward Jakob verschlagen, es war ein Geist in ihm, welcher das Haus Gottes für eine Kneipe ansah, dort Befriedigung seines neu erwachten Durstes suchte und an den verschlossenen Türen lärmte. Da ward er hart am Arm ergriffen, und als er zornig sich umsah, stand hinter ihm eine hohe, schlanke Gestalt, der Mond schien auf ein blasses, Jakob wohlbekanntes Gesicht. »Himmelsackerment«, sagte Jakob, »was streichst du da herum, Bruder Brandenburger, und spielst das Gespenst? Hilf mir die Türe einschlagen, die Hunde hören nicht, damit wir was für den Durst kriegen, es ist ganz verflucht heiß, kein Türke hielte es nicht aus.« »Hör, Bruder, du bist am unrechten Orte«, sprach der Lange, »das ist kein Wirtshaus, du stehst auf dem Kirchhof und polterst an eine Kirchentüre und polterst umsonst, denn niemand wird dir öffnen. Was meinst, wenn du einmal so an die Himmelstüre poltern mußt, niemand dich hört, niemand dir öffnet?« Jakob erschrak, als er hörte, wo er war, doch hatte er sich während des Langen Rede dürftig gesammelt, schlug mit dem Fuße noch einmal gegen die Kirchentüre, stieß ein häßlich Schimpfwort aus und schrie: »Komm, dort unten ist ein Wirtshäusle, dort ist der Himmel, und einen andern gibt es nicht. Was Dummes zu glauben, wirst du doch nicht mehr Narr genug sein!«

Da nahm der Brandenburger den Jakob beim Arme, drehte ihn um, daß er die in der wunderschönen Nacht strahlende Herrlichkeit der Umgebung schauen mußte. Und wunderschön war es wirklich, der Himmel in seinem Blau, der See in seinem silbernen Glanze, die Stadt mit den hohen Türmen, auf dem See strichen großen Schwänen gleich einzelne Schifflein, durch den großen Ozean über ihren Häuptern schiffte der Mond, und einzelne Sterne schienen festgeankert im tiefen Himmelsgrunde. »Hör, Bruder«, sprach der Lange, »wollte dir schon lange was sagen, die Gelegenheit gab sich nicht. Jetzt will ichs tun, hier ist gerade der rechte Ort dazu und die rechte Stunde, und von ungefähr geschah es nicht, daß du hier so seltsamerweise mir in die Hände laufen mußtest.«

Jakob begehrte auf, wollte sich sträuben, dem Wirtshäusle zusteuern, aber der Brandenburger hielt ihn mit eisernem Griff, und innerlich schlotterte Jakob doch trotz seinen bärenmäßigen Gebärden. Der Brandenburger stellte Jakob zurecht, so daß er so recht die Herrlichkeit der Welt sehen konnte vom Hügel herab, doch den Sinn, in welchem der Versucher unsern Herrn auf den Berg geführt hatte, trug er nicht in sich, sondern den entgegengesetzten, er wollte Jakob nicht verleiten, sein himmlisch Erbrecht an ein Linsengericht zu tauschen, sondern ihn locken vom Linsengericht zurück zu seinem Bürgerrecht im Himmel.

»Du dauerst mich, Junge«, sprach der Lange, »du gehst auf schlechten Wegen, gehst deinem Verderben entgegen.« »Und wenn ichs tue, was gehts dich an?« entgegnete Jakob, noch immer sich sträubend gegen die ihm überlegene Macht. »Ja wohl gehts mich an, du bist ein Landsmann, ein Deutscher wie ich, bist in der Fremde, und weißt du nicht, daß ein Landsmann dem andern helfen soll in der Not mit Rat und Tat und absonderlich dann, wenn die eigenen Landsleute zu falschen Freunden werden und um heimlicher, böser Zwecke willen oder um einfach schnöder Selbstsucht willen ihre Brüder ausbeuten und verführen, ins Elend stürzen, dem Teufel zuführen?«

»Schweig und hör«, herrschte der Lange Jakob, der wieder reden wollte, an, »und hab ich ausgeredet, dann kannst deine Sache sagen oder deiner Wege gehen, wie du willst. Schweig und räsoniere nicht, weißt, ich kenne das Ding, durch das Feuer bin ich selbst gegangen, bin elend geworden, habe andere elend machen helfen, das Warnen habe ich mir als Buße gesetzt. Ich war ein gescheuter Kerl, als ich zum Handwerk kam, aber ein wilder Junge. Ich wußte mehr als mancher, der studieren wollte, und darum meinte ich, es geschehe mir ein himmelschreiend Unrecht, daß ich Handwerker werden müsse, während andere vornehme Herren abgeben könnten. Es war ein verfluchter Unsinn von der Schule her, genährt durch die miserabeln Bücherwürmer, daß das Handwerk ein niedriger Stand sei und Handarbeit entehre, als ob ein tüchtiger Handwerker den Kopf nicht ebensogut zu brauchen hätte als der erste Gelehrte oder Staatsmann, als ob ein wackerer Handwerker nicht ein viel freierer Mann wäre als der oberste der Staatsknechte und ein viel schöner Leben führte im freien Bewegen des Leibes als so ein armer Staatsteufel, der von morgens früh bis abends spät die magern Beine unter einen langen Tisch strecken muß, so gleichsam als hätte er sie angeschlossen am großen Staatsblocke. Feder oder Hammer führen ist eins so leicht wie das andere, die Gewohnheit ists, die alles ausgleicht; dem Faulen und dem Ungewohnten wird alles gleich schwer, sei es Hammer, sei es Feder.

Indessen mir ward die Arbeit leicht, rasch gings mit der Hand wie mit dem Kopf; als ich Geselle ward, war ich ein halber Meister, und wäre der Hochmut nicht gewesen, ich wäre bald ein ganzer geworden, aber eben dieser Hochmut war das Horn, bei welchem der Teufel mich faßte. Das Handwerk mit seinem goldenen Boden war mir zu wenig, meinen bösen Kopf glaubte ich zu viel höhern Dingen geboren und ausgepflastert. Nun, Junge, geht der Teufel umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge, und wo er eine unzufriedene Seele findet, die verschlinget er; wie ein Aasgeier ist er, das Faule frißt er, riecht es hundert Meilen weit. So roch er mich auch, sandte seine Helfershelfer an mich, geschniegelte Kerls, anfangs mit den Haaren hinten, später mit den geschmierten Locken vornen, anfangs mit Vatermördern, später das Antlitz gespickt mit Schweinsborsten; sie lockten mich, sie hoben mich zu sich herauf, sie sagten mir, sie schämten sich meiner nicht, obgleich sie es könnten, Gelehrte wären, in Zeitungen schrieben, sogar ordentliche Korrespondenten wären in berühmten Zeitschriften, sie erkennten in mir den Bruder trotz dem Handwerk von wegen dem Geiste, der sichtbar in mir sei, und dieser Geist mache alle gleich. Dies täten aber nicht alle erkennen, namentlich die Vornehmen und die Reichen nicht, drum müßten diese runter, die verfluchten Hunde; Kerls, wie ich einer sei, denen gehöre die Welt. Begreiflich stieg mir eine solche Lehre ins Haupt, und daß sie sich meiner nicht schämten, mit mir umgingen, das schien mir ungeheuer, das brachte mich vollends um den Verstand.

So ward ich, so gescheut ich auch war, ein Esel, das heißt ein willenlos Werkzeug in ihrer Hand, und, verstehst du wohl, Jakob, zehnmal gescheuter als du war ich. Aber wem ein Horn aus der Seele herausgewachsen ist, eine Leidenschaft, eine Sünde, den faßt daran der Teufel oder einer seiner Helfershelfer und führt ihn dran, wie er will, als ob er eine leibhaftige Kuh wäre. Sie rühmten mich, als ob ich Kaiser von Deutschland werden könnte. Wenn ich einer vornehmen Dame Tabaksrauch ins Gesicht blasen oder einen Herrn stoßen konnte, so meinte ich, ich sei es schon. Sie rühmten mich, als ob ich ein Professor wäre, berufen, die Weisheit in den Handwerksstand zu bringen, sie lehrten mich Gott lästern, das Fleisch predigen, und wenn ich ein paar arme Teufel mit solchen Predigten geängstigt oder verführt hatte, so hielt ich mich Selbsten hoch, als ob ich Gott wäre. Sie lehrten mich allen Gesetzen spotten, alle Leute höhnen, über alle Schranken setzen, und ward ich gestraft nach dem Gesetz, so schrien sie Fürio und Mordio, drückten mir die Märtyrerkrone für Menschenrechte aufs wüste, trunkene Haupt, mein Name stand sogar in Zeitungen und Journalen schwarz auf weiß, und, Himmelsackerment, dann ward es mir, als schütte man mir höllisches Feuerwasser in den Leib, als sei ich der Hunnenkönig Attila, der die Welt zittern machte, und war nichts als ein betrunkener Gänserich.

Wenn ein Haus verbrennt, so verbrennt es einmal, und es gibt eine Brandgeschichte, ich aber verbrannte mir Nase und Finger zehn-, zwanzigmal; es gab zehn, zwanzig schreckliche Geschichten von schrecklichen Mißhandlungen, meine guten Freunde konnten zehn, zwanzig Bogen voll Fürio und Mordio schreiben, wurden zehn-, zwanzigfach dafür bezahlt, und ich -- gab den Buckel dazu. Ich gab den Buckel dazu an manchem Orte. Ward ich an einem Orte ausgewiesen oder fand für gut, vor der Ausweisung mich zu streichen, so gab man mir Empfehlungen mit an Gleichgesinnte, an Leute von sogenannter Gesinnung an einem andern Orte, und an dem andern Orte gings über die gleiche Note, sie pumpten aus meinem Buckel Stoff zum Schreiben, Stoff, ein müßig, üppig Leben zu führen. Ich aber kam dabei schlimm weg. Was hatte ich von all dem Gerühmsel als ein unstet Leben, abgerissene Kleider! An dem sollte die Welt schuld sein, die verfluchte bürgerliche Ordnung. Daß ich ein Staatskerl sein könnte mit allen Taschen voll Geld, wenn ich vom Handwerk mich ehrlich genährt hätte, fiel mir Esel nicht bei. Es gingen mir lange die Augen nicht auf, wenn ich schon Ursache gehabt hätte, denn wenn ich Hülfe nötig hatte, so war keiner für mich daheim, keiner hatte einen Kreuzer für mich übrig, keiner setzte sich um meinetwillen, ich will nicht sagen einer Gefahr, nein nicht einmal einer Verdrießlichkeit aus. Ich hatte mich um ihretwillen auf eine Felsenspitze hinausgearbeitet, hatte keinen Gott mehr, keine Heimat, keine Kleider, kein Geld, ein verdächtig Wanderbuch, daher einen verdächtigen Namen, und da ließen sie mich stehen alleine, ließen mich auf die schnödeste Weise im Stich, einer betrog mich noch um meine zwei Hemden.

Da stund ich, ein armer, verlassener Teufel, das war Frucht und Ernte meiner besten Lebensjahre. Wild kam es mir über das Herz, dem Teufel schien ich reif für sein Reich: Welt- und Menschenhaß hatten sich wie ein schwarz Leichentuch über meine Seele gelegt, an dessen Zipfeln zog mich der Teufel, er meinte, ich sollte die Hand an mich selbst legen. Ich wollte es, ich tat es nicht, meine Seele wollte Gott dem Teufel nicht lassen, er, den ich zuerst verlassen hatte, wars, der mich rettete. Ihn fand ich von allem Verlornen zuerst wieder. Aufs Wasser, in welches ich wollte, strahlte plötzlich der Mond, der helle Glanz erschreckte mich. Als die Strahlen auf den kleinen Wellen so freundlich sich kräuselten und tanzten, ward ich weich, ich weinte bitter, dann milder; ich weinte die Finsternis aus der Seele heraus, leichter, lichter ward es darin. Ich faßte Mut, faßte das Handwerk wieder, ward ein anderer, sah mit andern Augen Menschen und Welt. Als ob ich in einem Zaubertraum gelegen, war es. Die, welche ich für Feinde gehalten, erkannte ich als Freunde, und die alten Freunde erschienen mir jämmerlich, häßlich, bockfüßig, natternköpfig, giftgeschwollene Geburten, die das Meer und das Trockne umzogen, und wen sie fingen, zu einem Kind der Hölle machten.

Hatte Schweres zu bestehen von den alten Freunden, als sie sahen, daß ich mich von ihnen gewandt; sie verfolgten mich mit dem bittersten Hasse, und zog ich auch hierhin, dorthin, siehe, so waren sie auch dort. Doch ich brachte es dahin, daß sie mich fürchten, daß ich ihnen Gegenpart halten darf. Schon mehr als einen Verstrickten habe ich aus ihren Netzen gelöst. Du bist auch so einer und gerade gehobelt und gefeilt, um erst so recht ihr Narr zu sein, dann um so elender zu werden. Drum werde gescheut, laß ab von ihnen, bete und arbeite, iß Schweizerbrot, so viel du willst, es ist gut und gesund, aber von der Politik laß, die verstehst du nicht, und in die Schweizergeschichten mische dich nicht, sie gehn dich nichts an, und davon hast du nichts, als daß du im besten Fall dir die Nase abklemmst. Dein Meister ist ein Taugenichts; solange du bei ihm bist, wirst du dem Ding nicht los, kömmst um Gott und Reputation. Gehe weg von ihm, es gibt andere Meister und jetzt viel Arbeit, dann wirst du wieder ein wackerer Bursche. He, willst?«

Als er keine Antwort erhielt, sah er sich des nähern nach Jakob um, der seinen Kopf auf die Hand gestützt hatte, und siehe da, Jakob schlief wie ein Murmeltier und hatte von dem wichtigen Zuspruch wahrscheinlich nichts vernommen. Da stand der Lange vor dem schlafenden Jakob, sah lange auf ihn nieder, endlich sagte er wehmütig: »Da liegt er in tiefem Schlafe, mein Bestes bot ich ihm, reichte ihm die Hand zur Rettung, darüber schlief er ein. Hätten die Gläser geklungen, hätten die Kameraden Gott gelästert, er hätte mitgejubelt, mitgeflucht in lästerlicher Fröhlichkeit, in dampfichter Stube wäre er munter geblieben, hier in Gottes unendlichem Hause, in süß erfrischenden Winden wird er träge, legt zum Schlafen sich; So ist die Welt, so ist das heutige Geschlecht: die Sünde ists, welche es zum Wachen ruft, in Tätigkeit setzt; wenn Gottes Wort ertönt, seine Herrlichkeit sich entfaltet, wird es träge, wird es matt, reißt gähnend das Maul auseinander, streckt die Glieder und legt sich nieder. Es ist entsetzlich, was soll daraus werden? Du weißt es, Allwissender«, sagte er und hob die Augen auf zum blauen Gewölbe, an welchem still und schön der Mond seinen Weg wandelte, »du weißt es, Allwissender, aber bange wird es mir. Enthülle dem Geschlecht dein Angesicht, wie du es mir enthüllt hast, als es schwarz geworden war in meiner Seele, enthülle es ihm, damit es erwache und seinen Frieden bedenke, ehe die Nacht kömmt, wo kein Retter mehr ist, nichts mehr ist als das Versinken in die Nacht!«

Dann beugte er sich zu Jakob nieder und rüttelte ihn auf. Es hielt schwer. Endlich regte er sich, hob sich aber wie viele Leute und namentlich Trunkene, wenn man sie aus dem ersten Schlafe weckt, in vollem Zorn, sagte dem Brandenburger alle Schande, schlug nach ihm, achtete auf kein begütigend Wort und taumelte der Stadt zu auf dem langen und breiten Zeltwege her und hin, daß der Brandenburger, der von ferne ihm folgte, jeden Augenblick glaubte, Jakob wolle mit der Nase die Straße pflügen. Nach und nach erholte sich derselbe jedoch, begriff, in welcher Himmelsgegend er sich befand, begann einen regelmäßigen Kurs und fand endlich, freilich nach manchem Stolpern, Verschüssen und Anschüssen, seines Meisters Haus.

Die Erinnerungen an diese Nacht verwoben sich seltsam in Jakobs Kopf, und seltsam mischte er sie noch obendrein mit eigenen Aufschneidereien. Gutes ward in ihm nichts entzweckt, im Gegenteil, er ward noch verhärteter, betrachtete sich als eine hochwichtige Person, welcher von der Gegenpartei aufgelauert werde, um sie zu belehren oder zu töten. Es ging Jakob fast, wie es mit einem Geschwüre geht, in welches geschnitten wird, ehe es reif ist; jedenfalls ging es ihm wie allen, welche Gott nicht lieben, denen alle Dinge zum Bösen dienen. Er machte die wunderlichsten Erzählungen von dieser Nacht, und wie die Dinge sich färben, je nachdem viel oder wenig Licht darauffällt, so färbten sich auch diese Erzählungen, je nachdem er viel oder wenig Wein im Kopfe hatte. Wenn er am meisten nüchtern war, so kam er der Wahrheit am nächsten, erzählte, wie der Brandenburger ein Frömmler, ein Mucker sei und ihn habe bekehren wollen zu seiner Sekte, und wie er hätte versprechen sollen, zu beten und in die Kirche zu gehen; denn Jakob stand bereits auf dem Standpunkt, daß ihm Mucker, Pietist, Christ als alle eins vorkamen, so wie man von recht hohem Berge eine große Stadt als einen kleinen Punkt sieht, kleiner als das kleinste Haus, ja, wie uns umgekehrt die Sonne nicht größer scheint als eine kleine Kuchenschüssel. Kam er aber tiefer in den Wein hinein, so redete er davon, wie der Brandenburger da draußen verdächtige Dinge getrieben habe, denn umsonst sei der nicht um Mitternacht auf dem Kirchhofe gestanden; stand Jakob auf seinem Höhepunkt, so redete er vom Berauben, ja vom Ermorden, von einem langen, langen Dolch, der so groß gewesen wie ein großer Säbel. Die Erzählungen liefen jedoch alle aus in der gleichen Spitze, in eine Schlacht mit dem Brandenburger, in welcher Jakob, versteht sich, einen glorreichen Sieg errang. Nur darin war der Unterschied, daß diese Schlacht nach dem Zustande seines Kopfes kürzer oder länger dauerte, blutiger oder unblutiger war. War Jakob so recht eingeweicht, so hätte man glauben sollen, die Schlacht hätte drei Tage gedauert, und blutrot sei von vergossenem Blute der ganze See geworden.

Indessen verfolgte Jakob seinen großen Sieg nicht, er ließ den Langen nicht bloß unangefochten und unverfolgt, sondern er ging ihm aus dem Wege und mied sorgfältig jedes fernere Zusammentreffen.


 << zurück weiter >>