Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Zirngibler

(1834; 1843)

Ueber diesen Namen muß ich zuvörderst, namentlich dem Publikum, das nicht so glücklich ist, in Berlin geboren zu sein, Licht geben. In Spree-Athen wurde vor vielen Jahren ein Mann, d. h. damals ein Kind, in die Welt gesetzt, dessen Vater Zirngibl hieß, das folglich, außer einigen unbedeutenden Vornamen, auch Zirngibl genannt wurde, und bis auf diese Sekunde selbigen Namen beibehalten hat. Aus dem Kinde wurde ein Knabe, aus dem Knaben ein Jüngling, und aus dem Jünglinge ein Mann, wie solches nicht selten zu geschehen pflegt, wenn männliche Kinder ein Alter von vierzig Jahren und darüber erreichen. Bis hierher also wäre nichts Besonderes geschehen, das die Aufmerksamkeit der Welt auf vielbesagten Herrn Zirngibl gerichtet hätte, allein nun kam es mit Riesenschritten, denn er wurde Buchdrucker und – was noch viel mehr sagen will – er wurde auch Verlags-Buchhändler!

»Wer sagte das? Ich glaube gar, ich bin's allein

Gedruckt in diesem Jahre. – Kennt ihr Treuenbrietzner und ihr andern Europäer dieses gewichtiger spekulative, ewige Wort? Wem hätte je ein so übergroßer Gedanke durch den Kopf fahren können, wem anders, als ihm? In welchem Sterblichen wäre eine solche unendliche Idee aufgeblitzt, wäre nicht der sterbliche Zirngibl geboren?! Und hat er auch nicht selbst jene vier zeitzertrümmernden Worte erfinden können, so waren es sicher seine Vorfahren, und er muß den Lorbeer um die verdienstvolle Stirn tragen, der seinen großen Ahnen vorenthalten wurde. Zürne nicht, Zirngibl, mit der Vorwelt, daß sie keinen Brennglas hatte, der so schnell dem Verdienste seine Kronen austheilte, bemitleide sie lieber wie die zukünftigen Jahrhunderte, welche gleichfalls diesen Mangel erdulden müssen.

Nun zu Dir, Deutschland! Hast Du schon ein Werk von einem halben Bogen gesehen, das den Titel führte: »Fünf sehr schöne neue Lieder – gedruckt in diesem Jahre«? Das ist Zirngibls Verlag, das sind jene Werke, durch welche er die gebildeten Köchinnen, Hökerinnen, Hausknechte und Stiefelputzer Deutschlands, für ein Paar Dreier mit der poetischen Literatur ihres Jahrhunderts bekannt macht. Scheußlich sind die Werke ausgestattet – auf scheußlichem Papier scheußlicher Druck – aber was frägt man bei »Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten«, »Ein Schlosser hat mal'n G'sellen g'habt«, »Det beste Leben hab' ick doch« und bei »Bürgers Leonoren« nach der Ausstattung?Obschon oft bei der Leonore eines Bürgers nach der Ausstattung gefragt wird. — D. V. Den Inhalt der herrlichen fünf oder sechs Lieder will man kennen lernen, und nach ihm singen; denn Gesang erhebt auch die hausknechtlichen und stiefelputzenden Herzen, wenn sie Sonntags Nachmittag in der freien Natur aufklopfen, und erhebt sie in die endlosen Himmel der Freude, bis sie wieder niedergerissen werden durch gleichgestimmte Feminina: Köchinnen; Hökerinnen u. s. w. –

Zirngibl hat also einen ungeheuer großen Absatz, und kann sogleich auf einem großen Fuße leben. Seine Druckerei ist fortwährend beschäftigt, und Hunderte von kleinen Individuen bieten seine Verlagsartikel in allen Häusern, auf allen Märkten, auf allen Landstraßen feil – und diese kleinen Individuen nenne ich Zirngibler. Sie sind gekleidet wie jeder vollkommene Straßenjunge. Charakterisiren werde ich sie am besten durch eins ihrer Gespräche, welche zu belauschen man oft Gelegenheit findet.


Ein Gespräch

Lebell. Peter. Fritze.

Peter. Na Du bist en rechter Theekessel gewesen, Lebell, det de Dir bei Die mit eenen Dreier hast abspeisen lassen. Die Mamsell hätte wenigstens drei Heinrichs schlief bei de Neuvermählte jenommen!

Lebell. Ach, Schafskopp, wat soll denn die mit so'nne Menge Heinrichs machen?

Peter. Det jeht Dir nischt an, det wird se schon wissen! Wenn se Dir man bezahlt, denn kann se damit machen wat se will.

Lebell. Na, se hat aber jar nich nach Heinrichs schlief bei de Neuvermählte jefragt, der stand blos mit druf uf die sechs neue Lieder, die meine Mutter noch in ihren alten Kommodenkasten zu liegen jehabt hat. Sie fragte blos nach »Freien is keen Pferdekoof« un da konnt' ick ihr nich mehr anschmieren, weil ick man nur eenen Pferdekoof bei mir hatte.

Peter. Du, ick habe noch Eenen, draje ihr den geschwinde nach!

Fritze (kommt dazu). Jebt euch keene Mühe; nu nimmt se nischt mehr, ick habe ihr eben det beste Leben beigebracht, det heeßt mit eenen illumnirten Nanten dabei, sonst hätt' se't nich jenommen.

(Ein Dienstmädchen geht vorüber.)

Mamsellken, heda, koofen Se mir wat ab! Janz neue Lieder, jedruckt in diesen Jahr, eben erst aus de Fabrik jekommen, fühlen Se mal an, se sind noch janz frisch. Sechse vor'n Dreier! Suchen Se sich aus!

Dienstmädchen. Hast Du: »Willkommen o seliger Abend!« darunter?

Peter. Ne, damit kann ick nich dienen, ick habe meinen letzten selijen Abend da driben bei den Schuhmacher verkooft, der immer besoffen is. Aber warten Se mal! He Lebell, Fritze, habt ihr keene selige Abende mehr?

Beide. Ne, die sind uns ausjejangen.

Fritze. Da mußt Du Dir an de alte Elisabethen wenden, die hat ooch keene mehr.

Peter. Mach' keene schlechten Witze! Na, Mamsellken, ick werde Ihnen morgen früh en paar selige Abende in't Haus bringen, suchen Se sich derweile wat anders aus, nehmen Se'n »Jungfernkranz«, den können Se ja woll ooch gebrauchen?

Dienstmädchen. I wat soll ick'n damit? Der is ja janz aus de Mode gekommen.

Peter. Na wenn Se det meenen, denn will ick Ihnen en »Siegerkranz« jar nich anbieten. Aber wie is et'n mit »En hübsches Kind von funfzehn Jahren?«

Dienstmädchen. Ne, ne, laß man, ick koofe keens.

Peter. I warum denn nich, Mamsellken? Det hübsche Kind sollten Se doch von mir nehmen, det is so so selten; da können Se manchmal Jahre warten, eh' ick Ihnen wieder eens bringen kann.

Und so weiter.

 


 


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