Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Das neue Europa
im Berliner Guckkasten

(1848)

Scene: Unter den Linden. Abends 9 Uhr.

Guckkästner (singend):

Ich bin ein Deutscher! kennt ihr meine Farben?
Schwarz, roth und golden weh'n sie mir voran;
Daß für die Freiheit meine Brüder starben,
Das deuten kühn euch diese Farben an.
    Nun endlich darf ich's sagen:
    Ich will mit Stolz sie tragen!
Die Nacht entfloh, der Freiheit Sonnenschein
Brach siegend über Deutschlands Fluren ein!

Mehrere Gesellen etc. (wiederholend):

Die Nacht entfloh, der Freiheit Sonnenschein
Brach siegend über Deutschlands Fluren ein!

Guckkästner (schreiend). Hurrah, die Freiheit soll leben!

Viele Stimmen. Die Freiheit soll leben! Hoch!

Guckkästner. Die Gleichheit soll leben! Hoch!

Viele Stimmen. Hoch!

Guckkästner. Die Brüderlichkeit soll leben! Hoch!

Viele Stimmen. Hoch! Hoch! Hoch!

Guckkästner. Is et denn möglich? (sieht sich um.) Is denn det noch Berlin? Is denn det noch detselbe Polizei-, Jeheimeraths-, Mucker- un Jardelieutenants-Berlin? Is denn jar keen Jensd'armerie in der Nähe, der jleich in de Zehen Koppschmerzen un in'n Kopp Elsteroogen kriegte, wenn Eener uf de Straße en lautes Wort sprach über jrüne Bohnen, geschweige über Freiheit? Doretheee, wenn ick nich von Anno 13 den Stelzfuß hätte, ick riskirte vor Freude einen Jalopp mit Dir, altes Jebäude, altjewordner Irrthum meiner Jugend, unvermeidliche Civilehe einer naturgemäßen Hinneijung!

Dorothea. Wenn De doch lieber wolltest Kunden 'ranrufen als Dir zu exalteriren über die Freiheit. Man verdient jetzt jar nischt mehr; det Jewerbe steht stille. Jeh' mir mit de Freiheit! Die Freiheit, verhungern zu können, hatten wir unter de Jensd'armerie ooch. Erscht recht!

Guckkästner. Brumm Du alte Schachtel Du! Wenn ick vor de Freiheit verhungre, sterb' ick besser als en Soldatenheld. Jehörst Du ooch zu die Philister, die de Freiheit jleich uf't Butterbrod haben wollen, die de jute Zeit jar nich abwarten können? Dreiundreißig Jahr Niederträchtigkeit jesät un nu woll'n se jleich Appelsinen ernten!

Posamentier Dickewitz (der ihm zuhörte). Hör'n Se mal, ick kann se ooch nich abwarten, de jute Zeit. Det is ja een Jammernest jetzt, Berlin un janz Deutschland! Keene reichen Leute, keen Milletair, keen Handel und Wandel, keen nischt nich mehr, un Allens, un Allens blos durch die Ufwiegler, die man dodtschießen sollte.

Guckkästner. Sie sind keinen Schuß Pulver werth.

Posamentier Dickewitz (empört). I Sie verdammter Jrobian, Sie Fleez, Sie!

Guckkästner. Wie sagen Sie? Sie scheinen von de Redefreiheit etwas Jebrauch zu machen. Wer hat denn Ihnen jemeent!? Die Ufwiegler sind keenen Schuß Pulver werth, meente ick. Sie sind keenen Schuß Pulver werth, sagte ick. Aber – Sie entschuldjen, Sie sind jewiß aus eine preußische Jejend, wenn Sie erlauben wollen?

Posamentier Dickewitz. Ne, ich bin hier aus Berlin, heeße Dickewitz, bin Posementier un...

Guckkästner. Danke, danke, mehr is nich nöthig. Bürjer sind Sie ooch, das seh' ich an Ihr Jewehr. Herr Dickewitz, ick wollte Ihnen man fragen: wer sind denn die Ufwiegler, wenn Sie nich etwa die verrückten Communisten meenen? Sind et die Menschen, die uns nich wieder wollen in de alte Tinte jerathen lassen, nachdem wir mit unser Blut unsre Freiheit erkämpft haben? (Er hält die Hand an's Ohr.) Stille mal! Hören Se nich an de Dhüre kloppen, Herr Dickewitz? Rufen Se man mit janz leiser Stimme – Herein! Ick sage Ihnen, ehr Se noch Ihre schwarz-roth-joldne Kokarde vorstechen können, is de jute Pollezei un Jensd'armerie, sind de freundlichen Jeheimenräthe, die niedlichen Jardelieutenants un die stillen, süßen Mucker, is de janze alte Prostemahlzeit wieder da!

Posamentier Dickewitz. Das wäre janz jut; das war viele besser als jetzt.

Guckkästner. Ach so, von die Sorte sind Sie? Zwölwe uf's Dutzend? So? Im ersten Oogenblicke jloobt' ich, man kriegte blos Elwe von Ihnen. Haben Se de Jüte, ihre Promenade unjehindert fortzusetzen; ick werde versuchen, mir ohne Ihnen zu amüsiren. (Er ruft pathetisch.) Immer ran, meine Herrschaften, Bürjer und Brüder! Hier rollt sich Ihnen die janze jroße Zeit der Jejenwart vor Einen Silberjroschen ab. Die frühere Weltjeschichte kostete bei mir blos einen Sechser, weil sie blos von Kaiser un Könije jemacht wurde und nischt werth war. Alleweile kost't sie einen Jroschen, weil sie die Völker jemacht haben. Bürjer un Brüder, es is darum doch billig. Wie jerne hätten Sie noch vor'n Paar Monaten viele Dhaler jejeben, wenn Sie hätten können dieses oder jenes hohe Haupt wegjagen oder mürbe machen: hier in meinen Kukasten kommt noch nich en Pfennig uf jedes hohe Haupt, wat ick Ihnen hier wegjage un mürbe mache. Immer ran, deutsche Brüder, es is der Kampf der europäschen Freiheit, den Sie hier, erhoben in die Rejion der Kunst un Poesie, vor Einen Silberjroschen jenießen.

Erster Junge (greift in die Tasche und giebt ihm Geld). Deutscher Bruder, hier is ein Silberjroschen.

Guckkästner. Ick danke Ihnen für die Hebung der untern Klassen.

Erster Junge. Wo so?

Guckkästner. Des sind höhere politische Ansichten, über welche Sie sich, sobald Sie Jelehrter jeworden sind, Bejriffe machen werden. Welche Stellung haben Sie durch die jroße Erschütterung erhalten, deutscher Staatsbürjer. Sind Sie villeicht bei de Straßenreinijung als Hofrath angestellt?

Erster Junge. Ne. Man hat mir zwar diesen Posten anjedrajen, aber ich lehnte ihm ab, erschtens, weil noch mehr Jucks aus de Häuser un Palais' wegzufegen is un zweetens, weil ich mir den Kriegswissenschaften widmen will. Ick habe hinter de Barrikaden schon mein Examen in Kujeljießen abgelegt. Ick nahm meinen Vater, der vor den Staat als Zinnjießer nützlich is, mehrere Schachteln mit kleene bleierne Soldaten weg, damit nich mehr so lange mit de jroßen gespielt werden sollte. Jejenwärtig üb' ick mir im Trommeln, um bei de Bürjerwehr als Jeneralmarsch angestellt zu werden.

Guckkästner. Wenn Ihnen det jlückt un Sie Ihr Talent ausbilden, werden Sie noch mal Lärm in der Welt machen.

Zweiter Junge. Kann man noch reinsehen?

Guckkästner. Dieses hängt von zwei Fähigkeiten ab, welche bei Ihnen vorausjesetzt werden müssen. Erschtens müssen Sie dazu Oogen haben und zweetens – Jeld, nämlich einen Jroschen von Silber.

Zweiter Junge (bezahlt). Beides is vorhanden.

Guckkästner. Jenehmigen Sie die Versicherung meiner ausjezeichnetsten Hochachtung, mit welcher ich verbleibe Euer Wohljeboren janz ergebenster Kukastenmann.

Zweiter Junge (lacht). Det klingt putzig.

Guckkästner. Dieses war alter Styl. Von'n 19ten März an hat sich unsre Sprache etwas verändert; wir sind deutlicher jeworden, un des war unsre Schuldigkeit. Die Rejierungen verstanden uns nich, weshalb wir uns sehr populair ausdrückten, worauf ihnen unsre Ideen klar wurden.

Erster Junge (ungeduldig). Aber ick dächte, et jinje nu bald an?

Guckkästner. O ja, et jeht an. Janz jut is et noch nich. (Sehr laut.) Nachdem die Niederträchtigkeit schmal jemacht is, fängt de Dummheit an, sich breit zu machen. (Seinen Krückstock schwingend.) Jott, ick wünschte blos, alle Zarucker hätten Eenen Rücken un dieser Rücken wäre in meiner Nähe!

Schneider Aettrich. Hier is'n Jroschen, aber ich habe keine Zeit nich.

Guckkästner (steckt das Geld ein). Des is'n Irrthum. Jeld is Zeit. Wer Jeld hat, hat jejenwärtig Zeit. Blos die, die keen Jeld haben, haben jar keene Zeit. Die verstehen unter Freiheit: et soll Ducaten rejnen. Sie sagen: sonst husten se wat in de Freiheit, sonst wäre de Freiheit jar nischt. Herrjees, de Freiheit is ooch jar nischt. Wenn se sich fressen ließe, denn würden wir se ooch bald wieder – Doretheee, stech' de Lampe an! – verdaut haben. Die Freiheit is weiter nischt als: keene Bedrückung. Wir können uns jetzt im Wege unsrer Jesetze Alles erobern un verdienen, was wir erobern un verdienen wollen un vernünftig wollen können.

Zweiter Junge (sehr ungeduldig). Na nu!!

Erster Junge (ebenso). Hör'n Se mal, deutscheiniger Bruder, vor politische Belehrung hab' ick Ihnen meinen Silberjroschen nich jejeben; ick verlangte Kukasten.

Guckkästner. Die Lampe is anjestochen. Ick wollte erst noch, det Ihnen en Licht über de wahre Freiheit ufjehen soll, indessen (seufzend) die Jungens sind jetzt de klügsten Männer. (Stärker seufzend.) Rrrr, das erste Bild! Doretheee, jib mir mal mein Pulverhorn her; ich muß mir mal erst Einen uf de Pfanne jießen. (Er trinkt.) So, nu kannt losjehen. Rrrrr, das erste Bild! (Pathetisch.) Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen: Die Veränderung von Paris un Frankreich oder Monarchie, leben Sie wohl! Ein Trauerspiel von Lamartine, das sich sehr jut endigt aber noch nich aus is. Es is der schöne Moment aufgefaßt, wo Ludwig Philipp seine Pariser verliert un in de bloßen Beene nach England fährt, um sich bei seine Muhme Vicdoria zu erkundjen, wie es mit de Tante Cordiale steht.

Schneider Aettrich. Tante Cordiale? Ach, Sie meenen wohl mit die entente cordiale?

Guckkästner. Janz Recht, diese alte Tante meene ich. Ich bitte überjens, mir nich zu stören, denn jetzt jehe ich in Poesie über, um Ihnen dieses wichtige Portrait näher zu erklären:

Der Ludwig Philipp war ein Schelm,
Der jrößte woll uf Erden:
»Französche Karten sollen hier
Mal endlich Wahrheit werden!
Des schwör' ich, des verheiß' ich
Jetzt Achtzehnhundertdreißig!«

Dies schöne Wort, er hielt es nich,
Trotz seiner offnen Klarheit;
Von allen Karten wurde blos
Der König Trumpf un Wahrheit,
Er spielte falsch un dacht' sich:
Man immer zu, des macht sich!

Alleene aber öfters jibt's
In Frankreich Augenblicke,
Da kriegen die Franzosen des
Tyrannisiren dicke:
Will sie ein König treten,
So jeht ein König flöten.

Nu thaten sie in dieses Jahr
Reformbankette jeben,
Un ließen mal zur Abwechslung
Die Majestät nich leben.
Des war zu arg, des schoß ihm
In'n Kopp und es verdroß ihm!

Er rief nun sein Mysterium
Un sprach: »Des leiden Sie so?
Mosjee's, Sie sind verantwortlich,
Besonders Sie, Herr Guizot!
Is Des noch meine Karte?
Französches Volk, na warte!!

Wenn Des so fortjeht, kriegen wir
Reformen uf Reformen,
Un von den Fürsten Metternich
'n Zopp, en janz enormen;
Von Niklas, meinen Vetter,
Krieg' ich des Donnerwetter!«

Er sandte drauf Kuriere jleich
An alle Kabinette;
Deß es mit die Reformbankett's
Nischt weiter auf sich hätte.
Er thät, was sie ihm riethen,
Un würde sie verbieten.

O Ludwig Philipp, König Rex!
Hätt'st Du des unterlassen,
Europa's Fürsten würden Dir
In Jold und Silber fassen!
Denn dies Verbot, uf Ehre!
Es störte äußerst sehre.

Paris stand auf. Man tobte wild,
Man baute Barrikaden:
»Ah bah' mit alle Orleangs!«
So schrie man: »Fort mit Schaden!
«Die Straßen waren muthig,
Die ganze Scene blutig.

Verjebens bot Herr Thiers sich an
Mit seine linke Seite:
Die Deputirtenkammer war
Een Brüllen, een Jestreite.
Wie man sich wand und drehte:
»Zu spät!« erscholl's, »Zu späte!«

Verjebens setzt die Herzojin
Von Orleang die Krone,
Im Namen Ludwig Philipp's noch
Auf's Haupt von ihren Sohne;
Wie sie ooch bat und flehte:
»Zu spät!« erscholl's, »Zu späte!«

Der König, Alle kratzten aus
Mit ihre sieben Sachen;
Man hatte Alles nu versucht:
Es war Nischt mehr zu machen!
Man sah's in jedem Falle:
Die Monarchie is alle!

Un »Republik!« un »Republik!«
Erscholl's aus allen Kehlen;
Man scheut sich, solche Schändlichkeit
Noch Jemand zu erzählen.
Franzosen, solch Benehmen!
Ihr solltet euch was schämen!

Und, hör' es, Weltjeschichte hör's:
Die dollen Bösewichter,
Sie wählten sich kein hohes Haupt,
Nein, einen bloßen Dichter!
Der soll, so schrien die Massen,
Die Republik verfassen!

Un Freiheit, Jleichheit, Brüderschaft!
Sang Lamartine der Dichter,
Und: Lohn der Arbeit! Allen Glück
Und Frieden! singt un spricht er.
Und wenn Er's singt alleine,
So is die Schuld nich seine.

Denn Freiheit, Jleichheit, Brüderschaft,
Des sind drei schöne Engel!
Wer sie nich liebt, wer sie beschimpft,
Des is en dummer Bengel.
Jedoch auf alten Sünden
Ein Tugendreich bejründen,
Wie's Lamartine versprochen:
Des jeht nich in vier Wochen.

Erster Junge. Hör'n Se mal aber, des Bild hat lange jedauert.

Schneider Aettrich. Es hat die längste Zeit jedauert. Die verfluchte Republik, die!

Guckkästner. Was sind Sie'n von Metier?

Schneider Aettrich. Schneider.

Guckkästner. Aha! Ich danke Ihnen für jütige Auskunft.

Zweiter Junge. Wenn die andern Bilder von alle die Revolutionen ooch so lange dauern, denn sehn wir hier morgen früh de Sonne ufjehen.

Guckkästner. Sein Se nich angst. Vor de Revolutionen is se nich ufjejangen, un jetzt verkrümelt se sich ooch schon wieder. Se jeht immer blutroth uf, de Sonne, un es is noch sehr früh Morjens jetzt, wenn wir heute ooch schon halb Zehne Abends haben. Ueberjens schießen Sie sehr vorbei, wenn Sie jlooben, det ick Ihnen hier alle die jroßen Ereignisse von'n Februar an vorführen werde. So viel Zeit hat Cornelius nich jehabt, um mir die für mein Museum hier auszuführen. Die können Sie sich malen lassen. Ich habe hier blos die Hauptbejebenheiten als jlorreiche Erinnerung. Vor Jeschichte bin ick hier unter'n Linden nich angestellt. Die können Se da drüben in de Unneversetät kriegen...

Eine Hökerin (schreiend). Bücklingee! Bücklingee!

Guckkästner (erschrickt). Jott bewahre, diese alte, heisre Stimme! (Fortfahrend.) Die können Se da drüben in de Unneversetät kriejen, wenn Se hören wollen.

Zweiter Junge. Ne!

Guckkästner. Na denn werden Se fühlen müssen, wie Ihnen Des meine andern Jemälde beweisen werden. – Rrrrr, ein andres Bild! (Pathetisch.) Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Ihnen die jroße zuvorkommende Abdankung Seiner Majestät Ludwigs von Baiern mit den oberpfälzischen Herzen. Seine jetreuen, in ewiger Hochachtung verbleibenden Unterthanen stehen mit innigster Freude umher und man sieht kein Auge, welches jerührt is. Wejen Ablieferung der Rejierungssorgen, die des brave teutsche Baiervolk übernehmen will, sieht man einen vierten Band Jedichte mit banger Besorgniß entjejen und läßt zujleich Einen von die frühern Minister aushauen für die Walhalla, damit dieser jlorreiche Tag noch von den spätesten Urenkeln jesejent wird.

Schneider Aettrich. Es war sehr undankbar von de Baiern, da doch Ludwig immer des Beste jewollt hat.

Guckkästner. Janz Recht, wie alle Fürsten. Un sie haben es sich ooch jenommen. Aber jetzt wollen Wir des Beste.

Erster Junge. Haben Sie hierzu keene Verse?

Guckkästner. Des versteht sich, ob! Die Poesie war jleich da, so wie Ludwig von Baiern abgedankt hatte. Man kann sie, wie Sie bemerken werden, nach »Prinz Eujenius, der edle Ritter« ooch singen. Soll ich se Ihnen villeicht singen?

Zweiter Junge. Wenn sie eine Stimme haben.

Guckkästner. Sehr! Stark! Mein Bezirk war mit meine künstlerische Leistung als Urwähler sehr zufrieden. Ick verschenkte meine Stimme, krigte aber als Wahlmann Eene wieder, mit die ick Ihnen jetzt bekannt machen werde. Die Jeschichte dieses Kunstwerkes, welches Sie sehen, is so: (singt.)

König Ludewig, der Wittelsbacher,
Nichtteuschthumsein's Widersacher,
Liebte mit sein teutsches Herz
Eine Tänz'rin, Lola Montez;
Diese nur verstand und konnt' es,
Ihn zu rühren allerwärts.

Sie war leider von Jeburt keine Teutsche,
Aber dennoch mit der Peitsche
Schlug sie auf die Menschen oft.
So kam's, daß ihr Ludwig liebte,
Welcher jrade participte
An eine Cabinetsordre, unverhofft.

Sie verjaß der Heimath Pyrinäen,
Wann sie konnte zu ihm jehen,
Und die Unschuld stets verlor;
Wann er, Liebling aller Musen,
Drückte ihr an seinem Busen,
Kam's ihr wieder spanisch vor.

Kurzen Rockes mußt sie tanzen,
So daß man oft sah den janzen
Tag den König bei ihr sein.
So kam's, daß er unterdessen
Baiern hatte janz verjessen
Ueber Lola Montez's Bein.

Er erhob das span'sche Madel,
Jab ihr Hochjeburt und Adel
Wohl als Jräfin Landesfeld,
Zog sie näher an der Krone,
Daß er ihr Verdienst belohne,
Und jab furchtbar ihr viel Jeld.

Darüber wurden die Baiern böse;
Es entstand ein jroß Jetöse
In der Stadt München Residenz!
Jeder, selbst Familienväter,
Ließ sein Bier stehn und schrie Zeter,
Schockschwernoth un Pestilenz!

Wie Seine Majestät Dieses vernommen,
War er jrade anjekommen
In der Jräfin Bouduaar.
Unten stand im Pulvernebel
Schon der janze Bürjerpöbel
Und von Adel auch ein Paar.

Lola muthig tritt an's Fenster,
Zeigt dem Volk noch ihren Spenzter
Mit ein heil'jen Orden drauf;
Aber statt sie einzuschüchtern,
Rücken von den Bösewichtern
Schon an hundert Mann hinauf.

Jräfin Landsfeld, sie mußte fliehen;
Mußte auf den Alpen ziehen
In der Schweiz mit ihren Reiz!
König Ludwig abdicirte,
Höchst freiwillig, weil er spürte
Einijes im Volk bereits.

So kam's, deß die braven Baiern
Ihre Freiheit konnten feiern
Um den reingewaschnen Thron,
Und die alten Peitschenwunden
Läßt gewißlich bald jesunden
Ihre jute Konstition.

Schneider Aettrich (trocknet sich die Augen). Des is sehr rührend, des Bild von einen abgedankt habenden juten König.

Guckkästner (schluchzend). Ja, et is schändlich! Es is jar nich zu begreifen – wie die Deutschen – die treuen Unterthanen – sich so ausländisch in diesen Jahre benehmen konnten. (Heftig weinend.) Wie Kinder hat man se behandelt, – wie dumme Jungens bedrogen – wie Hunde mit Füßen jetreten un – dabei doch dieses jute, sanfte Herz! Wir werden bald wieder bitten, die Pollezei möchte so jut sein, un die vorgefallne Weltjeschichte verjessen; wir würden es nie wieder dhun, sondern künftig recht artig werden.

Erster Junge (die Hände faltend).

Verzeihe uns, Jensd'armerie,
Die Revolutionen!
Wir werden ferner nun und nie
Belästigen die Kronen,
Und sind wir nich mehr fromm und jut,
So schick' uns Niklas mit der Knut'!

Guckkästner. Wo haben Sie'n Des her?

Erster Junge. Des hat mir mein Vater jelernt, der mit viele solche jute Unterthanen, wie dieser Schneider is, zusammenkommt. Wenn er't hersagt, denn hat er immer janz runde Hände.

Guckkästner. Jrüßen Sie Ihren Vater herzlich von mir, Bürjer! Rrrrr, ein andres Bild! (Pathetisch.) Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie die beiden keuschen Könijinnen Isapelle un Chrischtiene von Spanien, wie sie eben aus Spanien sehr eilig fortjejangen werden, weil sich die Ansichten über Monarchie geändert haben. Alle Frauen un Männer, welche sie bedient haben, rennen schon voruf und Sie bemerken eine starke Sehnsucht nach Jrenze. Die Jrenadierin Chrischtiene, welche früher sehr viel heimliches, rechtmäßig erworbenes Jeld hatte, befindet sich jejenwärtig in janz andern Umständen und hat blos noch Sieben Silberjroschen, wojejen die Isapelle weiter Nischt als des Verzeichniß von ihre Schloßjardisten jerettet hat. Im Vorderjrunde bricht der Mond aus de Wolken, in de Mitte bemerken Sie unangenehme Volksbewejungen, un im Hinterjrunde kriegt der Minister Nawartze einen solchen Katzenkopp, deß er de Republik nich mehr erlebt. Das janze Jemälde macht einen erhabenen Eindruck!

Erster Junge (verwundert). Was is 'n Des? Davon is mir ja jar nischt bekannt!

Zweiter Junge (ebenso). Mir ooch nich.

Schneider Aettrich (den Kopf schüttelnd). Ooch mir nich.

Guckkästner. Ich will Ihnen sagen: des schadt nischt. Ich habe mir des Bild immer fertig machen lassen, weil einen jejenwärtig die Bejebenheiten so über'n Hals kommen, deß man nich mehr Strich halten kann.

Erster Junge. Ach so?

Guckkästner. Ja! Wenn man jetzt was machen läßt, was jeschehen is, denn is es manchmal schon nich mehr wahr, wenn des Bild fertig is. Es is daher meine Schuldigkeit als Director dieser Akademie, deß ich meine Zeit verstehe un mitunter Blicke in die nächste Zukunft werfe.

Zweiter Junge. Na denn zeigen Se uns man Ihre akademlichen Bilder weiter.

Guckkästner. Jejenwärtig kommt wieder Jeschichte. – Rrrrr, ein anderes Bild! Hür, meine Herrschaften jenießen Sie den Friedrich-Wilhelms-Platz in Kassel un zwar in dem jroßen Mojement, wo das Kurfürstenthum Hessen seinen letzten Seufzer losläßt, indem es frei wird. Rechts schrägrüber steht Seine Königliche Hoheit in sein Schloß hinter ein Fenster und sieht sich den ganzen Skandal mit an; von ferne schallt Musik und die Sträucher und Beeme fangen eben an auszuschlagen, weil der Winter vorüber is. Hinten im Hinterjrunde schüddelt ein Republikaner den Kopp.

Schneider Aettrich. Erlauben Se mal: ick sehe Seine Königliche Hoheit nich!

Guckkästner. Sie haben sehr jlückliche Oogen, weil sie nämlich nischt bemerken, wo nischt is. Der Kurfürscht steht hinter de seidne Jardiene, weil er die Ausbrüche des Dankes nich leiden kann, weshalb ich ooch blos die seidne Jardine habe malen lassen. Wenn Ihnen viel daran liegen sollte, den Kurfürschten zu sehen, denn müssen Se warten, bis die Jardiene zurückgeschlagen wird.

Zweiter Junge. Von die Musik, die von ferne schallen soll, hör' ick ooch nischt uf des Bild.

Guckkästner. Des jeht ooch mit natürlichen Dingen zu. Sie schallt von sehr ferne, die Musik.

Erster Junge. Sagen Se mal, der Friedrich-Wilhelms-Platz hat ja woll en Echo.

Guckkästner. Ja, wenn Sie da in Kassel Sieben Mal wat schreien, denn kriegen Sie eine Antwort. Ne, ne, ick bin janz confuse! Wenn Sie Ein Wort schreien, denn wird et Sieben Mal wiederholt.

Erster Junge. Donnerwetter, des is merkwürdig; Des muß ich mal probiren. Wat schrei' ick 'n jleich? (Besinnt sich und schreit dann.) Heil Dir!

Guckkästner. Des is recht jut; daruf würde des Echo Sieben Mal »Eil' Dir!« antworten, denn das H kann es nich aussprechen, aber Sie stehen nich mitten uf den Platz von des Bild sondern vorne in Berlin untern Linden, folglich können Sie keene Wirkung verlangen. Erlauben Se, det ick Ihnen jetzt die Jeschichte zu des Bild vorsinge. (singt.)

Leute, hört, ich will erzählen,
Wie oft Fürsten Völker quälen;
Wie sie keene Herzen haben,
Sich an Blut und Thränen laben,
Und sich nenn'n im frechen Spott
Jejen unsern lieben Jott:
                    Wir von Jottes Jnaden!

Wie es einst erjing in Hessen,
Dieses is nich zu ermessen;
Kaum vermag man es zu hören,
Ohne einen Schwur zu schwören,
Daß, wenn's noch ein Mal jeschicht,
All' wir speien in's Jesicht
                    Solch gekrönten Schurken!

Menschen wurden da gebunden
Und geknebelt und jeschunden,
Und, wie sie auch Wuth geschnaufet,
Nach Amerika verkaufet,
Ja, verkaufet wie das Vieh!
Deß man's jloobte nun und nie,
                    Wär' es nich Jeschichte!

Un aus diesen alten Stamme,
Wachsend stets im Sündenschlamme,
Kam ein Kurfürst ooch von Hessen,
Der sich hielt sehr viel Maitressen,
Und mit Diesen Hand in Hand
Schändete das schöne Land,
                    Daß es bald verdorrte!

Leute, laßt mir all' die Thränen,
Die da flossen, nich erwähnen;
Laßt mir lieber fröhlich sagen,
Wie sie ihn zum Land raus jagen,
Wie sie schütteln ab in Hast
Sich die schwere Centnerlast,
                    Diesen alten Kurfürst!

Leider ließen sie ihm laufen
Mit die jroßen Joldeshaufen!
All das Jold von Hessens Feldern,
Seinen Berjen, seinen Wäldern
Rollte auf die Spielbank, ach!
Und in's Haus der Reichenbach!
                    Dausend Donnerwetter!

Doch inzwischen unterdessen
Setzten nun die juten Hessen
Diese schon schimpfirte Krone
Auf dem Alten seinen Sohne;
Aber bald sah' man es klar,
Daß die neue Herrschaft war
                    Ooch 'ne scheene Jejend!

Denn obschon sie eine Kammer
Hatten, hatten sie blos Jammer;
Friedrich Wilhelm absolute,
Er regierte à la Knute;
Wer sich muckte, wurde jetzt
Schnell versetzt un abgesetzt
                    Auf die alte Mode!

Polizei an jedem Finger!
Für die Wahrheit Kerkerzwinger!
Vorschrift, wie man mußte beten!
Rechte, mit dem Fuß jetreten!
Noth und Elend nich beacht't!
Alles durch Verbot jemacht
                    Auf die neue Mode!

Endlich nu in unsern Tagen
War's nich länger zu ertragen!
Fort Jeduld, fort mit die Trauer!
Schrie'n die wackeren Hanauer,
Nahmen Flinte, Schwert und Spieß
Und ein Horn, worauf man blies:
                    Freiheit oder – oder!

Ewig denkbar is jeblieben
Ein Billetchen, das sie schrieben,
Ein Billetchen zum Erschrecken,
Hinter'n Spiejel nich zu stecken,
Denn das Pettschaft lautete
Höchst zweideutig blos A Dieu!
                    Mit ein Ausrufzeichen.

Königliche Hoheit wollten,
Erst nich, deß rejieren sollten
Männer, die jut Bier blos brauen,
Aber ihn befiel ein Jrauen,
Als man sagte äußerst laut:
Des, was Er bis jetzt jebraut,
                    Wär' nich zu jenießen!

Kurz un jut, so is's jekommen,
Deß die Freiheit sich jenommen
Ooch die Hessen-Kasselaner,
So wie die Hannoveraner,
So wie Baden, Nassau, Greitz
Schwaben, Sachsen, Detmold, Schleitz,
                    Kurz wie alle Deutschen!
                    Auf die neuste Mode!

Erster Junge. Hat des Jedicht villeicht in'n preußischen Staats-Anzeijer jestanden?

Schneider Aettrich. Mir scheint es nich anständig, nich ritterlich, weil es wenig Respekt vor hohe Personen zeigt.

Guckkästner. Denn is es mir nich jejlückt, denn ick habe einen sehr jroßen Respekt vor hohe Personen. Aber es schlägt schon Zehne, det Mysterium pfeift schon, un ick bin heute noch als Sekertair bei einen Verein beschäftigt. Wir kommen immer um halb Elwe zusammen.

Schneider Aettrich. Ein Wohlthätigkeits-Verein?

Guckkästner. Ne: (sehr deutlich und langsam) demokratisch sozialistische Tendenz. Vorläufig innige Vereinijung der Mitjlieder jejen alle Miethe-Bezahlung mit der Verpflichtung, dieses Princip so viel wie möglich zu verbreiten.

Zweiter Junge. Des wer' ich meinen Vater sagen: der wird ooch Mitjlied.

Guckkästner. Hat er Jesinnung?

Zweiter Junge. Ich habe diese Jesinnung schon seit mehrern Jahren an jeden Ersten in jeden Vierteljahr bei ihn bemerkt.

Guckkästner. Schön, denn sagen Sie ihm man, deß wir dafür einen Verein jebild't haben. Wir sind nämlich Arbeiter, die zusammen leben un wirken wollen, un darum müssen wir ooch zusammen wohnen. So lange nu aber Miethe bezahlt wird, so zieht der Eine hier un der Andre da hin.

Zweiter Junge. Un des ligt nich zusammen?

Guckkästner. Ne: hier un da ligt mehrere Straßen ausenander. Aber nanu weiter; nu kommen wir nach Wien, nachher rutschen wir nach Berlin un denn jehn wir zu Bette. – Rrrrr, ein andres Bild! (Pathetisch.) Hür, meine Herrschaften, jenießen Sie den Fürsten Metternich...

Erster Junge (ihn unterbrechend). Pfui Deibel!

Guckkästner. Wie so? Essen Sie so was nich jerne?

Erster Junge. O ja, wenn es jut jeschmort is, denn... Aber ick sage darum Pfui Deibel, weil ich Metternichen längst im Magen hatte, un ihn darum nich noch mal essen will.

Guckkästner. Ach so! Also weiter... wie ihm eben das östreichsche Volk seinen Dank abstattet für seine jute Rejierung un ihm fortzufahren bittet.

Zweiter Junge. Aber schnell?

Guckkästner. Sehr schnell. Den Ernst von diese herrliche Bejebenheit werde ich Ihnen singen. (Er singt.)

Auf, auf, und hört die Jeschichte
So jroß un wunderlich,
Die ich euch hier berichte
Von Wien un Metternich!
Schön Oestreich lag in Ketten
Verfluchter Tyrannei;
Man glaubte, daß zu retten
Halt nimmermehr es sei.

Der jute, jute Kaiser,
Er saß auf seinen Thron;
Er war ein juter Kaiser,
Sein Vater war es schon.
Er saß und er jeruhte
Zu hören seinen Rath;
So kam es, deß der Jute
Niemals was Böses dhat.

Jedoch der Metternichel
War wie ein Fuchs so klug;
Er dacht', den deutschen Michel
Fängst du mit List un Trug.
Un ob die Völker dürsten
Nach Freiheit, dummes Zeug!
Ich mache blos die Fürsten
Jroßmächtig, stark un reich!

So spann er seine Netze
Wohl über alles Land,
Und trieb mit seiner Hetze
Hinaus, was widerstand,
Und was nich wollte flüchten,
Weil es im Rechte war,
Das ließ er frech vernichten
Durch seine Henkerschaar!

Ach, Deutschlands schönste Blüthen
Hat Er im Keim erstickt,
Mit Pfiffen, Ränken, Wüthen,
Die schönste Kraft erdrückt,
Das Herrscherthum jemästet
Zum dollsten Uebermuth,
Mit Pfaffengift verpestet
Des Volkes Jeist un Blut.

Un enger, immer enger
Zieht er die Ketten an:
Hallunke, wer Das länger,
Wer's noch ertragen kann!
Das Volk in edlem Grimme
Erscheint an seinem Dhor,
Un singt mit starker Stimme
Ihm diese Arie vor:

»Frisch auf, zum fröhlichen Jagen!
Nun ist es an der Zeit!
Nun fängt es an zu tagen
Flieh, Kanzler, schnell un weit!
Hinaus, du Missethäter,
Du sanfter Wütherich!
Hinaus, du Volksverräther
Durchlaucht von Metternich!«

Drauf drangen sie in Eile,
Hurrah! in sein Palais;
Doch er vermuthet Keile
Un sagt sehr schnell Atje!
Durch's Fenster nach den Jarten
Da is er ausjerückt;
Janz ohne abzuwarten
Hat er sich sehr jedrückt.

Aufjing die Sonne der Freiheit
Durch Oestreichs lange Nacht;
Die lichte, goldene Neuheit
Hat Wien confus jemacht;
Bald tobt's mit wildem Schalle,
Bald herzen, küssen sie sich,
Dir aber fluchen sie Alle:
Durchlaucht von Metternich!

So, Fürstenlump, so fliehst du!
Kein Seufzer folgt dir nach!
Ein ewiger Jude, ziehst du
Umher mit deiner Schmach!
Und wer uns wie du will plagen
Der packe bei Zeiten sich:
Frisch auf, zum fröhlichen Jagen
Auf den letzten Metternich!

Schneider Aettrich : Ne, här'n Se, des is nich zu ertragen, deß Sie jar keen Mitleid haben mit Seine Durchlaucht!

Guckkästner. Ooch noch! Hat Er Mitleid mit Vierzig Millionen Deutsche jehatt? Mitleid? Ne, Censur, Folter, Jefängniß, Finsterniß, Bedrug, Ketten, Verrath hat er jehabt, aber nich Mitleid! Er war der Tonanjeber in alle die Kabinette un nach seine Höllenpfeife haben wir Alle danzen müssen wie Sclaven. An'n Rand hat er Oestreich, an'n Rand hat er Deutschland jebracht, un weit über Deutschland raus hater die Völker um Jejenwart un Zukunft bedrügen helfen, un wenn jetzt die Freiheit so viel Unjlück ufwühlt, so is es des Unjlück, was Er un seine janze andre Mitpollezei in Europa anjericht't un verbuddelt hat.

Schneider Aettrich. Aber...

Guckkästner. Un Wahrheit is Wahrheit, Jeschichte bleibt Jeschichte: werden wir keene Weiber! Wir müssen ohne Mitleid bleiben, det fordern die Opfer von uns, unsre Brüder, die vor de Freiheit gestorben sind! (zornig) Rrrrr, ein andres Bild! (Ruhiger.) Das Letzte. (Pathetisch.) Hür, meine Herrschaften, präsentirt sich Berlin's heilije Völkerschlacht am 18ten März 1848, oder der Todeskampf der Tyrannei.

Schneider Aettrich (laut seufzend). Ach!

Erster Junge. Ruhig!

Zweiter Junge. Stille!

Guckkästner.

Es lehrt uns die Naturjeschicht'
Un Niemand kann es leugnen,
Daß, wenn's zu lange drückend schwül,
Jewitter sich ereijnen.
So war ooch Preußens Atmosphär',
Und schwarze Wolken zogen her
Uf alle die Zarucker
Un uf die frommen Mucker.

Un uf de Jardeleutenants,
Die sich auf Ehre blähten,
Uf Pollezei un uf Jensd'arms
Un uf Jeheimeräthen;
Et donnerte von ferne schon!
Es zitterte der alte Thron!
Un durch die schwere Hitze
Zickzacketen die Blitze.

Berlin, die schöne Königsstadt,
Die wollte es probiren,
Ob sich die Freiheit machen ließ
Blos durch's Petitioniren;
Sie dachte jroß, sie dachte schön:
Es wird schon mit dem Jeiste jehn,
Wir werden's schon erreichen
Ooch ohne Blut un Leichen.

Un Breslau ooch un Königsberg,
Die Städte all' am Rheine,
Un Magdeburg un andre noch,
Sie bildeten Vereine,
Beriethen drauf Adressen schnell
Un schickten sie auch auf der Stell'
Hierher, es war verwogen,
Durch lauter Demajogen!

Als dies nu die Minister sahn,
Da wurden sie betreten;
Eichhörneken un Thieleken,
Die fingen an zu beten;
Sie riethen hin, sie riethen her,
Sie zürnten auf die Völker sehr,
Sie fragten Ob? bedenklich,
Und Ein'ge wurden kränklich.

Der König aber drang darauf,
Deß sie ihm thäten rathen;
Da sprachen sie: Ja, Majestät,
Hier helfen blos Soldaten!
Wir retten Preußens Macht und Ehr'
Durch unser treues Milletär;
Wir führen's zur Bataille
Auf Pöbel und Kanaille!

Drauf riefen schnell sie per Kurier
Viel Truppen nach Berlin hier,
Woll Vierunzwanzig Dausend Mann
Sahn wir, die Bürjer, ziehn hier,
Sie zogen immer kreuz und quer
Mit Flint' un Säbel hin und her,
Un dhaten sehr martialisch,
Un blickten kannibalisch.

Am Achtzehnten des Monats März,
Zur Mittagsstunde eben,
Thät Majistrat un Bürjerschaft
Zum Schloß sich hinbejeben,
Für die verliehene Preßfreiheit
Dem Könige in Dankbarkeit
Ein Lebehoch zu bringen,
Un ooch den Hut zu schwingen.

Doch wie nu die Exlenzen sahn
Die jroßen Menschenmassen,
Da war'n se schlechte Pollezei
Un konnten sich nich fassen. –
Als arme Sünder bebten sie
Für ihre jute Despotie,
Un in der Angst erließen –
Ne doch! Man hörte schießen!

Da tönte wie aus einer Brust
Es Hundertdausendstimmig:
»Verrath! Verrath! Ihr Brüder, auf!«
Und durch die Straßen grimmig:
»Auf, Waffen, Waffen schnell herbei!
Tod der verfluchten Tyrannei!
Sie schießen auf die Bürger,
Da oben, unsre Würger!«

Wuth machte auch den Schwächsten stark
Und Alle heldenkräftig,
Und Mann und Frau und Greis und Kind
War muthig un geschäftig;
Man hackte, pickte, grub un trug;
Hier scholl ein Hurrah, dort ein Fluch;
Es baute Barrikaden
Das Volk von Gottes Gnaden.

Und eh noch eine Stunde um,
Entladet sich die Wolke;
Wuthdonnernd fährt die Lammsgeduld
Die deutsche, aus dem Volke!
Da gießt es Kugeln, schwingt's die Fahn',
Da ist bereit zur Schlacht es,
Da regnet's, hagelt's Stein auf Stein,
Da blitzt es und da kracht es!

Es schreckten die Kardätschen nich,
Nich des Musketenfeuer;
Der Muth war unerschütterlich,
Die Wuth war ungeheuer!
Sieg oder Tod! war das Geschrei,
Wir fallen oder werden frei!
Und – Mancher unsrer Brüder – –
Wir sehn ihn droben wieder!

Un Achtzehn Stunden kämpften wir
Um unsre Menschenrechte,
Un hätten Dreißig Stunden noch
Jestanden im Jefechte,
Bis daß der letzte Feind erlag,
Bis daß der joldne Morjen brach
Der Freiheit und der Liebe
Hell durch die Nacht, die trübe!

Jedoch nach Vierzehn Stunden dhat
Der Feind kapituliren,
Um nach dies Mißverständniß nich
Das Letzte zu verlieren.
Es endigte der blutje Krieg;
Es feierte das Volk den Sieg!
Die Freiheit war errungen,
Die Despotie bezwungen.

O exellente Pollezei,
O jroße Adlerritter,
O Kriecherei, o Schurkerei,
O Mucker, Des war bitter!
Doch winselt nich! Man ließ euch los;
Ein souveränes Volk denkt groß;
Furcht, Angst, gemeine Rache,
Das is nich seine Sache.

Was dhat das jroße Volk? Es zog
Zu den jefangnen Polen,
Um sie aus ihrer Kerkernacht
Zur Freiheit abzuholen.
Das war wohl seine heil'je Pflicht,
Und, wahrlich, es verjaß sie nicht;
Im Jubel ohne Maaßen
Zog es sie durch die Straßen.

Das is das Bild der Freiheitsschlacht,
Die die Berliner schlugen!
Das is die Fahne Schwarz-Roth-Gold,
Die wir begeistert trugen!
Das is das Lied vom Monat März!
Vergiß' es nich, Berliner Herz!
Sing's alle Dage wieder,
Denn sonst – ju'n Nacht, ihr Brüder!

Erster Junge. Schlafen Se wohl!

Zweiter Junge. Ju'n Nacht! Haben Se weiter keene Bilder?

Guckkästner. Ne, die andern sind noch nich fertig. An de italjensche Republik, die ick Ihnen zeigen wollte, wird noch jearbeit't.

Erster Junge. Haben Se noch nich die deutsche Seeflotte?

Guckkästner. Ne, bis jetzt hab' ick blos de See dazu. Der FuffzijerAusschuß hat zwar janz fest bestimmt, deß 'ne deutsche Flotte herjestellt werden soll, aber er hat anzujeben vergessen, wo das Jeld dazu herjenommen werden soll. Des is accurat so, wie man de Kanonen macht. Man nimmt en Loch un jießt Messing drum rum.

Schneider Aettrich. Haben Sie denn nich Schleswig-Holstein meerumschlungen?

Guckkästner. Ne, ooch noch nich. Aber et wird schon lange dran jepinselt, eben so wie an Polen. Mein Maler is schon seit mehrere Monate in Schleswig, aber er kann et noch immer nich ufnehmen. Woran et liegt, weeß ick nich. Ueberjens befind't er sich janz wohl un amüsirt sich mit de deutschen Soldaten janz jut. Warum ooch nich? Zeit haben se. Det eilt ja Allens nich. Eben lass' ick ooch noch an zwei sehr schöne Jemälde arbeeten: an einen schnellen Besuch des Königs Otto von Jriechenland bei seinen Vater Ludwig un an de ruß'sche Revolution nebst der Sommerwohnung des Kaisers von Rußland in Sibirien. Aber wie jesagt, et is Allens noch nich fertig, et wird noch dran jemalt.

Erster Junge. Da wird noch viel Braun un Blau gebraucht werden.

Zweiter Junge (indem er geht). Na ju'n Nacht!

Guckkästner. Hör'n Se mal, kommen Se morgen Abend wieder, da werd' ick Ihnen den neuen deutschen Kaiser zeigen!

Zweiter Junge (sich umschauend). Wat kost er'n?

Guckkästner. Ich zeige ihm aparte. Einen Silbersechser.

Zweiter Junge. Des is woll unter'n Kostenpreis?

Guckkästner. Versteht sich: Ausverkoof; meine Herren, hier können Se Jeld sparen!

Zweiter Junge. Ein Silbersechser is allerdings billig, aber vor een so'nen deutschen Kaiser, bei die schlechte Zeiten – ne, ick danke Ihnen! Ju'n Nacht! (Geht ab.)

Erster Junge. En Dreier hätt' ick vielleicht morgen dran jewendt, aber en Sechser is mir zu viel. Was ich Ihnen überjens noch sagen wollte: wenn Sie hören sollten, deß ich zum deutschen Kaiser jewählt werden soll, dann benachrichtigen Sie die Leute, deß ich die Wahl nich annehme.

Guckkästner (einpackend). Worum nich?

Erster Junge. Weil mir mein Vater immer sagt: ein sichres Brod is jetzt de Hauptsache; lerne en Handwerk un ernähre Dir redlich. Schlafen Se wohl! (Geht ab).

Guckkästner (nimmt seinen Guckkasten auf den Rücken). So, komm' Dorotheee! (Zu Aettrich.) I, sind Sie noch da?

Schneider Aettrich (sehr ernst). Ja! Ich habe mir so lange aufjehalten, um Ihnen nich in Jegenwart dieser Jungens zu beschämen. Hör'n Sie mal, Sie führen eine Sprache, die keinen treuen Unterthan zukommt. (Der Guckkästner trinkt.) Sie exalteriren sich da vor Freiheit, und dazu sind Sie, müßten Sie doch zu alt un zu verständig jeworden sind. (Der Guckkästner setzt seine Mütze auf und giebt seiner Gattin die schwarz-roth-goldne Fahne.) Die Volksversammlungen un die Preßfreiheit un die Kammerjeschichten, Des is Des, was unser Ruin is! Un diese Polizeilosigkeit! Wir haben jetzt jute Minister un wenn wir...

Guckkästner (gähnt und geht mit seiner Frau ab). Ju'n Nacht!

Erster Junge (singt in der Ferne).

Verzeihe uns, Jensd'armerie,
Die Revolutionen!
Wir werden ferner nun und nie
Belästigen die Kronen,
Und sind wir nich mehr fromm un jut,
So schick' uns Niklas mit der Knut'!

 


 


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