Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Komische Scenen

(1838)

I
Zwei Straßenkammerdiener oder Kutschenaufmacher

Pieker. Ju'n Morgen, Schäbedanz! Comment vous Portujal?

Schäbedanz. Ick danke Dir, Pieker, so so: Fortepiano!

Pieker. Det freut mir. Haste Spanduzke'n lange nich jesehn?

Schäbedanz. O ja, aberscht mit den steht et jetzt karanzett; wenn der sich noch eemal verlooft, denn heeßt'et Parthie mit ihm.

Pieker. Nu sage mir aber mal, wat macht denn die Flieje?

Schäbedanz. Wat er macht? Jar nischt macht er! Wat soll er'n machen? Er dusselt so rummer, holt Athen un krazt sich, wenn ihm wat beißt.

Pieker. Na, aberscht davon kann er sich doch nich nähren! Er muß sich doch nähren! Oder seht er sich etwa de Victewalienschilder an, un wird davon satt?

Schäbedanz. Ne, det nich! Ne ick will Dir sagen, manchmal hat er so sein Jeschäft, denn jeht er so uf de Straße rum, un sucht nach anjemess'ne Belohnungen. Neulich is der arme Kerrel um fufzig Dhaler jekommen.

Pieker. Wie sodenn um fufzig Dhaler? Wie kann denn der Kerrel um fufzig Dhaler kommen?

Schäbedanz. Na ja, janz natürlich! Es hatte Eener was verloren, un setzt fufzig Dhaler Belohnung in de Zeitung, wer ihm des wiederbringt. Un der arme Kerl, der Spanduzke, find't des nich!

Pieker. Ach so! Na, aberscht, hör' mal Du, da kann er ofte um Jeld kommen.

Schäbedanz. Ja, ick will Dir sagen, er hat des Jeschäft ooch manchmal blos zum Vorwand. Zum Exempel als Beispiel neulich. Neulich find't er an einen Laden, wo Strumpfwirker zu haben sind, da find't er en paar Strümpfe, un wie sie ihm dabei kriejen, so sagt er, er hätte man blos nachsehen wollen, ob die Banknoten nicht darin gefallen wären, die in de Zeitung unter Verlorne Sachen stehen. Sehste, so macht er't!

Pieker. Un denn lassen sie ihm loofen?

Schäbedanz. Na freilich! Erscht jeben sie ihn Eens uf de Klinke, un denn lassen sie ihm loofen, atje! Neulich fand er ooch in de Jäjerstraße een jroßes Umschlajetuch, un wie se ihm dabei erwischten, da versichert der Kerrel uf seine Ehre, er hätte man blos Frangen dran setzen wollen, ohne Franjen wär'n se nich mehr Mode.

Pieker. Is et möglich? Un Die ließen ihm ooch loofen?

Schäbedanz. Erscht niche, aberscht nachher später. Erscht, wie er den Duch jefunden hatte, da schrien se, halten Dieb! un dadurch fühlte er sich so beleidigt, deß er noch schneller lief. Mit een Mal, wie er um eene Ecke rennen wollte, so hielt een Schnittwahrenhändler sein Schild vor, un da rennt Spanduzke jrade jejen de Firma. Un zwarscht so, det uf die eene Brüsche: et Compagnie stand.

Pieker. Det wird weiter keenen Eindruck uf ihn gemacht haben; er hatte immer ein Brett vor den Kopp.

Schäbedanz. Ja, des is wahr, des Pulver hat der Spanduzke nich erfunden! Wenn et nach Den jinge, denn schössen wir heute noch mit Flitzbojen.

Pieker. Na, aber hör' mal, immer wird sich doch der Kerrel nich von anjemess'ne Belohnungen nähren können! Eenmal werden se ihm doch mal ein'je Belohnungen anmessen, die weh dhun, wat? Immer werden se die Kalitte doch nich fliejen lassen? Jloobste nich ooch, det se ihn mal in den Kescher kriejen un ufspannen?

Schäbedanz. Ja, det is plausibel! Nischt is so fein gesponnen, et kommt an's Licht der Sonnen; man kann sich zehn Jahre lang en Splinter inreißen, wenn't mal mit en Mastboom geschieht, denn merken se't doch! Ja, ick will Dir sagen, heute oder morgen findt der Spanduzke doch mal seine Bestimmung. Der Schmooltopp sprudelt so lange über, bis mal an jeden Henkel ein Soldate anfassen dhut.

 
II.
Drei Eckensteher

Kalbach (auf der Treppe eines Eckhauses liegend). Du, Schweppke, da kommt Scheef! Wat wird'n Der wieder erlebt haben, wat nich wahr is! Sehste, er zieht eben seine Carline raus un küßt ihr nach Abzug des Proppens. So! des soll Dir woll schmecken! det jlob' ick!

Scheef (sich zu seinen Kammeraden legend). Ju'n Morgen, numerirte Menschen. Wie jeht et'n Dir, 93?

Schweppke. Ick danke Dir! ich befinde mir unter 100.

Scheef. Un dir, Kalbach, jeliebte 49?

Kalbach. Wie't so'nen Menschen gehen kann wie mir. Duse! Ick bin erst 35 und gehe schon in de fufzig. Wo kommst Du'n her?

Scheef. Ick war vor't Schönhauserne Dhor, un habe da ne wichtje Erfindung gemacht, die mir vielleicht reich machen kann; ick habe nämlich rausjekricht, wie man de Sonnenstrahlen disteliren un uf Flaschen ziehen kann.

Kalbach. Na, na, lüje man nich wieder!

Scheef. Ick jebe Dir jleich ne Maulschelle, wenn de zweifelst! Die Jeschichte hat mir Mühe jenuch jekost. Seit zwee Jahren hab' ick daran robirt un jearbeet.

Schweppke. Na wozu nützen nu aber sonne distelirte Sonnenstrahlen?

Scheef. Schafskopp! Wozu soll'n se nützen? Vor den Winter nützen se! Mit een viertel Quart kannste 'ne jroße Stube inhitzen. Wenn't recht kalt is, denn nimmste son'ne Pulle, machste'n Proppen uf, un läßt so ville raus, bis Allens warm is.

Schweppke. Na höre, bange machen jilt nich! Ick jlobe, det wer 'en woll Strahlen von die Sonne bei Kröchers sind.

Scheef. Du wirst jleich 'ne Maulschelle kriegen, wenn De zweifelst. Ick bin nu eenmal en merkwürdijer Mensch, det beweist schon mein Himmelszeechen. Ick bin unter'n Steenbock jeboren. Un jleich, wie ick da war, konnt' ick schon sprechen.

Kalbach. Na, na!

Scheef. Ja, ick strampelte mit de Beene, drehte mir zu meine Mutter um un sagte: Wie so?

Kalbach. Wat hat'n Deine Mutter daruf erwiedert?

Scheef. Sie sagte zu mir: Junge, nu dreibe Dir in de Welt rum un drinke nich zu ville!

Schweppke. Een jehorsamet Kind biste ooch nich jeworden.

Scheef. Erlaube mal erst, wat ick wieder darauf erwiedert habe. Ick sagte: Man kann jar nich zu ville drinken! Un dadruf drehte ick mir wieder um un sagte: Amme! Schnaps!

Kalbach. Kinder, mir is etwas quabblich zu Muthe.

Scheef. Jeh' uf de Spittelbrücke un angle Dir en paar Sardellen.

Kalbach. Wie so'den da Sardellen?

Scheef. Det weeßt De noch nich! Nu seh! Ick habe ja da vor vier Wochen zwee Stück Sardellenböcke in de Spree jeschmissen, un die haben jetzt alle Stekerlinge veredelt.

Schweppke (lächelnd). Na höre, Du bist heute wieder jut bei Lüje!

Scheef. Wenn De zweifelst, stech ick Dir Eene, un zwar 'ne Jute. Ick habe so neulich erst Eenen Eene bei Moewessens jestochen, deß der Kerl mitten durch 'ne zugemachte Tonne flog. Apriko! habt Ihr denn schon den Kunstückmacher draußen in de Springerbude jesehen?

Kalbach. Non oder Ne: such' Dir aus.

Scheef. Ick habe mir neulich rinderjedrängelt, des heeßt uf den Jratisplatz; nachher wollt' ick mir zwee Jroschen wieder rausjeben lassen, des dhaten se aber nich. Der Kerrel macht wirklich schwierige Sachen; zum Exempel: er faßt sich vor de Brust un hält sich ne viertel Stunde lang in de Höchte. Nachher stellt er sich uf ne Putellje Weisbier, knippert mit den eenen Stiebel de Strippe uf, zieht den Proppen ab, un mit den andern Fuß jreift er geschwinde unter de Putellje, jibt ihr en Schubs, det se ihm grade vor den Mund kommt, drinkt se aus, bleibt so lange in de Luft stehen, un schiebt nachher mit beede Füße die Pulle wieder unter seine Beene, un bleibt druf stehen.

Schweppke. Schwerebrett, det is ville! Un da haste nich mal Entrée bezahlt?

Scheef. I wo wer' ick denn vor so was Entrée bezahlen! Seh' mal, de Hauptsache kann ick ja alleene. Die Putellje Weisbier drink' ick so jut aus wie Er, bloß deß ich des nich mit de Beene dabei mache. – Apriko! habt Ihr denn schon von des Unjlück in de Kanonierstraße jehört?

Kalbach. Ne, wat is denn da vorjefallen?

Schweppke. Da is woll en Steensetzer von's Jerüste jefallen?

Scheef. Ne ernstlich! Seht mal, vor zwee Dagen in de Kanonierstraße, da sitzt uf de Seite en Kind un spielt. Un nu kommt mit een Mal uf den Damm ein Wagen, un der Kutscher fährt immerzu, bis er nich mehr zu sehen war.

Kalbach. Na, un des Kind?

Scheef (steht auf). Des Kind spielte weiter, und jing nachher ruf bei de Eltern un erzählte den Vorfall. Der Vater is mein Freund, un hat'n mir selbst mitgetheilt.

Schweppke. Du, die letzte Jeschichte jloob' ick.

Scheef (geht fort, ohne sich umzusehen). Det dank' Dir der Deibel!

 
III.
In einer kleinen Leihbibliothek

(Sämtliche Bücher liegen auf mehreren Tischen bunt durcheinander. Der Besitzer, ein kleiner, beweglicher Mann mit einem verdrüßlichen Gesicht, raucht aus einer langen Pfeife. Sein Kind, ein kleines Mädchen von zwei Jahren, sitzt hinter dem Ladentische und spielt.)

Eine Dame (tritt herein). Haben Sie nicht die Gedichte von Anastasius Grün?

Besitzer. Nein, des is nich zu Hause. (Die Dame geht).

Ein junger Mann. Hören Sie, ich sollte fragen, ob Sie die Dioscuren von Theodor Mundt hätten?

Besitzer. Die Ochskuren? Was soll des sind? Ochskuren, des Buch kenn' ich jar nich! Wonach die Leute noch Allens fragen! Des is nich zu Hause! (Der junge Mann geht.)

Ein Hausknecht (legt ein Buch hin). Hier, von Herrn Walter.

Besitzer (schiebt die Brille von der Stirn auf die Nase). Na, haben Se keenen Zettel? Was soll'n Se'n bringen?

Hausknecht. Jlück von Laube.

Besitzer. Des Jlück is nich zu Hause.

Hausknecht. Oder der junge Dischlermeester von Tik oder Kiek, eens von Beeden!

Besitzer. Der junge Tischlermeister is auch nich zu Hause!

Hausknecht. Er is woll in de Tabajie jejangen?

Besitzer. Ach, machen Se hier keene Witze! Jehen Se wieder rüber un fragen Se, wat de Herrschaft vor'n Buch haben will, hör'n Se! (Der Hausknecht geht.)

Besitzer. Dumme Witze! Wenn man alle die Bücher haben sollte, wonach die Leute fragen, man verdiente nich'n Sechser.

Seine Frau (ruft aus dem Nebenzimmer). Aber Ludewich, so komm' doch Kaffedrinken!

Besitzer. Ich komme schon! (schiebt die Brille auf die Stirn und geht in das Nebenzimmer)

Ein Herr (tritt in den Laden und sieht sich überall um). Niemand hier?

Das Kind (hinter dem Ladentische). Was wollen Sie'n?

Der Herr (sucht den Fragenden und bemerkt endlich das kleine Mädchen). Aha! Ich möchte gern ein Buch haben.

Das Kind. Des is nich zu Hause! –

Besitzer. Was is denn hier? Ach so! Was steht zu Ihren Diensten!

Der Herr. Haben Sie vielleicht Göthe's Briefwechsel mit einem Kinde, von der Bettina Brentano?

Besitzer. Ne, ne, ne, ne! Von Jeth'n jarnischt, der jeht bei mir nich! Des Kind is da, des is hier unten, aber mit die Briefwechsel halt' ich mir nich uf.

Der Herr (lächelnd). So? (geht ab).

Eine Schneidermamsell. Hier is des Buch von Clauren wieder; ick möchte jern den zweiten Theil haben?

Besitzer (schiebt die Brille von der Stirn auf die Nase). Was is denn? Sie haben ja woll... (er wühlt unter den Büchern umher). Da is der zweite Theil! (Die Schneidermamsell geht).

Eine Köchin. Ich mechte jerne en anders Buch haben!

Besitzer. Na man schnell, was denn vor eens? Da kommen noch mehr Leite! Wollen Se wieder en Räuberroman? Hier, da haben Se'n recht jraulichen!

Die Köchin. Ne, den will ich nich. Ich mechte jern mal was Orndtliches haben, was Würdijes. Haben Se nich ein Buch von Schillern?

Besitzer. Des is nich zu Hause, aber des schadt nichts! (er langt ein Buch). Da haben Sie eins von Leibrocken, des is eben so jut, des is Schillern sein Schwager!

Die Köchin. Scheen! (sie geht mit dem Buche ab.)

 
IV.
Der Fiaker

(Neun Uhr Abends, es stürmt und regnet, die Straßen sind stockfinster. Ein Fiaker kommt langsam dem Schloßplatze zu, der Kutscher ist dicht in seinen Mantel gehüllt und singt: Willkommen, o seliger Abend!)

Ein Herr . Gott sei gelobt und gedankt, endlich ein Wagen! Heda! Kutscher! (für sich). Er hört nicht? Am Ende ist's nicht einmal ein Fiaker. (ruft wieder). Heda! Bist Du ein Fiaker?

Kutscher. Ja, steijen Se man rin; ich bin der Acker.

Der Herr. Nein, ist das aber ein Wetter!

Kutscher. Ja, et is en Hundewetter! Schauderöses Wetter! Man könnte zwee schlechte Wetter draus machen.

Der Herr (indem er einsteigt). Und diese Finsterniß!

Kutscher. Ja, et steht wieder Mondschein in'n Kalender. Die Jasleute können übrijes nich davor; worum ist der Mond tücksch! Man kann nich ne Hand vor Oojen sehen; morjen reiß' ick mir aber des Blatt aus den Kalender raus, wo der Mond scheint, wenn't wieder so finster is.

Der Herr. Das mit den neuen Fiakern ist eine vortreffliche Einrichtung; aber es sind noch immer nicht genug.

Kutscher. Na hören Se, noch nich jenuch? Des jeht an! Ick bin schon alleene Eener, un nu kommen noch alle die Andern! (Die Marke gebend.) Wo wünschen Sie'n hin?

Der Herr. Nach der Kochstraße.

Kutscher. Ach, herjeses, nach de Kochstraße, na det fehlte mir noch! Hü! Hü! Ne, da muß ick doch bitten, det Sie zu Ostern näher ziehen. (Im Fahren.) Na, Pferdeken, loof man zu, vertritt Dir en Bisken de Beene; Du bist man heute erst höchstens fünf Meilen jeloofen; mach' Dir jetzt en bisken Bewejung, des Wetter is so hübsch. Et rejent so niedlich, un stürmt so anjenehm: vor vier Jroschen Curant kann man nich mehr Vejnüjen verlangen.

 


 


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