Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 1
Johann Wolfgang von Goethe

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1776

1

[Weimar, Anfang Januar?]

Ebendesswegen! – –

– – Und wie ich Ihnen meine Liebe nie sagen kann, kann ich Ihnen auch meine Freude nicht sagen. – Was ich auch meiner Schwester gönne das ist mein, in mehr als Einem Sinne mein! – Aber – Ebendesswegen – werd ich nie mit siegeln – und ich wäre das nicht werth wenn ich das nicht gefühlt hätte –

G.

2

[Nach dem 7. Januar]

Ich muss Ihnen noch einen danck für das Wurst Andencken und eine Gute Nacht sagen. Mein Peitschen Hieb übers Aug ist nur allegorisch wies der Brand an meinem Billet von heut früh auch ist. Wenn man künftig die Fidibus hier zu Lande so galant kneipen wird wie ein süss Zettelgen, wirds ein trefflich leben werden.

Ich bin geplagt und so gute Nacht. Ich hab liebe Briefe kriegt, die mich aber peinigen weil sie lieb sind. Und alles liebe peinigt mich auch hier ausser Sie liebe Frau, so lieb Sie auch sind. Drum das einaugige Gekrizzel zu Nacht.

G.

3

Eins nach dem andern! schön! sehr schön! und nun noch gar die Briefe. Ein halb duzzend Thorheiten stecken in dem Einfall Ihnen das Packet zu schicken. Lachen Sie nicht etwa heimlich über mich, ich versichre ich kenne sie alle. Dass es nur niemand erfährt, niemand davon zu sehen kriegt. Adieu.

G.

4

[Dienstag 16. Januar]

So gehts denn liebe Frau durch Frost und Schnee und Nacht. Es scheint sich unser Beruf zu Abentheuern mehr zu bekräftigen. Ein Bisgen ungern bin ich aufgestanden denn um 12 erst kam ich zu Bett. Es ist mir als wenn mich's muntrer machte Ihnen zu schreiben, denn gewiss wenn's nach Kochberg ginge wär ich muntrer. – – Ich hab meine Weinsuppe gessen – Liebe Frau ich weis auch Zeiten wo ich früh aufgestanden bin, und aufwachen und aufspringen eins war – aber wenn man in der weiten Welt nichts aufzutreiben weis als Hasen. – Ich versäume mein Anziehen – Und wenn ich's nicht als Vorbild künftiger Abenteuer ansähe, und der Mensch nun doch einmal nichts taugt der nicht geschoren wird – Es ist fünfe dencken Sie an mich und Ade.

G.

5

[Montag 22. Januar?]

Einen guten Morgen liebste Frau. Herzogin Louise lässt Ihnen sagen: Sie möchten bald wieder gesund werden, denn ohne Sie sey kein Auskommens. Hier der Brief an meine Schwester. Gehen Sie in die Comödie? Ich bitte nur um ein Wort, Besänftigerinn! Ich komme wahrscheinlich heute noch, denn mir ist's nicht wie Ihrem Friz. Addio.

6

[Sonnabend 27. Januar]

Liebe Frau ich war heut Nacht von einem Teufels Humor zu Anfange. Es drückte mich und Louisen dass Sie fehlten. Die Keller und die niedliche Vechtolsheim konnten mich nicht in Schwung bringen. Carl gab mir das Zettelgen, das machte die Sache ärger, mich brannt es unter den Sohlen zu Ihnen zu laufen. Endl. fing ich an zu miseln, und da gings besser. Die Liebeley ist doch das probatste Palliativ in solchen Umständen. Ich log und trog mich bey allen hübschen Gesichtern herum, und hatte den Vorteil, immer im Augenblick zu glauben was ich sagte. Das Milchmädgen gefiel mir wohl, mit etwas mehr Jugend und Gesundheit wäre sie mir gefährlich. Die Niedlichkeit der Italienischen Blumenkränze stand der Gräfin G[örtz] nicht besser zu Gesicht und Taille, als die Festigkeit und Treue Coucis ihrem Manne. Die Herz[oginn] M[utter] war lieb und gut. Louise ein Engel, ich hätte mich ihr etlichemal zu Füssen werfen müssen! Aber ich blieb in Fassung und krämte läppisches Zeug aus. Sie widersprach über eine Kleinigkeit dem Herzog hefftig – doch macht ich sie nachher lachen. Wir dachten an dich liebe Frau. Kommst doch heut Abend.

27. Jan. 76.

G.

7

[Sonntag 28. Januar]

Lieber Engel, ich komm nicht ins Conzert. Denn ich bin so wohl, dass ich nicht sehen kann das Volck! lieber Engel Ich lies meine Briefe holen und es verdross mich dass kein Wort drinn war von dir, kein Wort mit Bleystifft, kein guter Abend. Liebe Frau, leide dass ich dich so lieb habe. Wenn ich iemand lieber haben kann, will ich dir's sagen. Will dich ungeplagt lassen. Adieu Gold, du begreifst nicht wie ich dich lieb hab.

d. 28. Jan. 76.

G.

8

[Montag 29. Januar]

Liebe Frau. Um fünfe seh ich Sie, kann Ihnen iezt nichts von mir sagen. Auf der Gallerie war mir's wunderlich, habe nachher allerl. Schicksaale ausgestanden. Lindau ist fort. – Vielleicht mach ich mir auch weis, dass ich sehe wenns Tag ist, dass ich mich wärme an der Hizze, und friere am Frost. Es kann all Grille seyn – genug vor der Hand ist mir's so, wenn mir's anders wird, wird sich's zeigen. Meine Stella ist ankommen gedruckt, sollst auch ein Exemplar haben. Sollst mich auch ein Bissgen liebhaben. Es geht mir verflucht durch Kopf und Herz ob ich bleibe oder gehe.

29. Jan. 76.

G.

9

[Montag 29. Januar abends?]

Mit Ihnen unter Einem Dache! Ich fange wieder an zu schreiben, es wird eine Billets Kranckheit unter uns geben, wenn's so von morgen zu Nacht fortgeht. Der Herzog lässt mich und Wedeln hier oben sizzen, und steht hinter Ihrem Stuhle schwör ich – – Er kommt – Wir haben heute viel guts gehandelt über der Vergangenheit und Zukunft – Geht mir auch wie Margreten v. Parma: ich sehe viel voraus das ich nicht ändern kann. Gute Nacht, goldne Frau.


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