Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Schnapsläden

(1836; 1838)

Nachdem ich meiner Muse ein Glas Kümmel präsentirt, beginne ich meine Zeichnung. Wie Menzel von den Deutschen sagt: »was sie auch in der einen Hand haben mögen, in der andern haben sie gewiß ein Buch,« könnte man von den Berlinern sagen: was sie auch immer mit dem einen Augen sehen mögen, mit dem andern sehen sie gewiß einen Schnapsladen. An allen Orten und Enden Berlins sind Bachus II. Tempel errichtet, und täglich wallfahrten Tausende hinein, dem neuen Gotte ein Opfer zu bringen; es ist so viel Branntwein in der Residenzstadt Preußens, daß man ein ganzes russisches Regiment betrunken machen könnte. – Wenn der Berliner über die schlechten Zeiten geklagt hat, so trinkt er Branntwein, und wenn er Branntwein getrunken, so kritisirt er über die schlechten Zeiten; der Berliner bleibt immer zwischen klagen, trinken und kritisiren.

Die äußerliche Rohheit und Gemeinheit des Berliner Pöbels hat der Branntwein hervorgebracht; er erschlafft den Geist, stumpft ihn für alles Edle und Schöne ab, macht träge und gleichgültig, und frißt alle Blüthe aus dem Menschen. Berlin wäre Athen, wenn der Branntwein nicht existirte. Die Kinder der untern Volksklasse werden schon vergiftet, bevor sie denken lernen; sie halten Jeden für ihren Vater, dem sie Schnaps holen müssen, und die Jünglinge treten nicht eher in die menschliche Gesellschaft, als bis sie sich im Rinnstein gewälzt haben. So wächst das Laster auf, reißt allen geistigen Schmuck vom Menschen herunter, zieht andere Laster nach sich, macht unglückliche Ehen, Sittenverderbniß im höchsten Grade!

Die Regierung sollte – und wird vielleicht – alle Mittel ergreifen, diesem Uebel zu steuern, statt dessen öffnen sich täglich neue Lasterfabriken, eine brillanter und lockender als die andere; der Genuß des Branntweins vermehrt sich immer mehr, je größer die Armuth wird, und die Armuth wird immer größer in Berlin. So sieht man Rohheit, Gemeinheit, Nichtswürdigkeit und geistige Erschlaffung von Tag zu Tag zunehmen, Verbrechen häuft sich auf Verbrechen, und zuletzt kann ein Volk nur durch Ketten geheilt werden, das auf einer hohen geistigen Stufe stehen könnte. Doch – was geschieht nicht Alles nicht, was für das Volk ist? Wer darüber schreiben wollte, müßte Folianten füllen; ich aber bin nur auf ein paar Bogen angewiesen, handle daher nach dem Wahlspruche eines gekrönten Hauptes, lasse Alles beim Alten, und schildere da mit heiteren Farben, wo man die Feder in Thränen tauchen müßte.

Ich führe Dich also in einen Schnapsladen, lieber Leser, und zwar auf eine Weise, die Dich nicht zum Trinken zwingt. Schon das zierliche Vorfenster ladet die Vorübergehenden ein. Hier erblickst Du bunte Flaschen, bunt durch ihren Inhalt, auf jeder ein Etiquett: Korn, Kümmel, doppelter und einfacher, Anies, Spanisch Bitter, Kirsch, Nelken, Citronenliqueur, Wachholder, u. s. w., u. s. w. Dieselben Ankündigungen liest Du, wenn wir hineintreten, auf größeren Flaschen, auf riesigen Tonnen, die hinter dem Ladentische aufgepflanzt sind, und den Verzagten, der mit Kummer auf den Rest einer Flasche blickt, mit neuer Hoffnung erfüllen. Im Hintergrunde sitzt ein ehrsamer Schuhmacher neben einem Schneider für Civil und Militair, und raisonnirt bei einem halben Quart doppelten Kümmel über die Gewerbefreiheit; nicht weit von ihnen sitzt ein Korbmachermeister und erklärt dem Mauerpolier mit träger Zunge die neuesten Verhandlungen der Pariser Deputirtenkammer; links von ihnen liegt ein Eckensteher und lallt nach frischem Korn, ein Anderer wälzt sich schon auf der Erde, und noch drei Andere reißen Zoten und prügeln sich. Ein Handlanger läßt sechs verschiedene kleine Flaschen füllen, damit der Bau des Hauses schrägüber nicht unterbrochen wird; ein Schusterbursche holt Anies für seine Gesellen und kostet soeben, ob die Waare auch preiswürdig; ein Dienstmädchen nimmt den täglichen Bedarf für die Herrschaft; ein altes, gemeines Weib sitzt in einem Winkel und schlürft mit Wollust, um nach einer halben Stunde auf der Straße aufgegriffen und in die Wache geführt zu werden. Um den Ladentisch herum drängen sich Handwerker, die im Vorübergehen die trockene Zunge benetzen; ein Sandfuhrmann hat frischen Sand in die Küche gebracht und »jießt davor Eenen hinter de Halsbinde;« ein Droschkenkutscher hat seinen Cäsar draußen stehen lassen und »netzt sich de Jurgel,« damit er später ruhiger schlafen kann, – und zwischen diesen Allen wandert ein »heruntergekommenes Genie« umher, reißt Witze, schäckert mit dem Ladenmädchen, erzählt Anecdoten und grausenhafte Geschichten, lügt wie eine politische Zeitung, trinkt bald an diesem, bald an jenem Tische, denn überall reicht man dem »Schwerenothskerl« und »Dausendzappermenter« ein Gläschen oder ein Restchen der brennenden Tropfen. Diese heruntergekommenen Genies sind früher Schriftsteller, Schauspieler, Musiker oder Maler gewesen; haben von jeher die Schnapsboutiquen allen besseren Situationen vorgezogen, sind endlich aus der menschlichen Gesellschaft verstoßen, und ergreifen nun jedes Mittel, ihr Danaidenfaß zu füllen. Sie erbetteln sich von einem Studenten alte, abgetragene Schnürröcke, von früheren Collegen Beinkleider, Wäsche und Hüte, und wie sie nun äußerlich mit erborgten und erbettelten Fetzen prangen, so thun sie's auch geistig in diesen Gesellschaften, die letzten, in welchen sie geduldet werden. Ihre Seele ist ein Chaos aller Gemeinheit, aller Scheußlichkeit, aber so übertüncht von falscher Gemüthlichkeit und Galanterie, daß sie den gewöhnlichen, geistlosen Menschen einnehmend, interessant erscheinen; oft hoffnungsvolle junge Leute in ihren Schlamm hineinziehen und so lange physisch und geistig plündern, bis sie ihres Gleichen geworden. Auf diese moralische Mörderbrut sollte unsere Polizei ein wachsames Auge haben, aber die wachsamen Augen werden jetzt zu sehr angestrengt, – man anatomirt die größten Kleinigkeiten mit scharfen Brillen, und überschaut Riesen und Berge.


Gespräche

Der Schneider Schnipel . Der Posamentier Feseler . Der Schuster Pelzer . Das Genie Schulze.

Schnipel. Nu sagen Se mir, Herr Jevatter Feseler, was is des vor'ne Jeschichte mit die Höllenmaschine in Paris?

Feseler. Dieses ist janz einfach, Herr Jevatter. Die Höllenmaschine ist ein Instrument zum Tödten. Die Republieker wollten Ludwig Philippen damit um de Ecke schaffen, damit des monarch'sche Princip in Etwas jeschwächt wird. Ich war Anno Vierzehn vier Wochen in Paris, denn ich habe die Kampanje mitjemacht. Hier sehen Sie mein Band!

Pelzer. So'nne Bänder haben 'ne Menge jekricht, die 't jar nich verdient haben.

Feseler. Dieses Band is mein Stolz, denn es beweist, daß ich ein Retter des Vaterlandes war.

Pelzer. Du mußt freilich für die Ordens sind, denn erschtens hast Du Eenen, un zweetens bist Du Posementier.

Schulze (lacht). Der Pelzer reißt göttliche Witze! Laß mich 'mal drinken, lieber Pelzer. (Er stürzt ein Glas Kümmel hinunter.) Ich glaube auch, Feseler, daß es mit Deiner Courage nicht weit her ist. Tant de bruit pour une omelette!

Schnipel. Ick bitte Dir, Schulze, laß uns mit Dein Lateinisch zufrieden!

Feseler. Ja, un dabei jlaubt er, man verstände ihm nicht. Ich war vier Wochen in Paris, und konnte schon vorher Einiges von der Sprache der Franzosen. Des, was er da sagte, heißt auf Jermanisch: So viel Brühe über einen Eierkuchen!

Pelzer. Mit Speck?

Feseler. Comme tu veux, wie Du willst. (Er räuspert sich und ruft:) Mademoiselle, für einen Sechser einen Bittern Spaniens!

Schulze. Es ist doch ein ganzer Kerl der Feseler; er hat viel Lebenserfahrung und versteht Etwas. Wenn ich das sage, so könnt Ihr's glauben. Consuetudo est altera natura. Was trinkst Du denn cher ami Feseler? Bittern? Wie ist denn der?

Feseler. Prenez! Nimm Dir!

Schulze (trinkt). Der Bittere ist auf Ehre gut. Der Feseler hat Geschmack. Er kann mit Horaz sagen: tempora mutantur et nos mutamur in illis!

Feseler. Ja wohl, ich habe immer viel uf Horazen gehalten.

Schnipel. Na, wenn Ihr aber nu nich mit Eure dumme ausländische Sprachen ufhört, so schmeiß ick Euch meine Pulle mit Schnaps an den Kopp!

Schulze. Davor sind wir sicher.

Schnipel. Wie is det mit de Höllenmaschine, will ich wissen? Wird det keene Folgen uf Deutschland haben, wie Anno Dreißig?

Feseler. Na ob es Folgen uf Jermanien haben wird! Haben Sie dieses nicht schon durch unsere Revolution im August wahrgenommen?

Schnipel. Ach jehen Se mir mit unsere Revolutionen, Herr Jevatter, die sind lausig! Des is ja jar keen Verjnüjen nich! Wenn wir Preußen unruhig werden, so sorjen wir blos vor de Jlaser. Wir schmeißen blos Fenster entzwee, un prügeln uns selbst.

Feseler. Es machte doch immer einen Eindruck.

Pelzer. Mein Bursche sitzt noch. Denkt Euch; dieser Junge wollte mit Jewalt Constitution!

Schnipel. Is es die Meechlichkeit: Hat er es denn durchgesetzt?

Pelzer. Ne.

Schnipel. Warum nich?

Pelzer. Sie haben ihm jefaßt.

Schnipel. Des is immer so, wenn Eener Constitution will.

Pelzer. Ja, da haste Recht. (Er sieht nach der Uhr.) Na, Kinder, ick muß jehen; ick muß noch bis morgen zwee Paar Stiebeln fertig machen, die nach Kalisch jehen.

Feseler. Die Stiefen jehen nach Kalisch? Haben se auch einen unverdächtigen Paß, sonst kommen sie nich hinein?

Pelzer. Sie sind von Kalbsleder.

Feseler. Ach so: Vornehme Stiefeln. Na, ich jeh mit Dir, Pelzer.

(Sie trennen sich)


Herr BuffeyZum Vortrage merke man sich Folgendes: Dieser Berliner, der Typus des untern Bürgerstandes, legt in seinen Erzählungen allen Nebendingen eine große Wichtigkeit bei, besonders aber Dem, was er selbst gesprochen hat. Er übergeht nie die Mittheilung der gewöhnlichsten Höflichkeiten, die man ihm erwiesen, prahlt gern ein wenig und sucht allen Leuten zu imponiren. Die kursiven Worte müssen stark betont werden. Bei den Gedankenstrichen mache man eine kurze Pause. — Anm. d. V.

(sitzt unter mehreren ihm unbekannten Handwerkern. Das Gespräch dreht sich um Borgen, schlechte Schuldner etc. und er erzählt folgenden, ihm begegneten Vorfall.)

Herr Buffey (mit der Zunge anstoßend.) Sehn Se, so is mir ooch jejangen; ich habe mir aber, was man so nennt, zu helfen jewußt. Ich bin nämlich Herr Buffey. Ich wohne in de neue Kommandantenstraße neben de Kuhställe, und habe eine kleine Tebajie mit ein nobel Jö de Billjardt, das heißt eens worauf man spielt, nennt man das. Ich sitze also eenes Morjens janz alleene in meine Tebajie un stoppe mir eene, nämlich eine Pfeife, heißt das. So kommen zwei junge Menschen zu mir rin un spielen auf mein Billjardt, un spielen bis Nachmittag um vier Uhr, so daß der eine junge Mensch hundert un fufzig Parthieen verloren hat, un mir davor fünf Dhaler Courant schuldig is. Das is jut. So kommt der junge Mensch uf mir zu un sagt zu mir: »Hören Se mal, Herr Buffey!« Ich sage: »Ja!« »Hören Se mal«, sagt er, »ich bin Ihnen fünf Dhaler schuldig«. »Des sind Sie«, sag' ich. So sagt er: »Hören Se mal, Herr Buffey,« sagt er, »ich habe kein Jeld bei mir.« »Das is schlimm!« sag' ich. Ich sage: »ich habe die Ehre Ihnen nich zu kennen!« »Nu, nu!« sagt er, »des hat nischt zu sagen, Herr Buffey; ich bin ein Mensch, der was zu sagen hat; ich wohne in de neue Friedrichstraße, des is ne Jejend!« »Ach!« sag' ich, »des is was anders, des is ne schöne Jejend, besonders so an de Königstraße. Hören Se mal,« sag' ich, »da müssten Sie ja ooch den Viktualienhändler Breese kennen, der wohnt da, des is mein Jevatter.« »So?« sagt er, »ach des is der Mann, der sich immer so anzieht un so aussieht?« »Richtig,« sag' ich, des is der; des freut mir, deß sie ihn kennen.« »Na,« sagt er, »Herr Buffey, ich sehe woll, Sie sind ein Mensch, mit den sich umgehen läßt. Sie sind jewiß ein Bürjer?« »Na,« sag' ich, »des will ich wissen, des versteht sich!« So nimmt er seinen Hut, behält ihn vor mir in de Hand, un sagt zu mir: »Herr Buffey,« sagt er, »in acht Dagen haben Sie Ihr Jeld. Leben Se wohl!«

»Ich empfehle mich Ihnen janz jehorsamst!« sag' ich. Un darauf verschwinde er.

Nu hab ich so 'ne kleene, rotznäsige Jeere von Schwester, die is fünf un funfzig Jahr alt un fiehrt mir meine Wirthschaft, das heißt: sie kocht mir, fegt mir aus, und arranjirt mir Allens, weil ich nich verheirathet bin, sondern ledig, nennt man das. Also die erzähl' ich nu die Jeschichte. So sagt sie »Na, na!« sagt sie. –

Ich sage: »Wie so?« –

»Na, na!« sagt se, »des nimm mir nich übel!«

»Ne,« sag' ich, »wie so meinst Du das? Ich versteh' Dir nich.«

»Na,« sagt se, »die Jeschichten kennt man, das is immer so!«

»Ne,« sag' ich, »das seh' ich nich ein!«

»Na,« sagt se, »Du wirst es erleben, Buffey!«

»Na,« sag' ich, »das wird sich finden. Du wirst es sehen, daß ich in acht Dagen mein Jeld habe!«

Des is gut. Ich warte acht Dage, ich warte vierzehn Dage, ich warte vier Wochen, wer nich kommt, is mein junger Mensch! Also die Jeschichte fängt mir an, in'n Kopp rum zu jehen, das heeßt, es wurmte mir, daß der Mensch vielleicht keine redlichen Absichten mit mir hatte. Ich jeh' also zu meine Schwester. »Hör' mal!« sag' ich, »sage mir mal, was sagst du'n dazu: ich wer' den Menschen verklagen!« »Nu natürlich!« sagt se, »was wird'n Dir anders übrich bleiben?« Un so zieh' ich meinen blauen Ueberrock mit den Sammtkragen an, jeh' nach de Könichstraße und laß' mir zeigen, wo des Stadtgericht is. Ich jeh also in den Dhorweg rin, un kloppe da an de Dhüre, so schreien se »Herein!« – Ich sage: »Sie entschuldigen!« – »Ja!« sagen se. – Ich sage: »Ich bin wohl hier janz recht?« – »Ja, Sie sind janz recht.« – »Ich wollte jern Jemanden verklagen,« sag' ich. »Nein!« sagen se, »des is hier eine Frühstücksstube, da müssen Se gefälligst um de Ecke jehen!«

Ich jeh' also um de Ecke, ich kloppe da an, so schreien die Leute: »Herein!« schreien se. Ich sage: »Sie entschuldigen!« »Herjees!« sagte die eine Frau, »Ihr Jesicht kommt mir so bekannt vor; ich muß Ihnen schon irgendwo jesehen haben!« – »Ja,« sag' ich, »des is woll möglich, da komm' ich zuweilen hin. Ich bin Herr Buffey, Bürjer natürlich, un habe eine Tebajie, wo hinten en Jartenverjnügen dran is.« – »Ach ne, Sie sind es nich,« sagt die Frau, »nehmen Se's nicht übel!« – »I, wie so?« sag' ich, »Jott bewahre. Sagen Se mal,« sag' ich, »besorjen Sie hier die Prozesse?« – »Ach,« sagt se, »Herr Buffey, Sie wollen gewiß auf's Stadtjericht; da müssen Se jehorsamst hier links in die Dhüre da jehen, wo der Mann vorne steht. Ich jebe mir nich damit ab, sagte se, »ich bin blos eine Möbelhandlung.« »Ach so,« sag ich, »na nehmen Se's nich übel!« »Nein!« sagt se, – un so jeh' ich denn dahin.

Also nu wurde ich natürlich sehr unangenehm, das können Se sich woll denken, weil man mir so oft vexirte, un von Pontius zu Pilatus schickte, – so wie ich also eben in de Dhüre trete, wo alle die Refrendarjen sitzen, so jeh' ich uf den Einen zu, un sage: »Hören Se mal,« sag ich, »des is ja eine verfluchte Jeschichte, werd' ich denn nu endlich mit Ihnen en Prozeß anfangen können?«

»Mit mir?« sagt er, »wie so?«

»Na!« sagt ich, »ich wollte jern Jemanden verklagen!« »Ach so?« sagt er, »warten Sie nur ein wenig!« Darauf nimmt er einen neuen Bogen Papier un sagt zu einen andern, der noch jünger war: Herr College, wollen Sie wohl gefälligst die Jeneralfragen übernehmen?«

»Wie so?« frag' ich, – »behandeln Sie mir nich mehr als Militeer! Ich habe schonst jedient, wie Sie noch in de Windeln lagen; – ich bin jetzt Bürjer

»Schon jut!« sagte er, »das is auch nich so jemeint.« Darauf schrieb er da was un frächt mir denn, wie ich heiße. Ich sage: ich bin Herr Buffey; ich wohne in de neue Kommandantenstraße un habe vorne eine kleine Tebajie un hinten hab' ich ein Jartenvergnügen.« – »Wie alt?« – »Sechs un virzich!« sag ich, »ich jehe in's sieben un virzichste, den dreizehnten October werd' ich sieben un vierzich, zwee Dage vor den Kronprinzen sein Jeburtstach.« – »Schon jut!« sagt er, »welche Reljon?« – Ich sage »lutherisch,« un so frächt er mir aus, als wenn ich ein Verbrecher wäre; un so wie er fertich is, so kommt der andere wieder un frägt mir »sagen Se mir mal, Herr Buffey«, sagt er, »wie heißt'n der Mensch, den Sie verklagen wollen?« – »Ja,« sag' ich, »das weiß ich nich!«

»Hören Se,« sagt er, »das is schlimm! Wissen Se vielleicht, wo der Mensch wohnt?«

»Nu!« sag' ich, »das will ich wissen, er wohnt in der neuen Friedrichsstraße!«

»Welche Nummer?« – »Ja,« sag' ich, »das weiß ich nich, da fragen Se mir zu viel!«

»Hören Se,« sagt er, »Herr Buffey, das is sehr schlimm! Nu wissen Se was? Nu bezahlen Se funfzehn Silbergroschen Instructionsjebühren, un denn wird der Prozeß schweben.« –

Ich bezahle also das Jeld un jeh' zu Hause, un erzähle des meine Schwester. So sagt sie: »Schweben?« sagt sie, »na, na, Buffey!« – Ich sage: »laß des jut sind. Du wirst es sehen, daß ich die Sache durchsetze!«

Sehen Se, nu wart' ich Ihnen vier Wochen uf de Absolution, es kommt keine. – Ich warte noch vierzehn Dage – es kommt richtig keine Absolution. Also nu werd' ich sehr eeklich, denn ich bin Bürjer un man hält mir hin, das heißt: man verzöjert die Sache. Ich geh' also wieder nach des Stadtjericht; ich treffe richtig eben den Refendarjus, setze mir in Position un sage zu ihm: »Sagen Se mal,« sag' ich, »wie is des mit meinen Prozeß! Des is ja eine Schwerenoths-Jeschichte! Sie haben mir doch versprochen, daß der Prozeß schweben wird!«

»Ach,« sagt er, »Sie sind Herr Buffey? Ja,« sagt er, »hören Se mal, der Prozeß schwebt noch!« – »So,« sage ich, »na wissen Se was, wenn er noch schwebt, denn können Sie mir im Martinischen Kaffeehause Lectüre vorlesen!« sag' ich, un so wie ich des jesagt habe, so faß' ich mir'en Herz un kratze aus! Also der Refendarjus un alle die andern hinter mir her; ich de Könichstraße runter, sie mir Alle nach, un wie wir an de Poststraße kommen, so kommt der Stadtjerichtsminister, der hält den ersten Refendarjus uf un sagt zu ihm: »Um Jotteswillen,« sagt er, »was wollen Se denn von den Menschen?« »Ja,« sagt er, »der hat jesagt, ich un wir Alle könnten ihm« – »Nu!« sagt er, »meine Herren, des hat ja nich solche Eile; laßen Se doch den Menschen Zeit!« –

Uf diese Weise hatte ich also meinen Prozeß jeendigt; nu will ich Ihnen noch erzählen, wie ich zu mein Jeld jekommen bin. Sehen Se, am 24sten Aujust is immer Stralower Fischzuch, da jeh' ich jedesmal mit meine Schwester un en paar jute Freunde raus. Wir nehmen uns ein paar Pullen Branntwein mit, un Brod, un Schinken, das heißt mit einem Wort: wir versorgen uns. – Also ich sitze am verjangenen Fischzug ooch da; wir hatten uns en paar Jläser Weisbier jeben lassen und waren sehr verjnügt, wir erheiterten uns nämlich. So seh' ich mit einem Male den jungen Menschen unter die Menge Leute; – ich bleibe ruhig sitzen un denke: du wirst mir schon kommen, denk' ich, un richtig! der junge Mensch jeht zufällig dicht an unsern Disch vorbei, un so wie er mir jewahr wird, so sagt er: »I Jeses!« sagt er, »Herr Buffey! Wie kommen Sie denn hierher? des is mir lieb, deß ich Ihnen endlich mal finde; ich muß Ihnen was sagen!« So zieht er mir bei Seite un sagt zu mir: »Herr Buffey, Sie wissen doch noch, deß ich Ihnen fünf Dahler schuldig bin?« – »Na, ob!« sag ich. »Wissen Se was?« sagt er, »wir treffen uns hier heute, wir wollen heute fidel sind; wir wollen – eine Bowle Punsch zusammen drinken!«

»Das können wir!« sag' ich, un so ruft er den Markör; wir setzen uns, un so wie die Bowle Punsch kommt, so sagt er: »Herr Buffey wird se Ihnen bezahlen, das is der Bürger Herr Buffey, der kann das! – »Ja!« sag ich, »das kann ich!« denn ich konnte mir doch nichts verjeben, man hatte meinen Namen jehört, und man kennt mir in de Stadt. Also ich sage: »was kost't die Bowle?« sag' ich un greife in de Tasche. – »Fünf Dhaler!« sagt der Markör. – »Hier sind se!« sag' ich, un so schmeiß' ich ihm das Jeld hin, des heißt einen Tresorschein, nennt man das. Wir drinken; wir werden sehr munter, der junge Mensch macht Witze, wir lachen über ihn, wir finden ihn sehr putzig, er sagt een Mal über's andere: »Herr Buffey!« sagt er, »des läßt sich jar nich bezahlen, deß ich Ihnen heute hier gefunden habe; Sie sind ein Mann, mit dem sich umgehen läßt!« Jenuch, wir sind ochsig vergnügt, un wie wir so mitten drin sind, so ruft mir der junge Mensch wieder bei Seite un sagt zu mir: »Hören Se mal, Herr Buffey,« sagt er, »wir müssen uns auch noch berechnen!«

»I«, sag' ich, »das hat jute Wege!«

»Ne, ne!« sagt er, so was muß man nich uf schieben; es ist mir lieb, daß wir uns heute ausjleichen können. Ich bin Ihnen fünf Dhaler schuldig; Sie haben fünf Dhaler vor de Bowle Punsch bezahlt; fünfe un fünfe hebt sich, folglich sind wir quitt! – Sehen Se, auf diese Weise bin ich mit den jungen Menschen auseinanderjekommen.«

 


 


 << zurück weiter >>