Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Bilder-Schilder oder Schilder-Bilder

(1847)

Ich will es gern den Philologen, die für das Wohl der Menschheit so thätig sind, überlassen, welchen dieser beiden Namen sie den durch sie bezeichneten Gegenständen verleihen, oder ob sie dieselben der Euphonie wegen »Schilder- oder Laden-Gemälde« nennen wollen. Aus Vorsicht indessen, keinen neuen weltgeschichtlichen Irrthum entstehen zu lassen, muß ich im Voraus bemerken, daß »Schilder-Bilder« oder »Bilder-Schilder« in genere volksthümlicher und in specie berlinischer ist.

Berlin beginnt nämlich, nach Pariser und Wiener Sitte, seine eleganten Gewölbe durch Gemälde zu verzieren und durch diese die Art des Verkehrs sinnbildlich auszudrücken. Die berühmte Duftwaaren-Handlung von Treu und Nuglisch, die das unbestrittene Verdienst hat, an dem Deutschen mindestens die Nase nationaler gebildet und unser gemeinsames Vaterland in guten Geruch gebracht zu haben, ergriff darin schon vor vielen Jahren die Initiative, fand aber wenig oder gar keine Nachahmer. Sie bezeichnete die Seele ihres Geschäftes durch eine Flora, welche sich, Blumen streuend, leicht und lieblich, wie der Duft selbst, in die Wolken schwingt. Um aber geistvoll auf die deutsche Plumpheit zu sticheln, die nur Dasjenige gut heißt, was weit her ist – und daher den Herren Treu und Nuglisch nicht gestattete, ihre Producte als solche zu bezeichnen, sie vielmehr zwingt, die Parfümerieen mit französischen Etiquetten zu versehen – ließen jene Duftspender ihre Flora nicht mit schönen nackten Füßen auffliegen, sondern legten ihr Sandalen, zu Deutsch: Pantoffeln an. Die Herren meinten auch wohl, daß in Berlin damals alles Göttliche, das sich emporschwingen wollte, bald wieder zur Erde herabgezerrt wurde, und sorgten bei Zeiten dafür, daß sich ihre Flora keinen Schnupfen hole, was einer Blumengöttin doch sehr übel stehen und ihrer Verehrung wesentlich schaden müßte.

Der berühmte Philosoph Fichte empfand etwas Aehnliches wie die Herren Treu und Nuglisch. Er wollte durch seinen Grundsatz: »Ich bin Ich und setze mich selbst« die Deutschen stolzer, bewußter und thatkräftiger machen. Allein der Deutsche setzte sich nicht und dachte und schrieb sich, nach wie vor, klein und sagte: »ich bin ich und stehe unter einer weisen Regierung.« Seine Demuth, sein Kleinmuth, seine Kriecherei nach innen und außen blieben dieselben. Noch heutigen Tages, trotz der großen Ereignisse, die uns hätten kräftigen können, gehorchen wir in unsrer Kleidung den Bulletins pariser Schneider, überzuckern deutsche Speisen mit französischen Namen, wagen es nicht, deutsche Fabrikate deutsch zu bezeichnen, gebrauchen das affectirte »Demoiselle« statt des zarten »Fräulein«, das dicke Wort »Madame« statt des süßen Ausdrucks »Frau«, geben deutschen Aemtern fremde Titel, lassen durch italienische Musik und französische Schauspiele die Werke unsrer Ton- und Wort-Dichter verdrängen, setzen verfaulte griechische Tragödien in Scene, kaufen die erbärmlichsten Geistesproducte der Ausländer und lassen unsre Talente an Verehrung und Verzehrung darben, und so weiter. Die einzige Beruhigung für den Vaterlandsfreund, der uns so gern einen Nationalstolz geben möchte, ist die, daß wir noch ächt deutsch schimpfen. Dieser Kern unsrer Nation hat sich noch frisch erhalten. Wir verdanken ihn, wie alles Kernige und Wahre und Aechte, dem Volke, das der vornehme Pöbel Pöbel nennt. Aus der Sprache des Volkes, aus dieser Sprache gesunder Vernunft und gesunden Herzens, aus dieser Kraft wird sich einst, wenn das ausländische Unkraut ausgerottet, deutscher Stolz und deutsche Anmuth entwickeln.

Der Dummheit, nur das Fremde zu schätzen, das Eigene in den Staub zu ziehen, der Dummheit, nachzuahmen, statt aus uns selbst zu schaffen und auf solche Weise zum Nationalstolz zu kommen, diesen Dummheiten wenigstens im Oeffentlichkeits-Gebiete der Schilder-Bilder oder »Bilder-Schilder« entgegenzutreten, ist der Zweck dieser Mittheilung. Deutsche Stockgelehrte, die nur in antiker Moderluft athmen, werden das Alles für unwichtig halten. Dies kümmert mich nicht: ich schreibe nur für vernünftige Menschen.

Der Franzose ist in allen Dingen national. Der Franzose ist ein Puff, also auch sein Ladengemälde. Es ist coquett, es lockt, es schwatzt einem alles Bedenken fort und betrügt uns im Grunde doch. Bei dem Franzosen muß Alles »brillant« sein; dies Wort gebraucht er hundert Mal des Tages; er hat sogar eine brillante Jugend und eine brillante Gesundheit, und in diesem coquetten Glanze spiegelt sich der Franzose wie er leibt und lebt, wie er spricht, dichtet, malt, schauspielt und politisirt. Ueberall in Frankreich erhält man ein brillantes Etui für drei Franken, in welchem für zwei Sous Zuckererbsen liegen. – Nehmen wir einige Beispiele für diesen Gegenstand:

In einer Hauptstraße Frankreichs (denn Paris ist Frankreich) erblickt man das Gewölbe eines Shawl-Händlers mit einem Gemälde verziert, auf welchem Sieben lebensgroße Figuren stehen. Die Unterschrift lautet: »Au serment.« Drei Herren zeigen dreien Damen mit der linken Hand bunte Shawls und heben ihre Rechte feierlich empor (der Deutsche hebt seine Rechte selten feierlich empor). Sie beschwören die Aechtheit ihrer französischen Waare (der Deutsche schwört höchstens, daß seine Waare nicht deutsch) und der im Hintergrunde stehende, neidisch-boshafte Blicke auf die Scene werfende Engländer besagt deutlich, daß sie es verwerfen, englische Fabrikate zu liefern. Ist das nicht Nationalstolz und zugleich ächt französisch? Sieben Figuren in Lebensgröße und »zum Schwur!« und öffentliche Anfeindung einer andern Nationalität, und das Alles, um zum Kaufe eines Shawls anzulocken.

Auf einem andern Gemälde empfängt ein Blumenmädchen knieend den Brautkranz aus den Händen eines schönen Ritters, und dies Schild-Bild führt uns in den Laden einer Putzmacherin. Ist das nicht coquett, verführend? Benutzt es nicht die französische Gleichheit der Stände? Wenn sich eine unsrer ehrenwerthen und tugendhaften Putzmacherinnen erdreistete, solch ein Gemälde auszuhängen, man würde nicht in ihren Laden treten, sondern draußen Glossen über solche deutsche Mésalliance machen; der hohe Adel würde sich vielleicht beschwerend an die Censur der hochlöblichen Polizei wenden und Gräfin Ida Hahn-Hahn sich für diese merkantile Canaillerie durch einen neuen Roman rächen.

Vor einem Laden, in welchem Porzellan verkauft wird, sieht man auf einem Gemälde den Ehemann im eleganten Schlafrocke seinen linken Arm um die Frau schlingend, während er mit dem rechten eine Tasse dampfenden Kaffee's aufhebt. Dies Gewölbe heißt: »Zur glücklichen Ehe.« Da haben wir wieder das Etui für drei Franken und für zwei Sous Zuckererbsen! Aus einer Kaffeetasse häusliche Glückseligkeit zu folgern! Wenn nun der Mann, plötzlich eine Jugendfreundin auf der Straße erblickend, die Tasse fallen ließe? – Dennoch ist dies Bild glücklich gedacht, und es liegt sogar, wie Ludwig Börne sagt, deutsche Empfindung darin. Am meisten von solchem Geschirr kaufen die Liebesleute, die sich heirathen und einrichten wollen, und in der Rosenzeit des Lebens sind wir voll süßen Aberglaubens und lassen uns gern durch solches Prognostikon anlocken.

In der Rue Vivienne ist der Laden eines Perrückenmachers mit einem Bilde geschmückt, dessen traurig-geschichtlicher Gegenstand durch die Unterschrift einigermaßen versöhnt wird. Man sieht den Kronprinzen Absalon mit den Haaren an einem Baume hangen, während seine Brust von der feindlichen Lanze durchbohrt wird. Darunter die Verse:

Contemplez d'Absalon le déplorable sort,
S'il eût porté perruque, il évitait la mort.

Zu Deutsch etwa:

Beweint das Schicksal hier des armen Absalon!
Trug die Perücke er, kam er gesund davon.

Dagegen läßt sich gewiß Nichts einwenden. Man vergißt ganz die Schönheit des eignen Haares und die Unbequemlichkeit einer Perrücke: man denkt nur daran, sein Leben zu retten.

So sind die französischen Bilder. – Wien's muntre Laune und drolligen Spaß vermißt man ganz auf seinen Ladenbildern; sie sind nur ein schöner Ersatz der Hausnummern. Die meisten sind sogar ohne Beziehung auf die innere Thätigkeit der Gewölbe gewählt. Wie dürfte auch die östreichische Censur solche ungeziemende Aeußerungen des beschränkten Unterthanenverstandes erlauben! Solche Dinge verführen zum Denken und es ist Nichts unbequemer als ein denkendes Volk. Dennoch kühlt der Humor des Schicksals, dessen Witz kaum durch Shakespeare's, Jean Paul's und Börne's überboten wird, auch hier sein Müthchen.

Hören wir, was die »Bilder und Träume aus Wien« darüber sagen. »Einen eigenen Reiz«, heißt es dort, »haben in Wien die schönen Gemälde, mit welchen Kaufleute, Fabrikanten, Bierwirthe etc. ihre Gewölbe schmücken. Hier siehst Du den »römischen Kaiser« in seinem Ornate, dort den »guten Hirten«, hier prangt eine »Hofdame«, dort watschelt eine »weiße Gans«. Bald stehst Du vor dem Bilde des »Königs von Baiern«, bald vor einem »Mönche« und nicht weit davon erblickst Du einen »rothen Stier«. Dort geht ein Ehemann »zur schönen Tänzerin«; er hätte lieber »die Stumme von Portici« wählen sollen, denn die Erstere könnte plaudern. Wenn Du nicht in das kleine Gewölbe zum »Polen« willst, so erfrische Dich in dem bekannten Bierhause »zu den drei Raben«. Schau Dir dort die »schöne Französin« an, aber versäume auch nicht den geflügelten Gott »Mercur«. Vor jener Apotheke werden dem »Tobias« die Augen ausgewischt; ein Advocat und ein Regierungsbeamter betrachten das Bild mit vieler Theilnahme. Hier ist ein »Liguorianer«, dort ein »Ungeheuer«. Dort heißt es »zum schönen Schauspieler«, hier »zum Hanswurst«. Ein sehr interessantes und vielgenanntes Wiener Bild ist »wie der Wolf den Gänsen predigt«. Ueberall berühren sich Heiligkeit und Spott. Portraits von Fürsten und Pfaffen, von Tänzerinnen und Rittern sind in großer Menge vorhanden, aber Dichter, Gelehrte und Volksmänner sucht man vergebens. Vielleicht werden sie später einmal gemalt und aufgehangen werden.«

Berlin hat noch wenige solcher Bilder und die bis jetzt vorhandenen sind ebenfalls ohne tiefere Bedeutung, ohne Witz und Gedankenschärfe. Die Bilder aber vor Gewölben etc. sind doch eine viel lieblichere Bezeichnung als Nummern und darum ist der rasche Fortgang damit recht zu wünschen. Der Schönheits- und Oeffentlichkeits-Sinn des Volkes wird dadurch reger, besonders in Berlin, wo sich Dergleichen, ist es einmal in's Leben getreten, rasch entwickelt. Nun möchte ich aber nicht bloße und blasse Nachahmungen der Pariser und Wiener Bilder; ich möchte die Schilder-Bilder vielmehr als einen neuen Ausdruck des sich gestaltenden Volkslebens, als eine neue Eigenthümlichkeit der Hauptstadt des deutschen Nordens erwachsen sehen. Die Seele Berlins ist Scharfsinn und Witz. Diese, das ist der Wunsch, mögen sich in den Ladenbildern ausprägen. Die Residenz würde dadurch einen neuen originellen Reiz erhalten, und die Poesie des Volkes immer kräftiger werden.

Meines guten Willens wegen habe man Nachsicht mit der schwachen That. Wenn ich hier einige Andeutungen zur Ausschmückung und sinnlichen Bezeichnung Berliner Gewölbe gebe, so sollen diese nur anregen, keineswegs als Muster gelten. Dazu habe ich zu wenig Geist. Der Einzelne kann nicht, was ein ganzes Volk vermag: mit Respect vor dem Absolutismus zu sagen. Dies Berliner Volk wird aber, wenn ihm meine Idee gefällt, bald die überraschendsten Beweise seines gesunden Verstandes geben.

 

Hier meine Proben:

Apotheker

Hygéa hält dem Tode eine große Flasche Medizin entgegen, vor welcher dieser entsetzt zurückfährt.

Unterschrift:

Noch nicht!

 

Ein andrer Apotheker.

Die Figur des Hippokrates, zu dessen Füßen ein Hahn und ein Frosch mit menschlichen Gesichtern winseln.

Unterschrift:

Hydro- und Homöopathie
Besiegen Dich, Du Weiser, nie.

 

Bäcker.

Ueberschrift:

Ooch 'ne schöne Jejend!

Darunter ein Getreidefeld mit einer Mühle.

Unterschrift:

Wem's in Berlin an Brod jebricht, der koofe meine Jabe;
Ich, Bäcker, habe nur mein Brod, wenn ich mein Brod nich habe.

 

Ein andrer Bäcker.

Christus, wie er betend spricht:

Unser täglich Brod gib uns heute!

 

Ein dritter Bäcker.

Ein großes Schloß auf einem Felsen, unten im Thal greifen arme Menschen nach Brod und Semmeln etc.

Unterschrift:

Wir Deutschen, wir haben unsre liebe Noth,
Aber nichts so nöthig wie's liebe Brod.

 

Ein vierter Bäcker.

Ein geflügelter Polizist, der aus einem Füllhorn Brod und Semmeln streut.

Unterschrift:

Sobald wir von den Steuern frei,
Kostet's Dreigroschenbrod nur zwei.

 

Barbier.

Das Bild eines Herrn, welcher sich lange nicht rasiren ließ, dessen Gesicht daher einen höchst garstigen Eindruck macht.

Unterschrift:

Pfui!

 

Ein andrer Barbier.

Ein Herr, der sich selbst rasirt und dem dabei das Blut von der Wange herabströmt.

Unterschrift:

Des kommt davon!

 

Optikus.

Zwei Herren. Der Eine, ein Staatsmann, mit Orden geschmückt, stoßt mit dem Kopf gegen eine Mauer; der Andere, ein Bürger, liest und hält das Buch weitausgestreckt vor sich.

Unterschrift:

Der sieht nicht weit, und Der nicht nah:
Wozu sind meine Brillen da?

 

Buchbinder.

Zwei junge Mädchen, die sich über schöne Bücher freuen.

Unterschrift:

Sei ungebunden auch der Geist
Bei uns durch alle Zeit:
An seinem lichten Körper preist
Man doch ein schönes Kleid.

 

Caffeehaus.

Einem Herrn, der die Augen betrübt gen Himmel richtet, werden von einer Kellnerin Caffee, von einem Kellner Zeitungen und Cigarren präsentirt.

Unterschrift:

Zeitung, Cigarre und Caffee
Besiegen Euer kleines Weh:
Schreckt nicht zurück vor ihrem Dampf:
Für Euer Wohl sind sie im Kampf.

 

Ein andres Caffeehaus.

Mehrere sich eifrig unterhaltende Herren, denen Caffee eingeschenkt wird.

Unterschrift:

Zur Kannegiesserei.

 

Weinstube.

Lustige Zecher.

Unterschrift:

Nur fortgepichelt, liebe Pichler,
In frohem Sang und buntem Scherz!
Der Wein erfreut des Menschen Herz!
Sang David und der Kriegsrath Müchler.

 

Eine andre Weinstube.

Ein begeisterter Sänger am Fuße eines Rebenhügels.

Unterschrift:

Hier ist das Vollblut dieser Welt,
Dem ältsten Stamm entsprossen,
Aus dem das höchste Adelthum
In's Menschenherz geflossen.

 

Eine dritte Weinstube.

Ueberschrift:

Zum Prediger Lavater.

Dieser, auf eine Flasche deutend, scheint salbungsvoll seine Worte zu sprechen;

Guter Wein macht gutes Blut, gutes Blut gute Laune, gute Laune gute Gedanken, gute Gedanken gute Werke, gute Werke führen zum Himmel: folglich führt der Wein zum Himmel.

 

Ein viertes Weinhaus.

Man sieht Trauben keltern. Daneben begeisterte Zecher moussirenden Champagners. Der Kork einer Flasche springt in die Höhe.

Unterschrift:

Durch die Presse zur Freiheit!

 

Friseur.

Ein Gelehrter, dem die Haare wild und verworren herabhängen. Er wird vom Friseur gewaltsam auf den Stuhl gesezt.

Unterschrift:

Ein voller Kopf thut's nicht allein:
Es muss zugleich ein schöner sein!

 

Hutmacher.

Portrait des Fabrikanten, welcher sich höchst artig gegen das Publikum verneigt.

Unterschrift:

Mit dem Hut in der Hand
Kommt man durch's ganze Land.

 

Ein andrer Hutmacher.

Verschiedene Männer verschiedenen Standes. Alle haben den Hut auf dem Kopfe und drehen sich den Rücken zu.

Unterschrift:

Mein Vaterland, das lob' ich mir!
Man bringt nicht viele Köpfe hier
In Deutschland unter Einen Hut,
Und das ist für die Hüter gut.

 

Gasthöfe.

Statt der alten, langweilig werdenden Städte- und Herrscher-Namen und den nichtssagenden Titeln aus dem Reiche der Thiere und Gestirne, sind Dichter, Künstler, Volks- und Staatsmänner Deutschlands und höhere menschliche Interessen zu wählen. Z. B. »Gasthof zum Luther, Hutten, Friedrich Schiller, zum Göthe, zum Jean Paul, zum Mozart, zum Ludwig Börne, zum Beethoven, zum Ludwig Devrient und Carl Seydelmann, zum Friedrich List, zum Hegel, zum Rotteck, Welcker« u. s. w. »Gasthof zur Freiheit, zur Menschenliebe, zur Opposition, zur Monarchie, zum Radicalismus, zum Conservatismus, zum Indifferentismus, zur freien Presse, zur Wahrheit, Schönheit, Liebe, zum aufgehobenen Luftdruck, zum ruhigen Fortschritt, zur Liebe einer gesinnungsvollen Opposition, zum gestürzten Ministerium, zur gelehrten Dummheit, zur aristokratischen Henne-Henne, zum servilen Pudel, zum furchtsamen Adler, zur unvermeidlichen Polizei, zum erwachten Vetter Michel, zur aufgehobenen Prügelstrafe, zum Patent vom dritten Februar, zur deutschen Einheit, zum Herrn Buffey, zum Herrmann den Cherusker, zur gesunden Kartoffel, zur Demokratie, zum beschränkten Unterthanenverstande, zum Humor Ludwig Rellstabs, zum Zweckhunger, zum Volkswohl, zur Auswanderungslust, zum sterbenden Jesuiten, zur abgeschüttelten Nachtmütze, zum Metternich, zum gemüthlichen Satan, zum russischen Menschenwohl, zum hessencasselschen Bürgerglück, zum zufriedenen Esel« u. s. w. u. s. w.

 

Klempner.

Ueberschrift:

Zum deutschen Klempner.

Er sitzt und arbeitet.

Unterschrift:

Je mehr ich Armer blechen muss,
Je weniger zeig' ich Verdruss.

 

Korbmacher.

Mehrere junge Mädchen, welche Körbe kaufen.

Unterschrift:

Bejlückt un stille bleibt mein Haus,
Theil' ick recht ville Körbe aus.

 

Lampen-Fabrik.

Ueberschrift:

Zur häuslichen Sonne.

Die untergehende Sonne. In der dunklen Mitte des Bildes nachfolgende Strophe, und unter dieser sieht man eine Hausfrau die brennende Lampe in's Zimmer bringen.

Unterschrift:

Wenn sie in Glanz und Majestät
Vollbracht den Erdenlauf,
Dann, durch die Sorgenwolken, geht
Des Hauses Sonne auf.

 

Lichtzieher.

Ein Engel, über Berlin schwebend, ein brennendes Licht in der Hand.

Unterschrift:

Nur Missethaten scheuen 't Licht!
Wer jeht vorbei un kooft hier nicht?

 

Maskenverleiher.

Ein Narr, welcher dem Publikum hineinzutreten winkt.

Unterschrift:

Tritt näher Michel, Hans und Kunz!
Hier sind wir Alle unter uns.

 

Fleischer.

Ein Hammel, ein Schwein und ein Ochs sitzen um einen gedeckten Tisch und wollen einen gebratenen Menschen verzehren.

Unterschrift:

Jo nich!

 

Ein andrer Fleischer.

Ueberschrift:

Zur Geduld.

Ein Schafskopf, der das Publikum anblökt.

Ohne Unterschrift.

 

Damenschneider.

Der Schneider, sich den Lorbeerkranz aufsetzend.

Unterschrift:

Den Stoff beleb' ich, –
Natur erheb' ich, –
Nach Anmuth streb' ich, –
Vor Tadel beb' ich, –
Schönheit bekleid' ich, –
Dürftigkeit meid' ich, –
Maass halt' ich, –
Im Staate walt' ich, –
Für den Staat sorg' ich, –
Thut's Noth, so borg' ich, –
Das Alte erneu' ich, –
Ein Versprechen bereu' ich:
So bin ich in meinem Bereich
Dichter, Künstler und Staatsmann zugleich.

 

Herrenschneider.

In der Mitte des Bildes hängt ein schöner Frack, vor welchem sich mehrere Personen achtungsvoll verbeugen.

Unterschrift:

Kleider machen Leute.

 

Schuster.

Der deutsche Michel, barfuß.

Unterschrift:

Jeder weess, wo der Schuh ihn drückt,
Als bis der meinje ihn bejlückt.

 

Strumpfwirker.

Zwei magere und mißgestaltete Beine.         Zwei sehr schöne Beine in Tricot.
Unterschrift:
Natur. Kunst.

 

Möbel-Magazin.

Ein lustiger Tischler mit seinem Handwerkszeug.

Unterschrift:

Mein Hobel, Winkelmaass und Leim,
Das ist des kleinen Lebens Reim!
Ist hölzern auch die Poesie,
Zur Prosa sinkt sie nun und nie.

 

Ein andrer Tischler.

Die Figur des Valentins von Raimund zwischen Wiege, Ehebett und Sarg.

Unterschrift:

Des janze Leben is blos Traum!
Ja, det is wirklich wahr!
En bisken Jugend lebt man kaum,
Sonst träumt man Jahr vor Jahr.
Drei Betten bring' ick: Wiege, Schrein,
Det Lebens A un Z,
Un in die J'schichte mittendrein
Schieb' ick det Hochzeitsbett.

In 't erste Bett, da schreit man noch
Un will so jerne 'raus,
In 't zweete ist woll besser, doch
Man hält's ooch da nich aus!
In 't dritte will man jar nich 'rein,
Da ist so kalt, ja, ja!
Doch liegt man erst bequem darein,
Is ein'm am wohlsten da.

Drum sag' ick ooch: die Tischlerei
Is unsre Poesie,
Un lasse, bis der Traum vorbei,
Ooch meinen Hobel nie.
Un fragt mir Der: hast du ooch fein
Jehobelt un jeleimt?
Da sag' ick: lieber Jott, laass sein,
Ick habe blos jeträumt.

 

Sarg-Magazin.

Ein Sarg, umschattet von einem Baume, den der Blitz getroffen, dessen Krone aber noch frisch und grün. Frühester Morgen. Röthliche Wolkenstreifen verkünden den baldigen Aufgang der Sonne.

Unterschrift:

Zur guten Nacht.

 

Töpfer.

Ein Töpfer, stolz auf seinen Topf deutend.

Unterschrift:

Wenn dieserjenige Topp
Ooch leer un hohl Euch klingt,
So is er doch durch Den,
Der ihn in Feuer bringt,
Ein juter Brausekopp,
Der für de Hungerjen
Die schönsten Lieder singt.

 

Destillation.

Ein Arbeitsmann, der stehend ein Gläschen Schnaps leert und das Publikum dabei freundlich anblickt. Die Wanduhr zeigt auf halb Sieben.

Unterschrift.

Ju'n Moorjen!

 

Handschuhmacher.

Ein schöner junger Mann zwischen zwei Jungfrauen, welche ihm die Hand bieten. Er wählt nicht die nackte, sondern die im feinen Handschuh.

Unterschrift:

Mit Der will ich zum Altar schreiten!
Die Hand soll mich durch's Leben leiten!

 

Arzt.

Ueberschrift:

Zum verschwiegenen Arzt.

Ein Arzt, der den Finger auf den Mund legt.

Unterschrift:

Der Arzt sei die stille, ernste Nacht zwischen
dem »Heute roth« und »Morgen todt«
.

 

Ein andrer Arzt.

Ein Patient in der Besserung, welcher dem Doctor Geld überreicht.

Unterschrift:

Leben – und leben lassen!

 

Zahnarzt.

Ein sitzendes Mädchen, sich höchlich verwundernd. Vor ihr steht der Zahnarzt und deutet lächelnd auf den ausgezogenen Zahn in seinem Instrumente.

Unterschrift:

Ist es möglich?

 

Ein andrer Zahnarzt.

Eine alte Dame mit offenem Munde, in welchem man die schönsten Zähne sieht. Der Zahnarzt deutet darauf hin und spricht:

Trotz des Alters gleicht sie der Morgenstunde,
Denn sie hat, wie diese, Gold im Munde.

 

Bürstenbinder.

Ein Schwein, von verschiedenen Kleider-, Stiefel-, Haar- und Zahn-Bürsten umkränzt.

Unterschrift:

Wie gross ist doch des Menschen Kunst und Geist!
Das, was Ihr Schwein und Sau mit Ekel heisst,
Muss alle Welt durch seine borst'gen Lehren
Zur Reinlichkeit und Sauberkeit bekehren!

 

Victualien-Keller.

Ein lustiger, fabelhafter Vogel: sein Leib ist ein großer Schinken, sein Hals eine Wurst, Kopf und Schnabel sind durch Flasche und Trichter, der Schweif durch Heringe, seine Flügel durch saure Gurken gebildet u. s. w.

Unterschrift:

In de Tiefe musst'e dringen,
Willst'e Dir zur Höhe schwingen!

 

Uhrmacher.

Saturn mit drohendem Gesicht.

Unterschrift:

Alle Noth, die wir erdulden müssen,
Alle Schmach, die wir ertragen,
Liegt daran, dass Viele niemals wissen,
Was die Glocke hat geschlagen.

 

Das Volk müßte übrigens dabei seiner Laune freien Zügel schießen lassen, und niemals daran denken, sein Bild und seinen Vers vor den Richterstuhl der Kritik zu bringen. Es wende sich ebensowenig, zum Entwurf der Unterschriften, an Dichter und Gelehrte: ihm selbst gehöre, was auf diese Weise producirt wird. Fallen auch Schnitzer vor; sind Witz und Poesie zuweilen auch mager: ich versichere den Bürgern, daß Diejenigen, welche ihre Schilder belächeln werden, schon größere Schnitzer und schlechtere Verse gemacht haben und ihr Witz weit her ist, das heißt: veraltet, vertrocknet und gestohlen, nicht berlinisch kräftig und frisch.

 

Außer den Gasthöfen sollten auch die Gewölbe mit den Bildnissen berühmter deutscher Männer der Vorzeit und Gegenwart geschmückt sein, und hier und dort mit geeigneten Citaten aus ihren Werken. Es wäre gar nicht übel, wenn wir den »alten Fritzen« öfter als gegenwärtig in Berlin bemerken könnten; wenn uns Kaufleute, Fabrikanten und Künstler an die Erfinder ihrer Artikel erinnerten; wenn »Luther«, »Ulrich von Hutten«, »Lessing«, »Börne« etc. uns von Zeit zu Zeit finster oder heiter anblickten, überhaupt die Bilder unsrer großen Dichter, Tonsetzer, Maler und Volksmänner das Nationalgefühl erhöhten, und zur Nacheiferung anfeuerten; wenn Diese, der Volkswitz und die kernige Volkspoesie unsre Philisterei und Prüderie und unsre ganze jämmerliche Convention zum Tempel der alten Welt hinausjagten, und vor dem freien Garten der neuen Welt als lustige Carricaturen aufstellten.

Ich wünsche nur, daß dies Alles nicht in deutsche Ohren und in den berlinischen Wind gesprochen ist.

 


 


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