Friedrich Gerstäcker
General Franco
Friedrich Gerstäcker

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33.

Nachwort.

Hat sich der Leser für die vorstehende Schilderung ecuadorianischer Zustände interessirt, so wird es ihm willkommen sein, etwas Näheres über die Verhältnisse jenes, uns Deutschen so fern liegenden und so unbekannten Landes zu hören. Es konnte aber in die Erzählung nicht gut eingeflochten werden, da es dieselbe zu sehr ausgedehnt hätte, und mag hier theils als Vervollständigung des Vorangegangenen, theils als Einleitung des zweiten Theiles, der peruanischen Zustände, dienen.

Wenn wir die Karte von Südamerika betrachten, so haben wir da oben in dem breiten Theil des ungeheuern Continents eine Menge von Republiken und einzelnen Staaten, deren Grenzbestimmungen den dortigen Regierungen nicht einmal genau bekannt sind – viel weniger uns.

Früher bestand dort oben an der Nord- und Westküste eine einzige große Republik, Kolumbien, die aber vor noch nicht so langen Jahren in die drei Republiken: Neu-Granada, Venezuela und Ecuador aufgelöst wurde – und zwar aus dem einfachen Grunde, weil Columbien zu groß war und nicht von einem Regierungssitz aus regiert werden konnte.

Allerdings ist Brasilien im Süden ein noch viel größeres Reich, was das Terrain betrifft, aber Brasilien ist auch nur dem Namen nach in seinem ganzen Umfang dem Kaiser unterworfen. Der größte Theil desselben liegt noch, von wilden, ungebändigten Indianerhorden bewohnt, frei und unbelästigt von allen Weißen, und nur wohin diese mit ihren Wagen, oder auf den Strömen mit ihren Schiffen und Dampfern dringen konnten, sind sie die Herren.

Anders ist es im Norden, wo allerdings noch eine Menge Indianerstämme leben, die aber den Weißen völlig unterworfen sind und theils für sie arbeiten, theils harmlos von Fischfang und Jagd leben, nie aber die Weißen in ihrem Vordringen und ihren Ansiedelungen zu stören wagen.

Die nördlichen Republiken sind übrigens ihrer ewigen Revolutionen und Contrerevolutionen wegen berühmt, oder vielmehr berüchtigt, und eben das schwierige Terrain begünstigt diese, da sich in einem tropischen Lande, das eine fast permanente Regenzeit hat, Verbindungswege nur mit außerordentlichen Kosten anlegen und unterhalten lassen. Ist es doch selbst auf der Panama-Eisenbahn eine der größten Arbeiten, nur die Vegetation der wieder und wieder abgehauenen und gestörten Wurzeln so weit zurück zu halten, daß sie nicht alle Augenblicke die Schwellen und Schienen aus ihrem Lager heben, und dadurch die Züge gefährden.

Neu-Granada und Venezuela haben dabei wohl mit den größten Terrainschwierigkeiten zu kämpfen, und selbst in den Gebirgen ist in der Regenzeit der Grund so aufgeweicht, daß viele Europäer auf Reisen und Wegen, auf denen nicht einmal ein Maulthier im Stande ist fortzukommen, sich von zu dem Zweck gemieteten Negern und Indianern tragen lassen.

Ecuador hat es insofern besser, als gerade der niedere Theil seines Landes keinen zu großen Flächenraum umfaßt; nichtsdestoweniger ist seine Hauptstadt Quito, die weit im Innern in den Cordilleren liegt, noch bis zu diesem Tage genöthigt, all' ihre Bedürfnisse aus der südlichsten und sehr weit entlegenen Hafenstadt Guajaquil zu ziehen, weil es mit dem viel bequemer und näher gelegenen nördlichen Hafen Pailon noch keinen Verbindungsweg durch den Wald herstellen konnte.

Aus eben dem Grund liegen auch noch jene ungeheuern Strecken Landes am östlichen Hang der Cordilleren völlig unbenutzt, und nur das wichtige Chinin und Gummi elasticum wird von dort, mit größtmöglicher Verwüstung der Bäume, ausgeführt. Ja, um den Gummi zu erhalten, fällt man ganz einfach jene mächtigen Waldriesen und läßt sie, nachdem sie nur einmal ihren Ertrag gegeben haben, im Wald verfaulen.

Wäre nur Ecuador im Stande gewesen, diese weiten, kaum erst, und noch nicht einmal genau durchforschten Strecken auch nur zum Theil anzubauen, so würde es damit seinen Besitz über das Land schon angetreten haben. So aber waren die Grenzen im Süden und Osten noch nicht einmal genau regulirt, da Ecuador vor der Hand kein dringendes Interesse dabei hatte, besonders mit seinem östlichen Nachbar Brasilien große und weitläufige Unterhandlungen über einen Flächenraum zu halten, der von beiden Theilen noch nicht verwerthet werden konnte und aller Wahrscheinlichkeit nach auch in den nächsten fünfzig Jahren noch nicht in Angriff kam.

Das benutzte damals der ehrgeizige Nachbar im Süden, Castilla, der peruanische Präsident; denn für Peru war auch das östlich von den Cordilleren liegende Gebiet viel werthvoller als für Ecuador, da Peru etwa unter dem zehnten Breitengrad schon einen Hafen an den Zuflüssen des Amazonenstromes in Maïro hatte, bis wohin Dampfer vorgedrungen waren und mit welchem Platz sie von Zeit zu Zeit verkehrten.

Peru konnte deshalb die östlich jener ungeheuern Gebirgskette gezogenen Producte nicht allein viel besser verwerthen, sondern war auch eher im Stande, dort Colonien anzulegen, die ihre Bedürfnisse dann durch peruanische, den Amazonenstrom befahrende Dampfer, vom Atlantischen Ocean her erhalten konnten. Und in der That stand Castilla damals mit Brasilien der Schiffahrt auf dem Amazonenstrom wegen in Unterhandlung.

Castilla beanspruchte zu gleicher Zeit das ganze südöstliche Gebiet Ecuadors, beinahe ein Drittheil der ganzen Republik, und da sich die quitenische Regierung weigerte darauf einzugehen, unterstützte er eine von seinen Creaturen, diesen kleinen intriguirenden Franco, mit Geld und Schiffen, um die Regierung in Quito zu stürzen und diesem dann seine Bedingungen in Betreff des Amazonengebiets vorschreiben zu können.

Der Erfolg zeigte aber, daß er sich in seinen Hoffnungen auf Franco vollständig geirrt, und wie er das merkte, ließ er ihn auch fallen, um später seine Zeit besser abzupassen und doch noch vielleicht seinen Zweck zu erreichen.

Glücklich für Ecuador fielen aber gerade in diese Zeit einzelne andere Umstände, die Castilla's Aufmerksamkeit von Ecuador ablenken mußten, denn er hatte an anderen Orten die Hände voll zu thun. In Bolivia regte sich zugleich ein Geist der Revolution gegen den ihnen ebenfalls von Peru octroyirten Präsidenten, und zwar machte jener Staat Miene, sich des schmalen Landstreifens zu bemächtigen, der, von Peru besetzt, die Verbindung mit ihren werthvollsten Provinzen unterhielt und in welchem der Haupthafen des Landes, Arica, lag.

Allerdings stößt Bolivia weiter südlich direct an das Meer, aber in einer furchtbar öden und dürren Gegend der Wüste Atacama, und der Landweg von dort nach Potosi war mit den größten Schwierigkeiten verknüpft.

Zu gleicher Zeit lief bald die Frist ab, in welcher Castilla, den peruanischen Gesetzen nach, als Präsident über das Land herrschen konnte – denn die Präsidenten jener sogenannten Republiken sind in der That, so lange sie sich behaupten, unumschränkte Herrscher ihres Territoriums, da von einem wirklichen Volkswillen nicht die Rede sein kann. So bekam denn Ecuador eine Zeit lang Ruhe und in Gloria Morena, dem tüchtigen Gelehrten und weisen Staatsmann, einen so wackern Präsidenten, wie ihn sich eine solche Republik nur wünschen kann. Der Frieden dauerte auch so lange, bis vom Norden her der erste Anstoß wieder kam, und zwar durch Mosquera, den späteren Präsidenten von Neu-Granada, der zu gleicher Zeit, und ebenfalls von Castilla unterstützt, die Fahne der Empörung gegen die Regierung in Panama aufpflanzte, aber glücklicher darin war, als sein südlicher Nachbar Franco, und Stadt nach Stadt eroberte, bis er sein Ziel erreichte.

Der Krieg hatte aber nicht allein ihm selber viel Geld gekostet, sondern seine Unterthanen waren furchtbar dadurch gebrandschatzt, und diesen einige Erleichterung zu schaffen und wieder frisches Geld zu bekommen, unternahm er eigentlich nur den Streifzug nach Ecuador, der zuletzt in einen förmlichen Raubzug ausartete und wirklich auch keinen andern Zweck zu haben schien, als einen Theil der reichen ecuadorianischen Klöster und Kirchen zu plündern und soviel Schätze als möglich mit fortzuschleppen.

Ein anderer, nur einigermaßen glaubhafter Grund für den Friedensbruch ist in der That auch nie bekannt geworden, und als Mosquera seinen Zweck erreicht hatte, zog er sich wieder zurück, während die gemachte reiche Beute unter Die vertheilt wurde, die der Krieg am meisten geschädigt.

Wie lange jetzt Ecuador in Frieden leben wird, kann kein Mensch vorhersagen, denn es hängt nur von der Willkür seiner beiden Nachbarn im Norden und Süden ab – die Unruhe des eigenen Volksstammes noch nicht einmal gerechnet. Einen Schritt hat es aber vor allen übrigen benachbarten Republiken vorausgethan, und zwar dadurch, daß es eine fremde europäische Nation mit bei seiner Wohlfahrt interessirte: England.

Als Columbien nämlich damals in drei Republiken zerfiel, theilten sich auch die drei verschiedenen Republiken Venezuela, Neu-Granada und Ecuador in die Schuld, die England noch von ihnen zu fordern hatte. Der ecuadorianische Antheil dieser Schuldenlast belief sich auf 550,000 Pfd. St., und Ecuador trat dafür an England eine entsprechende Landstrecke ab, die ihm in verschiedenen Theilen des Landes zur Disposition gestellt wurde. Ein hinübergeschickter Agent wählte darunter jenen Punkt aus, in dem der nördliche Hafen Ecuadors, der Pailon, liegt, und eine englische Gesellschaft, die Ecuador Land Company, übernahm von der englischen Regierung durch Ankauf die Bebauung und Bevölkerung jener Strecken.

Leider verfügte diese Gesellschaft nicht über hinreichende Mittel, um den Bau eines Weges vom Pailon bis Quito zu unternehmen, und die ecuadorianische Regierung – auch nicht recht zur Ruhe gekommen – konnte vorerst noch nicht bewogen werden, diesen wichtigen Bau zu unterstützen. Freilich mußte er viel Geld kosten, aber dann auch Millionen Acker des herrlichsten Waldes, der jetzt vollkommen nutzlos wächst und fault, dem Verkehr und der Arbeit öffnen.

Es giebt kaum ein herrlicheres Land als Ecuador auf der weiten Welt, und die Natur hat ihre Gaben in verschwenderischem Maß darüber ausgestreut. Vom Ufer des Meeres aus ist es dabei mit dem herrlichsten Wald bedeckt, den irgend ein Boden der Erde trägt, und der bis hoch hinauf an den Hängen seiner Riesenberge, wo die fetten Weiden beginnen, reicht. – Und ein Klima hat es für alle Producte der Welt, vom Buchweizen, Hafer und der Kartoffel (deren Vaterland die Nähe von Quito ist) bis zu der Banane und Ananas, bis zum Cacao und zur Vanille, die beide in den Niederungen wild wachsen. Ecuador ist dabei die Heimath des China- und Gummibaums und besitzt außerdem einen fast unerforschten Reichthum an edlen Metallen. Millionen Acker Landes liegen außerdem dessen gewärtig, der sie bebauen wird, und es scheint keiner Frage unterworfen, daß das Land, welche Zeit auch noch darüber hingehen mag, eine große Zukunft vor sich hat.

Dem störend entgegen tritt aber der indolente Charakter der spanischen Race, die eben so wenig wie der Indianer einen Begriff von der Zeit und ihrem Werth zu haben scheint.

Es ist ein ganz wunderliches Volk, diese Abkömmlinge der alten spanischen Freibeuter und Eroberer, und dermaßen aus der Art geschlagen, daß man sie wahrlich nur an ihrer Sprache wiedererkennt. Nichts von dem alten ritterlichen Geist, der doch wenigstens hier und da diese kühnen Männer beseelte, die in kleinen Trupps die Unterjochung von Millionen ermöglichten – nichts von jener Ausdauer und Zähigkeit, von der Entsagung jeder Bequemlichkeit, von der Ertragung jeder Beschwerde ist geblieben, und wir sehen es wiederum recht deutlich, wie es uns in allen anderen heißen Ländern der Erde entgegentritt, daß der in einem gemäßigten Klima Geborene seine Energie und Thatkraft nur so lange behält, als die Kraft ausreicht, die er aus der kälteren Zone mitgebracht, und daß er erschlafft, sobald diese verbraucht ist.

Nirgends in all' diesen heißen, von der romanischen Race bewohnten Ländern – nur vielleicht die Hochebenen wie Quito ausgenommen, die ein vollkommen europäisches Klima haben, finden wir, daß das Volk aus sich heraus etwas schaffe und leiste, und die Einzigen, die irgend eine Thätigkeit unter sie bringen und in einzelnen Fällen zum Nacheifern anreizen, sind immer nur Fremde aus einem kalten Land – Nordamerikaner, Engländer, Franzosen oder Deutsche.

Ein ächter Südamerikaner, der sich von der Geburt an für einen Señor hält, würde es mit seiner Ehre nicht verträglich halten, irgend eine Handarbeit zu thun; aber auf einem Ladentisch den ganzen Tag die Arme abzureiben und seine Cigarette zu rauchen, oder Monat nach Monat allen möglichen Leuten das Haus einzulaufen, um eine Anstellung bei der Regierung – und dabei die Erlaubniß zu ungestraftem Betrug zu erhalten – hält er für keine Schande.

Das ist auch kein Volk für eine wirkliche Republik oder für das, was ein vernünftiger Mensch unter einer Republik versteht: eine Regierung, die aus dem Volkswillen hervorgeht und durch den Volkswillen gehalten wird. Es giebt eben kein Volk in den Staaten, und die Masse der Bewohner besteht eben nur aus Caballeros, wie sich die Müßiggänger sämmtlich nennen, und Peons oder Dienern, und diese letzteren haben noch weniger Urtheilsfähigkeit in Allem was Politik betrifft, als ein deutscher Bauer, und damit, glaube ich, ist das Aeußerste gesagt.

Ein anderer Fluch dieser Staaten, der mit der Regierungsform in genauester Verbindung steht, ist der von dem Wechsel der Regierung (wenn die verfassungsmäßige Zeit abgelaufen) unzertrennbare Systemwechsel, der es tausend und abertausend Stellenjägern gestattet, wenigstens auf eine Reihe von Jahren einen festen Posten zu erhaschen, für den sie schon Jahre lang auf der Lauer gelegen und indessen herumgelungert und Schulden gemacht haben.

Tritt eine solche Präsidentenwahl ein, dann ist die Wahl selber einzig und allein in die Hände der Caballeros gegeben, die ihre Peons oder Arbeiter dahin schicken, wohin sie sie brauchen, und durch eben solche Machinationen wird auch ein Präsident gestürzt. Volkswohl – das Wort selbst ist unbekannt, und nur das Wohl der bevorzugten Klassen kommt in Betracht.

Die Bevölkerung selber in allen diesen Staaten ist eine entsetzlich gemischte in der Farbe, denn sie entspringt aus allen nur erdenklichen Verbindungen der kaukasischen mit der amerikanischen, und aus späteren Zeiten selbst mit der äthiopischen Race. Am meisten finden sich aber doch die sogenannten Cholos – die man an der Ostküste Amerikas Mestizen nennen würde, oder Abkömmlinge von Weißen und Indianern vertreten, aber auch diese wieder in allen nur erdenklichen Schattirungen und Abstufungen, bis kaum ein Tropfen weißen Blutes noch zu erkennen ist. Es fragt sich freilich immer noch, welcher Stamm die Race veredelt hat, das weiße oder rothe Blut, und ob sie überhaupt veredelt ist und von jenem Gesindel, das nach der Entdeckung Amerikas jene Küsten überschwemmte, veredelt werden konnte.

Der eigentliche Cholo ist allerdings verschmitzter als der Indianer von reinem Blut; er verkehrt auch mehr und lieber mit den Weißen, auf deren Abstammung er sich etwas zu Gute thut, aber er ist in seltenen Fällen so ehrlich und schlicht wie der Ureinwohner und wird von diesem, den er selber verachtet, selten geliebt.

Ich möchte hier auch die wunderbare Thatsache nicht unerwähnt lassen, daß die eingeborenen und unvermischten Ureinwohner dieser Länder, und selbst solche, die das flache und niedere, also dadurch auch so viel heißere Land bewohnen, durchgehends eine viel lichtere Färbung haben, als ihre Stammverwandten im hohen Norden und hohen Süden des amerikanischen Continents oder in den kalten Zonen dieses Welttheils.

Die Patagonier und Feuerländer im Süden, ja schon viele der Pampasstämme, ebenso wie die Sioux und Blackfeet, Osagen und Kickapoos im Norden sind von entschieden kupferbrauner Farbe, obgleich sie ihre Haut der Tropensonne nie ausgesetzt, während die Cajapas und andere Stämme in Ecuador fast ganz licht, ja selbst von hellerer Färbung sind, als die Gebirgsbewohner dieses Landes. Die Cajapas besonders, die an der Westküste größtenteils von Fischen und von Muschelthieren leben, gleichen merkwürdig in Gestalt und Gesichtsbildung – die übrigens eine fast vollständig kaukasische ist – den ihnen nächsten Bewohnern der Südsee-Inseln, hauptsächlich denen der Gesellschaftsinseln, und nichts ist wahrscheinlicher, als daß gerade diese Inseln auch von ihren Pflanzensamen von dem amerikanischen Festland erhielten.

Die Cajapas bauen ganz vortreffliche Canoes, die sie bis hinauf nach Neu-Granada verkaufen, und wagen sich oft weite Strecken mit diesen in See hinaus; Wind und Strömung setzen aber, nur etwas von der Küste entfernt, entschieden nach Westen, und einzelne dorthin verschlagene Canoes konnten recht gut die ersten Menschen zu den schon früher von angespülten Cocosnüssen bewaldeten Inseln tragen.

Wie dem auch sei, diese Indianer sind ein schöner, herrlicher Menschenschlag, edel, gebildet, kräftig und intelligent, und kein Cholo hält einen Vergleich mit ihnen aus, wenn er sie auch zehnmal im Handel betrügen und übervortheilen mag.

Die niederen Klassen all' dieser »altspanischen« Besitzungen sind vollständig ungebildet; nur wenige von ihnen können lesen, noch weniger schreiben, und es hält oft in einem von diesen Dörfern oder kleinen Städten entsetzlich schwer, Jemand zu finden, der den Posten eines Alcaden ausfüllen könnte, weil er da selbstverständlich auch in einzelnen Fällen die Feder führen muß.

Darum sind ihnen die von der weißen Race Abstammenden jedenfalls überlegen und üben diese Kunst auch mehr, während sie dem eigentlichen Cholo aber wieder sehr in Energie und Ausdauer, ja auch an kräftiger Gestalt und Gewandtheit nachstehen. Die stete Abspannung aller Sehnen durch das ewige Nichtsthun muß allerdings auch zuletzt den Körper erschlaffen.

Der tüchtigste und kräftigste Menschenschlag in allen jenen Ländern sind jedenfalls die Arrieros oder Maultiertreiber, Cholos und Weiße, die in einem Lande, wo man eine Fahrstraße und ein Fuhrwerk kaum dem Namen nach kennt, allerdings eine nicht unbedeutende Gilde bilden.

Außerordentlich große Aehnlichkeit mit der ecuadorianischen Bevölkerung hat das benachbarte Peru – nicht so das Land selber, denn zwei verschiedenere Küstenstriche ist es unmöglich sich zu denken, als die dieser beiden, doch einander dicht begrenzenden Länder.

Die ganze Küste von Panama bis zu der Südgrenze von Ecuador – etwa 4 Gr. Süder-Br., besteht aus dichtem, oft undurchdringlichem Wald, mit hellgrünen Manglaren oder Mangroven bestanden, so weit die Fluth des Meeres reicht und deren Wurzeln mit Salzwasser bespülen kann. Nur hier und da öffnet sich, wenn man an der Küste herauffährt, diese fest in einander greifende Mauer eines wilden Laubwalles, um irgend einen Strom, der aus dem Innern kommt, hindurch zu lassen, und draußen im Meer schwimmt dann niedergeschwemmtes Holz, schwimmen abgerissene Zweige und Früchte, die eine Sturzfluth mit hinausgenommen hat.

Sowie man aber, nach Süden fahrend, die Mündung des Guajaquilstromes verläßt und nur noch eine kurze, sehr kurze Strecke zurückgelegt hat, steht man, wie Uferbäume zu Uferbüschen zusammenschrumpfen. Immer niedriger werden diese, immer häufiger bemerkt man lichte und hellgelb schimmernde Blößen dazwischen, und jetzt plötzlich, mit der factischen Grenze von Peru, hören auch diese auf, und kahl und brach liegen die nackten Uferberge in der Sonne und strömen eine erstickende Hitze aus.

Und solcher Art ist die ganze peruanische Küste, mit jenem kleinen Strich von Bolivia und immer weiter hinunter das Nämliche, bis weit, weit an Chile hinauf. Ja, erst im araukanischen Lande, oder wenigstens kurz vorher, in der Nähe von Concepcion, den Weingärten Chiles, beginnen die Berge sich wieder bewaldet zu zeigen, beginnen freundliche Höhenzüge.

Bis tief nach Chile reicht aber auch jener regenlose Strich, der nie mit einem frischen Gewitterschauer die Erde tränkt. Das wenige Gras, was in der sogenannten Regenzeit an den Hängen wächst, ist kaum genügend, ihnen einen mattgrünen Schein zu geben, und nährt sich auch nur von dem starken Thau oder Niederschlag, der über Nacht fällt. Es giebt kaum eine trostlosere Küste auf der Welt, als die peruanische, und während man hier mit der schwersten Arbeit und größten Mühe Alles künstlich bewässern muß, was man ziehen will, weiß man in dem benachbarten Ecuador kaum, wie man des Wassers Herr werden soll, und ist nicht im Stande, das Wachsthum der Pflanzen nieder zu halten. Treibt doch die Banane dort in sieben bis acht Monaten aus dem Keim heraus einen zwölf Fuß hohen und acht bis neun Zoll im Durchmesser haltenden saftigen Schaft, und bringt in vierzehn ihre Riesenfrucht zur Reife.

Gerade das Land, östlich von den Cordilleren in Peru ist aber das fruchtbarste und wetteifert in jeder Hinsicht mit den gesegnetsten Himmelsstrichen der Erde. Aber weite Strecken und zwei mächtige Cordillerenrücken, der Paß des einen sechzehn, der des andern zwölftausend Fuß über der Meeresfläche, erschweren den Weg dorthin und machen den Transport der weniger kostbaren Producte ganz unmöglich. So kommt es, daß Peru, mit all' seinen Hülfsquellen im Innern, doch fast alle die Producte, die es selber ziehen könnte, aus anderen Ländern einführen und seine eigenen Ländereien brach sehen muß.

Dem könnte freilich abgeholfen werden, denn Quellen und kleine Ströme sind genug da, und mit künstlicher Bewässerung ließe sich Alles erzwingen, aber es fehlt an Arbeitskräften. Die weißen Eingeborenen selber arbeiten nicht, oder doch wenigstens nicht mehr, als um sich am Leben zu erhalten, die Neger sind nach der Befreiung vom spanischen Joch – was die Caballeros jetzt sehr bedauern – ebenfalls frei gegeben, und seit Jahren schon zerbrechen sich Leute darüber den Kopf, wo sie Arbeiter herbekommen wollen.

Man hat Versuche mit deutscher Einwanderung gemacht, und sie sind zum Theil gelungen, aber zu den Erdarbeiten auf dem tropischen Boden konnte man die an ein kaltes Klima gewöhnten Deutschen doch nicht verwenden, wenigstens dort nicht halten.

Ein weiterer Versuch wurde mit Chinesen gemacht. Diese sind aber ein allerdings sehr fleißiges und thätiges, aber sonst auch ein vollkommen nichtsnutziges Volk, das eben noch gefehlt hatte, den so schon darum gar nicht verlegenen Südamerikanern neue Schlechtigkeiten zu bringen, und sobald sie ihre Arbeitszeit abgedient, überschwemmten sie das Land mit ihren Lastern.

Der Kulihandel war noch nicht versucht worden, und die Südsee-Inseln mit einer zahlreichen Bevölkerung hatte man so noch, aber bis jetzt freilich auch immer gehört, daß diese harmlosen Menschen, die im Nichtsthun nah mit den Südamerikanern wetteiferten, zu keiner Arbeit zu bringen wären, bis endlich einige peruanische Schiffe, die den Versuch gemacht hatten, Arbeiter anzuwerben, und ihn – wenn auch mit Gewalt, durchführten, die ersten Kulitransporte nach Peru brachten und dadurch eine neue Aera für den Ackerbau zu eröffnen schienen.

Der Präsident stand aber diesem Kulihandel fern, ja, hatte keine Ahnung, in welcher nichtswürdigen Art er betrieben worden.

Damit beginnt die zweite Abtheilung: Señor Aguila. –

Die Erzählung dieser beiden Romane spielt in den Jahren 60 und 61. – Jetzt haben sich die Verhältnisse dort wieder geändert. In Ecuador ist der wackere General Flores gestorben, in Peru ein neuer Präsident gewählt, Peru selber aber auch in Streitigkeiten mit Spanien verwickelt worden, die das letztere Land veranlaßten, die Hand auf die Chincha-Inseln zu legen.

Diese Chincha-Inseln sind aber die Schatzkammer des ganzen Landes, da sie jährlich einen ungefähren Reingewinn von zwanzig Millionen Dollars abwerfen; sie liegen freilich für eine Schatzkammer ein wenig exponirt in offener See und außer Schußweite vom festen Land.

Aber in diese späte Zeit, die ihrer Entwickelung noch in diesem Augenblick entgegensieht, reicht unsere Erzählung nicht. Sie umfaßt nur den Zeitraum von Franco's Flucht aus Guajaquil, wonach sich der Expräsident ja nach Lima wandte, um Castilla noch einmal gegen Ecuador aufzustacheln, bis nach dem Mordversuch, der damals in ziemlich räthselhafter und verworrener Weise auf den Präsidenten gemacht wurde, und ich will es wenigstens versuchen, darin dem Leser ein treues und, wenn möglich, anschauliches Bild der dortigen Zustände zu geben.

 

Ende der ersten Abtheilung.

 


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