Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Die Landparthie

(1838)

Personen

            Ferdinand Bläschen , Seifensieder.

Henriette , seine Frau.

Auguste, Ludwig, Iphigenia , ihre Kinder.

Herr Meyer, Handlungsdiener.

Herr Schmidt , Privat-Sekretär.

Herr Lerche , Korbmacher, Henriettens Bruder.

Friederike , Köchin bei Bläschen.

Der Kutscher.

Es ist Sonntag, vier Uhr Morgens. Der Nachtwächter zieht eben die Klingel; Bläschen und Henriette erwachen.

Bläschen (reibt sich die Augen, reckt sich und gähnt). Aaach, du lieber Jott, da is schon der Nachtwächter.

Henriette. Na nu besinne Dir nicht lange, Bläschen, steh' uf un wecke de Rieke; det Mensch hat en Schlaf wie 'n Kanonier, die wacht von det bisken Klingeln nich uf.

Bläschen (springt aus dem Bette und zieht sich an). Ja, det is wahr, des Mächen kann wat Ehrliches schlafen – gu'n Morjen, Jettken – na, übel nehmen kann man 't ihr nich – (er sucht) na, wo is denn der eene Strumpf jeblieben? – se hat sich ooch zu puckeln den janzen Dag über – ne, det is doch arch, wo der Strumpf is! Seh' mal, Jettken, ick kann den eenen Strumpf nich finden; ick habe mir doch nich Eenen wo anders ausjezogen.

Henriette (noch im Bette liegend.) Bläschen, verderbe mir nich jleich wieder die janze Landparthie! Ick habe Dir jesagt, Du sollst Rieken wecken, un Du suchst janz ruhig Deinen Strumpf!

Bläschen. Na aber, Jettken, so sei doch man nich jleich wieder so verdrüßlich! Immer fidele, Weibeken! Ick kann doch nich mit eenen Fuß in de bloße Beene gehen! (Er sucht immerfort) Ick kann mir ja erkälten. Da is er! Nu seh' mal, stecht det Biest in den eenen Stiebel! Nanu wer' ick jleich die Rieke wecken. Wat soll sie'n dhun, Jettken? Soll se de Kinder anziehen?

Henriette. Ach, warum nich jar? Erst soll se Kaffe kochen; aber se soll zwee Loth nehmen, weil die Andern ooch noch 'ne Tasse mitdrinken werden.

Bläschen. Schön, ick werd't ihr sagen. (er geht durch die Kinderstube) Aujuste, Döchterken, steh' uf Mächen, un zieh' de Kinder an, et is schon en Viertel uf Fünfe. (er schreit zur nächsten Thür hinaus) Rieke! Rieke! Steh' uf, pusle Dir en bisken, mach fix! Zieh' Dir an, un nimm zwee Loth heute. Recht ville Kaffe; die Andern drinken ooch mit! (er tritt zurück in die Kinderstube) Na, Iphijenia, steh uf mein Puselken, Kaffedrinkeken, Spazierenfahrenken! Ludwig, Auguste wird Dir't Morjenjebet überhören, un denn schreiste nich wieder, wenn se Dir kämmt. (er geht wieder in seine Schlafstube.)

Henriette. Haste denn schon nach't Wetter jesehen?

Bläschen. Ne, herrjees, det hab ick janz verjessen! Na, schadt nischt, immer fidele Jettken, ick will mir man erst 'ne Pfeife stoppen. So, so! Kotz Schwerebrett, wo is denn nu schon wieder det fixe Feuerzeig? det hat gewiß wieder de Rieke mit hinter jenommen. Ick muß mal jleich nachsehen. (er geht wieder durch die Kinderstube bis in die Küche). Richtig, da is et! Aber Rieke, ick habe Dir schon so oft jesagt, Du sollst mir det fixe Feuerzeig nich wechnehmen! (er zündet sich die Pfeife an und kehrt zurück) Zwee Loth, Rieke, verjeß' nich! – Aujuste, spute Dir 'n bisken, – rabolzt nich so in de Betten rum, Kinderkens! – Eh'r Du Dir de Haare machst, daweile lof ick von hier nach Charlottenburg hin un zurück. – Siehste, Jettken, wie ick Dir sagte, det fixe Feuerzeug stand richtig in de Küche. Nanu will ick aber ooch nach't Wetter sehen; et scheint mir en bisken trübe, aber det kann ooch blos von den Morjen sind, weil't noch früh is, da sieht et gewöhnlich so'n bisken neblich aus.

Henriette. Du Bläschen warte mal! Frage doch mal erst de Rieke, wo se meinen Unterrock hingelegt hat.

Bläschen. Ja, mein Jetteken, ick will jleich mal fragen. (er geht in die Küche und kommt schnell zurück). In den mittelsten Kasten von de Kommode, Jettken! Na, nu will ick mal nach't Wetter sehen. (er geht in die Wohnstube, schaut zum Fenster hinaus und kehrt wieder um). Du, det wird am Ende Essig werden mit unsre Parthie, Jettken. Von 't Rejenloch her, von Spandow, kommen janze dicke Wolken rübergezogen; ick jloobe, et wird jleich drippeln. Na, det wär 'ne scheene Jeschichte, wenn aus die Landparthie 'ne Wasserparthie würde! Den jroßen Kälberbraten von 14 Pfund, un die Masse Kaffekuchen un Schlackwurscht un holländischen Käse! Na, aber man fidele, umkommen dhut ja doch nischt nich bei uns, un am Ende klärt et sich doch noch uf.

 
Eine halbe Stunde später

Lerche (tritt schwerfällig in die Wohnstube). Jun Morjen, Kinderkens! Jun Morjen Jette, jun Morjen Schwager, jun Morjen Aujuste, jun Morjen Bäljer! Na, Ihr sitzt Alle schon ufjewichst bein Kaffe? Det is recht, det freut mir; pladdere mir mal ooch eene Tasse in, Aujuste! (er setzt sich.)

Bläschen. Na, wat sagste'n aber dazu, daß noch Keener nich hier is von die Andern? Un der Wagen ooch noch nich? Un det Wetter, wie?

Lerche. Ach wat! Wetter hin, Wetter her! Det Wetter wird uns nich fressen! So lange wie et keene Kanonenkugeln rejent, laaß ick mir nich irretiren.

Auguste. Aber, Onkel, Sie bedenken nachher nicht unsere Füße auf dem nassen Lande! Wir erkälten uns.

Lerche. I Jott bewahre, denkt nich dran an Erkälten! Seh mal her, wat ick vor Stiebeln anhabe! Det sind Stiebeln! Die sind wasserdicht.

Bläschen. Ja, aber meine, die sind ooch wasserdicht. Det heeßt, wenn da des Wasser drinn is, denn jeht es nich wieder raus. (Die Kinder zanken sich und schreien.) Na, wollt Ihr ruhig sind, Jeerens, oder ick spunne Euch in de Kammer, un laß Euch janz alleene zu Hause! Iphijenia, Jierpansch, wirste jleich Ludwichen det Stück Semmel wieder jeben! Den Oojenblick jibste't wieder!

Henriette. Bläschen, ick weeß nich wie Du bist! Immer un ewig sitzt Du uf de Iphijenie! Ludwig kann vor Dir dhun, wat er will.

Bläschen. Jettken, det is nich wahr, ick bin janz unparthei'sch, aber ick will mir man nich immer de Ohren voll quängeln lassen. (er steht auf und schaut zum Fenster hinaus.) Keene Seele, weder Schmidt noch Meyer! Det sind Menschen, die versprechen immer Allens, un denn verschlafen Se de Zeit. Un der Wajen kommt ooch noch immer nich! (zu den Andern) Det scheint sehr zu stuckern mit unsre Landparthie, Kinderkens! (zum Fenster hinaus) Herjees, un det Wetter! Dahinten sieht et doch jerade aus, als ob de Welt unterjehen sollte. Ick bin immer so'n Pechvogel: ick brauch' mir man nankingne Hosen anzuziehen, denn dreescht et! – Na endlich, da kommt Eener um de Ecke, det is Schmidt! (sich wieder setzend) Na, nu fehlt man blos noch Meyer un der Wagen un jut Wetter, denn kann et fidele werden.

Friederike. Madam, ick habe Allens injepackt! Die beeden jroßen Körbe sind janz voll jeworden. Wat is denn nu noch zu thun?

Henriette. Nu mußte noch Brod un Semmeln von Bäcker holen. Aujuste, jreif mal in meinen Pompadour rin, un jib mal de Rieke Jeld, hörste? Aber, Rieke, laß Dir nich wieder son pampijes Brodt in de Hände stechen; nimm so'n paar kleene knusprije Schrippen, hörste?

Friederike. Scheen, Madam! (sie geht.)

Schmidt (macht eine tiefe Verbeugung in der Thüre.) Ich wünsche Ihnen allerseits einen juten Morgen; Sie erlauben, daß ich meinen Hut und Stock hier ablege. Jun Morgen! Na, alles schon so in Ordnung? Dieses muß man sagen, verehrte Madam Bläschen, Sie sind eine Hausfrau, wie es deren wenige in den Familien einer Residenzstadt geben mag.

Henriette. Ach, bitte, Herr Privatsekertair, Sie sind zu jütig: man muß ja woll. Bitte, setzen Sie sich doch hier her uf't Sopfa neben mir. So! Aujuste, nimm mal de Iphijenie hier runter, un schenk mal vor den Herrn Privatsekertair eine Tasse Kaffe in.

Schmidt. Sie sind allzujütig, verehrte Madam Bläschen. Ich habe zwar schon zu Hause Kaffe jenossen, indessen kann man Ihrer Empfänglichkeit niemals etwas abschlagen. (er nimmt die Tasse; zu Augusten.) Besonders aus so schönen Händen. Meinen gehorsamsten Dank, Mademoiselle!

Lerche (lachend.) Ne, hören Se, Herr Privatsekertair, Sie sind en putziger Kerl, det muß wahr sind. Ne, herrjes, wenn ick so wie die Katze um 'n heißen Brei rumjehen müßte, ehr ick wat sagte: ick jloobe, ehr sagt ick in meinen Leben nischt.

Schmidt (lächelnd.) Sie sind –

Bläschen (zugleich mit Schmidt.) Na, deß aber – bitte, Herr Privatsekretair, fahren Sie fort!

Schmidt. Nein, bitte jehorsamst, Herr Bläschen, ich habe Zeit. Was wollten Sie gefälligst sagen?

Bläschen. Ich wollte man sagen: deß aber der Herr Meyer nich kommt, des is doch Unrecht! Stille mal, mir is et, als singt da drüben Eener uf de andere Seite! (er springt auf und schaut zum Fenster hinaus.) Richtig, da is er! (hinunterblickend) Jun Morjen, jun Morjen, Herr Meyer! Na warten Sie man, Sie sind scheene lange jeblieben! Na, schadt nischt! (er dreht sich um) Nanu, Kinderkens, nu sind wir Alle zusammen, nu fehlt man blos noch der Wagen. Hör' mal, Jetteken, wat meenste, die Rieke könnte mal zum Fuhrmann jehen; denn seh' mal, et is schon dreiviertel uf Sechse, un um dreiviertel uf Fünfe wollt' er spätstens hier sind.

Meyer (schnell die Thür aufreißend.) Jehorsamster Stiebelknecht, meine Herrschaften! Na, Alle schon einen Aufstand bewirkt? Ich dachte, ich würde Sie noch im Bette finden, Fräulein Auguste!

Auguste (spöttisch.) Solche Redensarten verbitte ich mir, Herr Meyer.

Bläschen (lachend.) Hi, hi, hi! Der Herr Meyer ist doch immer und ewig aufgeräumt, immer fidele!

Meyer. Ja wohl, ja wohl, Herr Schmutzverbannungsfabriken-Vorsteher Bläschen, allemal Derjenigte welcher! Immer aufgeräumt, wie meine Kasse. Ah sieh' da, Herr Schmidt, wenn der Deibel kommt nimmt er sie mit, wie jeht's Ihnen denn? Lange nicht jesehen! Sind Sie noch auf den Strumpf? Oder haben Sie Stiebeln an?

Schmidt. Ich danke Ihnen jehorsamst, Herr Meyer, ich befinde mich recht wohl, und es jeht mich auch, Jott sei Dank, noch so hallweje.

Meyer. Un Sie ooch, Herr Lerche? Haben Sie schon heute gewirbelt? (er macht die Pantomime des Trinkens.)

Lerche. Ne, ehr ick nich Kaffe jedrunken habe, ehr wirble ick nie Eenen. Na aber nu werd mir die Zeit ooch lang mit den Fuhrmann! Sechs Uhr verbei, un noch keen Wagen nich hier?

Henriette. Ja, et is zu doll!

Meyer. Am Ende schmeichelt sich der Fuhrmann jar nich zu kommen!

Schmidt. Ich vermuthe unmaßjeblich, daß er sich verspätet.

Bläschen (im Fenster liegend.) Nu sind wir Alle da, Allens is injepackt, die Wolken haben sich ooch en bisken verzogen: nu fehlt man blos noch der Wagen! Aber der läßt sich nich sehen un nich hören. Da kommt de Rieke wieder! (hinunterrufend.) Na, Rieke, wat sagt er'n?

Friederike (von der Straße hinaufrufend.) Er wird jleich hier sind. Er fittert man noch en bisken.

Meyer. Na, also, nur nicht verzagt! Verzage nicht, du frommer Christ, so lang die Wurscht im Tiegel ist. Die Pferde frühstücken nur noch, und denn werden sie uns die Ehre jeben. Hören Se mal, Fräulein Aujustchen, Sie sind doch nicht böse? (Sie sprechen leise mit einander.)

Iphigenia (schreit.) Naaaaa! Mutter, der Ludwich!

Bläschen (im Fenster liegend.) Da is er! Der Wagen is da! (er dreht sich um.) Nanu, Kinderkens, Allens zusammenjepackt, nischt verjessen? Rieke, jeh immer runter mit de Körbe! Allens drinn? Kalbsbraten, Schlackwurscht, holländscher Käse, Schnaps, Brodt, Allens da? Na jut! (er sucht.) Na, wo is denn mein Hut? Herr Privatsekretair, sein Se mal so jut, un nehmen Se mal meine Pfeife! Wo is denn de Strippe hier in'n Kasten jeblieben? Ach, da is se, na, aber so verheddert. Spute Dir, Jetteken! Aujuste, det die Kleenen de Treppe nich runterfallen! Iphijenie, zum Deibel, jeh mir aus den Weje, un komm' mir nich immer zwischen de Beene! Lerche, vergeß' Deine Blase nich, sonst haste nich jenuch Taback! Ick will man erst runter, un de Körbe placiren. Wenn wir man Alle wer'n sitzen können! Herrjees, wo is denn der Hund, der Asur? An det Vieh hat Keener nich gedacht.

Henriette. Ach Jott, so habe Dir doch man nich, de Rieke hat'n ja schon uff'n Arm. Stech' mal hier den Zucker noch in de Tasche. So, nanu is Allens jut, nu kann et vor sich jehen.

Bläschen. Ick sprinje voran, um zu sehen, wie Allens sich machen wird. Hab' ick denn ooch de Strippe? Ja, da is se! (er geht hinaus, steigt schnell die Treppe hinunter und tritt vor die Hausthür.) Jun Morjen, Kutscherken! Na, is en bisken spät jeworden! Die Pferde sind woll nich eher ufjewacht? Na, schadt nischt. Aber, liebet Kutscherken, werden wir denn da ooch Alle sitzen können?

Kutscher. I wat werden Se da nich Alle sitzen können! Der Wagen hat Platz, da jehen Alle ruf!

Bläschen. Ja, sagen Se mal, wissen Se denn, wir Viele wir sind?

Kutscher. Ne!

Bläschen. Ach so! Ja, nu freilich, wir jehen Alle ruf, des is richtig, wenn wir uf die andere Seite wieder runtersteijen. Wir sind ja fünfe, sechse, sieben, achte, neune sind wir ja, ohne Ihnen. Des heeßt: zwee Kinder sind wir ooch drunter.

Henriette. Aber, Bläschen, wat schwaddronnirste denn so ville? des jeht ja Allens janz jut. Hier uf den mittelsten Sitz, wo et nich stuckert, sitze ick, Aujuste, un de Iphigenie; mein Bruder, Herr Meyer und Du mit den Ludwichen uf den Schooß, sitzen hinten, un vorne kommt der Herr Privatsekertair, Rieke, un der Kutscher.

Bläschen. Na, aber, Jetteken, die Hauptsache haste vergessen! Wo kommen denn die beeden Körbe hin?

Henriette. Eenen nimmt Rieke vor die Beene, un eenen der Herr Privatsekretair. Des jeht Allens, man ufjestiegen!

Bläschen (im Aufsteigen.) Ach, un ick mit den Jungen uf n Schooß, det wird'n Verjnügen werden! Na, schadt nischt, immer fidele!

Kutscher. Na sitzt Allens? Also nach Schöneiche? (er schlägt die Pferde.) Hü! Hü! (der Wagen rollt fort.)

Henriette. Na, Herr Privatsekertair? Wie sitzen Sie denn? Inkommodirt Ihnen ooch nich der Korb vor de Beene?

Schmidt. I nu! Ich danke Ihnen janz erjebenst, Madam Bläschen, es macht sich ja! Es jeht janz jut. Wie weit ist'n woll Schöneiche?

Meyer. Des schmeichelt sich zwee un 'ne halbe Meile weit zu sein. Zum Frankfurter Dhor raus.

Henriette. Herrjees, ick habe meinen Knicker vergessen! Kutscher, Kutscher! Halten Se mal an. Bläschen, springe mal noch mal zu Hause un hole mir meinen Knicker; hier hast'n Schlüssel.

Bläschen. Schöne Jetteken! (er steht auf.) Setz Dir mal daweile hier her, Ludewig! (er springt hinunter, läuft nach Hause und kommt schnell wieder; im Aufsteigen:) Na, ist det aber en jroßes Dings, dieser Sonnenschirm! Det is ja jar keen Knicker mehr, det is en Verschwender! So nu sitz' ick wieder, nu man zu!

Kutscher. Hü!

 
Unterweges.

Meyer. Na aber, Fräulein Auguste, Sie reden ja heute gar nich; Sie sind ja so hydraulisch, wie ich Sie lange nich jesehen habe. Sein Se doch hübsch cottelete, heiter! Immer au jus, des is die Hauptsache! Was fehlt Ihnen denn?

Auguste. Ich kann die Witze vom Mühlendamm nicht vertragen.

Henriette. Aber Juste, was is denn Des? Werde doch nich ausfallend zu Herr Meyern.

Meyer. I lassen Se doch, lassen Se doch, Madam Bläschen: De justebos non est disputedumm, über die Jeschmäcker läßt sich nich kabbeln, oder, wie der Franzose sagt: Jeder hat seinen eigenen Chacun. Sie neckt mich blos, die holde Aujuste, un Sie wissen ja: was sich necket, das liebet sich.

Auguste. Der Himmel beschütze mich!

Lerche. Aujuste! Wenn De nich willst, denn mußt'e!

Auguste. Lieber Onkel, Sie sind Korbmacher; wenn mich Herr Meyer noch länger mit seiner Liebe verfolgen sollte, so werde ich Sie wohl in Nahrung setzen müssen.

Lerche. Ja, des is jut, aber de unartigen Kinder können ooch bei mir de Ruthe kriejen. (zu seinem Schwager.) Hör mal, Lichtzieher Bläschen, der Ludwig hat ein Näschen. Nimm mal einen Schnuppduch!

Bläschen. Der Junge wird jewiß mal mein Jeschäft übernehmen; er übt sich immer un ewig drinn. Wenn ick mir man rühren könnte! Ne, Kinder, wie ick aber sitze, das jeht ins Weite, oder vielmehr: des jeht in's Enge.

Henriette. Ach Jott, Du beschwerst Dir aber ooch über Allens!

Bläschen. Aber, Jetteken, ick sitze hier wirklich wie 'ne jepreßte Citrone! Zucker hab' ick ooch in de Tasche; wenn mir jetzt Eener in Rum stellt un warm Wasser über'n Kopp jießt, denn bin ick 'ne Bowle Punsch.

Lerche. Na höre, Schwager, wenn Du 'ne Bowle Punsch wärst, da hätt' ick Dir bald in'n Magen. (nach einer Pause zu Schmidt) Hör'n Se mal, Herr Privatsekertair, wie amüsiren Sie'n sich da vorne bein Kutscher un bei de Rieke, un mit'n Eßkorb uf de Beene?

Schmidt. O ich danke Ihnen erjebenst, Herr Lerche. Es staubt ein wenig.

Lerche. Ein wenig? Na hören Se, wenn Se des wenig nennen, denn möcht ick mal viel sehen! Sie sehen ja schon aus wie'n Mottenkönig!

Meyer. Ja, der Herr Schmidt is ja auch ein Nachtvogel! Er schwärmt um die Lichtzieher-Dochter.

Schmidt (sehr verlegen.) Aber, jeehrter Herr Meyer, Se setzen mir wirklich in einer nicht janz jeringen Verwirrniß. Sie werden das jewiß als Scherz keiner weitern Beobachtung widmen, Demoiselle Bläschen?

Auguste. Nein, Das versichere ich Ihnen, Herr Privatsekretair!

Schmidt. Sehr viel Jüte, verehrte Demoiselle. Sie sind im Besitz einer Zartheit, die –

Lerche (unterbricht ihn.) Sagen Se mal: roochen Sie nich?

Schmidt. Nein, werther Herr Lerche, aber bitte, es ist für das männliche Geschlecht janz hübsch. Genieren Sie sich deshalb nich!

Lerche. Ne, ach, daran denk' ich ooch nich! Ick rooche, un wenn der Kaiser von Fetz un Marokko kommt; det is mir Allens eenjal. – Du, Bläschen, schlag' mir mal Feuer an! – Ick wollte man blos wissen, ob Sie roochten, weil Sie sonst jar nischt dhun. Sie sind blos immer höflich, sonst haben Sie jar keene Passion nich, nich wahr!

Schmidt. Nein, werther Herr Lerche, ich bin –

Bläschen. Herrjott, Kinder, da kommt de Sonne vor! – Ludwig, zum Deibel, sitze ruhig, oder ick schmeiß' Dir runter! – Nu wird et noch en janz schöner Dach, des sollt Ihr mal sehen! Hör' mal, Lerche, hast Du Deine Blase bei de Hand? Jibb se mir mal; ick muß meinen Taback verjessen haben, oder er is wo mit injepackt.

Kutscher. Brrr! Na hier is det Schußeehaus! Wollen Se jefälligst bezahlen?

Bläschen. Ne, Kutscherken, so jeht Des nich! Des Schoßeegeld bezahlt Ihr, so hab' ick es jestern mit den Herrn ausjemacht.

Kutscher. Ach wat ausjemacht! Davon hat mir Keener nischt nich jesagt!

Einnehmer (mit vorgestrecktem Tarifbeutel.) Bitte gefälligst, sich zu entschließen! Da hinten kommen noch mehrere Wagen.

Bläschen. Ja, Kutscherken, wie jesagt, ich hab' es ausjemacht, –

Henriette. Aber, Bläschen, so bezahl' es doch man, damit wir von'n Fleck kommen! Du kannst et ja immer abziehen, wenn De den Wagen richtig machst.

Bläschen. Ja woll, Jetteken, des is ooch wahr! (er greift in die Tasche.) Ich kann es ja morjen immer noch abziehen. Hier, Herr Einnehmer, vor hin und zurück, und eenen Silberjroschen wieder raus! So! So! Schön Dank: Nanu wieder zu, Kutscherken! So! Du sollst ruhig sitzen, Ludwig, oder ick jebe Dir'n Katzenkopp! Am Ende reißt eenen denn doch mal de Jeduld!

Schmidt (sich zu Bläschen umdrehend.) Ich denke, der Ludwig ist sonst solch ein frommes Kind?

Bläschen. Ja fromm is er, aber et is doch en Racker, der Ludwig! Ick kann mir selbst nich begreifen, det ick ihn noch nich runter jeschmissen habe. Bald inkommedirt er mir hier, bald inkommedirt er mir da! Wie 'ne Flöhe is der Junge!

Meyer. Sehen Sie mal, lichtziehender Freund: Ihr verehrungswürdiger korbflechtender Schwager hat sich in Morpheussens Arme jeworfen und druselt ein bisken. Er schnoppt.

Bläschen. Na det is noch hübscher! Seht mal, Kinderkens, des Kerlchen is bei des Stuckern injeschlafen, ne, des jeht in's Weite! Na aber man immer fidele, die Jelejenheit wer' ick mir zu Nutze machen, un ihn den Ludwig en bisken ufpuckeln. Setz' Dir mal janz leise uf Onkeln seinen Schooß, Ludwigken; (er hebt ihn hinüber) so, nu halt Dir hier mit beede Hände an'n Wagen fest, un sitze janz ruhig, det Onkelken nich ufwacht. So! Ach, det is 'en Jenuß, den Jungen uf'n Andern sein Schooß zu sehen!

Henriette. Jott, wie kann man sich so jefährlich haben!

Meyer. Na hören Sie mal, interessante Frau, ich will Ihrem Mann nicht beistehen, aber Sie würden Dero Beine auch fühlen, wenn Dero dicker Junge drauf säßen.

Bläschen (seufzend.) Ach, du lieber Himmel, nu wacht Der schon wieder uf, der Lerche! Es is doch aber merkwürdig, was dieser Mensch vor'n kurzen Schlaf hat; des kann ihm doch unmöglich jesund sind.

Lerche. (reibt sich die Augen.) Na, was is'n Des? Wie kommt'en des, deß ich einen Jungen jekricht habe? Wer hat mir den den Ludwig hierherjesetzt? Ne, Bläschen, damit schmeichle Dir nich, det ick Den uf'n Schooß behalte! Du bist Vater von det Kind, nich wahr Jette? Du kannst et ooch ruhig ertragen.

Auguste. Wir müssen ja auch übrigens gleich in Schöneiche sein.

Kutscher. Ja woll, det dauert nich mehr lange. Jetzt lenk ich hier rechts rum, in'n Sand rin. Nu muß ick Ihnen überhaupt bitten, det de Meesten aussteigen, und det Endeken zu Fuße jehen, sonst kommen die Pferde nich fort. Brrr!

Schmidt (den Eßkorb auf seinen Platz stellend.) Mit Verjnügen, lieber Kutscher, sehr jerne. Sie sind wohl so jut, liebe Friederike, und halten hier den Korb noch; ich steige gefälligst aus.

Bläschen (im Aussteigen) Jott sei ewig jedankt, deß wir so weit sind! Ach, nu is mir so wohl – (er reckt sich.)

Meyer. (unten.) Mir ist so kannibalisch wohl, wie 500 Privatsekretaire.

Schmidt (lächelnd.) Bitte, bitte!

Lerche (unten.) Nanu, Kinder, nu wird nich so jerennt, sondern nu wird janz duse nach Schöneiche jejangen! Seht' er, da is 'ne Kastanjenallee, die jibt Schatten, un hier hab' ick 'ne Pulle in de Tasche, die jibt Kümmel; un hier hab' ick en Mund, den schmeckt det! Privatsekertair, jeben Se mal Obacht! (er trinkt.) Nich wahr, det schmeckt schöne? (steckt die Flasche ein.) Sajen Se mal janz ufrichtig: is einen Det nich sehr wohlthätig in'n Magen? Wie?

 
Im Dorfe

Bläschen. Des is merkwürdig! Wenn man bei den Wagen so nebenherlooft, denn stuckert et viel weniger. Nanu also, des is Schöneiche! (er sieht sich um). Seh' mal, Henriette, ne wirklich, des is en hübsches Dorf! Sehste, hier links, Jetteken, des is der herrschaftliche Garten, wenn Der mir jehörte, wär' er meine! Sagt Herr Meyer immer. Nich wahr, Meyerken?

Meyer. Wui Moppel Pfeifroch! purzelparzel die Trepp hinunter, verfehl' sie keine Stuf, krümm Sie sich kein Haar!

Lerche (lacht). Wat soll denn Des heeßen?

Meyer. Des is für'n Jroschen Poln'sch, un vor'n Sechser en bisken Preußen drunter jejossen.

Henriette. Aber sage mir mal, Bläschen, um Allens in de Welt, wat stehste denn nu da, un kuckst Dir det janze Dorf an? Jetzt is doch wahrhaftig mehr vor Dir zu dhun! Jeh' rin in des Bauerhaus hier un frage, ob wir ankommen könnten. Hörste? Det Dorf looft Dir nich wech, det kannste Dir nachher ooch noch besehen.

Bläschen. Na ja, Jetteken, ick wollte mir ja ooch man vor't Erste einen Ueberblick verschaffen. Die Kastanjenbeeme sind wirklich hier recht hübsch. Ludwig, wat meenste, willste nich en Paar Kastanjen zum Spielen haben?

Ludwig. Ach ja, Vater!

Bläschen. Na denn warte man, bis welche dran sind. Jetzt sind noch keene dran. Wenn ick nachher wieder rauskomme, denn werden woll ooch noch keene dran sind. Denn werd' ick Dir en Paar wachsen lassen. (er geht in ein Bauernhaus).

Meyer (den Hut schwenkend, mit lauter Stimme). Bürger dieses bescheidenen Dorfes, laßt Euch jenießen! Mylords und Herren, werdet hier Alle sichtbar! Nation der Schöneicher, wackelt aus Euren Hütten, denn ich bin Da! Wenn ich sage Ich, so mein' ich damit mir! Ich, in der Woche der bekannte, intressante, piquante, ambulante, vakante, zuckerkante, charmante und jalante Umsäusler der kauflustigen und kauftraurijen Damen, wann Sie kein Kies nicht haben, und blos besehen wollen. Meyer ist da, Schöneicher! Meyer! Uech heuße Meyer und schreube mür müt eunem J! Meyer, in den sechs Wochentagen Dejenichte, welchen ich schon beschrieben habe, Sonntags, der Mann von Welt, der Weltbürjer, der Cosmopopelpopelit!

Lerche (ihn copirend, schreit, indem er den Hut schwenkt). Bürjer von Schöneiche, ich bin da! Nation komm' raus! Lerche is da, der berühmte Korbmacher! Uech höße Lörche, und schreube mür müt önen E.! In der Woche Korbmacher und besoffen, und des Sonntags Weltbürjer und auch besoffen! He! Juch!

Auguste. Aber, lieber Onkel, menagiren Sie sich doch! Bedenken Sie doch, daß Sie mit Damen hier sind. Da lachen schon die Bauerjungen über Ihr Geschrei; Ihnen wenigstens hätt' ich solch Betragen in unserer Gegenwart nicht zugetraut!

Lerche. Ach! Aujuste, sei nich immer so menajiererich! Thale nich so, um so'n bisken Spaß!

Meyer. Auf 'ne Landparthie, da muß man sich jar nich schnieren, un überhaupt mein Sprichwort is: in de Woche Sanspeine! un Sonntags: sans gêne! Immer fröhlich, heiter, cotelette, so heterogen wie möglich! Je mehr parmesan, je besser; immer hydraulisch!

Schmidt (Augusten ein Bouquet überreichend). Jeehrte Demoiselle Bläschen, is Ihnen vielleicht dieses Pokett von Rosen jefällig! Ich nahm mir die Freiheit, es vor Ihnen zu flicken.

Auguste. Danke schön, Herr Privatsekretair! Sie sind doch wenigstens artig, und das ist das Erste, was man von einem Manne verlangt, der mit Damen umgehen will.

Lerche (zu Meyer). Aha, merkste wat, Spiretus? Det war 'n kleener Stich uf uns. Na, schad't nischt, mir wenegstens nich! Ick kann 'n juten Puff verdrajen. Neulich stichelte Eener uf mir in eene Jesellschaft, wo ick war. Der spitzfinnje Mensch sagte nämlich zu mir: Rindvieh! Wissen Se, wat ick da dhat? Da langt ick blos mit die eene Hand über'n Disch rüber, holte mir den kleenen Kerrel, eilte ihm so'n paar Mal über de Wangen, un setzte ihm wieder hin.

Bläschen (aus dem Hause kommend). Nanu, Kinderkens, Allens richtig, Allens abjemacht, Allens in Ordnung; wir können hier bleiben. Jetteken, jeh' man immer rin, und berathschlage Dir wegen des Uebrije! Wenn De uns etwa zum zweeten Frühstück Butterbrod machen willst, in de Küche is Feuer, Allens da! (Henriette und Auguste gehen in's Haus).

Lerche. Et muß ooch überjens Zeit sind, det wir zweeten-frühsticken. Wat mach' denn woll de Jlocke sind?

Bläschen. En Jedicht von Schillern.

Meyer. Ich will mal nachsehen, was meine joldne, auf einen Cylinder jehende Repitiruhr is (er sieht nach). Herrjeh, schon drei Viertel uf kalte Erbsen!

Lerche. Drei Viertel uf neune, nich wahr?

Meyer. Des schmeichelt es sich, wui!

Schmidt (seine sehr große und dicke silberne Uhr zeigend). Entschuldijen Sie, werther Herr Meyer, es fehlen noch fünf Minuten dran. Meine jeht janz richtig, denn ich jehe alle Abende untern Linden nach de Akademieuhr und stelle ihr darnach.

Lerche (lacht). Ne, Herr Privatsekerteer, Sie sind wirklich een putzijer Kerrel, Ihnen muß ick wat koofen. Sie kriegen von mir ne Trompete un ne Knarre zu Weihnachten.

Schmidt (lächelnd). Sie belieben zu scherzen, Herr Lerche.

Bläschen. So, des is recht, des is charmant! Seht mal, Kinderkens, Fridricke macht schon Allens zum zweeten Frühstück da uf den Disch zurecht. Na, immer fidele, Fridricke! Schmiere man so'n Stücker zwanzig Butterstüllekens, un denn holste den kalten Kälberbraten un die eene Putellje mit Schnaps aus den Korb, hörste? Immer fix, det Schmieren, des muß jehen wie geschmiert! Nich so dicke de Butter, davor is der Braten! Wie is denn de Butter? (Er riecht und verzieht die Nase). Na, von jestern is se ooch nich mehr, se riecht schon so'n bisken verständig. Ludwig, willste jleich wech da mit Deine Klauen, dummer Junge! Ick habe Dir schon so ofte jesagt, Du sollst nich so jierpänschich sind, jleich legste det Brod wieder hin! Fridricke mach man, un hole den Braten un den Schnaps; ick werde die übrijen Stullen schon schmieren.

Schmidt. Erlauben Sie, deß ich Ihnen gefälligst en bischen helfe.

Lerche. Was meenen Sie, Herr Meyer, wir Beede helfen woll erst, wenn es an's Essen jeht? Ueberjens essert mir lange nich so, wie mir drinkert. Uf eenen juten Schluck Kümmel bin ick sehr neujierig. Mein Vorrath is mir ausjeloofen; meine Pulle is so leer, wie Herren Privatsekreteeren sein Kopp.

Bläschen. Na höre, Schwager, des war en bisken jrob; des müssen Se sich nich jefallen lassen, Herr Privatsekreteer!

Schmidt. O bitte! das ist ja nur man blos Allens Spaß von den Herrn Lerche.

Lerche. Ja woll, ja woll! Herrjees, nu seht mal den Meyern, da! Schäkert der Kerrel da mit en Bauernmächen! (schreit). Aber, Meyer, woll'n Se woll! Woll'n Se woll det Mächen zufrieden lassen!

Meyer (ebenfalls schreiend). I worum denn? Is denn Liebe ein Verbrechen, darf mann denn nicht Tschuster sind? Diese holzöhliche Jungfrau ist eijentlich eine verzauberte Prinzessin, sie dhut man blos so, als wäre sie ein Bauernmächen, eine Schöneicherine. Ihr Vater war der Fürst von Portoriko, sie heißt eigentlich Portorieke. Der Zauberer Galjenknaster aus Vierraden wollte sie wejen ihrer Schönheit ehelichen, sie sagte aber Non! und darauf hat er sie zu einem Bauernmädchen verhext.

Lerche. Na ja, un nu muß se so lange Kartoffeln buddeln, bis ein Mühlendammer Jüngling kommt und sie erlöst.

Meyer. Janz recht, Jevatter Lerche, un zwar durch einen Kuß (er will das Mädchen küssen, bekommt aber statt dessen eine derbe Ohrfeige. Das Mädchen läuft fort) –

Lerche (heftig lachend). Och, des war nich übel! Meyerken, der Kuß muß einen bittern Beijeschmack haben! Och, des war himmlisch! Och, ick kann mir kaum vor Lachen mehr aufrecht halten. Meyerken, des war kein Kuß nich! (er hält sich den Bauch vor Lachen). Och! Och! Meyerken, des war ne ochsije Knallschoote! Och! Des hat bis hierher jeknallt! Och, ick kann nich mehr vor Lachen! Meyerken, des muß weh jedhan haben, des hat bis hierher jeknallt! die Prinzessin Portorieke muß ne jute Patsche haben, och! det hat bis hierher geknallt. Ick jloobe – och! och! – (er biegt sich vor Lachen über einen Stuhl) ick jloobe, der Zauberer Jaljenknaster aus Vierraden will sie nich erlösen lassen, och, och!

Bläschen (lachend). Hihihihi, hehehe! Meyerken, des dhut mir leed, aber ich kann nich davor. So 'ne Prinzessin aus Portoriko wird manchmal sehr eeklich. Hihihihi, hehehe!

Schmidt (lächelnd). Es thut mir leid, aber ich muß auch lachen. Eine kleine Maulschelle schad't ja auch nich viel.

Lerche (sich auf dem Stuhle wälzend). Aber Herr Privatsekreteer – och, ick kann nich mehr, ick kann nich mehr! – Des war ja keine kleine Maulschelle! Des war ja eine ochsije Knallschoote; sie hat ja bis hierher geknallt! Och, och! die Prinzessin Portorieke muß eine ausjezeichente Patsche haben!

Meyer. Na lacht man immer zu; genirt Euch nich! Wenn ich aber nachher das Mädchen noch einmal treffe, denn sollt Ihr Euch wundern!

Lerche. Och! Wir wundern uns ja schon! Meyerken, Ihre eene Backe is roth! Sie ärgern sich ja mit die eene' Backe! Och!

Bläschen. Hihihihi, hehehe: der Lerche is aber merkwürdig, der hört jar nich uf mit Lachen; un wenn Eener so stark lacht, denn muß ick – hihihihi, hehehe! – denn muß ick immer mitlachen, hihihi, hehehe!

Meyer. Na nu dächt' ich aber, wär es jut! Herr Lerche, machen Sie mich nich ärjerlich, Sie werden beleidijend mit ihrem Jelächter.

Bläschen (ängstlich von Lerche zu Meyer trippelnd). Um Jotteswillen, Kinder, verzürnt Euch wejen diese Kleinigkeit nich, verderbt uns nich unsere Landparthie! Aber, Lerche! Lerche, ich bitte Dir, höre doch uf! Herr Meyer, sein Se nich böse um diese Kleinigkeit!

Lerche (immer noch im vollen Lachen). Et war ja aber keene Kleinigkeit, et war 'ne Jroßigkeit! Och, och!

Meyer (wüthend). Herr Lerche, ich kann nicht anders sagen, Sie betragen sich wie ein dummer Junge!

(Henriette und Auguste treten aus dem Hause, und bleiben verwundert stehen; Schmidt erklärt ihnen mit leichenblassem Gesichte das Vorgefallene; Bläschen läuft beschwichtigend von Einem zum Andern).

Lerche (sich aufrichtend). Wat? Dummer Junge?

Meyer. Ja, wie ein dummer Junge!

Lerche (wüthend). I du dämlicher Kartunfritze, Du Kickindewelt, Du willst einen Bürjer dummer Junge nennen? Na warte, Dir werd' ick bedummenjungen! Ellenreiter, Du willst woll nich schief werden? Na warte, ick werde Dir uf de andere Backe Eene stechen, det sich die von de Prinzessin Portorieke schämen soll! Laaß' mir, Bläschen oder Du besiehst ooch Eene! So'n Mühlendammer Lord will mir hier...

Meyer. Ach jlooben Se nich, daß ich mich vor Ihnen fürchte!

Henriette. Aber, Kinder, um Gotteswillen!

Auguste. Dieser Skandal hier, ich sinke in die Erde vor Schaam!

Bläschen. Jotte doch, was soll man nu da machen! Eener is so böse wie der Andere! Die infame Maulschelle is an Allens schuld! Lerche, sei doch man ruhig! Meyerken, lassen Se ihm, det wird sich Allens wieder jeben!

Schmidt. Herr Lerche, ich schlage unmaßgeblich vor, daß Sie die Sache jetzt auf sich beruhen lassen.

Lerche. Na hör'n Se, Sie verschwinden nun jar! Sie Sekerteer! Sie jehen wech, sonst mach' ick mir fedrich! So'n Kerrelken, wie Sie sind, den reiß' ick en paar Zähne aus, un verkoof ihm als Eckpose! Sie Tintenstecher, verziehen Se sich, sonst stipp ick in!

Schmidt (zuckt die Achseln und zieht sich zurück).

Lerche. Na, wat is denn det? Zucken Se hier nich mit de Achseln! So'n Zucker über mir, den werd' ick mir verbitten!

Henriette. Kinder, jetzt bitt' ick ernstlich daß Ihr den dummen Zank sind läßt; sonst laß' ich jleich wieder anspannen, un fahre zu Hause! Bläschen, jleich kommste her un eßt! Du hast ooch immer Deine Hände in allen Jucks, überall muß er seinen Senf zujeben!

Bläschen. Na nu is't noch hübscher, nu bin ick am Ende noch an dies janze Jeschichte schuld! Mir wird Allens ufjepuckelt! Na, schad't nischt, immer fidele, Kinderkens, setzt Euch! Setzen Se sich, Meyerken, lassen Se die dumme Jeschichte sind, dabei kommt nischt heraus, wenn man sich zankt. Lerche, so setze Dir, un seh' Dir en paar Kümmelkens an, des is ville jescheidter! Wüßt'r wat, Kinderkens, verdragt Euch wieder! Wenn ihr Beede nich bei Laune seid, wat soll 'den denn aus de Landparthie werden?

Lerche Ach wat! (er schenkt sich sein Glas voll Branntwein und trinkt).

Meyer. Mir ist es recht.

Lerche. Na, ick bin ooch jrade keen Türke! Kommen Se her, wir wollen mal anstoßen! Allens verjeben un verjessen! (sie stoßen mit den Gläsern an).

Bläschen. So, des is vernünftig, so is es recht! Nu wollen wir aber ooch jehörig picheln: Auguste, schenke mal alle Gläser voll, aber schwabbere nich über! Immer fidele! Jetteken, sorje man, det de Iphijenie und der Ludwig zu essen kriejen, die Bäljer schreien einen sonst de Ohren voll. Wie is et denn mit dir, Fridrike? Du hast ooch noch nischt; komm' her, da haste 'ne Klappstulle, un wenn Dir schwabblich is von det frühe Uffstehen, denn kannste ooch mal Eened drinken. Jreifen Se zu, Privatsekertair, machen Se nich so viele Umstände, zieren Se sich nich! Herrjees, Herr Meyer, Sie haben ja keenen Kälberbraten nich; nehmen Se sich doch, es is ja da! Du Fridericke, warte mal, jeh' noch nich wech! So! da! Hier haste noch eene Klappstulle un en Jlas Kümmel, det draje mal den Kutscher hinter, sonst wird der unangenehm! So! Nu is Allens in Ordnung; nu will ick ooch en Stülleken essen!

 
Nachmittag.

Lerche. Det hat Allens recht jut geschmeckt, blos det de Butter kratzte un des Bier en bisken sauer war (er reckt sich). Aaaah! Hört mal, Kinder, ick bin ochsig schläfrig, ick freue mir sehr uf den Heuboden. Seit Ihr nich ooch schläfrig?

Alle. Ach, ja, ja! Sehr schläfrig!

Lerche. Na, denn wollen wir keene lange Füselmatenten machen, un en bisken druseln jehn.

Henriette. Ja, ja, macht man, daß Ihr weg kommt nach Euern Heuboden! Ich un Auguste un de Kinder, wir schlafen in de Wirthin ihre Betten, ich habe schon mit ihr jesprochen.

Meyer. Na denn man immer jüh hinten uf den Hof! (Die vier Männer gehen nach dem Hofe, steigen die Leiter zum Heuboden hinauf und placiren sich dort.)

Bläschen (indem er sich sein Lager zurechtmacht) . Eijentlich, Kinderkens, wenn wir uns so recht amisirten, brauchten wir nich zu schlafen. Indessen, natürlich, man is früh ufjestanden, die Morjenluft, der Schnaps, un des viele Rumloofen in den herrschaftlichen Garten, des jreift einen Menschen an, des is richtig! Na nu man immer fidele, nu wollen wir schlafen!

Meyer. Sie, privatisirender Schreibsekretair ohne Aufsatz und ohne Politur, schlummern Sie schon?

Schmidt. Nein, Herr Meyer, aber müde bin ich allerdings.

Lerche. Mir jefällt det Heu sehr jut! Ick lieje hier so bequem, wie en Mops in de Sonne.

Bläschen (sich Heu zusammenraffend). Da kannst Du Dir jratuliren; ick kann noch immer de rechte Stellung nich rauskriejen. Ick will Dir sagen, Lerche, ich schlafe nämlich immer uf de rechte Seite, weil ich des Herzkloppen nich hören kann. Wenn ich des Herzkloppen höre, so denk' ich immer an den Dod, un des is mir ängstlich, weil ich nich jern sterbe. Allens in de Welt, aber man nich sterben.

Lerche. Na nu halt Dein Maul un laß Eenen schlafen! Schwaddronire nich so viel; Dein Mund geht immer wie 'n Mühlrad!

Meyer (nach einer langen Pause). Privatsekretair!

Schmidt (aus dem Schlafe geweckt). Wie so? (sich umschauend) Ach so! Ja wohl, Herr Meyer! Was befehlen Sie'n?

Meyer. Wissen Sie, wie man am schnellsten Zimmtprätzeln backen kann?

Schmidt. Nein, werther Herr Meyer! Wie backt man am schnellsten die Prätzeln des Zimmtes?

Meyer. Wenn man's versteht!

Lerche (halb im Schlafe). Nanu sag' ick't Euch zum letzten Mal; nu halt Euer Maul, oder ick werde unanjenehm!

Bläschen (sich umdrehend). Weeß der Deibel, ick liege noch immer nich orndtlich! Mit de Beene jeht et an, aber mit den Kopp will et mir noch immer nich passen. (Lerche ist eingeschlafen.) Ach herrjees, nu schnarcht der ooch noch, der Lerche; na det wird en Verjnüjen werden! Na schad't nischt, immer fidele, wenn ick man erst meinen Kopp arranjirt hätte!

Meyer. Lejen Sie'n doch unten zwischen de Beene, lichtziehender Freund! (Lerche schnarcht immer lauter).

Bläschen (aufspringend). Ne wat der Mensch aber vor eine Schnarche hat, des is doch zu arch! Da soll nu een Mensch bei schlafen! (Sich wieder niederlegend). Wenn ick mir man Boomwolle mitjenommen hätte; Heu kann man sich doch nich in de Ohren stoppen! (Pause).

Meyer (singt):

Schlaf, Privatsekretaireken, schlaf!
Vor'm Thore stehen zwei Schaf,
Ein schwarzes und ein weißes,
Und wenn des Privatsetaireken nicht schlafen will,
Dann kommt das schwarze und sagt ihm:
Guten Morgen, lieber Bruder!

Bläschen (halb im Schlafe). Hihihihi, hehehe! Der Meyer is en jettlicher Kerl, der macht in eens wech Witze. Ach, un der Lerche, der schnarcht man druf los! Der Schmidt, der muß wirklich ne jute Natur haben, der liegt dichte neben ihm un schläft wie 'ne Ratze. (gähnt) Aach, du – du lieber Himmel! Eijentlich – müde bin ich – bin ich doch sehr. (einschlafend) Na – des schad't nischt – man – man immer – man immer fidele, fidele! (schläft).

Meyer (steht nach einer Weile auf, zieht seine Schnupftabacksdose aus der Tasche, reibt dem Korbmacher Lerche mehrere Prisen in die Nase, legt dem Privatsekretair Schmidt die Dose in die Hand, und zieht sich dann wieder auf sein Lager zurück).

Lerche (muß mehrere Male stark niesen, erwacht, reibt sich die Nase, bemerkt den Taback und sieht die Dose in Schmidts Hand). I, det is doch zu arg! Macht sich dieser dämliche Federfuchser mit mir solchen Spaß! Na warte! (er biegt sich zu Schmidt hinüber und giebt ihm eine derbe Maulschelle). Wenn Sie det noch mal dhun, denn können Se eine Maulschelle jenießen!

Schmidt (erwacht aus einem Traume). O es war mir sehr anjenehm! Kommen Sie gefälligst bald bald wieder! Was war denn das?

Lerche. Ach, dhun Se doch nich so, als ob Sie jeschlafen hätten! En ander Mal verbitt' ick mir solchen Spaß! (er legt sich wieder hin und schnarcht bald darauf.)

Schmidt (sitzt noch immer verwundert da). Das ist sonderbar! Ich glaube jar, Sie haben mir einen Katzenkopf jejeben, werther Herr Lerche? Und wie komme ich denn zu dieser mir nicht jehörijen Dose? Wenn das hier so zujeht, da ist es wohl am gerathendsten, daß man sich entfernt. (Er legt die Dose hin, steht auf und steigt leise aus dem Heuboden die Leiter hinunter).

Meyer (holt seine Dose). Der Witz war jut! (Er legt sich wieder hin und schläft ein).

 
Im Wäldchen

Auguste. Was mag denn schon die Uhr sein? Der Tag wird einem unendlich lang, wenn man so früh aufsteht.

Meyer. Ich will mal nachsehen, was meine goldene, auf einem Cylinder gehende Repitiruhr is. Fünfe!

Schmidt. Schon fünf Uhr, beinah, richtig! Jetzt jehen unsre Uhren schon ziemlich jleich, werther Herr Meyer! Ja, das Kaffeetrinken hat uns ziemlich lange aufgehalten.

Bläschen. Nanu, Kinderkens, nanu sind wir in de Haide, wat machen wir denn nanu? Des Schlimmste is immer uf so 'ne Landparthie, deß man nich weeß, was man anfangen soll! So'ne Landparthie is recht hübsch, aber wenn man sich annejirt, denn is et ooch nischt!

Lerche. Wat wir nu machen? Vor't Erste lagern wir uns hier in's jrüne, jrüne Jras, das Ueberje wird sich schon finden!

Henriette. Ich weeß nich, was Du immer hast, Bläschen? Was verlangste denn von so 'ne Landparthie eijentlich? Sollen de Bäume etwa uns was vordanzen? Wir können Jott danken, deß sich des Wetter so jehalten hat!

Schmidt. Ja wohl, verehrungswürdije Madame Bläschen! Heute Morjen sah es sehr munklich aus. Hören Sie, werther Herr Meyer, wenn Sie es nicht übel nehmen: Sie könnten uns eigentlich was deklaniren.

Alle (außer Auguste). Ach ja, ja, Herr Meyer!

Meyer. Warum dieses nicht? Ich laße mich nicht lange bitten: immer materiell, immer Carbonade, das ist die Hauptsache! Wollen Sie von meinen eignen Gedichten eins hören, oder was Anderes?

Schmidt (in einem sehr gemüthlichen Tone). Was Anderes, wenn ich bitten darf.

Meyer. So? Na, denn werd' ich Ihnen den Jaromirijen Monolog aus de Ahnfrau: Ja, ich bin's, du Unglückselijte! deklamiren. Jeben Sie Acht: ich bin Jaromir, un Herr Lerche da is de Bertha, die mir »Räuber!« zuruft.

Lerche (zieht seine Schnapsflasche hervor und trinkt). Na ja, ick bin Bertha; ick bin die Unjlückselijte.

Meyer (deklamirt mit ungeheurem Pathos).

Ludwig. Vater, warum schreiten Herr Meyer so?

Bläschen. Halt's Maul, Jeere! Hörste nich, daß Herr Meyer deklamirt!

Henriette. Aber Bläschen!

Meyer.

Bin's, den jene Wälder kennen!
Bin's, den Mörder Bruder nennen!

Ja, wenn Sie nicht ruhig sind, meine Herrschaften, denn is es nischt. Dazwischen gesprochen darf nich werden, wenn ich deklamire!

Auguste. Vater, sage mal, wo ist denn der Asur geblieben? Ich habe gar nicht bemerkt, daß er hier mit hergekommen ist.

Henriette. Aber Aujuste! – Hörste denn nich, daß Herr Meyer uns was vorträgt?

Auguste. Nein, das hab' ich gar nicht bemerkt; ich saß hier so in Gedanken. Herr Meyer hat wahrscheinlich sehr leise gesprochen?

Lerche. Ne, des is nich wahr! Ick habe in meinem Leben nich so schreien hören. Des muß man nu den Herrn Meyer lassen: 'ne jute Lunge hat er.

Bläschen. Na bitte, bitte, Meyerken, fahren Se fort! Seid ruhig, Kinderkens, Allens ruhig, immer fidele! Se waren bei de Bertha stehen jeblieben, wie Sie ihr eben sagten, daß die Mörder Ihre Dutzbrüder wären. Des war jrade eine schöne Stelle, es spannte mir sehr.

Meyer (deklamirt weiter, wird oft unterbrochen, trägt aber trotzdem Alles vor, was er sich einstudirt hat).

Schmidt (nachdem Meyer sich wieder in's Gras gelegt hat). Weiter können Sie wohl Nichts auswendig, werther Herr Meyer?

Meyer. Non Musjeh!

Auguste. Sagen Sie mal, Herr Meyer: auswendig können Sie sehr, sehr Vieles, das hab' ich gehört; kennen Sie gar Nichts inwendig?

Meyer. O ja: verdauen!

Auguste. Auch ihre Deklamationen?

Henriette. Aber Aujuste, Aujuste! Hör' mal, Du wirst mir wirklich ärgerlich machen! Was soll denn des ewige Jeschraube mit Herrn Meyern?

Meyer. Sie kann sich mit mir schrauben, die Fräulein Aujuste: davor ist sie Mutter!

Bläschen. Na, Kinderkens, wat machen wir denn nu? Hm? Des is des Schlimme bei so 'ne Landparthie, daß man immer nich weeß, was man anfangen soll!

(Es werden mehrere Spiele vorgeschlagen und begonnen, welche aber sämmtlich die Langeweile nicht beseitigen können, die sich Aller bemächtigt hat. Auguste's Vorschlag, nach dem Dorfe zurückzukehren und Abendbrodt zu essen, wird daher mit Freuden angenommen.)

 
Nach dem Abendessen

Meyer. Na nu also Alle in den Wagen hinein, un dann hurre, hurre, hopp, hopp, hopp über Stock und Stein, in das göttliche Berlin hinein, wo die schönen Häuser sein, und die Wissenschaft mittendrein, und wo Lude und Hans Taps, Witze macht und trinket Schnaps, und wo Alles so schön eingerichtet, wie's nur irgend werden könnte, das hab' ich gedichtet! Wer kein Berliner nicht ist, der ist Nichts: solch ein Mann wie der Mühlendammer Meyer spricht's! – Wie is Ihnen denn Herr Schmidt? Sie sehen ja wie Braunbier un Spucke aus!

Schmidt. Mir is so'n bischen anjejriffen. Ich danke Ihnen gehorsamst. Etwas Kopfschmerzen hab' ich.

Meyer. Da will ick Ihnen ein Mittel sagen. Ich habe zu Hause so'n kleines Fläschchen mit Salmiak, da riechen Sie dran!

Bläschen. Na, Kinderkens, sitzt Ihr nu Alle? Ja? na schön, Kutscherken, denn fahren Se man zu! Der Meyer, det is doch een Sakerloter, was der vor Verse machen kann! Det jeht Allens haste nich jesehn, da hat er so'n Reim raus, der immer uf den andern paßt; wenn der Schiller und der Jethe noch lebten, die würden sich ärjern! Aber, Meyerken, Sie sind ooch en bisken begeistert von den vielen Kümmel, nich wahr? Ja, ja, des kommt davon! Na, schad't nischt, immer fidele, wenn ick man nich wieder den Ludwichen uf den Schooß haben müßte! Vor de Verdauung is bei mir wirklich jesorgt: von unten stuckert der Wagen, un von oben stuckert der dumme Junge; det is en Vergnügen! Na, Kinderkens, immer fidele, aber so bald mach' ick doch keene Landparthie nich wieder!

Lerche (betrunken). Halt' Deinen Verdauungs-Thorwech, Bläschen, sonst koof ick Dir in de Jotha'sche Lebensversicherung-Anstalt in, un schlage Dir dodt! Ick bin der Korbmacher Lerche, un ick fühle mir stolz! Stolz fühl' ick mir, det kann ick, davor bin ick Mutter, un der janze Jlobus, Afrika, Amerika, Allens jeht mir nischt an! Aus den Mond da oben mach' ick mir jar nischt, jar nischt mach' ick mir aus ihm; der kann keene Körbe nich flechten, kann er nich, der Schafskopp! Sitzen Se stille, Meyer, un fliejen Se mir hier nich immer uf den Leib, uf den Leib, sonst, sonst bin ick de Prinzessin Portorike, und denn jenießen Sie wieder eine Knallschoote, jenießen Sie wieder!

Meyer. Na! Herr Lerche!

Bläschen (ihm in die Ohren). Nich doch, Meyerken, lassen Se ihm doch, er is ja schräg, das hören Sie doch woll! Kinderkens, wir wollen en bischen was singen.

Lerche. Ja, det wollen wir, det können wir! (Sie beginnen mehrere Lieder, bringen aber keine Harmonie zu Wege; auch stört das Geräusch des Wagens auf der Chaussee).

Henriette. Herjees, nu hört man endlich uf mit Euer Jejröle, da kommt ja doch nischt Vernünftijes raus! Laßt eenen lieber en bisken druseln.

Schmidt (leise zu Friederike). Mir schläfert auch, aber der Korb vor meine Beine, der hindert mir.

Meyer (nach einer sehr langen Pause, gähnend). Ach Jott! Ach Jott, das Leben is doch schön! (er versucht einzuschlafen.)

Bläschen (nach einer sehr langen Pause, gähnend). Aaach! Wenn ick doch man en bisken schlafen könnte! Aber der dumme Junge hier uf den Schooß, da soll der Deibel schlafen! Na, un der Lerche, der schnarcht man wieder: des jeht jrade so, wie die französischen Steensetzer, wenn Se so rammeln! Jetteken, schläfst Du schon? Richtig, die schläft! Ja, die kann woll schlafen, die hat es jut, die is meine Frau; un ick bin ihr Mann, des is en jewaltijer Unterschied! – Ick jlobe jar, Meyerken, Sie schlafen ooch? Nu seh' Eener an, der Fürst von Portorieke denkt an das Wohl seines Volkes un is eingeschlafen. (gähnt) Aaach! Aaach! Ne, vor's Erste mach' ich doch keene Landparthie wieder! Des is Allens recht jut, aber man annejirt sich. Na, schad't nischt, immer fidele! (er schließt die Augen).

Schmidt (seufzend). Ach du lieber Himmel, der Korb! (gähnt und versucht wieder einzuschlafen.)

Bläschen (nach einer langen Pause). Herjees, Kinder, et drippelt! – Ne, des is en Platzrejen! Na nu is et noch scheener, nu werd' ick hier noch naß mit den Ludwig uf'n Schooß! Kinderkens, so wacht doch uf, es rejent ja! Kutscherken, Sie da, Kutscherken, haben Se denn an de Seite keen Leder nich, keene Klappen; wie ist denn Des?

Kutscher. Ja, die hab' ick woll, die sind aber ufjeschnallt! Um det Endeken, wat wir' alleweile noch haben, wer' ick doch nich anhalten un 'ne halbe Stunde lang rumnuseln, ehr ick det Allens in Ordnung krieje! Wer hat denn det denken können, det sich det Wetter so schnell verändern würde!

Henriette. Bläschen, ich bitte dir, quängle nich so viele! Wenn De nu ooch en bisken naß wirst!

Bläschen. En bisken naß wirst? Hat sich was zu bisken! Des drescht ja wie mit Mollen, ick bin schon wie'n Pudel so naß!

Auguste. Ach, und ich! Mein schönes Kleid!

Lerche (erwachend). Na, wat Schwerebrett is denn des! Det rejent ja! Aber, Bläschen, Du hast mir ja janz naß werden lassen! Schafskopp, warum hast'n de Klappe nich zugemacht?

Bläschen (ärgerlich). Ne, nu jeht mir doch aber de Jalle über, det nehm' mir keen Mensch übel! Nu bin ick ooch noch an den Rejen schuld, nich wahr? Ja, versteht sich, ick bin an Allens schuld, mir wird Allens ufjepuckelt! Erschtens hab' ick Allens besorjen müssen, denn muß ick den Jungen uf'n Schooß nehmen, denn muß ick mir anijiren, denn kann ick nich mal inschlafen, denn wer' ick naß bis uf't Hemde, un zuletzt, wenn Se nischt mehr weiter wissen, denn muß ick die Schuld von de Rejenwolken ausbaden! Ne, Kinderkens, immer fidele, aber Allens was recht is, des is zu arch!

Kutscher. Brrr! Na nu sind wir da!

Bläschen. Sind wir richtig zu Hause? Na, Jott sei ewig jelobt und jedankt! Ick dripple wie'n Eiszappen, uf den de Sonne scheint! Da, Auguste, nimm mal den Ludwig hier, damit ick runter steijen kann; der Fleck, wo der dumme Junge jesessen hat, des is der eenzige drockne an meinem janzen Leibe! Friedrike, haste de Körbe, Allens da, nischt vergessen? (er steigt hinunter.) So, Kutscherken, nu fahren Se man zu Hause; morjen komm' ick hin un werde Allens abmachen. Wo ist'n der Asur? Ach, da is er ja! Des arme Vieh wird sich ooch gelangweilt haben! Ju'n Nacht, Herr Privatsekertair, schlafen Se wohl, ju'n Nacht! Ju'n Nacht, Herr Meyer, schlafen Se wohl, besuchen Se mir bald wieder! Lassen Se man heute jut sind, wir werden uns des schon berechnen! Na, Lerche, Du schläfst woll heute bei uns? Na scheen, denn jeh' man immer voran! Nu seh' mal een Mensch meinen Rock an, der is zum Auswrinjen! (Die Treppe hinaufsteigend.) Na, schad't nischt, immer fidele, aber vor't Erste kommt mir Keener wieder mit so 'ne Landparthie!

 


 


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