Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Der Schützenplatz

(1841)

In der Markgrafenstraße

Knopfmacher Pote. (hat seine Frau unter dem Arm und spricht zu seinem Freunde, dem Gerichtsboten Neelig, welcher seine Schwester führt.) Eine Hitze ist Dieses, hurrjises! (sich mit der Hand fächelnd.) Puh! Puh! Was sagen Sie dazu, Jevatter Neelig? So ohne sein Mittagsschläfken, woran en Mensch gewöhnt is, gehalten zu haben, – Juni, – Eenundzwanzig Jrad Hitze in'n Schatten, – Nachmittags um halb Drei, – von de Junkerstraße an bis nach den Schützenplatz, wat über ne halbe Meile is, – un dabei noch seine eigne Frau untern Arm: ne hörn Se mal, Neelig, da soll mir een Mensch sagen, wat ne Sache is.

Madame Pote. Verstell' Dich doch nich, Roderich; Du bist ja jlücklich, daß Du mir mal wieder hast.

Knopfmacher Pote. Hurrjises, ich habe Dir ja alle Dage, wie so soll ich mir denn freuen?

Madame Pote. Du sollst Dich alle Dage von Neuen freuen, daß Du das reizendste Weib uf Erden erobert hast.

Knopfmacher Pote. Na schöne, leg' et man da hin. Ne, Wilhelmüne, bei so'ne Hitze nich! Ick jloobe, mein Barometer der Schwerenöther jeht noch ne viertel Stunde nach, denn det hält ja heute keen Sperling aus, un die Biester können eine Hitze verdragen, die merkwürdig is. Wat sagen Sie dazu, Neelig? Ihnen rührt det nich, Sie sind in Ihr Comptor. Aber mir! Ick sage Ihnen, Neelig, mit Respekt zu sagen, ick habe schon von det kleene Ende keenen drocknen Faden mehr am janzen Leibe.

Gerichtsbote Neelig. Mich ist es eingal. Ich trage diesen langen Sürtuht-Ueberrock Winter und Sommer, eventualiter Frühling und Herbst. Wenn mich ein Mal zu schwitzen scheinen könnte, so trinke ich eine Weiße.

Pote. Eine Weiße?

Gerichtsbote Neelig. Ja! Nach diesem bin ich wieder vollständig Restauration. Allein die Hauptregel ist, daß sich der Mensch niemals aus einer jewissen Gleichmäßigkeit herausbewegt, während welchem er sonst sehr gern, sehr leicht wollt' ich sagen, in eine schwitzende Inspiration jerathen kann. Sie jehen einen Schritt, lieber Pote, welcher mit diesem Jahreszeit nicht parallal jeht.

Pote. Na nu soll mir een Mensch sagen, wat ne Sache is, wenn ick noch nich langsam jenug jehe! Hörn Se mal, Neelig, wer meine Frau untern Arm hat, vor den is jesorgt von wegen Uebereilung! Denn meine Frau kann nie de Beene ausenander kriejen, wenn se uf de Straße jeht. Ick sage Ihnen, wenn ick meine Frau von Anfang an losjelassen hätte, denn wär' ick schon hier über de Schleuse fort bein jroßen Kurfürsten, un sie noch kaum an'n Schinkenplatz. (Nach einer Pause.) Ne, ick kann es wahrhaftig nich mehr aushalten, des is zu arg! Laß' mir mal los, Mine, ick will mir mal so'n bisken den Rock an den Kragen in die Höhe ziehen. Det dhut wohl, da pust eenen der Wind so mang de Armlöcher, un det kühlt.

Neelig. Es ist sehr gut, daß kein Wind geht, denn sonst könnten Sie sich durch diese Beabsichtigung respective den Schnuppen, den Schnupfen, wollt' ich sagen, zuziehen, und in zweiter Instanz die Jrippfe.

Madame Pote. Herrjees, Roderich, halte Dir doch nich uf, halte Dir doch nich den Rock uf. Wir verlieren ja dadurch Zeit.

Pote. I wat! Ick frage nischt nach, un wenn ick alle Zeit verliere! Wenn andere Menschen nich de Zeit verlieren, so muß se mir ooch bleiben. Det is man Redensart. Un der Schützenplatz looft uns nich weg! Bei die Hitze jewiß nich, der wird sich hüten, der kann stehen bleiben. Wenn ick Schützenplatz wäre, ick wär' ooch zu Hause jeblieben, aber als Pote muß ick fort; meine Frau will würfeln. Ne aber, wenn een Mensch doch Pech hat, bin ick et! Jestern un vorjestern war en Wind, det man nich de Oogen ufmachen konnte vor Stoob: un nu ick mir den Rock ufhebe, rührt sich keen Lüftken! Un nu erst des Verjnügen, wenn wir über den Schloßplatz müssen! Hurrjises, ne, ick bin sonst keene Taalliese, aber der Schloßplatz uf'n Mittag bei Eenundzwanzig Jrad in'n Schatten, des stört zu sehr!

Susanne. Ja aber über den Schloßplatz müssen wir, denn bei de lange Brücke erwart't uns Herr Brumowsky.

Pote. Ach der Choriste, Ihr Liebster, keische Susanne, der immer so aus de Dichter spricht? So, also der wird heute mit uns zusammen schützenplatzen? Na jut, des is'n fidelet Haus, mit den bin ick jerne...

Neelig. Herr Chorist Brumowsky ist höchst leichtsinnig und flatterhaft, und es findet hier meinerseits das Erkenntniß Statt, daß ich die Hinneigung meiner Schwester an diesem jungen Manne nicht ermessen kann, wodurch auch gleichzeitig in dieser Sache die Abhaltung meiner Schwester von mir bis zu Ihrer Majoranität Statt findet. Während welchem sie nach demselben in Ihren eijenen Willen tritt und meine Vollmacht remittirt.

Susanne. Das seh' ich aber jar nich ein, denn...

Neelig. Auch das Brod ist zu berücksichtigen. Wodurch wollt' ihr leben?

Susanne. Ich werde ooch Choristin; ich jehe in de Singestunde. Herr Brumowsky meint, es jinge.

Madame Pote. Ja, warum nicht? Susanne geht in de Singestunde un lernt sich eine Stimme.


Auf dem Schloßplatz

Knopfmacher Pote. (steht auf der Spitze des Schattens, den die Stechbahn wirft, still, und deutet auf die große Sonnenfläche des Schloßplatzes.) Nanu soll mir en Mensch sagen, wat ne Sache is! Da drüber weg soll nu ein Mensch bei Eenundzwanzig Jrad Mittagshitze in'n Schatten, der keinen drocknen Leib an seinen janzen Faser hat! Ne, deß da davor der Majistrat nich sorgt, deß des Schloß Schatten wirft, des is unverzeihlich!

Madame Pote. Wohl der Residenz, dessen Schloß keine Schattenseiten hat! Komm zu, Roderich!

Gerichtsbote Neelig. Ich vermuthe, daß ich nach Ueberjehung dieses Platzes und der Brücke eine Weiße genießen werde, welcher nachdem man sehr erfrischt ist, und sich wieder in Status befindet.

August. (ein Knabe von 10 Jahren, spricht zu seinen Schulkameraden.) Wenn es man nicht so fürchterlich weit wäre! Wenn wir man erst da wären! Was is'n de Klocke, Theodor?

Theodor. En Jedicht von Schillern.

August. Mach keene Dummheiten, sonst krigste was! Hast Du nich nach de Werdersche Thurmuhren gesehen?

Theodor. Dreie is es jleich.

August. Um Sieben muß ich wieder zu Hause sind, denn muß ich den deutschen Aufsatz zu morjen machen.

Herrmann. Den hab' ich schon fertig.

August. Wie viel Jeld hast Du'n bei Dir! Herrmann?

Herrmann. Zwee Silberjroschen.

August. Ich man Sechsdreier.

Theodor. Ick ooch man Sechsdreier.

August. Mir schwitzt. Et is warm. Wüßt'r wat, wir wollen en bisken schneller jehen, sonst komm'n wir jar nich hin. Nu noch die janze Königsstraße runter, un denn noch die neue Königstraße runter', des is 'n höllisches Ende. Hurrje, wenn wir was so was recht Jroßesjewönnen, Wat dhätst Du'n Theodor, wenn Du so'n jroßen Pfefferkuchen jewönnst?

Theodor. Ick äß'n uf.

August. Ne, ick äße nich en Stücksken von, ick brächte'n zu Hause mit, daß sie sich recht wundern. Een Statzen villeicht äß' ick, oder de Hälfte. Oder wenn ick so'n jroßes Jlas mit'n Deckel jewönne, hurrje! Seht mal die beeden Köchinnens! Die loofen schneller als wir. Un mit krumme Beene, un unterjefaßt, un mit ganz feuerheerdsrothe Jesichter un Aerme. Det sieht putzig aus!

Dörthe. (Köchin, zu ihrer Freundin.) Hier uf de Lange Brücke fängt schon det Jedrängle an, det man nich von de Stelle kommt. Aber, weeßte wat, Pine? Buffe Du mit'n Ellbogen uf Deine Seite, ick buffe uf meine Seite, denn wer'n se uns schon Platz machen. Du kennst doch Meinen; wenn der aus de Caserne kommt un is wo anbelangt, denn stoppt er sich höchstens noch die Pfeife langsam, un wenn ick denn noch nich da bin, denn hat er den janzen Dag ne Pike uf mir.

Pine. Du jewöhnst Dir Deinen nich. (schnell zu einem Vorübergehenden, der sie unvorsehends stoßt.) Na blinder Hesse, können Se denn nich sehen! Der Ochse looft durch de Leute, als ob se Luft wären! (Wieder beruhigt zu ihrer Freundin.) Meiner sollte sich unterstehen un mucksen, den wollt' ick! Nich rühr an! Den hab' ick mir abgericht't Wat ick will, det geschieht. Denn sonst halt ick'n hin, Du verstehst mir, denn kann er warten, det er blau wird.

Brumowsky. (erblickt die Pote'sche Gruppe, bleibt vor der Statue des großen Kurfürsten stehen, verbeugt sich und singt.) Seid mir gegrüßt, Gesegnete des Herrn! (tritt näher und spricht.) Gott grüß' Dich, traute Maid! Erhabene Pote, liebenswürdige Rippe eines eben so liebenswürdigen bürgerlichen Knopfmachers: Dero ergebenster Diener! Interessanter Knoppje...

Pote. (wischt sich mit dem Taschentuche den Schweiß von der Stirn.) Ach!

Brumowsky. Votter tres simple cerfviehteer! Sie platzen also heute ooch Schützen? Schön! Herr Neelig, Erb- und Gerichtsbote auf Neeligendorf: ich erlaube mir Ihnen meine Hundejungen darzubringen. Sie bemerken, daß ich das L nicht aussprechen kann, wie der Herr von Nerchenthan, sondern N dafür sage. Das können Se sehr schön bei mir haben! Bei Hanne an der Saane fien ich bis an den Hans in de Saane. Was is das Neben ohne Niebe! Ich spiene ein vierten Noos in de Königniche Notterie bein Connecteur Seejer in de ante Neipzigerstraße, bin aber durchgefannen un habe ann mein Jend vernoren. Nudwig, nassen Sie mich zufrieden! Ohne Nachtnichte kann ich nich schnafen, ich jraune mir.

Pote. Hähähähi! Ne, man muß wahrhaftig trotz de Hitze lachen.

Brumowsky. Na warum wollten Sie ooch nich lachen, herrliches Gebäude? Wer wollte sich mit Jrillen plagen, so lang' er noch 'ne Mücke hat?

Pote. Ne ick jloobe, so'n dummes Zeug wie Brumowsky macht keen Mensch! Der hat 'ne Laune, als ob et acht bis neun Jrad Wärme wäre.

Brumowsky. Immer lustig, ohne Sorgen, nie bezahlen, semper borgen!

Neelig. Sie veräußern Jrundsätze, welche ich lästerlich finden, zu finden, welche ich lästerlich zu finden nicht umhin kann. Eventualiter bitte ich, solche mindestens in persönlicher Jejenwart einem unschuldigen Mädchens, während welchem man der Sitte gemäß genirt ist, nicht zu publiciren, was ich als Bruder und Majoran bitte.

Brumowsky. Sie bitten um Sitte: des können Se sehr schön bei mir haben.


Auf dem Schützenplatze

Cigarrenhändler. (geht mit einem offenen Kasten voll Cigarren und einer glimmenden Lunte umher.) Cigajaros, meine Herren, mit avec du feu! Propere Zijarren, meine Herren! Von einen Dreier das Stück bis zu einen Sechser! Eener so schön wie der Andere und der Andere noch besser. Billiger Ausverkauf zu Schlauderpreisen! Noch nie dajewesen, selbst bei Hanffen in de Klosterstraße nich! Man muß et sehen, um's zu jlooben. Et ist entsetzlich, so was Billiges! Man kann nich fortjehen, ohne zu koofen! Cijaros, meine Herren, mit avec du feu!

Eine Baßstimme. Saure Jurken, meine Herren!

Verkäufer in den Buden. Immer ran, meine Herrschaften! – Sie, beste Madam, woll'n Se nich mitwürfeln? Probiren Sie gefälligst Ihr Glück! – Hier fehlt man noch eene Person, denn jeht es los. – Zehne umsonst, Elwe leben noch! – Eine jroße Pfeife mit Neusilber, wer des Höchste wirft! – Setzen Se jefälligst, meine Herrschaften: man jewinnt ein schönes, jeschliffenes Jlas! – Dreizehn umsonst, Fufzehn leben noch! Haben Se de Jüte, zu würfeln! – Hier jewinnt Jeder! – Sechszehn hat gewonnen! Hier, mein Herr, diesen Pfefferkuchen! – Haben Se de Jüte, Mamsell, wieder zu setzen! Ein Mal is kein Mal! Wer Jlück hat, jewinnt!

Knopfmacher Pote. Hurrjises, is des aber hier en Spektakel! Man kann sein eijenes Wort nich verstehen.

Susanne. Des jeht noch, aber des viele Schießen da links, des is mir unanjenehm.

Madame Pote. Ja, es ist eigentlich sehr unrecht, daß die Leute so schießen, wenn Schützenplatz is.

Brumowsky. I des jinge noch; aber immer mit'n Knall! Deß sich des die Büchsen nich abjewöhnen können!

Gerichtsbote Neelig. Dieses jehört in dem Forstwesen, und Sie scheinen nicht unterrichtet zu sein, wenn Sie solcher Bemerkungen machen.

Susanne. Was is' denn des da vor'n Vogel da hinten uf de Stange, nach den se schießen?

Brumowsky. Des können Sie bei mir sehr schön haben. Dieses ist ein Piepvogel, welcher zu der Jattung der Raubvögel jezählt wird, indem er sich nährt, ohne ein Jewerbe zu dreiben. Es is ein Adler. Seine Heimath is Treuenbrietzen, wo er sich uf de Jebirge so lange rumdreibt, bis ihm wat ufstoßt. So wie ihm wat ufstoßt, so kneift er seine beeden Fortepiano's zusammen un schießt uf sein Opfer runter mit dem Jedanken, es so lange zu picken, bis es seinen Jeist aufjibt. Zu dieses Opfer nimmt man jewöhnlich ein Schaf, und es ist kein unjewöhnlicher Anblick, daß man einen Adler auf einen Schafskopp sitzen sieht. Sobald dieser Piepvogel nu bemerkt, deß sein Opfer verschieden ist un des Schaf Abschied von diese Welt jenommen hat – Thoren nennen es auf ewig – so nimmt er die sterblichen Ueberreste in seinen Schnabel nach seine Wohnung mit und frißt sie auf. Bei dieser Beschäftigung sind ihm gewöhnlich seine Jungen behilflich, un seine Mächens ooch. Der Adler verträgt überjens jedes Klima, was ihm convenirt, und ist der König der Vögel, weshalb er ooch nich danach hört, was zum Exempel der Dompfaffe und die Nachtijall singen. Dieser, welchen Sie hier sehen, sitzt auf eine hohe Stange un fliegt nich fort, obschon er merkt, daß sie nach ihm zielen, weil er die Eijenschaft besitzt, aus Holz zu sind. Sobald es ihm bejejent, daß er einen Schuß kriegt un jetroffen wird, so läßt er was fallen.

Susanne. Wird denn nu blos zum Verjnügen jeschossen?

Brumowsky. Reines Plaisir! Es stammt aus undenklichen Zeiten und ist eine Anjewohnheit der Völker. In Paris nennt man es Königsschießen.

Susanne. Na warum schießen se aber nu jrade immer nach en Adler?

Brumowsky. Weil eine Buchfinke un eine Jrasemücke nich jroß jenug sind.

Wursthändler. (zu Brumowsky.) Is Ihnen eine Knoblauchswurst jefällig, mein Herr?

Brumowsky. Ja, aber hier nich. Bringen Se mir zwee Stück zu Hause; ick habe eine Sommerwohnung in Templow.

Wursthändler. Dämlije Witze! Wenn Sie mir noch mal so kommen, denn...

Brumowsky. Denn machen Sie ooch welche! Natürlich: Wurscht wider Wurscht.

Gerichtsbote Neelig. (tritt vor Brumowsky; im höchsten Ernst.) Mein Herr (Kurze Pause.) Wiewohl in jesellschaftlicher Verbindung mit Ihnen, während welchem wir in Jemeinschaft herausjejangen sind, muß ich Sie jedoch wie hiermit geschieht, die Anzeige machen, daß – daß ich – daß wir einem Anstand zu behaupten nicht unterlassen können, welcher sich, – welcher sich, – sich nach der Verschiedenheit des mit uns zusammentreffenden Jejenstandes und – und dem Personen richtet. Wenn...

Susanne. Aber, lieber Bruder!

Neelig. Schweig! Still! (zu Brumowsky.) Wenn ich Ihnen daher bitten darf, so ersuche ich Sie, sich allem derjenigen Scherze zu enthalten, welche mit ordinären Menschen sich mein Stand in keinem Verhältnisse darbietet, sondern vielmehr wodurch meine staatliche Stellung und meine Achtung leidet. (mit zornfunkelnden Augen.) Wir Juristen können Das nicht!

Brumowsky. (ihn ganz gleichgültig anschauend, heiter, in einem Tone antwortend, als ob ihm Herr Gerichtsbote Neelig eine Geschichte erzählt hätte.) Aha, schön! Das können Sie sehr schön bei mir haben. Sagen Sie mal, Susannchen, Fräulein Neelig wollt' ich sagen, wollen wir nich mal Furtuna'n, dieses herrliche Frauenziefer, uf de Probe stellen? Darf ich Ihnen mit einen Einsatz unter die Arme jreifen? Wir wollen mal Alle hier an diese Jlasbude spielen, ja? Herr Gerichtsbote Neelig, Sie spielen auch mit, nicht wahr? (singend.) Man muß sein Jlück probiren, marschiren!

Knopfmacher Pote. Na, ick will Euch wat sagen, Kinderkins. Ick will een Mal mitspielen, aber alsdann wird janz stille nach eene von die Restaurationsbuden da links vor den Schießplatz jejangen un hinjesetzt un eine Weiße jedrunken. Denn det kann ick Euch sagen, ick bin hundsmüde von den Weg hieraus nach den Schützenplatz. Det is keen Spaß im Juni, bei Eenunzwanzig Jrad Hitze in'n Schatten, jrade uf'n Mittag, von de Markjrafenstraße an de Junkerstraße un über'n Schloßplat fortz die lange zwee Königsstraßen runter hierher. Da soll mir een Mensch sagen, wat 'ne Sache is, wenn man so kurzhalsig is wie ick, un so'ne Knirpsbeene un so'n dicken Bauch hat. Ja, wenn ick nich jrade so wie 'ne Kluckerputellje jewachsen wäre! Wenn ick so'ne majere Hoppenstange wie Neelig wäre, denn jing et.

Brumowsky. (ihn betrachtend.) Ja, des is wahr, in en Winterdag kommt man nich um Ihnen rum, wenigstens zu Fuße nich. Un der Herr Jerichtsbote Neelig is accurat des Jejentheil von Ihnen, denn bei den is Allens janz jrade in de Länge geschossen, wat sich bei Ihnen um't Centrum crystallisirt hat. Wenn Herr Neelig vor Ihnen steht, denn sehen Sie Beede zusammen jrade wie 'ne Zehne aus: Neelig de Eens un Sie de Noll.

Madame Pote. Sie setzen also meinen Mann hintenan?

Pote. Ach, ick wollte mir jerne hintenansetzen lassen, – ick bin nich so dummstolz wie et Leute jibt – wenn ick dadurch bewerkstelligen könnte, det et schon Zehne wäre. Denn diese Hitze hier, wo keen Schatten is, un unter die vielen Dausende von Menschen, det is reene zum Umkommen. Im Sommer bin ick überhaupt am Dage jar keen Mensch, da bin ick blos en Jejenstand, an den de Sonne ihr Müthchen kühlt, oder vielmehr schwitzt. Ick kann Euch versichern, Kinder, det ick kaum noch Athen holen kann.

Gerichtsbote Neelig. Des Wetter ist sehr fruchtbar.

Knopfmacher Pote. (in einem gereizten Tone.) Ach wat fruchtbar! Kommen Sie mir nicht mit Ihre Fruchtbarkeit in de Queure! Wat jeht det mir an; ick bin keen Jetraide! Ick wachse nich mehr, un blühe nich mehr und habe keene Ehre! Wat jeht mir det als eenzelnes Subjekt an, deß die andern Schafsköppe billig Schoten un jrüne Bohnen zu fressen kriegen, wenn ick kaum noch japsen kann! Sagen Se des künftig zu 'ne jrüne Bohne, aber nich zu mir!

Neelig. (ebenfalls beleidigt.) Erlauben Sie, Herr Jevatter, es ist jejen die moralische Empfindung, wenn man sich über der Natur und ihrer Thätigkeit beklagt, während welchem Alles dadurch in jesegenten Zustand gelangt! Die Sonne ist eine weise Einrichtung, und es ziemt sich keineswejes, sich jejen die Jeojraphie aufzulehnen. Es ziemt sich vielmehr respective es dankbar anzuerkennen, insofern man auch dadurch die Wärme für sich hat, wenn Alles in voller Blüthe steht und die Jejenstände der Ernährung gedeihen!

Brumowsky. Der Sauerkohl soll beinah schon reif sind.

Susanne. Na wie is es denn nu? Ich denke, wir wollten würfeln?

Pote. Na ja, macht man schnell, damit ick in'n Schatten komme, un meine Weiße drinken kann.

Neelig. (nimmt Susanne's Arm.) Ich werde Dich führen und dem Einsatz für Dich bestreiten.

Brumowsky. Na, eine Dame muß ich freihalten, für eine Dame muß ich den Einsatz leisten. (Er wendet sich zu Madame Pote.) Also wirklicher jeheimer Knoppmacher, haben Sie die Jüte un jeben Se mir die Pote.

Pote. Mit Verjnügen, langen Se zu, nehmen Se sich!


Im Gewühl

Schwiemel. (spricht außerordentlich heiser.) Du willst woll noch Eenen jenießen, Kieler, willste?

Kieler. Ob!

Schwiemel. Einen Veuchten?

Kieler. Noch obper,

Schwiemel. Am Ende Zwee?

Kieler. Am obbsten!

Schwiemel. Det is recht von Dir, darin erkenn' ick Deine Charakkerstärke. Ick bin aberscht ooch charakkerstark, bin ick. Seh' mal, laaß' Dir mal verzählen. Neulich war ick Dir janz runter. Ick war Dir von det viele Arbeeten un Anfeuchten janz ufn Hund gekommen un pfiff uf't letzte Loch. Wie et nu so karanzett mit mir stund, un ick schon mit det eene Been in't Jrab stund, so rapple ick mir uf un jeh zum Docter, um mir untersuchen zu lassen, ob...

Kieler. Ob de Freiwillijer werden kannst?

Schwiemel. (immer heiserer.) Jo nich, ob noch wat Jescheidtes mit mein Bisken Leben anzufangen is. Der Docter untersucht mir also, un wat sagt Dir der Unheilkünstler? Sie haben det lirum tremens. Ach wat, sag' ick, lirum larum, det tremenst sich nich jleich so! Ja, sagt' er, juter Mann, mit Ihnen is et Essig, Ihr Dasein steht uf de Kippe: Sie haben sich de Lunge reene wechjedrunken. Herrjees, nu hat der olle Junge Wunder jedacht, in wat vor 'ne Masse Ohnmächte ick vor Schreck fallen würde! Kuchen bin ick! Jelacht hab' ick. Kieler, ick frage Dir: wat kann mir an so'n Bisken Lunge liegen? Wat? Darum Keenen mehr jenießen? Nanu wird's Dag! Komm, Kieler, da drüben is 'ne Bude, da jibt et Droppen. Weeßte wat, Kieler? Die Lunge is zum Deibel: fifat de Milze!
Saure Jurken, meine Herren!
Immer ran, meine Herrschaften!
Noch eine Perschon!
Stoßen Se mir doch nich!
Is Ihnen jefällig?
Hier jewinnt Jeder!
Ochse!
Cijarro mit avec du feu! Roochen Se doch, mein Herr! Hier kost et keene zwee Dhaler! Hier wird keene Bratwurscht arretirt, weil se uf de Straße jeroocht hat. Hier wird ooch keen Schornsteen in de Wache jebracht.
Lassen Se mir mal hier durchjehen!
Ach, Herrjees, Ihnen muß ick kennen: Sie sind aus de Königsstadt, nich wahr?
Nein, aus Angermünde.
Aujust, haste noch en Sechser?
Ne!
Na denn setze hier nich mit, hörste! Hier kannste eine silberne Tabacksdose von Zinn jewinnen sehen!
Jott, wat det Schießen knallt!

Grenadier. (verdrüßlich.) Aber, Lowise, wat Sie sich ooch vor Pfefferkuchen in'n Pansch schlagen, det is zu doll! Det is nu schon de siebente Tute, die Sie ufknabbern. Wenn det so fortgeht, so riskir' ick, det Sie Feuerlärm machen.

Luise. Zum Essen sind de Tuten; soll ick se etwa blos ansehn un mir mit rumdragen. Im Magen sind se mich ville bequemer, als in de Hände.

Grenadier. Na aber Lowise! det Zeug verkleistert Ihnen ja den Schlunk!

Luise. Det wär' recht jut, wenn ick nischt mehr runterbringen könnte. Denn wat Sie mir jeben lassen, det drägt de Katze uf'n Schwanz fort.

Grenadier. Da wir jrade von...

Budenbesitzerin. (mit den Würfeln klappernd.) Immer ran, meine Herrschaften! Ein Pack Braunschweiger Pfefferkuchen!
Schwenneberger! Schwennebergeeeer!
Hö, hö, wat denn?
Komm' mal mit Jutschmidten hierher, hier is Piepenthal!
Eine Perschon noch!
Herrjeeses, Ludwig, wo sind denn unsere Bäljer jeblieben?
Sieben leben noch!
Heinrich, hier setzt et Keile!

Stimmen durcheinander. Heda, wat is denn? I wat wollen Sie denn? Wat is denn? Herrjees lassen Se doch! Wat, Sie schlagen? Sehre schlag' ick! Nanu, wat werdt'n da? Naaa! Au! Auseinander! Sie haben mir jeschumpfen! Sie haben mir jestoßen! Wenn Sie noch een Wort... Au! Au! Ne nu soll'n Se doch aber ooch! Ausenander! Ausenander!

Gensd'arme. Stille. Was is hier?

Stimmen durcheinander. I der – da is – die haben – der Kerrel – mir – ne mir – jestoßen – der da is es gewesen – jeschumpfen – Herr Jensd'arm! – Was? – Wer? – Sie haben – Der hat!

Wilhelm. Siehste, Charlotte, die Mehlweißchen bring' ich Muttern mit, un die Tuten bring' ich Loui'n mit, un den Braunen kriegt Tante.

Charlotte. Ja, das sagste immer, Willem, aber unterwegens eßte Eens nach's Andere uf.
Eine Haube! Immer ran, meine Damen! Immer ran, meine Damen, wer unter de Haube kommen will!

Schuster. (singt mit Gefühl und tragischem Ausdruck.)

Uf den Mühlendamm,
Da sitzt ein Mann mit Schwamm,
Der nich brennen, brennen, brennen will!
Auf den Schinkenplatz,
Da sitzt ein Plundermatz,
Ja, Du wirschten, wirschten, wirtschten kenn'n!

Setz' doch ooch mal, Brammling!
Ne!
Du spielst woll nie?
Nie nich!
Denn haste woll ooch nich in de Lott'rie gesetzt?
Jott bewahre! Det sollte mir fehlen, so mein Jeld uf's Unsichere wegzuschmeißen! Ick setze in'n Schnapsladen, da komm' ick doch wenigstens immer mit en Achtel raus.
Kommen Se näher, Mamsell!
Hier, meine Herrschaften! Hier können Sie ein jroßes Deckeljlas gewinnen. Wollen Sie nich setzen, mein Herr?

Brumowsky. Des können Sie sehr schön bei mir haben. Nanu hieran! Uf des Jlas spielen wir, mir durschtert so. Eine Putellje Weißbier! Ein Königreich für eine Putellje Weißbier!


Vor einer Glücksbude

Madame Pote. Also um en Deckeljlas jeht es?

Verkäuferin. (es zeigend.) Ja, beste Madam, um des Deckeljlas hier.

Sattler Brumme. Na ich wer' anschmeißen, damit ick mir nich ufzuhalten brauche, denn ick habe in meinen Leben noch nischt gewonnen. (Er nimmt den Becher.) Wenn ick Krieg mit Frankreich machen wollte, braucht' ich mir blos en Haus zu koofen. Wie viel Würfel sind et'n? Drei? Na schön, da wer' ick jrade so viel Oogen schmeißen, wie ick habe. (Er wirft.) Nanu?

Verkäuferin. (bedauernd.) Viere.

Sattler Brumme. (geht schnell fort.) Jesejente Mahlzeit! Ick wer' mir künftig 'ne Brille zu't Würfeln koofen, denn schmeiß' ick doch vielleicht Achte.

Horndrechsler Piesewoll. (zu seiner Frau.) Nanu, Juste, nu trudle mal los! Ne, stille, warte mal, ick wer' erst drei Kreutzer uf des Brett machen. So! (Seine Frau will werfen; er verhindert es.) I herrjees, man nich so! Du bist woll nich recht bei Troste? Wat willsten schmeißen, wenn De de Würfel blos so sachte raustrudelst? Erscht mußte se jehörig in'n Becher umschütteln! So! Soo!! Nanu mit'n Wupdich raus, pfüt! (Er sieht nach.) Sechs Oogen. Ach, Du kriegste'n blaßen Dot! Ne, Du verstehst det nich; Du hast den Rummel noch nich fort, bei't Würfeln. Seh' mal, so is der eigentliche Acquis. (Er nimmt den Becher in die rechte Hand, deckt ihn mit der linken zu und schüttelt die Würfel eine lange Weile.)

Brumowsky. Na hör'n Se mal, jroßer Unbekannter, ick verreise det andre Monat, un wollte jerne ooch noch mitwürfeln. Wenn ihnen vielleicht bald gefällig wäre?

Horndrechsler Piesewoll. Anjetzt! (Er wirft so heftig, daß der eine Würfel auf die Erde fällt.)

Alle. Ach herrjeeses!

Horndrechsler Piesewoll. Ick wer jleich nachsuchen. (sieht auf das Brett.) Ne nu seh aber een Mensch des Pech an! Zwee Würfel mit jeden Sechse, un nu jelt des nich! Nu hab' ick mir so viel Mühe jejeben, un nu jelt des nich! Un nu laaß' ick meinen Kopp zum Pfande, unten uf de Erde is ooch noch en Sechser.

Ein Knabe. (giebt ihm den Würfel.) Hier is er.

Horndrechsler Piesewoll. Schön Dank, mein Söhneken! Sage mal, haste nich nachjesehen, wat unten vorne Num...

Knopfmacher Pote. (ärgerlich.) Ne hörn Se mal, nu sind Se so jut un schmeißen! Nu soll mir een Mensch sagen, wat 'ne Sache is! Jloben Sie denn, ick wer' hier bei Eenunzwanzig Jrad Hitze in'n Schatten mitten in de Sonne stehen bleiben, bis et Ihnen jefällig is zu schmeißen? Ick wer' mir hier Ihnen zum Verjnügen braten lassen, det fehlte mir noch! Ick schmoore so schon!

Horndrechsler Piesewoll. (noch immer schüttelnd.) Man noch een Bisken rumschütteln, denn sonst sind die Biester faul. Ick will Ihnen sagen, mein Herr, Jeder hat seine Ansichten bei't Würfeln. So, nanu! (Er wirft.) Kotz Schwerebrett man Sieben! (Er wird ausgelacht.) Det kommt davon, wenn man sich übereilt, wenn man sich keene Zeit zu die gehörigen Manöver läßt. (zu Pote.) Det hab' ick Ihnen zu danken! die Sieben!

Pote. Ach wat, lassen Sie mir mit Ihre Sieben zufrieden! Ick wünschte, ick hätte jar nich jesetzt. Ick bin so matt, det ick selber wie'n Würfel jetrudelt werden könnte.

Brumowsky. Davor würde sich der jroße Unbekannte bedanken; mit Ihnen zu spielen. Da fielen im jlücklichsten Falle man zwee Oogen, un wenn der Herr Pech hat, denn kann et ihm vielleicht man halb so jut jehen.

Verkäuferin. Sieben leben noch!

Brumowsky. Ja, aber se röcheln schon. Nanu, Madam Pote, is Ihnen jefällig?

Madame Pote. (mit einem Blick auf ihren Gemahl.) Ach, ich habe noch nie Glück jehabt. Da! Zehne!

Verkäuferin. Zehne is eine schöne Zahl. Zehne leben noch!

Madame Pote. (lächelnd.) Na ich habe also schöne Zähne.

Brumowsky. Des hab' ich vorher an der beißenden Bemerkung bemerkt. Fräulein Susanne? Werfen Sie so viel Sie wollen. Wem der jroße Wurf jelungen, und nennt Achtzehn Augen sein, hat ein Deckeljlas errungen, und mischt seinen Jubel drein. Sie werden jewiß jut schmeißen, Engelken, holde Flamme meines Herzens, denn (er zupft sich am Halskragen.) Sie haben Jlück.

Gerichtsbote Neelig. (überreicht Susannen den Becher.) Wurfle!

Susanne. Ach ick freute mir dodt, wenn ich mal... (freudig) Virrzehn! Des is viel, nich wahr?

Brumowsky. Virrzehn Oogen is sehr viel; damit können Se bemerken, wie ick Fufzehn schmeißen werde. Herr Jerichtsbote, wenn Ihnen jejenwärtig zu werfen gefällig werden möchte werden? Eventualiter werde ich.

Neelig. Ich werde wurfeln. (Er nimmt den Becher mit vielem Anstand, wendet den Kopf fort, und läßt die Würfel langsam aufs Brett rollen.) Wie viel Augen?

Verkäuferin. Virrzehn mit!

Knopfmacher Pote. Nanu mal her den Becher! (Er stülpt ihn auf das Brett und hebt den Becher auf.)

Alle. Siebzehn!!

Susanne. (weinerlich.) Ach herrjee!

Brumowsky. Siebzehn is allerdings eine schöne Jegend, aber schad't nischt. Ende jut, Alles jut; wer zuletzt lacht, lacht am besten. (Mit dem Becher schüttelnd.) Achtzehn können Se sehr schön bei mir haben! Deckeljläseken, Du winkst mir so freundlich zu, schaust mich so freundlich an, hab' meine Freude dran: sei stille, Deckelgläseken, beruhige Dir, Du sollst nich von Polen erjriffen werden; eine zarte Lilienhand wird sich Deiner bemeistern, und ein Quart Weißbier aus Dir runterstürzen. (Indem er wirft.) Freu' Dir, liebe Seele, jetzt kommt en Platzregen! Herrje, ne det is zu arg! Drei! (Gelächter.) Ein herrlicher Pasch! Na schadt nischt: alle jute Dinge sind Drei, und drei Oogen sind ooch nich zu verachten; da ick eens uf Susannen jeschmissen habe, bleibt mir noch die jesetzliche Zahl.

Gerichtsbote Neelig. Ich bitte mir aus, Herr Brumowsky, daß Sie sich anständigererer Ausdrücke bedienen, wenn Sie von meiner Schwester sprechen. Meine Schwester ist keinesweges eine Jungfrau, eine Jungfrau, auf welchem man ein Auge werfen kann.

Pote. Also ick habe des Jlas jewonnen; nu soll mir een Mensch sagen, wat ne Sache is. Na man her damit! (Er nimmt das Glas und sieht seine Frau an.) Wie is et'n, Wilhelmine, willst Du det Jlas nich dragen?

Madame Pote. I Du bist wohl nich recht jescheidt! Ich mit'n Pompadour un en Knicker un den Shawl über'n Arm? Roderich, recht jerne, aber das siehst Du doch wohl selbst ein, daß es nich jeht. Du hast das Jlück jehabt, nu kannste es auch tragen, besonders da Du doch man alleene draus trinken wirst.

Pote. (schüttelt mit dem Kopfe.) Bei die Hitze, hm, hm! Na nu aber jeht meinswegen, wohin Ihr wollt; ich würfle nich mehr. Brumowsky, führen Sie meine Frau rum, un wenn Ihr fertig seid, denn findt Ihr mir dadrüben in die Resterationsbude mit'n Verdeck, da in'n Schatten, dichte bei de Schießbahn, da neben den jrünen Boom, der so jrau von den Staub is. Atje daweile.

Neelig. Ich werde mit Ihnen jehen, Herr Gevatter, denn ich besitze einen außerordentlichen Durst. Es ist mir zwar unangenehm, meine Schwester ohne meiner Aufsicht überlassen zu müssen, indessen werden Sie, Frau Jevatterin, die Jewogenheit haben, ihr zu betrachten. Nun wollen wir... (Pote'n nachrufend.) Na so eilen Sie doch nich so, Herr Jevatter!

Pote. (sich umdrehend.) Na Sie jloben doch nich etwa, deß ich so lange bei die Hitze uf eenen Fleck stehen bleiben werde, bis Sie einen ueelijen Satz beendigt haben!?


In der Restaurationsbude

Wirth. Bewohner dieses Planeten, kommt zu mir, ich will Euch erquicken. Es jiebt zwischen Himmel und Erde keinen Fleck, wo der Mensch meiner Bude näher stände, als in derselben. Ich will aber Achtunachtzig Jahre lang nischt weiter thun, als von Morjens bis Abends Steckerlinge angeln un dazu Ueb immer Treu un Redlichkeit singen, wenn es noch eine so vortreffliche Resteration jibt zwischen den beiden Polen, und in Rußland. Mein Bier is wie ein schönes Mädchen, so daß man alle fünf Fingern darnach leckt. Es is nich so jung, daß man sagen könnte, es wäre ein Backfisch; es is aber auch keine alte Jumpfer, die einen säuerlichen Anstrich bekommt! Jenießen Sie, meine Herrschaften, und Sie werden sagen: delikat! oder Vortrefflich, auf Ehre, oder ein propres Jebräu! oder was Sie sonst an geistreichen Bemerkungen vorräthig haben.

Pote. (setzt sich mit Neelig an einen langen Tisch.) Ach! Aaach! Jott sei Dank, deß ich mir mal wieder von des Lastdragen ausruhen kann! Sie haben keenen Bejriff davon, Neelig, was des heeßt, 165 Pfund Fleesch von de Junkerstraße bis nachn Schützenplatz zu dragen, un bei Eenunzwanzig Jrad Hitze in'n Schatten. Des will was sagen, des hält keen Pferd aus. (zum Wirth.) Jeben Se uns mal 'ne Weiße.

Wirth. (seinem Kellner zurufend.) Christoph! Christoph Colombus, entdecke mal eine Putellje Weißbier und schenk' sie den Herren ein. Ich bitte, meine Herren, sich nich zu jeniren, sondern so viel zu trinken, als Sie immer wollen; Sie haben dafür weiter nichts zu entrichten als Jeld. Da es aber nicht blos die Aufjabe des Menschen ist, Durscht zu haben, so frage ich hiermit bescheiden an, ob Ihnen, meine Herren, nicht ein Paar Wiener Würschte oder eine Portion Heringssalat jefällig wäre? Ich will uf ne wilde Insel janz alleene verschlagen werden, un nichts weiter als Amtsblätter zu lesen haben, wenn es mir jejeben ist, meine eijene Waare anpreisen zu können, aber man ist abscheulich ungerecht, wenn man von meinen Wiener Würschten mit weniger Enthusiasmus als von Alexander den Großen, Cäsar und Napoljon spricht, welche sich ebenfalls durch zerhacktes Fleisch einen berühmten Namen erworben haben! Ich sage Ihnen: janz Oestreich sieht mit einem Neid auf meine Wiener Würschte, wie ihn nur zwei jroße Sängerinnen jejen enander empfinden können. So viel von meinen Wiener Würschten. Von meinen Heringssalat zu sprechen, ist unnütz, da über seine unerreichbare Trefflichkeit bereits die öffentliche Meinung entschieden hat. Er spielt nicht nur Heringssalat, er ist es; er besteht nicht nur aus Kartoffeln, ächten Borschdorfern und Essig, sondern sogar aus Hering; ja, man will vor einiger Zeit Kapern darin entdeckt haben.

Pote. (will von dem Weißbier trinken, setzt das Glas aber sogleich wieder hin.) Pfui! Was ist'n des? Des Bier ist ja janz warm? Hören Se mal, Herr Wirth, Sie da, Sie haben sich woll gefälligst verhört? Ick habe mir nich Warmbier bestellt, das fehlte mir noch bei die Hitze, Weißbier hab' ick bestellt!! Un nu jeben Se mir den Soff hier! Kosten Se mal, wenn Se Courage haben! Das schmeckt jrade wie Wasser, wo Kartoffeln drinn gekocht sind.

Neelig. (der inzwischen vom Bier gekostet) Es ist in der That sehr jeschmacklos, so daß es keineswejes als Erfrischung sich bedienen könnte, und hat ein sehr mattes Temperament.

Wirth. Die unabänderliche Witterung entschuldigt dieses Bier, da es, in seiner Putellje eingeklemmt, zu schwach ist, jejen die Elemente zu kämpfen. Auch ist keine Regel ohne Ausnahme. Mein Bier ist in der Regel das beste, was die europäischen Keller liefern, aber heute ist es eine Ausnahme. Sie dürfen es mir durchaus nicht als meine Schuld anrechnen, sondern als ein Unjlück für Sie, daß Sie jrade an dem Tage von meinen Bier kriejen, an welchen es eene Ausnahme ist. Mit aufrichtigem Verjnügen würde ich Ihnen für Jeld eine andere Putellje entproppen und überliefern, wenn ich Ihnen nicht bevorworten müßte, daß es mit dem bereits jekosteten von einer und derselben Qualität ist.

Pote. (wüthend mit der Faust auf den Tisch schlagend.) Nanu soll mir aber een Mensch sagen, wat ne Sache is!! Also nu ick hier rausgekeucht bin, bei diese schauderhafte Hitze in'n Schatten von de Junkerstraße über'n Schloßplatz hierherjeschleppt mir habe, blos damit meine Frau würfeln kann, un nu ick meine letzte Lebenshoffnung uf 'ne Weiße jesetzt habe: nu des Bier drinken? I da soll ja jleich ein heilijes...

Christoph. (der Kellner, der sich in seiner Person irrt, hält ihm einen Teller vor.) Sie wünschen eine Portion Heringssalat?

Pote. (versetzt ihm im Zorn einen Stoß, daß der Inhalt des Tellers über den Tisch fliegt.) Heringssalat? Mir? Damit ick Durscht krieje? Hurrjisis, nanu bin ick fertig! Nu kommt mir Eener zu nah, der is jeliefert!

Neelig. Herr Jevatter, Sie sind zu hitzig und werden...

Pote. Ach halten Sie's Maul!

Christoph. (sehr zornig.) I herrjeses, det is doch aber ooch...

Maurergeselle Schrottke. Sie werden eine Maulschelle kriegen, ne ochsige Knallschoote, wenn ick ufstehe! Sie haben mir meine weiße Hosen so voll Heringssalat gemacht, det et aussieht, als...

Posamentier Schöneberg. (dicht vor dem Knopfmacher Pote stehend, mit ruhiger Würde.) Mein Herr, Sie haben mich meine Frau und meine Dochter mit Heringssalat bedrippelt. Die Kleider seind dadurch befleckt worden; (hindeutend.) Sie können sich davon überzeugen, obgleich sich meine Familie damit beschäftigt, den Jucks wieder reene zu machen, abzuwischen. Ich könnte Schadenersatz von Ihnen verlangen, aber indessen ich bin Bürger und Sie auch, un ich habe Ihnen jleichfalls bei de Huldijung bemerkt, und dadrum derowejen mach' ich mir ein Verjnügen draus, Ihnen jefällig zu sein und das hat nischt zu sagen.

Pote. (theilnahmlos.) Na schön! (Er sieht die Anwesenden der Reihe nach an und weiß nicht, was er sagen soll. Nach einer langen Pause, zum Wirth.) Was bin ich'n schuldig?

Wirth. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Indessen bei mir: eine Putellje Weißbier, eine Portion Heringssalat und einen Teller von Sanitätsjeschirr. Haben Sie sonst noch was verzehrt?

Pote. Nein. – (ruhig und ergeben.) Sanitätsjeschirr war des?

Wirth. Ja. Macht Acht Silberjroschen zusammen.

Pote. (das Geld gebend.) So! Nu kommen Se, Neelig, nu woll'n wir uns irjendwo 'ne Flasche Bier ufdreiben. Des Verjnügen hier haben wir fort; nu woll'n wir wo anders hinjehen. (zum Posamentier Schöneberg und dessen Familie.) Ich empfehl' mich Ihnen.

Neelig. (im Gehen.) Aber nun werden uns unsere...

Pote. (wieder heftig) Ach wat, Die werden wir schon sehen! Se müssen ja hier de Budenreihe lang, wenn se uns suchen, un da links in de Schießbahn werden se nich rinloofen! Des fehlte man heute blos noch, det Eener von uns dodtgeschossen würde!

Maurergeselle Schrottke. (ihm nachrufend.) Sein Se sehr froh, det Sie keene Knallschoote von mir jekriegt haben!


Auf der Wiese hinter den Budenreihen

Brumowsky. Hier ist's hübsch sein, hier laßt uns ein Exercierhaus bauen! Oder wenigstens ins' jrüne Jras lagern. Die Wiese jeht so sanft, ohne heftig aufzutreten, in de Höhe, so daß man in der vergoldeten, halbunterjehenden Abendsonne – so stirbt ein Leutnant! – alles des bunte Berlin da übersehen kann. Holde Susanne, theure Pote: betrachten Sie dieses interessante Schauspiel, in welchem der Chorist Brumowsky ganz im Hinterjrunde beschäftigt ist, ohne jedoch so viel durch Schweigen zu wirken wie sonst.

Susanne. Des es wahr: ich habe mir immer jewundert, deß Sie jar nich mitreden, wenn die Andern spielen.

Brumowsky. Reine Tückschigkeit von mir! Tücksch wie Buggenhagen. Ich denke immer: redt Ihr man; Ihr könnt lange reden, ehr mir'n Wort jefällt! Ick weeß doch, was ich davon zu denken habe.

Susanne. Was haben Sie denn davon zu denken?

Madam Pote. Daß die Andern so wenig jedacht haben.

Susanne. Da kommt mein Bruder un Herr Pote!

Madam Pote. Richtig, wir sind Ihnen zu lange geblieben; die Sehnsucht und – die Langeweile führen sie wieder zu uns.

Brumowsky. Wo sind se denn?

Madam Pote. Da kommen se ja de Wiese ruf! Die Beiden da, die so aussehen, als bewegen se sich gar nich. Herr Neelig geht wie ein Prozeß, und mein Jemahl, mein runder Roderich, hat immer Angst, daß er wieder runterkugelt.

Brumowsky. Richtig, da sind se. (weht mit dem Tuche.) Jott jrüß' Dir Bruder Straubingeer! Aha, se sehen uns. Der Herr Jerichtsbote drägt des Jlas. Ihr Mann steht still, un nickt mit'n Kopp, un schlägt de Hände zusammen, un blickt jen Himmel. Was fehlt'n Den? Des is jewiß die Hitze. Na, wir wollen uns immer lagern. So, meine Damen; erlauben Sie, deß ich Ihnen dabei behülflich bin? Sie, Jeliebte meines Herzens, rechts, und Sie, zarteste aller Poten, links. Wünschen Sie, meine Damen, deß ich mich in Ihre Mitte lagre? Des können Sie sehr schön bei mir haben!

Madam Pote. (mit dem Finger drohend.) Hamlet! Hamlet!

Brumowsky. (ihr den Finger küssend.) Süßer Spaßvogel! (mit einem vor Susanne versteckten höchst schmachtenden Blicke.) Sein oder Nichtsein?

Madam Pote. (mit einem ähnlichen Blicke.) Sein! Das ist keine Frage.

Susanne. (auf Pote und Neelig zeigend.) Da sind se!

Frau Piepelich. (hat einen kleinen Tisch voll periodischer Literatur und ein großes aufgestelltes Bild neben sich, vor dem sie mit einem spanischen Rohre steht, und auf die malerisch ausgeführte Begebenheit einer Mordthat deutet. Jedes Mal, sobald sie ihre Erklärung beendet, sammelt ihr Mann auf seinem Teller einige Pfenninge von den Umstehenden. Diese sind, so lange der pathetische Vortrag jener grausigen Geschichte dauert, sehr neugierig und drängen sich in einen immer engern Kreis zusammen; sobald aber der Teller naht, ziehen sie sich bescheiden zurück. Frau Piepelich mit kreischender Stimme und, besonders bei den Nebendingen, mit dem lebhaftesten Gefühle.) Immer ran, meine Herrschaften! Höchst traurige Beschreibung einer scheußlichen Bejebenheit, von der Erzählung einer sechsfachen Mordthat, welche sich am 2ten Feberwar Ein Dausend Acht Hundert un 35 zujedragen hat zu Amsterdam im Königreich Holland! Merkwürdig zu hören vor jedes Vater- und Mutterherz.

Herr Piepelich. (mit vielem Kupfer im Gesicht und lallender Sprache.) Höchst traurije Beschreibung einer scheußlichen Bejebenheit von der Erzählung einer sechsfachen Mordthat, welche sich am 2ten Feberwar Ein Dausend Acht Hundert un 35 zujedragen hat zu Amsterdam im Königreich Holland! Merkwürdig zu hören vor jedes Vater- und Mutterherz!

Frau Piepelich. (mit dem spanischen Rohre auf die einzelnen Scenen des Bildes zeigend.) Sie sehen hier, meine Herrschaften, einen vermöjenden Juwelier und Joldarbeiter mit sechs Kindern und seine Jattin jlücklich leben. Sie sitzen um einen Tisch und essen das Mittagsbrod. Es ist auch der Sohn von blühenden 21 Jahren drunter, welcher das Jlück dieser Familie stört, indem er sie sämmtlich ermordet bis auf einem dreijährjen kleinen Bruder von die Familie. Dieser Sohn war nämlich in einer Schuhmachersdochter verliebt, welche hier steht, und hatte sie beschwängert. Allein der Vater und die Mutter dieses Sohnes wollten die Einwilligung zu diese Heirath nich jeben und sagten ihm, er sollte sich nach seinem Stande vermählen, indem die Schuhmachersdochter zu niedrig wäre. Aus Wuth bejeht der Sohn die gräßliche Mordthat, insofern Sie jefälligst einen Blick auf das Jemälde werfen. In der Nacht, wo Alles schläft, ermordet er seinen Vater, seine Mutter und vier Jeschwister, und weil sein Blutdurst nich enden will, so stürzt er nach die Kammer, wo der dreijährje Bruder bei das Dienstmädchen schläft und diese, vom Lärm und durch Jetümmel aufjewacht, stand mit einem Blasrohr an der Kammerthür und rettete auf dieser Art das Leben sowohl von sie als das Kind. Sie sehen hier, wie der Mörder in der Stadt Sanct Niklaus in Flandern jefunden, jearretirt und jeschlossen nach Amsterdam jeführt wird, und wie er im Jefängniß das Jeständniß ablegt. Nach Verurtheilung zur Julejottiene wird er hier am 3ten März 1835 hinjerichtet. So straft Jott die Unbesonnenheit!Genau nach der gedruckten, bei Trowitzsch und Sohn erschienenen Beschreibung, nur mit wenigen, den mündlichen Vortrag charakterisirenden Aenderungen in Construktion und Betonung. Das nachfolgende Lied ist buchstäblich wiedergegeben. — D. V. Das Lied darauf heißt:

Kommt Menschen hört dies traur'ge Lied,
Mit Thränen muß ich's singen!
Hört, was in Amsterdam gescheh'n,
Was Böses kann gelingen!!!
Ein Goldschmidt hatte einen Sohn,
Vernehmet hier der Arbeit Lohn!
Was doch nicht all' geschehen kann!
Ist man oft selbst nicht Schuld daran?

So geht's auch diesem reichen Mann,
Denkt über seine Leiden;
Er bild't sich ein, er sei Sultan,
Und denkt nur über Freuden;
Doch sein Sohn der kam dreimal selbst,
Hielt um die Schusterstochter an;
Er liebte sie und was geschah?
Der Vater sagt zur Eh' nicht ja!

Das Mädchen war dem Vater arm,
Sein Stolz war nicht zu beugen;
Des Sohnes Herz, durch Treue warm –
Groß waren seine Leiden!
Weinend sieht er sein Mädchen an,
Sie schmieden sich nun einen Plan;
Diesen hier zu vernehmen,
Muß sich die Welt nicht schämen.

Die Nacht bricht an, man ruhet sanft,
Man ahnet keine Leiden.
Ein Sohn wählt's Messer, geht voran
Schneid't Vater, Mutter beiden
Im Schlafe, ach! die Gurgel ab,
Und läßt noch nicht vom Morden ab;
Er find't am Morden noch Plaisir,
Mordet noch seiner Geschwister vier.

Nun eilte er der Kammer zu,
Wo's Küchenmädchen ruhte;
Doch diese war nicht mehr in Ruh',
Sie sich zu retten suchte.
Ein kleines Knäblein von drei Jahr
Auch mit ihr in dem Zimmer war,
Sie zog den Schlüssel aus der Thür,
Der Mörder stand beschämt dafür.

Sie schreit um Hülf, der Tag bricht an,
Die Nachbarn kommen eilig.
Was sieht man hier? Ein Mord gethan!
Das Blut strömt hier so häufig.
Man siehet rechts den Vatermord
Und links, o Gott! den Muttermord;
Im Blute schwimmen auch noch hier
Ihr' Kinder, an der Zahle vier.

Nun eilet auch die Polizei,
Dem Mörder nachzuspüren,
Mit hast'gen Schritten hier herbei;
Das Mädchen sagt die Spuren.
Fruchtlos setzt man dem Mörder nach,
Man höret nur ein leeres Ach!
Es folgen hier den Leichen nach
Viel Tausende bis an das Grab.

Gensd'armen lassen keine Ruh',
Dem Mörder nachzusetzen.
Zu St. Niklaus findet man ihn,
Arr'tirt ihn ohn Verletzen.
Mit seinem Mädchen wohlbewacht,
Ward er nach Amsterdam gebracht;
Bekennet gleich all' sein Vergehn,
Und hört nicht auf für sie zu flehn.

Das Urtheil ward ihm bald gemacht,
Sterben war Richterstimme;
Ein Priester ward ihm zugebracht,
Starb nicht im Gottesgrimme.
Drum, Eltern, denket doch recht nach
Behandelt keinen Sohn mit Schmach
Die Liebe ist ein Wunderding –
Sagt lieber ja, eh es mißlingt.

Herr Piepelich. (mit dem Teller klappernd.) Wollen Se de Jüte haben, meine Herrschaften: die traurige Beschreibung is zu Ende.

Töpfer Gelbenruth. Ick würde Ihnen einen Sechser jeben, aber mir hat die Jeschichte so jerührt, daß ich einen Bittern drinken muß.

Schneider Miff. Anton! Meine Frau hat ne Zahnbürschte jewonnen; kannste ihr nich dazu die Zähne verschaffen.

Baßstimme. Saure Jurken, meine Herren!

Schlosser Stramm. Jottlieb, seh' Dir mal um, wat jetzt vor viele Menschen in Tijermützen jehen! Aber jraule Dir nich davor, Jottlieb. Unter die Tijerverstellung mag mancher Schafskopp sitzen.

Susanne. Ne, aber, wenn man hier so in des Jras liegt, un die Schützen schießen so nach den Adleer, so jibt eenen des immer sonne Erschütterung, als ob die Kugeln nebenan in de Erde jegangen wären.

Brumowsky. Sie scheinen ein sehr zartes Nervencostüm zu haben, Fräulein Neelig, welches sich indessen bei den fürchterlichen Pfefferkuchen, den Sie gewonnen, un bei die zwei jroßen Schinkenstullen, welche Sie vorher jenosten, nicht jänzlich bestätigte.

Gerichtsbote Neelig. Sie haben sich, Herr Chorist Brumowsky, keiner Aufhaltung über meiner Schwester und deren Nahrung zu bedienen, solcherhalb ich aus eijner Casse die Schinkenstullen deponirte, eventualiter auch bezahlt hätte, wenn selbige Viere jejessen hätte, während welchem ich ihr Majoran bin und ihr Mütterliches verwalte.

Pote. Nanu, Kinder, wißt Ihr wat, nu jeh' ick zu Biere. Die Hitze hat sich en Bisken jelegt; et hat sich ein Zephyr mit Stoob erhoben: nu hat et sich aus jeschützenplatzt, nu wird zu Hause jeschlendert. Ick staple nach de Landsberjerstraße bei früher Lehmanns hinten in'n Jarten, un da rooch ick meine Thonpfeife un drinke noch en Stücker Sechs bis Sieben Flaschen Weißbier, un denn wird mir nach un nach wieder wohl, un denn verjeß' ick det Verjnügen, wat mir dieser reizende Schützenplatz bei Eenunzwanzig Jrad Hitze in'n Schatten unter lauter Sonne jemacht hat, un des erschte Warmbier un die Portion Heringssalat un den Sanitäts-Teller. Den jroßmäuligen Wirth, den Kerrl treff' ick man aber wo, den klopp ick uf de Schnautze, daß er nich mehr Achtunachtzig Jahr lang Ueb immer Treu und Redlichkeit singen soll.

Madame Pote. Na aber wo bleibe ich glückliches Weib denn nun, wenn Du in die Tabagie gehst?

Pote. Herr Brumowsky wird de Jüte haben, Dir nach Hause zu bejleiten.

Brumowsky. Des können Sie sehr schön bei mir haben! Madam Pote... (heimlich ins Ohr.) Ich bin selig! (laut.) Arm in Arm mit Dir, so forder' ich mein Jahrhundert uf Pistolen!

Madame Pote. Und das Glas?

Pote. Des wird Herr Brumowsky ooch de Jüte haben, zu dragen.

Brumowsky. Ein idyllischer Jatte, dieser geheime Knoppmacher Pote! Alles, was er jewonnen hat, überliefert er mir. (Er nimmt Madam Pote's Arm und singt)

Mich freuen alle Fliejen,
Ich sterb' vor Unjeduld!
An allen meinen Siejen,
Is blos die Liebe schuld!

Musik, Lärm, Geschrei! Hurrah! Hurraah! Der Königsschuß!

Pote. (Will Herrn Brumowsky'n das Glas übergeben.) Hier is des...

Brumowsky. (Sich schnell nach dem Schießplatz hinwendend.) Was, der Königsschuß? (Er fährt gegen das Glas, dies fliegt Herrn Pote aus der Hand auf die Erde und in tausend Stücke.)

Pote. (Die Hände zusammenschlagend.) Nanu soll mir een Mensch sagen, wat ne Sache is! – Des eenzije Jlück, was ich heute hatte, is nu ooch futsch. Kotz Kreitz Pattaljon, ne! Ne, da möchte man, da möchte man sich doch jleich...

Brumowsky. (mit verstellter Wuth.) Da möchte man sich doch jleich den Kopp abreißen, un ne halbe Stunde lang mit Kegel spielen!

Pote. (Halb lächelnd, halb ärgerlich.) Ich danke Ihnen, daß Sie mir meinen Fluch abnehmen.

Brumowsky. Des können Sie sehr schön bei mir haben.

Pote. Na jun Nacht, Kinderkins! Ick jeh' voran, denn ihr steht mir doch noch an de Buden still. Jun Nacht Minekin, jun Nacht Neelig, jun Nacht Susanne, jun Nacht Herr Brumowsky! Ick jeh' nach de Tabajie; der Trost bleibt mir nach den Schützenplatz.

Brumowsky. (singend.) Wünsche Ihnen, wohl zu ruhen!

Pote. (Er geht und wendet sich noch ein Mal um.) Na, Herr Brumowsky, des Jlas brauchen Se nu nich zu dragen; nu brauchen Se man blos meine Frau nach Hause zu führen. Nehmen Se sich man in Acht, daß Die mir nich ooch noch entzweebricht!

 


 


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