Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Eine ganz kleine Novelle

(1838)

Der Rentier Puse, ein Mann in den Vierzigern, von kleiner Statur, sehr dumm und häßlich, gedenkt sein Wittwer-Leben zu beschließen, und läßt folgendes Heiraths-Gesuch in die hiesigen Zeitungen rücken:

»Ein nicht ganz unbemittelter Mann in den besten Jahren sucht eine Lebensgefährtin zur Ehe, die wo möglich auch Mittel hat. An stillen Lauf gewöhnt, fehlt es ihm an Ausbreitung seiner Bekannten und daher Einschlagung dieses Weges, unter der besten Discretion. Adressen unter O. W. nimmt das Int.-Comtoir an.«

Schon am nächsten Tage findet Herr Puse eine Adresse, welche ihm das Glück seines Lebens bringen soll; er nimmt deshalb eine Droschke und fährt bezeichnetermaßen nach der »Padden-Gasse No. 79, zur Wittwe Pinkert.« Er findet diese Ehestands-Kandidatin auf dem Hofe mit Aufhängen der Wäsche beschäftigt, und überzeugt sich sogleich, daß auch sie über die ersten Jugendthorheiten hinaus ist, und sich einer erstaunungswerthen Magerkeit, schlechter Zähne, einer sehr langen Nase und böser Augen erfreut. Im Uebrigen hat sie alle Vollkommenheiten einer verblühten Schönheit, und drückt durch ihr Betragen so viel Jugend aus, als man ihr kaum zutrauen möchte, je besessen zu haben. Herr Rentier Puse ist sehr unangenehm überrascht und findet seine Adressatin schrecklich; indessen erlaubt ihm sein höchst bescheidener und ängstlicher Character nicht, ihre Einladung, die kleine Hoftreppe hinauf zu folgen, abzulehnen, und er klettert deshalb mit Hülfe seines dicken Bambus nach. Hier oben entspannt sich folgendes Gespräch:

Mad. Pinkert (immer sehr sicher und schnell redend.) Sie sind also der Herr, der des Heirathsjesuch hat inricken lassen? Wie ist denn Ihr werther Name?

Puse (immerfort sehr verlegen.) Puse, Rentier. Früher war ich Strumpfwirker, jetzt hab ick mir aber zurückjezogen. Un Sie, wenn ich fragen derf?

Mad. Pinkert. Sie wissen ja schon meinen Namen, Herr Puse!

Puse. Ja, des woll, aber Ihre andern Umstände kenn' ick nich.

Mad. Pinkert. Ich bin schon seit sieben Jahren Wittwe; mein Mann war Briefdräger un starb jleich anderthalb Jahr nach unsere Verheirathung.

Puse (sie groß ansehend). So? – Ach, des is schade!

Mad. Pinkert. Mein Vermöjen besteht freilich man blos aus fünfhundert Dhaler, aber ick habe wirthschaften jelernt un weeß mir inzurichten, un Dieses kennen Se jlooben, Herr Puse, eine bessere Hausfrau kriejen Sie in Ihren janzen Leben nich. Wie viel haben Sie denn?

Puse. Ick? Ich habe so jejen sechshundert Dhaler Zinsen.

Mad. Pinkert. So? Nanu sehn Se mal, mein lieber Puse, des würde sich ja sehr jut mit uns Beede machen, wenn ick Ihnen überhaupt anstehe. Sie haben des Ihrige, un ich, natürlich es is wenig, aber es macht sich doch. Bitte, setzen Sie sich doch! Ne, nich da! kommen Se man hier uf den Stuhl neben mir! So! Sehen Se woll; wenn wir erst verheirathet sind, un de Küche un Allens is in Ordnung, da können wir ofte so unser stilles Jlück jenießen.

Puse. Ja woll! Also – (er weiß vor Verlegenheit nicht, was er sagen soll) – Sie meinen – Ja, – eigentlich – natürlicherweise – man kann sich ja jejenseitig überlegen, man muß sich doch eigentlich erst kennen lernen. Sie fangen sich auch mit einem P. an. Was war denn Ihr werther Mann?

Mad. Pinkert. Ich habe es Ihnen ja schon jesagt: Briefdräjer!

Puse. Ach ja, ja richtig, Briefdräger, richtig! Er war woll bei de Post anjestellt?

Mad. Pinkert. Na, wo denn sonst? Sie sind woll manchmal en bischen zerstreut, discret, Pusechen? (Sie streichelt ihm die Wange) Na schadt nischt, schadt nischt, des wird sich später Alles finden. Was is denn Ihr Lieblingsgerichte, Pusechen?

Puse. Quetschkatoffeln un Karmnade, un Sauerkohl un Bratwurscht.

Mad. Pinkert. Des is aber merkwürdig, liebes Puselchen, wie wir darin Symparthie! Quetschkartoffeln mit Karmnade, sehen Sie, des is vor mir eine wahre Wonne, un mit Sauerkohl un Bratwurscht kann mir Eener in meine letzte Stunde noch vergnügt machen. Un wie ich Ihnen die beeden Jerichte koche, da sollen Sie Ihre Freude dran haben. Sagen Se mal, wie is es'n mit Hammelfleesch mit Bollen?

Puse. O, des eß ich auch recht jerne, aber recht saftig muß es sind, und recht viel Bollen.

Mad. Pinkert. Ja, versteht sich; un wie is es'n mit Milchreis un Schweinebraten?

Puse. Ne, Madam Pinkerten, mit Schweinebraten kann mir Eener jagen; der is mir zu fett. Die Kurschte oben druf, det wär' noch des Eenzige, wenn se recht knusprig ist, aber det lohnt doch nich der Mühe, det Sie Schweinebraten, wenn Sie ihm nich jar zu jerne essen, vor uns machen.

Mad. Pinkert. Ne, ach Jott, um meinentwegen man jar nich. Ick habe's ja man blos Ihrentwegen, denn ick un Schweinebraten, wir Beede können uns jar nich besehen. Wie is es denn, essen Sie denn alle Dage en Süppken, Puselchen?

Puse. Nein, liebe Madam Pinkerten, damit bemühen Sie sich nich. Ick mache mir nich viel aus Suppe.

Mad. Pinkert. Apripos, Puselchen, sind Sie denn mit Ihr Logis so einjericht't, daß eine Frau jleich noch da wohnen könnte? Oder haben Sie man, was Sie vor sich brauchen?

Puse. Ne, ne, janz bequem kann ick eine Frau bei mir placiren. Meine fünf Kinder wohnen ja ooch Alle bei mir, ick erziehe sie ja selbst, un des Dienstmächen ooch.

Mad. Pinkert. Also Sie haben ooch Kinder, nu seh! Ja, ich ooch, ich habe aber man zwee Stück, die sind jetzt in de Schule. Ach, hören Se mal, Puselchen, wissen Se was, ich wer' mir mal jleich den Umschlageduch umbinden un den Hut ufsetzen, un mit Ihnen jehen, um mir des Quartier anzusehen.

Puse. Schön, des dhun Sie, Madam Pinkerten! Ick will Ihnen Alles zeijen, wat ick habe. Vorne eene Stube mit een Fenster un eene mit zwee Fenstern, denn kommt en langer Alkowen, der'n bisken finster is, denn kommt eine jroße Hinterstube mit een Fenster, denn kommt de Küche, die Ihnen sehr jut jefallen wird, un denn is janz hintennach 'ne Kammer, wo't Mächen drinn schläft. Erlauben Se, des ick Ihnen behilflich bin! – (Er hilft ihr das Tuch umnehmen.)

Mad. Pinkert. Bitte, bitte, ick danke Ihnen! Na, wenn Ihnen nu jefällig is?

Puse. Derf ick Ihnen meinen Arm anbieten, werthe Madam Pinkerten? So, fassen Sie mir unter.

Mad. Pinkert. (indem sie die Treppe hinuntersteigen.) Sie sind sehr nobligant, lieber Puse, ich freue mir wirklich sehr auf unserer Ehe.

Puse. Bitte, ich mir auch.

Sie gehen in die Wohnung des kleinen Rentiers. Madame Pinkert spielt die Aufmerksame und Liebevolle, läßt ihre beiden Kinder aus der Schule holen, speist zu Abend mit ihrem Freier, und zeigt viel taktische Kenntnisse, namentlich in Hinsicht auf Angriff und Belagerung. Schon einmal hatte sich Puse auf solche Weise überrumpeln lassen, und in einer zehnjährigen unglücklichen Ehe Muße gefunden, seinen leichtsinnigen Schritt zu bereuen. Trotzdem gestaltet diese Geschichte sich so, wie es, in Berücksichtigung der Charaktere, leicht vorauszusehen war. Er, Puse, der Rentier, ist zu ängstlich, der windgeflügelten Ehewuth der verwittweten Frau Briefträger männlich entgegen zu treten; er wagt es kaum zu denken, daß ihre physischen und geistigen Eigenschaften ihm unangenehm erscheinen, geschweige ihr zu sagen, und so wird er, von Liebkosungen und Aufmerksamkeiten halb erstickt, ohne Erbarmen vor den Altar geschleppt, wo er mit beklommener Brust sein Ja ausspricht.

O schnöde, unvollkommene Welt! Puse hat zwei Mal geheirathet und nie geliebt!

 


 


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