Johann Wolfgang von Goethe
Briefe an Charlotte Stein, Bd. 1
Johann Wolfgang von Goethe

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Über Ihr Billet vergass ich alles. Hier sind noch Blumen die Sie gestern haben sollten hier ist ein Portefeuille dagegen ich mir mein groses ausbitte. Leben Sie wohl beste unveränderliche.

G.

151

[Sonntag 20. und Montag 21. April]

Es fällt mir aufeinmal ein zum Stadthalter zu reiten. Denn ich fühle nur zu sehr wie ich denen wenigen Menschen mit denen ich leben kann endlich zur einförmigen Last werden muss. Wenns möglich ist verschon ich Sie einige Tage mit meiner Gegenwart. Hier Herders Hohes Lied und ein paar neuere. Ich weis nicht ob Sie in der

da haben Sie mein gestriges und sehen wie die Menschen nicht können wie sie wollen. Sagen Sie mir wie's Ihnen ist, und bleiben Sie mir.

d. 21. Apr. 77.

G.

152

[Sonntag 27. April]

Liebste Frau was hab ich gestern in der Gegenwart, in dem Hause der schändlichen Creatur ausgestanden, man soll doch seine Empfindung nicht überreden, und seinem Herzen keine Gründe vorsagen. Ich bin aber auch unmenschlich grob gegen sie gewesen. Ich habe wieder Fenster, kan wieder Feuer einmachen, das mir bey der Witterung sehr zu statten kommt. Sagen Sie mir wie und wo Sie heute sind. Ob ich zu Hause bleiben kan weis ich noch nicht. Adieu Gold,

d. 27. Apr. 77.

G.

153

[Montag 28. April]

Hier sind Federn, und von meinem Geschreibe. Gestern hab ich einen wunderbaaren Tag gehabt, habe nach Tisch von ohngefähr Werthern in die Hand gekriegt, wo mir alles wie neu und fremd war. Bin noch Nachts ausgeritten. Adieu. Wie sind Sie heute und wo? wenn der Englische Sprachmeister einmal käme?

d. 28. Apr. 77.

G.

154

Was mir in Kopf und Herzen stritt,
Seit manchen lieben Jahren!
Was ich da träumend iauchzt und litt
Muss wachend nun erfahren.

G.

155

[Dienstag 29. April]

Vergebens hab ich auf die geheimnissvolle Ladung gewartet, es wird wohl nicht seyn. Gern schickt ich Ihnen ein Paar Aurickeln will sie aber völlig aufblühen lassen. Schicken Sie mir nur ein wenig zu essen, ich will im Stillen bleiben diesen Tag. Adieu beste es ist so gar schöne kämen Sie nicht etwa mit den Misels.

d. 29. Apr. 77.

G.

156

[Donnerstag 1. Mai]

Sehr gut hab ich geschlafen und bin wohl aufgewacht, nur sizzt mir ein stiller trauriger Zug über der Seele, ich kan lesen und schreiben, wie gestern Englisch erklären, mag nicht fechten und s. w. Gestern fühlt ich recht dass Sie mich lieb haben, obs nun ist dass man's dem Krancken und Übelbestellten mehr zeigt, oder ob der Mensch in solchem Zustand mehr Ahndung und Gefühl für die Empfindungen des andern hat. Das Wetter ist recht zu mir gestimmt, und ich fange an zu glauben dass Witterung in der ich immer lebe auch so den immediatsten Einfluss auf mich hat, und die grose Welt meine kleine immer mit ihrer Stimmung durchschauert. Und dass sich gegen die Witterung abhärten eigentlich seye seinen Körper allen manchfaltigen Verändrungen mit fühlend machen. Ich bleibe wohl zu Hause. Adieu bestes,

d. 1. May 77.

G.

157

[Freitag 2. Mai]

So gern wär ich diesen Abend noch zu Ihnen. Der Zweifel ob Sie zurück sind, und das herrliche Gewitter das den ganzen Süd überleuchtet hält mich ab. Die Frösche schrillen mir den Kopf wüste. Dancke für Ihr Zettelgen. Ich erhielts als [der] Herzog und noch iemand und ein Paar Vertrautinnen, zu denen Seckend[orf] gestosen war mir im Garten sassen, viel Lärmten und Unordnung machten. Es muss Sie wunderlich düncken das vergangne von mir zu lesen. Bleiben Sie mir im Gegenwärtigen und Zukünftigen eine liebe Nachbaarinn.

d. 2. May 77.

G.

Leider muss ich heute Abend hungrig zu Bette gehn.

158

[Sonnabend 3. Mai]

Guten Morgen mit Spargels. Wie ists Ihnen gestern gegangen. Mir hat Philipp noch einen Eyerkuchen gebacken und drauf hab ich mich in blauen Mantel gehüllt auf die Altan, an den Boden in ein trocken Winckelgen gelegt und im Bliz Donner und Regen herrlich geschlummert, dass mir sogar mein Bett nachher fatal war. Wenn Stein noch zu Haus ist sagen Sie ihm ich möchte gern das neue Pferdgen stallmeisterlich ausreiten er möchte es doch satteln lassen und mir's schicken und wenns ihm nicht zuwider wäre mich abholen. Zu Tisch komm ich wohl liebstes.

d. 3. May 77.

G.

Ich erziehe schon die ganze Woche an einem Straus für Sie auf Morgen.

159

[Sonntag 4. Mai]

Die Grasaffen haben grose Lust das Gewitter bey mir abzuwarten, und hier haussen zu kampiren. Eyerkuchen haben wir schon gebacken und gegessen Also seyn Sie ohne Sorge, gut sind sie aufgehoben. Morgen sollen Sie sie wieder haben, und grosen Spaß machts ihnen.

G.

Gute Nacht beste hab ich doch Ihre Kinder da Sie so weg müssen.


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