Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 1
Johann Wolfgang von Goethe

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860

[Mittwoch 24. April]

Ich dancke dir für dein Andencken und deine Liebe. Hättest du mir auch gesagt wie es mit deiner Gesundheit steht.

Zu Mittag esse ich bey der Herzoginn, Morgen kommt der Abbé Raynal, und der Prinz August.

Es ist ein angenehmer Morgen, du musst bald kommen meine Hyazinthen zu sehn.

Nach zwölfen seh ich dich vielleicht eher.

d. 24. Apr. 82.

G.

861

[Sonnabend 27. April]

Hier liebe Lotte ein Paar Briefe die ich heut Abend verschicke.

Sie unterhalten dich wohl einen Augenblick.

Sende sie mir zurück.

G.

NB. was der Herzog von G[otha] Tischbeinen in Rom offerirt ist gar nicht acceptabel.

862

[Montag 29. April]

Sag mir l. Lotte wie es mit deiner Gesundheit ist. Das Wetter scheint nicht den May zu verkündigen. Heute bleib ich zu Hause, gegen Abend werd ich dich sehn. Sage mir daß du mich liebst, damit meine Seele festgehalten werde. Ich habe von deinem Geschenck gekostet, es schmeckt trefflich.

Viele tausend Gedancken treiben sich in mir um. Lebe wohl, keine Zerstreuung entfernt mich von dir.

d. 29. Apr. 82.

G.

863

[Dienstag 30. April]

Mein Bote geht in die Stadt, und ich bitte dich um Iphigenien und deine Liebe.

Duklos ist fein und geistreich, doch fehlen ihm grose Blicke. Ich muß heute auch wieder im kleinen kramen, dafür wenn ich zu dir komme finde ich ein weites Feld des Guten und des Vergnügens. Adieu liebste.

d. 30. Apr. 82.

864

[Mittwoch 1. Mai]

Ich dancke dir du gute für das schöne, leider vergängliche Westgen. Gestern Abend ging ich nach Hause und las Wielandens Horaz und im Düklos. Heute bin ich wieder bey Hofe, und schon im voraus müde.

Vor Sonnabends hab ich nun keinen guten Tag, dorthin verspaar ich alles und habe recht artige Sachen beyseite gelegt. Adieu beste.

d. 1. May 82.

G.

865

[Donnerstag 2. Mai]

Ich kan nicht ruhig schlafen gehn ohne dir noch gute Nacht zu sagen. Du mußt etwas von mir finden wenn du nach hause kommst. Die Spargel waren gut. Dazu hab ich in Schlözers Briefwechsel und Wielands Horaz gelesen, und zwischen inne immer an mein nächstes gedacht.

Schlafe wohl und mit dem Gefühl ein, daß ich deines ganzen Wesens eifriger Liebhaber bin, und zugleich dein treuer Freund wie du ihn wünschen magst.

Gute Nacht, Morgen ist ein Tag der Mühe, übermorgen Abend wirds uns wohl, wenn es uns geht wie ich hoffe.

d. 2. May 82.

G.

866

[Sonntag 5. Mai]

Hier das gewonnene das du wieder verschencken willst. Es mag seyn denn du hast etwas anders gewonnen das du wohl nicht weggeben wirst.

Dein Hut war mir ein angenehmer Anblick als ich erwachte. Lebe wohl ich sehe dich heute.

d. 5. May 82.

G.

867

[Montag 6. Mai]

Guten Morgen Beste.

Ich habe schon lange auf deine alte Theemaschine ein Auge gehabt deswegen schick ich dir diese neue, und bitte um iene dagegen. Sie soll in meinen Garten gestifftet werden. Lebe wohl an dich zu dencken, und deiner Liebe gewiss zu seyn ersezt mir die Sonne.

d. 6. May 82.

G.

868

[Dienstag 7. oder Mittwoch 8. Mai?]

Ja liebe ich komme so bald als möglich, doch wohl vor 12 Uhr nicht, denn ich will diesen Morgen noch alles bey Seite bringen.

Den kleinen Bernsdorf schick ich dir zum essen. Ich dencke gar nichts über unser Scheiden. Noch nie waren wir vor unsrer Trennung so glücklich. Lebe wohl. Bleibe mein.

Ich bin nach Tiefurth geladen werde aber wohl nicht hinunter gehn. Habe auch weder Pferd noch Wagen.

G.

869

[Gotha, Donnerstag 9. und Freitag 10. Mai]

Gotha. Himmelfahrtstag 82.

Ich bin unter Vorwande von Müdigkeit aus der Gesellschafft bey der alten Mama heraufgeschlichen, dir noch zu sagen was ich gerne sage und du gerne hörst.

Heute hatt' ich einen schönen Tag, den ersten Sonnenschein seit lange. Geniesse doch ia des ersten Grüns und der Nachtigallen in meinem Garten.

Im Herreiten hab ich den Plan des Gedichts erfunden das ich meinen bald verlassnen Hausgöttern wiedmen wollte, und habe ausserdem noch viele gute und artige Gedancken gehabt.

Den armen Herzog finde ich in einer traurigen Lage. Seine Frau ist sehr kranck, und seine Geliebte sterbend. Die Diede ist auch von der allgemeinen Seuche angesteckt, die ganze Stadt voll Klagens und Schnupfens.

Mama hat mir die neue schöne Genver Edition von Rousseau geschenckt, die Confessions sind dabey. Nur ein paar Blätter die ich drinne gesehen habe, sind wie leuchtende Sterne, dencke dir so einige Bände! Welch ein Himmel voll! Welch ein Geschenck für die Menschheit ist ein edler Mensch.

Der Prinz ist mir immer sehr geneigt, und eine gar liebe Seele.

Es steht hier alles wunderbar gegen einander, ich hielt es nicht acht Tage aus. Als Einheimischer versteht sich, ein Fremder kommt immer wie Israel durchs rothe Meer, ein Zauberstaab macht die feuchten Wände stehen, wehe dem über dem sie zusammenschlagen.

O meine Lotte! Wie freu ich mich auf meine neue Einrichtung! Auf alles was mir deine Liebe wird ordnen und erhalten helfen. Mögest du so viel Freude haben als du mich glücklich machst.

Ich bin herzlich müde. Gute Nacht.

Das Wetter wird morgen mir einen sehr angenehmen oder sehr beschweerlichen Tag geben denn ich muß gerade über den Wald.

d. 10ten früh.

Das Wetter ist schön, die Berge die ich übersteigen soll liegen klar vor mir, und nun ein fröhliches Adieu.

Meine Lotte denckt an mich, verlangt nach mir, wird mir schreiben, und weis wie sehr und wie allein ich sie Liebe.

G.

Grüsen Sie den Herzog vielmal und die Herzoginn, Steinen und die philosophische Gesellschafft.


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