Adolf Glaßbrenner
Skizzen und Gedichte
Adolf Glaßbrenner

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Redoute

(1843)


Vor der Abfahrt.

Proppen. (ein wohlhabender Zinngießer, zieht sich eben die Schuhe an.) Kotz Himmeldausendsapperment! Ne, ick werde sonst nicht leichte böse, aber die Schuh sind doch so knapp, det ick de Engel in'n Himmel pfeifen höre! Achchch! Au! Ne, ick habe nu mal keene Beene zu Schuh; meine sind nu mal blos zu Stiebeln abgerichtet.

Mad. Proppen. Jott, deine Pomade is ja man blos an Allens Schuld! Tritt mal dreiste uf, denn so'ste mal sehen! Du hast freilich sonne Füße an'n Leibe, det man immer denkt, Du lehnst Dir en paar Handschuh von'n Elephanten. Aber man deshalb nich so pimplich, Proppen, die Schuh sind ja so groß wie 'ne Feuertiene. – Lotte, stech mir mal hier den Kragen an!

Proppen. (hinkt in der Stube umher.) Achchch! Auweh, o weh, o weh! Na, mir komm' wieder Eener mit'n Verjnügen, wozu ick Schuh anziehen muß! – Lotte, hol' mir mal meinen Leibrock aus de andre Stube!

Mad. Proppen. Die Lotte kann jetzt nich, die muß mir anstechen. Jeh' doch man alleene; det is ja recht jut, wenn de Schuh en bisken ausjetreten werden.

Proppen. (hinkend.) Ach, denkt nich an Austreten! Ick trete mir ehr meine Beene aus, ehr ick mir die Schuh austrete. Wenn ick man ohne Beene hinjehen könnte! (Seine Frau mit wehmuthvollen Blicken anschauend.) Sage mal, Jette, is et denn durchaus nothwendig, det ick mit Dir nach de Redoute muß?

Mad. Proppen. Na hör' mal, nu steigt mir die Jalle in'n Kopp! Ick wer' mir woll hier anderthalb Stunden ufjemöbelt haben, um mir zu Hause von Dir 'ne Pfeife vorroochen zu lassen?

Proppen. Ne, ick jinge in de Tabajie un freute mir, det ick Stiebeln anhätte. Auuu!

Mad. Proppen. Na nu hör' uf mit de Winselei, un pusle Dir en bisken, det wir nich am Ende nach de Redoute kommen, wenn wieder ausjefegt wird. Rasch! (Herr Proppen geht ins Nebenzimmer.) Lotte, besprengle mir mal mit Ocologne, da liegt de Pulle! Nich da! Aber, Mächen, so sei doch nich so dämlich! Wat suchste denn da unten rum! In meinen Kommodenkasten, da hinten, liegt se! So! Nanu spritze zu, aber nimm Dir inacht, det bei mir nischt in de Oojen kommt! Herrjeses, da platzt mir des eene Band! Ne, aber die Nähmamsell soll mir wieder kommen, die! Wie oft hab' ick ihr nu schon jesagt, daß sie die Bänder – zehntausend Mal! Ich bin – die alte Schachtel jieb mir mal her, wo de Stecknateln drinn sind! So! Stech' mal des Band feste, aber so, deß es Keener sieht. Wo sind'n die neuen Handschuhe!

Proppen. (kommt zurück.) Hör' mal, Jette, mein eener Knopp fehlt an meinen Leibrock, den muß mir Lotte annäh'n.

Mad. Proppen. Ach, Du meine Jüte, nu fehlt Dir ooch noch en Knopp! Ne, wat Dir aber ooch Allens fehlt, des is merkwürdig!

Proppen. Wat ick nich habe, det fehlt mir. Blos Du machst 'ne Ausnahme! Du fehltest mir nich, wenn ick Dir ooch nich hätte.

Mad. Proppen. Achjeses, nu wirste ooch noch witzig, nu wird's hübsch. Näh' ihn man den Knopp an, Lotte, sonst kommen wir am Nimmermehrsdag nach de Redoute.

Proppen. (zu Charlotten.) Aber nimm Dir'n Acht, Lotte, det De mir nich stechst.

Mad. Proppen. (verwundert.) Na Du wirst Dir doch nich den Knopp an'n Leibe annähen lassen?

Proppen. Wie so? Ach, Du jloobst woll, ick wer' mir den Leibrock erst wieder ausziehen? Ne, da biste schief gewickelt. Ick habe jenug Umstände jehatt, ehr ick'n ankrichte. Der is mir in die drei Jahre, wo ick'n nich anjehatt habe, jrade um so ville zu eng geworden, als mir mein Bauch zu weit jeworden ist.

Mad. Proppen. Det weß der Deibel, Dir is ooch Allens zu eng!

Proppen. Ach ne, Allens nich! (seufzend.) Blos die Schuhe inkommodiren mir. Meine Hühneroogen, die Biester werden sich freuen; die haben lange nich so 'nen juten Dag jehatt. Besonders der eene Racker an'n kleenen Zehen, der is so jroß, det ick immer nich weeß, wer von Beeden det Hühnerooje, und wer der Zehen is. (zu Charlotten.) So, nu sitzt er; der hat et jut, so'n Knopp, der kann sitzen, ick muß in de Redoute, un da rumhinken. Der Knopp is aber ooch klug jewesen, der hat sich nich verheirath't. Wenn er eine Knöppin hätte, adje Ruhe, da müßt' er in de Redoute, da waschte ihm keen Rejen ab.

Mad. Proppen. Lotte, meinen Shawl jib mir mal, un denn reibe mal die alte Maske en bisken mit Jummi ab, damit se wieder vernünftig aussieht.

Proppen. Dein Jesichte?

Mad. Proppen. Ach, Jott, nu hörste uf mit Deine Jrobheiten, oder ick ziehe andere Seiten uf, verstehste? Bring' mir nich um meine jute Laune, sonst werd' ick eeklich.

Proppen. Ja, des steht zu vermuthen. (Er hängt sich seinen Domino um.) Sage mal, Lotte, als was jehst Du'n eejentlich? Wat stellst Du'n vor?

Mad. Proppen. Französ'sches Costüm, als Dame, als Pariserin.

Proppen. Als Pariserin? Ach, det is schade, deß ich des nich früher gewußt habe. Da wär' ick als Pariser jejangen, denn braucht' ick mir nich so von de Schuhe drücken zu lassen.

Mad. Proppen. Na, biste nu fertig?

Proppen. Ja, nu blos noch meinen Domingo umjehängt, un meine Nase vorgebunden, un den Dreimaster ufjesetzt, denn können wir absejeln. Lotte, jib mir mal den Domingo her! – (er betrachtet ihn.) Na! – Staat wer' ick och jrade nich in die rosa Florence- Fahne machen, wenn se ooch een bisken verschossen ist. Löcher drinn, ja, die machen Ehre, aber Panzflecke ziehen nich. – Ach Jott, un eng ist die Fahne! Na, ick muß mir jut ausnehmen heute! Unjefähr wie ne Wassermühle, die keen Wasser hat. Mit de Beene muß ick humpeln, un de Arme kann ick nich bewegen, sonst reißt mir hinten der Rücken entzwee. (Pause.) Na nu, Lotte, jib mir mal meine Nase her. (betrachtet sie.) Ne schöne Saatjurke! Wenn die Nase Eener an'n Haus annagelt, denn jloben de Leute, da is en Ministerium drinn, da jibt et Nasen. (er bindet sie vor.) So, nanu meinen Dreimaster, so! (setzt den Hut auf.) Herrjes, na det fehlt noch! Der is mir zu eng!

Mad. Proppen. (schlägt die Hände vor Verwunderung zusammen.) All wieder wat zu eng?!

Proppen. Den krieg' ick jar nich uf, der drückt mir't Jehirn in!

Mad. Proppen. Na davor is mir nich bange.

Proppen. Det jloob ick, denn fänd' ick Dir liebenswürdig. Ne, aber so kann ick wirklich nich nach de Redoute jehen! (sehr ärgerlich.) Wenn en Mensch seine Beene, seine Hände und seinen Kopp nich jebrauchen kann, wat bleibt'n da von ihn übrig? Mit meinen Bauch kann ick mir doch nich amisiren!

Mad. Proppen. Lotte, weite ' ihn mal en bisken aus; nimm ihn über't Knie und zieh' dran. (Lotte thut, wie ihr befohlen.) So, nun probir'n mal wieder uf, des müßte doch mit'n Deibel zujehen! Deß nischt in deinen Kopp rin jeht, des weeß ich woll, aber deß ooch nischt drüber jeht, des hab' ich nich jegloobt.

Proppen. (lächelnd.) Strenge Dir nich an, Jette; wenn Du zwee Witze jemacht hast, denn fällste in Ohnmacht. (setzt den Hut auf.) So, nu geht et so hallweje. Aber ick befinde mir doch jrade so wie 'ne Calitte, die de Jungens lebendig ufspannen. Ick kann mir nich rühren un rücken. (Die Treppe hinuntersteigend.) Wenn ick – au! – man – ach herrjeses herje! – erst die verdammte Hühnerleiter hier mit de Hühneroogen runte wäre! So ach! Nanu in'n Kutschenschlag rin, nu jeht's adje, in' Verjnügen. Au! (Sie fahren ab.)


Im Saale.

Türke. (zu einer Dame.) Holde Dame, warum wandelst Du alleune, einsam hier beim Lampenscheune? (ihre Hand ergreifend.) Willst Du meine Serailje werden?

Dame. (ihre Hand fortziehend.) Na hören Se mal Se kleener verknetterter Tirke von de Buricken vor sechszehn Jroschen mit'n Turban, jehn Se ja, un suchen Se sich 'ne Morjenländerin, die eben so runjenirt aussieht wie Sie! Mit uns Beede is des Essig! (sie wendet sich verächtlich fort.)

Todtengräber. (schreit.) Platz da! Wer mir in de Queere kommt, der is Leiche!

Rother Domino. Na hören Se, Sie können sich ooch begraben lassen!

Todtengräber. Sie kommen mal hinter de Mauer.

Rother Domino. Ne, da können Se sich drauf jefaßt machen, un wenn ick noch so sehr dodt bin, von so Eenen wie Sie sind, laaß ick mir nich bejraben. (zu mehreren Masken, welche lachen.) Seht mal, wie abjedragen der schwarze Merinorock is! Der is jewiß blos als Jießkanne uf'n Kirchhof angestellt!

Doctor. (den Todtengräber derb auf die Schulter schlagend.) Ich werde mich für Dich interessiren.

Mehrere Masken. (zum Doctor.) Ach, Jott, Du siehst ooch jämmerlich aus, Dokterken! – Du bist woll'n Homöopath un hast'n Pfund Rhabarber injenommen! Wie viele Kunden haben Sie'n, Sie fleckiger Doctor von Noacken aus den joldnen Hut? Ick jloobe, wenn Sie'n Patienten haben wollen, denn müssen Se sich in'n Finger schneiden. (ihm nachlaufend.) Ach, hör'n Se mal, Hippoppokratztes, ick habe en Sargmajazin; nehmen Se Ihren Bedarf von mir: des Stück sieben Dhaler, in Dutzenden billijer! – Ne, jeht fort, den Doctor laaßt zufrieden, der is noble, der nimmt von keenen Patienten Jeld! – Ach, is nich möglich? – Ne, blos von de Erben.

Proppen. (Arm in Arm mit seiner Frau.) Na ick sage Dir, Jette, Du müßtest blos meine Beene heute haben, Du würdest Dir wundern. Det eene Hühnerooje uf'n kleenen Zehen, det schreit um Rache. Un der Hut! der sitzt so eng: wenn ick mal niese, so reißt der de Bänder von 'nander un fliecht in de Höchte. Un denn den Domino mit den schmalen Rücken! Sehste, da sehen mir schon en Paar an; die nehmen mir à faire, des wird hübsch werden.

Tyroler. (zu Proppen.) Na hör' mal Du, Du hättst Dir zu den Domino ooch en schmälern Rücken bei Deine Mutter bestellen sollen!

Mad. Proppen. (zum Tyroler.) Ach Jott, Sie Alpensänger mit de Fistel, ick wer' Ihn 'en Sechser jeben, klettern Se zu Hause uf'n Alpen, un schießen Se 'ne Jemse vorbei.

Proppen. (lachend.) Sehste woll, da haste't! Adje Andreas, atje Hoferken! Looferken, looferken, det de weg kommst! Ick würde Dir rathen, Dir noch mal dodtschießen zu lassen, aber Du bist keenen Schuß Pulver werth.

Grüner Domino. (Herrn Proppens Rücken betrachtend.) Du, hör' mal, der Domino war wohl auch nicht auf Dich vorbereitet?

Proppen. Ach jrüner Junge, laaß mir zufrieden; Du siehst ja aus wie Entenjrütze, wo'n Kohlkopp drauf liegt! (der grüne Domino verschwindet; Proppen selbstgefällig zu seiner Frau.) Da muß schon 'n jeriebener Junge kommen, der et mit uns aushält.

Spanier. (zu einem Mönche.) Na, Du hast et leicht gehatt, hier nach de Redoute zu kommen, Du dicker Finsterling. Wahrscheinlich schmeichelst Du Dir mit den Stand eines Kutschers, un hast Dir in eine braune Pferdedecke injewickelt un Stallschlorren anjezogen.

Zweiter Spanier. Den Mönch läßt Du mir zufrieden, des is mein Freund.

Spanier. Pfui Deibel!

Zweiter Spanier. (geht auf ihn zu.) Wie meinst Du das?

Spanier. Sehr gern!

Zweiter Spanier. Haben Sie mir zum Besten?

Spanier. Vorgestern.

Zweiter Spanier. (ihn an die Brust fassend.) Nehmen Sie das Pfui Deibel! von meinen Freund, den Mönch, zurück, oder Sie kriegen Kloppe.

Spanier. Aha!

Zweiter Spanier. Was sind das für Antworten?

Spanier. Vielleicht!

Zweiter Spanier. (wüthend.) Nu hab' ich's satt; nu nehmen Se de Beleidigung zurück, oder Sie kriejen eine jroße Knallschoote.

Spanier. Nein, ich danke!

Zweiter Spanier. (giebt ihm eine Ohrfeige; sie prügeln sich.)

Mehrere Stimmen. Na was erhitzen sich'n die so?

Mönch. Ich vermuthe: um mir.

Viele Stimmen. Man muß sie doch auseinander bringen!

Mehrere Domino's. Nein, nein!

Viele Stimmen. Ja, auseinander, auseinander.

Rother Domino. Ein Schurke, wer sie nicht auseinander bringt! (wirft sich zwischen die Kämpfenden und trennt sie.)

Bauer. (sich Platz machend.) Na nu alleweile hier Platz!

Blauer Domino. Du jehst woll dreschen?

Bauer. Ja, komm' mit, ick wer' Dir jebrauchen.

Kleiner Arlequin. (dem blauen Domino einen Schlag mit der Prische gebend.) Du, der scheint Dich zu kennen. (springt weiter)

Pierrot. (mit großen Schritten hinter ihm laufend.) Heda, halten Sie mir mal das vierter Pfund Hans wurst uf!

Türkin. (zu einer Chauve-souris.) Du, seh' mal, Hulda, den Engländer mit den langen weißen Ueberrock kommen, des is mein Anbetar.

Chauve-souris. So, der? Ich habe mich auch ein Rendervous jejeben; meiner will ooch so 'nen schwarzen Hut drajen, un vorne eine Pik-Dame anstechen. Herrjees, der hat 'ne Pik-Dame! Des is Brusike!

Türkin. (verwundert.) Na ja, Brusike is es; wer soll es denn sonst sind? Des is doch nich Deiner?

Chauve-souris. Freilich, des is mein Jeliebter.

Türkin. Na, des is nich übel, nu haben wir Beede Eenen. (zum Engländer, der herangetreten.) Sind Sie's Brusike?

Brusike. Yes yes! Allemal Brusike, Brusike der Liebenswürdige. Ich bin Ich, denn wenn ich ein Anderer wäre, so könnt' ich unmöglich so liebenswürdig sein. Guten Abend Karlinchen, bon soir! (sie betrachtend) Donnerhagel, Sie haben sich ja schmählich rausjeputzt! Wenn ich das jewußt hätte, daß Sie als Türkise herjingen, so wär' ich als Türkis jekommen.

Türkin. Denn wären Sie aber en unächter Steen jewesen.

Brusike. Wie so?

Türkin. Kennen Sie diese Dame?

Brusike. Non, je n'ai pas l'honneur!

Chauve-souris. Kennen Sie mir auch nicht an die Sprache?

Brusike. (erstaunt.) Herrjes Auguste! (sich schnell fassend) Meine Damen, Sie haben mich in eine Verlegenheit gesetzt, die einen Andern verlejen machen könnte. Pourquoi? Parsqu'il voit Deux – statt Eene. Aber, meine Damen, bedenken Sie selbst – (er küßt der Türkin die Hand) welch' ein Schafskopp es sein müßte, der solche Karline aufgeben wollte, blos weil er – (der Chauve-souris die Hand küssend) – solche Aujuste nicht aufjeben kann. Karline! Reizende Karline auf der grünen Billarddecke meiner Hoffnungen, Sie werden sich über diesen Fuchs wundern, schön! Aber die Carambolage können Sie wirklich nicht übel nehmen, denn, sehen Sie, es wird doch unter keinen Umständen Parthie, eher würde ich mich verlaufen. Pourquoi? Je n'ai pas d'argent, ich besitze kein Kies, es steht immer quarante-sept mit mir. Und sehen Sie, dieses ist naturellement! Je suis Markeer! Aber ich bin nich stolz: Sie können mich schlechtweg Marquis nennen.

Türkin. Na aber...

Chauve-souris. Na aber...

Brusike. Ach Jott, meine Damen, verstellen Sie sich doch nich lange! Soyons-nous jenial. Was schadt dieses, wenn ich jeliebt werde, daß ein Anderer, une autre personnage auch noch jeliebt wird? Und dann – vous-êtes Freunde, oder vielmehr dinnen, dicke Freund innen; Freunde aber müssen sich das Beste jönnen, und da Je Ihr Bestes bin, so muß Eine der Andern mich jönnen. N'est ce pas? Yes! Bon! Scheene!

Chauve-souris. Was meinst Du zu das Verhältniß, Karoline?

Türkin. (Brusike's Arm nehmend.) Ach, immer her mit ihm! Er is zwar 'ne Kalitte, indessen mit Dir theil' ick'n jern, Aujuste.

Auguste. (seinen andern Arm ergreifend.) Ich mit Dir auch.

Brusike. So! So! (geht rasch mit ihnen fort.) Arm in Arm mit Euch, so fordre ich mir eine Bouteille Pisporter in der Restauration.

Bergmann. (ihm nach; zu einem Freunde.) Ach Du, sieh' mal das vereinigte Königreich! Der lange Engländer hat Schottland und Irland unterm Arm. Irland is sehr mager, sehr dünner Constitution!

KurischSiehe: »Berliner Erzählungen und Lebensbilder« von Adolph Brennglas. Erster Theil. Berlin, Plahn'sche Buchhandlung. — D.V.. (Victualienhändler, als Kosack, mit seinen beiden Töchtern Henriette und Emmeline als Schäferinnen.) Ick bin schon ganz schwindlich von die Redoute. Des macht, wenn man des erste Mal so was mitmacht. Uebrigens find' ich des unanständig uf 'ne Redoute, daß Einen hier jeder Hanswurscht was fragen derf. Man is immer wegen Antwort in Verlejenheit.

Henriette. Laaß mir man antworten, ich habe mehr Bildung als wie Du.

Emmeline. (die Nase rümpfend.) Und wenn Du nich ausreichen solltest, so is ja unsereins noch da.

Gelber Domino. (zu Kurisch.) Sprich Maske; die beiden Engel, die Schäferinnen, welche Du führst, sind es Deine Töchter oder Deine Weiber?

Kurisch. (verlegen.) Ne bitte, lassen Sie mir!

Gelber Domino. Warum nennst Du mich Sie?

Kurisch. Weil ich die Ehre habe, Ihnen nich zu kennen.

Gelber Domino. (geht lachend fort) Ha, ha, ha! Zwei Schäferinnen zu einem Schafe!

Zweiter Kosack. (zum Dritten.) Du, da geht ein Kosack mit zwei Mädchen, der äußerst voigtländisch aussieht; den wollen wir russisch ansprechen.

Dritter Kosack. (sieht ihn befremdet an) Russisch?

Zweiter Kosack. (lächelnd) Nun ja, russisch!

Dritter Kosack. Ach so! Komm! (Sie gehen auf Kurisch zu.) Bonka noctucc Schwimelambitsch! Wozzina pompali luderetsch knutower maja makel putschel patschel?

Zweiter Kosack. Maretschko pohlen verloritzschka?

Kurisch. (leise zu Henrietten.) Na nu, wat mach' ick'n nu? Nu sitz' ick in de Brodullje. Die reden mir kosack'sch an, un ick kann nich 'ne Sylbe.

Henriette. (leise) Ja, Etwas mußte antworten.

Zweiter Kosack. Masurca orscbirtyklmbk pottasch juchto!

Dritter Kosack. Klacksczki botjalite tatchlichtsch siete sammeuredam sudarine, bratsch objajis carca vesparteino! He?

Kurisch. (mit einer Verbeugung.) Caviar! (läuft mit seinen beiden Töchtern fort.)

Mephistopheles. (zu einer Bäuerin.) Du bist ein schönes Mädchen. Sündigst Du nicht?

Bäuerin. Warum möchtest Du das wissen?

Mephistopheles. Ich wünschte, Du kämst einst zu mir in die Hölle.

Bäuerin. Ich danke. Da würdest Du mir wahrscheinlich die Strafe auferlegen, Dich lieben zu müssen.

Mephistopheles. Deine Strafe wäre milde, denn ich würde Dich erhören.

Bäuerin. Du bist ein ächter Satan, da am gräßlichsten, wo er lieben will.

Mephistopheles. Nicht doch, Du wirst in der Hölle wie im Himmel sein. (ihr den Arm bietend.) Versuch's einmal; die Männer sind alle Satans, und die versteckten sind's sicher noch mehr als der offene.

Bäuerin. (ihren Arm verweigernd) Nein, nein! Ich befürchte, Du hast Deine Seele angezogen. (leiser.) Ich darf nicht mit Dir gehen; dort kommt mein Begleiter! – Weiche von mir, Satanas!

Mephistopheles. So erlaube wenigstens, daß Dich nachher beim Cottillon der Teufel holt.

Bäuerin. (forthüpfend.) Nous verrons!

Grauer Domino. (zu einem andern.) Ach, du lieber Himmel, Du bist ja sehr mager! Deine Knochen hört man klappern, und Dein Gesicht sieht aus, als ob es die Welt theils aus Hunger, theils aus Wuth verschlingen möchte. Sprich, wer bist Du, Maske?

Die Maske. Ein deutscher Dichter.

Grauer Domino. Woran leidest Du?

Die Maske. An Deutschland.

Grauer Domino. (voll Mitleid.) Kann man Ihnen nicht helfen?

Die Maske. Pumpen Sie mir acht Silberjroschen.

Grauer Domino. Ein schlechter Witz, den ich nach Ihren ersten Antworten nicht vermuthet hätte.

Die Maske. Kein schlechter Witz! Nur Diejenigen interessiren sich in Deutschland für einen, denen man schuldig ist.

Grauer Domino. (nimmt schnell seinen Arm und geht mit ihm weiter.) Wir müssen Freunde werden.

Pränumeranten-Sammler. (in einem Anzuge aus lauter Ankündigungen und Büchertiteln.) Immer heran, immer heran, meine Herrschaften! Lauter deutsche Literatur, von der Schuhsohle bis zum Wirbel! Ich bin Sortiments-Buchhändler, bekomme 33 Prozent und gebe meinen Kunden 40: Geschwindigkeit ist keine Hexerei! Wer bei mir jährlich für 5 Thaler Bücher nimmt, kann für 150 Thaler umsonst lesen und die Werke aufgeschnitten und beschmutzt zurückgeben. Hier, meine holde Dame, können Sie auf eine neue Ausgabe der berühmtesten deutschen Dichter pränumeriren, jeder Band 4 Groschen: vortrefflicher Nachdruck mit königlich belgischen Privilegien. Sonst versammeln sich die Würmer erst bei Leichnamen, hier aber finden Sie zwanzig Brochüren gegen Georg Herwegh zu den billigsten Preisen. Hier hinten können Sie Etwas über den hohlen Liberalismus unserer Tage und die Berliner literarische Zeitung lesen und dann anderweitig benutzen. Bülow Cummerow, meine Herrschaften, Bülow Cummerow! Geht wie warme Semmel! Vor'n Groschen Adel un en bisken Freiheit drunter! Hier: »die Kumkarre«, oder »der gemäßigte Fortschritt«, ein unentbehrliches Buch für jeden ächten Deutschen. »So ist es, und anders soll es nicht sein!« ein gründlicher Nachweis, daß nur ein einziger Mensch weise ist, und alle anderen Dummköpfe sind. »Sammlung der vortrefflichsten politischen Raisonnements aus der chinesischen Staatszeitung«, mit dem Motto: Wasch' mir'n Pelz un mach'en mir nich naß. »Die Mücke«, eine naturgeschichtliche Abhandlung in 15 Bänden, nebst dem Beweise, daß es viel weltfördernder und rühmlicher, zeitlebens die Lunge einer Mücke zu untersuchen, als mit Talent und Geist für sein Volk zu schreiben. »Gebete für alle Stunden des Tages«, ein Werk von 21 Bänden in groß Folio, mit der Bemerkung, daß man sich außerdem auch noch waschen darf. »Bax von Baxelburg, der letzte Ritter im Hennebergschen«, oder »Hildegard mit der kupfernen Nase«, ein Schauerroman in 2 Bänden. »Cuno der Niederträchtige«, oder »27 Menschen umgebracht und doch ein edles Herz«, aus dem Französischen. »Das Leben nach dem Tode«, ein gründlicher Nachweis dessen, was wir zu erwarten haben, wenn's mit uns vorbei ist. »Meine Großmutter kriegt Backzähne«, oder »der Dolch in der Fliederlaube«, ein modernes Drama in 5 Akten, nach einer spanischen Idee aus dem Französischen übersetzt und mit Benutzung eines englischen Einfalls. »Der Streicher,« oder »Wie kann man sich dazu hergeben?« »Theewasser Theelau,« ein höchst vornehmer Roman für die vornehme Welt, mit gelben Glacéehandschuhen geschrieben, ohne das Lederne fühlen zu lassen. »Weibliche Seufzer über das ordinäre Bürgerthum,« Roman aus dem Sandwichschen der Baronesse Ei-Ei. Hören Sie mal, Herr grüner Domino, wünschen Sie Gedichte von Luden? Lude, (Volkssprache für wahren Namen nehmend,) sehr ein großer Dichter seind!

Proppen. (zu seiner Frau.) Auuu! Na det is noch hübscher; nu tritt mir noch eben so'n verdammter Mastochse von Chinese uf mein Elsterooge! Na warte, Du zipplicher Theefresser, wenn ick Deine Beene nachher unter mir krieje, denn sollste einen Tritt jenießen, det de jloben sollst, et dhut Dir wat weh!

Mad. Proppen. Na hör' mal, Proppen, Du wirst doch hier keenen Skandal nich anfangen?

Proppen. Ne anfangen nich, aber beendigen. Karnickel bin ick nie, aber wenn mir Eener an de Ehre jreift, oder uf mein Elsterooje tritt, denn jeht der Proppen ooch los.

Mad. Proppen. Stille man, stille man!

Proppen. Ne, ick will nich stille sind! Herrjees, wenn Eener Recht hat, nich stille zu sind, denn bin ick et! Kotz Schwerebrett, det nehm' mir Keener übel, so'ne enge Schuh zu dragen, un sonnen knappen Hut uf, un sonn schmalet Kreuz, un denn sich noch druf treten lassen, det kann ja'n Sperling zum Tijer machen, geschweige mir!

Ein Türke. (zu Mad. Proppen.) Jieb mir mal Deine Hand, Maske.

Mad. Proppen. Ach wat! Lassen Sie mir zufrieden!

Proppen. Na warum denn? Jib ihm doch Deine Hand! Herrjees, bei mir haste nich so ville Umstände jemacht!

Mad. Proppen. (die Hand reichend.) Wozu soll'n det? Sie kennen mir doch nich.

Proppen. (zuschauend, was der Türke schreiben wird.) Na, dett soll mir wundern, was Dir der da in de Hand machen wird.

Türke. (ihre Hand besehend.) Ick wollte Ihnen man sagen, daß Sie dreckige Handschuh' anhaben.

Mad. Proppen. (ihren Mann fortziehend.) Siehste, Du verleitst mir immer zu so was. Der Schafskopp kennt uns ja doch nich.

Türke. (ihr nachrufend.) Un denn wollt' ick Ihnen sagen, daß Sie zu Hause manch Mal unausstehlich sind.

Proppen. (mit seiner Frau wieder umkehrend.) Hör' mal Du, deß scheint doch am Ende en Bekannter von uns zu sind.

Türke. (nimmt seine natürliche Stimme an.) Ja woll, Proppen!

Proppen. Nu seh, herrjees, des is Schullze!

Türke. (leiser.) Ja, es is Schullze. Nehmen Se't nich übel, liebes Madam Pröppken, ich habe mir blos mit Ihnen einen Witz machen wollen.

Proppen. Hör' mal, Schullze, des is jut, deß Du jekommen bist, Du kannst mir retten. Ick wollte Mal jerne en bisken ohne meine Frau rumjehen, un wußte nich, wo ick ihr lassen sollte. Du kannst se mal en bisken fiehren.

Türke. Wie so?

Proppen. Ja, siehste, so immer un ewig mit seine jewöhnliche Frau rumlaufen un Maulaffen feil haben, da hat man jar keen Plaisir nich. Dhu mir den Jefallen, Schullze, ick dhu Dir mal mit Deine Frau ooch en Jefallen.

Türke. (sehr langsam.) I versteht sich. Es wird mir ein jroßes Verjnügen sein. Bitte um Ihren Arm, Madam Proppen.

Mad. Proppen. (seinen Arm nehmend.) Des is ooch man wieder, damit er ungehindert Jrog drinken kann.

Proppen. Ne, nich, deswegen nich. Na atje, Kinder, amisirt Euch jut! (er geht ein wenig eilig dem Büffet zu) –

Pränumeranten-Sammler. (zu Proppen.) Hör' mal Du da, knapper Domino, sind Dir vielleicht ein paar Dutzend Streitschriften in Sachen Kirche contra Staat gefällig?

Proppen. (immer weiter gehend.) Ach wat, lassen Sie mir zufrieden! Wat is Kirche und Staat! Ick brauche keenen Staat; mir durschtert! Hat sich wat zu staaten!

Pränumeranten-Sammler. (ihn haltend.) Na ist Dir denn jar keine Literatur jefällig?

Proppen. (sich losmachend.) Litterattur? I Jott bewahre, nich de Spur! Det fehlte mir noch: ooch noch in de Redoute Litterattur, un in den knappen Zustand wo ick bin! Lassen Sie mir los, oder ick steche Ihnen 'ne Litterattur, det sie glooben sollen, et wär' Preßfreiheit! (weitergehend, für sich.) Mit so'n Elsterooje un so'n Hut, un so'n schmalen Rücken hinten, dabei ooch noch Litterattur! Un bei den Durscht, den ick habe, det wär wirklich 'ne scheene Jejend.

Wunderdoctor. (ihm seinen Kasten vorhaltend.) Ist Dir eine Pille oder ein Pflaster jefällig?

Proppen. (sehr ärgerlich.) Kotz Schock Schwerebrett, nu laßt mir zufrieden, oder ick lege Euch een Pflaster uf de Backe, wat Euch janz un jar auszieht! Pflaster, ick un Pflaster! Höchstens eens uf det jroße Hühnerooje, aber da in die verfluchte Schuh jeht keens mehr rin. (zum Wunderdoctor, der noch immer mit seinem Kasten neben ihm geht.) Jehen Se lieber nach de Kaiserstraße, un lejen Se da en Pflaster, denn des, wat da liegt, des zieht nich mehr.

Wunderdoctor. Sie können auch eine spanische Fliege bekommen.

Proppen. (steht still und hebt die rechte Hand auf.) Hör'n Se mal, nu sag' ick't Ihnen zum letzten Mal, ick brauche weder en Pflaster noch 'ne spanische Flieje. Ick will mir keene Flüssigkeiten rausziehen lassen, sondern ick bin eben dabei, mir welche reinzuziehen. Un wenn Sie sich jetzt nich verziehen, denn wer' ick Ihnen nich blos mit 'ne Flieje ufwarten, sondern mit 'ne Bremse, un die sollen Ihnen sehr span'sch vorkommen, daruf können Sie sich verlassen! (er geht schnell nach dem Büffet; der Wunderdoctor folgt ihm heimlich.) Jeben Se mir mal ein Jlas Jrog. (er greift mit Mühe in die Tasche und holt ein Viergroschenstück heraus.) So, da!

Kellner. Hier!

Proppen. (will zulangen.) Schön!

Wunderdoctor. (nimmt ihm das Glas fort und trinkt es schnell leer.) Liebster, hitzige Getränke sind Dir schädlich.

Proppen. (ganz erstarrt vor Verwunderung.) Na so was is mir denn doch aber noch in meinen janzen Leben nich vorjekommen! Hör'n Se mal, bin ick Ihnen nicht vielleicht vor die Kur noch wat schuldig?

Wunderdoctor. (indem er sich umdreht und fortgeht.) Nein, bitte! Dergleichen thue ich gratis.

Proppen. (ihm nachlaufend.) So! Ne, des wird mir denn doch zu arg! Sie da! (Er will ihn halten, durch die heftige Bewegung reißt der schon sehr angegriffene Domino im Rücken mitten durch. Ringsumher Gelächter und Verspottung.)

Verschiedene Stimmen. »Sie! Ihr Leibrock hat sich en Dhorweg schlagen lassen!«
»Hören Se mal, Ihr Rücken is jeplatzt!«
»Entschuld'jen Se gefälligst: Sie jehen entzwee.«
»Mein Bester, machen Sie, deß sie rauskommen. Sie werden hinten einige Verstopfung nachsuchen müssen.«
»Na man hier keinen ruhestörenden Auflauf, meine Herrschaften! Jehen Sie gefälligst auseinander! Einer ist schon so frei gewesen!«
»Na, da möchte man vor Lachen zerplatzen
»Hören Se mal, der Doctor hat Ihnen hinten Oeffnung verschafft!«

Bauer. (lehnt sich gegen Proppens Rücken.) Vor den Riß steh ick! »Hören Se mal, lassen Se sich doch hier nich zum Besten haben. Setzen Se lieber Ihr Jeschäft fort. Reißen Se doch aus!«

Proppen. (hat sich durch die Menge der ihn umgebenden Personen hindurchgedrängt und eilt nach der Garderobe, um sich einen neuen Domino zu miethen. Als er endlich allein ist, schlägt er sich mit der Hand vor die Stirn.) Na det is 'ne scheene Redoute! An det Verjnügen will ick denken! Ne, so was is aber ooch noch jewiß keene menschliche Seele passirt! Kotz Schock Schwerebrett, ne! Ne, ick werde wahrhaftig nich leicht eeklich, aber Des is denn doch ooch heute mit mein Pech reene zum Dollwerden! Nu hinten ooch noch mitten durch! Un wie se mir bei den Jedrang wieder uf den Racker von Hühnerooje jetreten haben! Herrjeeses ne so'n Pech, des is denn doch ooch – ne, herrjeses! (Er tritt in die Garderobe, und läßt sich einen andern Domino geben.) Aber, hören Se mal, so weit wie möglich muß er sind! – So, der is jut, der is nich jespannt uf mir. – Na nu wissen Se wat, nu jeben Se mir mal ooch jleich 'en andern Hut, denn kann ick doch Athen holen. Un ooch 'ne andre Maske, denn meine Nase hier haben sie mir bei des Jedränge so entzwee jebufft, det ick wenigstens sieben Nasenlöcher habe, un ick behelfe mir mit zwee janz jut. Denn bleiben mir blos noch die Schuh, die sind nich zu ändern. (er nimmt, nachdem er sich neu equipirt, Geld aus der Tasche.) Na, des is heute en Vergnügen, die Redoute! Jar keene Kosten nich, un eene Freude über de andere! – Nanu hilft et nischt mehr, nu muß et durchjemacht werden! (zum Garderobier.) Wenn ick man wenigstens jleich zu Ihnen jekommen wäre, denn wär' des Allens nich so jekommen. Der Domingo sitzt mir janz jut, un der Hut mit die rothe Straußfeder is mir janz bequem. Aber einen Durscht hab' ick, det ick verzweifeln möchte! Na atje, atje! (wieder in den Saal tretend.) Aber den Doctor treff' ick aber man wieder, der mir den Jrog ausjedrunken hat! (nach einer Pause.) – Wo man meine Frau is? Der arme Schullze! den jeht es ooch nich viel besser wie mir. –

Blauer Domino. (einer Fledermaus nacheilend.) Fliege doch nicht so schnell, mein Mäuschen!

Fledermaus. Du erwischt mich nicht, mon petit chât.

Blauer Domino. (hält sie.) Ich habe die Fledermaus schon gefangen.

Fledermaus. Nimm Dich in Acht, daß ich Dir nicht in die Haare gerathe.

Blauer Domino. Thätest Du das: ich ließe Dich sitzen.

Gärtnerin. (zu einer ganz schwarzen Maske.) Na? Was stellst denn Du vor?

Schwarze Maske. Ich bin ein Jesuit, ein heiliger Mann.

Gärtnerin. Warum trägst Du denn aber so einen breiten Hut?

Schwarze Maske. Das Symbol des Friedens und der Liebe meiner Kirche. Es müßten eigentlich alle Menschen unter solchen Hut kommen.

Gärtnerin. Na höre! Wenn ein solcher Hut über der ganzen Welt stände, da würde es doch verdammt finster werden! (läuft fort.)

Jäger. (zur schwarzen Maske.) Zu welchem Orden gehörst Du?

Schwarze Maske. Zur Gesellschaft Jesu.

Jäger. Zu welcher Gesellschaft Jesu?

Schwarze Maske. Es giebt nur eine.

Mad. Proppen. Na hören Se mal, liebster Herr Schullze, nu danke ich Ihnen. Mein Mann kommt nich wieder, un Sie sind doch ooch nich blos deshalb uf de Redoute jekommen, um mir zu führen.

Schullze. Ne, blos deshalb nich! Aber sonst –

Mad. Proppen. Ne bitte, da seh' ich eenen Bekannten von mir, mit den wer' ich mir meinen Mann ufsuchen. (Sie verläßt Herrn Schullze, und geht zu einem Schotten, der sie schon erwartete.) Na endlich find' ich Ihnen! Wo haben Sie denn gestochen?

Schotte. Ich konnte nicht eher, Jettchen, nein! Meine Jesellen arbeiten noch! Ich habe müssen bis jetzt zuschneiden, denn meine Jesellen arbeiten die janze Nacht durch, ja! Ueberjens war ich jestern da, ja! Ich bin wenigstens zehn Mal vorbeijejangen, aber Sie jaben kein Zeichen, nein!

Mad. Proppen. Ich habe mir jenug jeängstigt. Proppen is den janzen Dach nich ausjewesen; was will man machen? Zehn' Mal hab ich ihm woll jesagt, er sollte doch de frische Luft jenießen, aber den seine Pomade, des is ja jräßlich. Un denn rejente es ooch ins eens weg.

Schotte. Ja, dieses war es ja eben, ja! Jerejent hat es allerdings; sehr rejente es, ja! Ich bin naß jeworden, wie 'ne jebadte Katze, ja! Aber natürlich, wenn man verliebt ist, merkt man das nicht, nein!

Mad. Proppen. Hörn Se mal, mein lieber Piepel, mein Mann kennt Ihnen in die Maske nich; wenn er kommt, denn...

Mehrere Masken. (schreien.) Pudeldorf! Pudeldorf! Pudeldorf!

Andere Masken. (alle einem Matrosen nach.) Der hat en Zettel aufm Rücken! Pudeldorf! Pudeldorf! (Sie verfolgen den Matrosen so lange mit ihrem Geschrei, bis dieser hinausläuft.)

Brusike. (zu seinen beiden Geliebten.) Na, was sagen Sie, mes dames? Nich wahr, des Essen hat jeschmocken, sehr jut jeschmocken? Ja, der Brusike läßt sich niemals lumpen, er ist toujours honett. Wenn's druff ankommt, ist ihm Jeld nur Chimäre. Des heißt: Jeld is nich Chimäre, aber sechszehn Jroschen. Na nu kommen Sie, reuzende Karoline und angenehme Ojuste, mein bleibste un biste, nu wollen wir mal einen Walzer riskiren, eine Jalopphopphoppade. Eine nach der Andern ist so d'heureuse mit mir zu tanzen. Erst werd' ich mit Ihnen, doublirte Karline, und dann werd' ich mit Aujusten, yes! Vorläufig jenießen Sie diesen Entrechatten! (er springt auf.) Nachher mehr von die Sorte. Dunnerwetterchen, ich bin sehr verjnügtechen! (legt seinen Arm um Karolinens Taille.) So nanu, dansons-nous! (singend.) Tra, didera, didera, didera! (Sie tanzen.)

Proppen. Wenn ick man wüßte, wo meine Frau jeblieben wäre! Det is mir unbegreiflich, wo die sticht. Na, det eilt nich. Der Jrog schmeckt jut, ick wer noch erst en paar Jläser drinken, bevor ick wieder an mein Ehejlück gehe. (er geht nach dem Büffet.)

Ein Wilder. (mit raschen Schritten durch die Menge eilend.) Hu! Hu!

Mehrere Stimmen. Na na, na na! Man nich jraulich machen! Sie wer'n uns ooch noch nich beißen.

Grauer Domino. (zum Wilden.) Sagen Se mal, wo sind Si'en eigentlich her?

Der Wilde. Ich bin ein Vorgebirger der guten Hoffnung.

Tyroler. (im Vorübergehen.) Na, hören Se mal: des is ja jedes Kind.

Grauer Domino. Ich dachte, Sie wären ein Adriatischer Meerbusner. Was haben Sie'n zu Hause, in der juten Hoffnung, vor'n Jeschäft?

Der Wilde. Ich ernähre mir als Menschenfresser.

Grauer Domino. Ah, des is en scheenes Metier, des bringt was ein. Jeben Sie ooch dadruf Jewerbesteuer?

Der Wilde. Ne, als Künstler nich. Ick lebe überhaupt janz ruhig, so janz stille vor mir hin. Alle Dage, wenn mir hunjert, freß' ick meinen Menschen, eß'n Stückchen Brod dazu, un de Knochens spuck ick aus.

Brusike. Fort hier! Weg hier! Hier wird jedanzt, hier is kein Weg für Fußgänger! (während des Tanzes) Dideldidommtommtommtom! Kommen Se her, Karlineken! (auf den Wilden zeigend.) Machen Se sich nich schwarz an den Ausländer, an diesen Antipopoden; der is mit Oel un Kienruß anjestrichen. (immerfort tanzend.) Die Sorte von Wilden färbt ab. Didelommtommtommtomm – tomm! tomm! Ratsch! (Der Tanz ist aus; er wischt sich den Schweiß ab, und fährt sich in die Locken.) Sagen Se mal, monsieur le Wildör, sind Sie nich zahm zu machen.

Der Wilde. O ja! Da müssen Sie mir an 'ne Strippe binden, 'ne Buttellje Champagner als Lutschbeutel vorhängen, un de Staats-Zeitung vorlesen.

Brusike. Ach, Herrjeses, ja des jloob ich, da können Sie woll zahm werden. Aber ich werde danach wild, wenn ich Ihnen die Staats-Zeitung vorlesen muß.

Wahrsager. (er bildet sich einen Kreis unter den Masken und stellt sich dann in Mitte desselben; mit lauter, ernster Stimme.)

Ich bin der Weiseste der Weisen aus dem Morgenland',
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind mir bekannt,
Wer mich will irgend um Etwas fragen,
Ich werd ihm die beste Antwort sagen.

Mehrere Stimmen. (um ihn herum.) Hotz Deibel, der dhut dicke. Na, da müssen wir doch mal sehen. Den woll'n wir doch mal uf de Probe; stellen! Ruhig!

Blauer Domino. Wer bin ich?

Wahrsager. Ein Räthsel, das der Tod auflöst.

Ein Anderer. (schnell.) Wer bin ich aber?

Wahrsager. Frage Deinen Spiegel und Dein Gewissen.

Eine Dame. Das ist einstudirt. Man muß ihn in Verlegenheit setzen. Wer bin ich?

Wahrsager. Ein Gott, – aber die meisten Männer sind Atheisten.

Die Dame. Werden wir Krieg bekommen?

Wahrsager. Wollen wir uns verheirathen?

Die Dame. Wie alt bin ich?

Wahrsager. So alt, wie ein kluger Schwabe.

Die Dame. O nein! Du hast mich zu hoch geschätzt.

Wahrsager. Man kann Dich nicht zu hoch schätzen.

Rother Domino. Ist Frankreich mehr für Guizot oder für die Opposition.

Wahrsager. Eine Kammer vorn heraus wird dem Französischen Volke lieber sein, als ein Cabinet auf dem Hofe.

Proppen. (ein wenig betrunken, zum Wahrsager.) Hören Se mal, können Sie mir nich – können Sie mir nich sagen, wo meine Frau is?

Wahrsager. Da, wo sich's gut ruht.

Proppen. Wo sich's jut ruht? Na na! Sie wird doch nich dodt sind, wird sie doch nich? Ne, Jott bewahre! dazu hab ick heut zu viel Pech.

Rother Domino. (lachend.) Der Wahrsager meint vielleicht im Arm der Liebe, denn da ruht sich's bekanntlich gut.

Proppen. Ohoch, ohoch! Ne, ne! Nischt, nischt, nischt! Meine Frau wird doch nich lieben! Ne, meine Frau liebt nich, des dhut sie nich, davor is sie nich. (er geht fort und sieht seine Frau in einer Loge neben einem Herrn sitzen.) Herrjees, da is se in de Loge! Also – also da logirt se? Na wer is'n aber der Mann, mit den se da sitzt und plappert. Worum führt'n ihr der Mann nich? Worum läßt'r ihr denn sitzen? (indem er hinaufgeht.) Wenn ick se man hätte sitzen lassen, des wär' jescheidter jewesen, wär' es. Ick wer' mir in de Nebenloge setzen, un wer' mal hören, wovon de Rede is. (Er geht in die Loge und setzt sich. Seine Frau dreht sich zwar zu ihm um, erkennt ihn aber in seiner Metamorphose nicht, und setzt ihre Liebesunterhaltung fort. Herr Proppen mäßigt seinen Zorn eine Zeit lang, plötzlich aber fährt er auf, und mit geballten Fäusten auf sie los.) Na warte, Jette, dir wer' ick lieben lernen!

Mad. Proppen. Herjees, mein Mann! (Sie weicht den deutlichen Beweisen der Unzufriedenheit ihres Gemahles aus. In demselben Augenblicke tritt der Wunderdoctor in Proppen's Loge; sogleich wendet sich dieser und seine Wuth um, und beide gehen auf den Charlatan los.)

Proppen. Na warte, Du verdammter Pillendreher, Dir wer' ick 'ne spanische Bremse jeben, det Dir keen Pflaster helfen soll, na warte! (indem er ihm so viel wie möglich nacheilt.) Dir wer' ick die vier Jroschen vor den Jrog am Leibe abkloppen. (er hält ihn fest und schlägt ihn aufs Kreuz.) Da haste't, Du Racker Du! Ick habe mir mein Kreuz bei Dir entzwee jerissen, Dein's keil' ick Dir entzwee, Du Jiftmischer Du! Du hast mir kuriren wollen von hitz'ge Jetränke, ick wer' Dir jetzt ooch de Kur machen, ooch hitzig! (ihn immerfort prügelnd.) Un meine Frau hat sich ooch de Kur machen lassen, davor krigst Du jetzt ooch Keile! Bumms, da! Det is mir janz jleich, wovor Du jetzt Keile krigst, aber Keile krigste! (mehrere Masken kommen und bringen sie aus einander; Proppen will aber von Neuem auf den Wunderdoctor losschlagen.) Laaßen Sie mir los, er hat mir meinen Punsch ausjedrunken! un ick hatte solchen gräßlichen Durscht, hatt' ick!

Bauer. Na höre, den scheinst Du Dir aber jetzt schon jelöscht zu haben.

Proppen. (wüthend.) Kuchen hab' ick, aber nich gelöscht! Wat haben Sie sich hier in meinen Jrog zu mischen, un in meine Keilerei, was? Ick lösche mir nie meinen Durst, nie! Ick habe immer un ewig Durscht! (geht schnell wieder auf den Wunderdoctor los und vesetzt ihm einen Schlag.) Un Der hat mir meinen Jrog ausjedrunken.

Mehrere Stimmen. Werft ihn doch hinaus! Schmeißt ihn doch raus!

Proppen. (in höchster Wuth.) Wat? Ooch noch rausschmeißen? Na, det fehlte mir jrade heite noch! Na wart't! (er stürzt auf alle ihn umgebenden Masken zu und schlägt mit beiden Händen um sich her.) Ick keile Euch alle zu Mus, denn nu hat meine Jeduld en Ende; nu looft mir die Jalle über; nu hält mir keen Pferd mehr; nu wird Allens massakrirt, wat mir vor de Oojen kommt!

Mehrere Masken. I das ist doch zu toll! Hinaus, raus mit ihm! (Proppen wird, so sehr er sich sträubt, den Corridor entlang gestoßen, die Treppe hinabgezogen, unten von jeder Maske einzeln verabschiedet, und endlich zur Thür hinausgeworfen.)

 
Auf der Straße.

Proppen. (nachdem er eine lange Weile ruhig dagestanden.) Na, det is aber wirklich 'ne scheene Jegend heute! Ne det nehm' mir Keener übel, so was von Pech is denn doch aber ooch noch nich erhört! Hotz Donnerwetter, ne, des nehm' mir Keener übel, so'n Pech! (erschreckend.) Herrjees, wo is'n mein Hut? (er sucht umher.) Ne, der is futsch, reene futsch. Den haben se mir verloren, wie se mir rausjehen halfen. Na, des bleibt sich nu jleich; hat des Verjnüjen heute so ville jekost, kann't ooch noch so'n Hut kosten. Rinjehen dhu' ick nich wieder, denn sonst riskir' ick, sie schmeißen mir noch mal raus.

Mad. Proppen. (kommt in aller Eile und spricht sehr zärtlich zu ihrem Manne.) Na, da biste ja; endlich finde ich Dir, lieber Proppen. Wie biste denn so schnell runterjekommen?

Proppen. (erschöpft.) Ja, da mußte Die fragen, die Masken. Wie ick so schnell runterjekommen bin, weeß ick nich, aber deß ick schnell runterjekommen bin, daruf kannste Dir verlassen. Sehr schnell! (zu einem Fiaker.) Kutscher fahr' mal vor! (zu seiner Frau.) Nu woll'n wir zu Hause fahren, nu is det Vejnüjen mit de Redoute aus. (im Wagen.) Ick mache aber keene wieder mit, daruf kannste Dir verlassen, ooch nich, un wenn ick Wasserstiebeln anziehen dürfte. (nach einer Pause.) Sag' mal, wat hatteste denn da in die Loge mit den Mann vor?

Mad. Proppen. Aber Proppen, sei man janz ruhig, un erinnere mir daran nich. Wenn Du mir die janze ausjeschlagene Nacht alleene rumloofen läßt, denn muß ich froh sind, wenn sich Eener meiner annimmt.

Proppen. (verwundert.) Na hör' mal, so nimmt sich doch Keener Eener einer an – Keener einen an – Einer keinen seiner an, ach zum Donnerwetter, laaß' mir zufrieden! (Er legt sich in die Ecke des Wagens und schläft ein.)

 


 


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