Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

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Der König Edegi belohnt die Klugheit

Sudan

Es kam ein Mann zu Edegi und sagte: »Gib mir eine Frau!« Edegi fragte: »Bist du klug?« Der Mann sagte: »Versuche es!« Edsu Edegi sagte: »Wenn du siebenmal Streit hervorgerufen hast, ohne daß du bestraft wirst, will ich dir eine Frau geben!« Der Mann sagte: »Es ist gut! Ich werde es versuchen!«

Der Mann machte sich auf den Weg nach Lapai. Kurz vor der Ankunft in Lapai traf er am Flußufer auf eine Frau, die hielt da Schnupftabak feil. Der Mann sagte: »Kann ich ein wenig von dem Schnupftabak bekommen?« Die Frau sagte: »Nimm dir nur selbst!« Der Mann sagte: »Ich werde mir doch nicht nehmen. Wenn du mir gibst, so bin ich froh darüber!« Die Frau gab ihm. Der Mann schnupfte. Den Rest steckte er in die Tasche. Er sagte: »Ich danke!« Dann ging er nach Lapai. Die Frau ging auch in die Stadt und ging zum Edsu: »Der Mann hat meinen Tabak genommen, ohne ihn zu bezahlen!« Der König ließ ihn rufen. Er sagte zu ihm: »Du bist ein Dieb. Du hast der Frau den Tabak genommen!« Der Mann sagte: »Nein, ich bin kein Dieb. Die Frau hat mir erst gesagt, ich soll den Tabak nehmen. Ich habe das abgelehnt. Dann hat sie mir den Tabak selbst gegeben. Ich schnupfte ein wenig und steckte den Rest in die Tasche.« Der König fragte die Frau: »War es so?« Die Frau sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er begab sich auf den Weg nach Agaye. Auf dem Wege nach Agaye traf er drei Mädchen, die trugen Wasser. Der Mann sagte zu einem der Mädchen: »Gib mir ein wenig Wasser zu trinken!« Das Mädchen gab ihm. Der Mann nahm. Er trank. Er ging weiter. Als er ein Stück weitergegangen war, rief das Mädchen ihn zurück und sagte: »Komm noch einmal!« Der Mann kehrte um und kam zurück. Er sagte: »Was soll ich?« Das Mädchen sagte: »Auf meinem Rücken ist eine schlechte Fliege. Schlage sie tot!« Der Mann sagte: »Sieh, ich habe hier einen Ring am Finger. Wenn ich damit nun deinen Rücken treffe, so kann ich dich vielleicht totschlagen. Deshalb will ich es lieber nicht tun. Verscheuche nur die Fliege!« Das Mädchen sagte: »Nein, du bist mir verpflichtet, denn ich habe dir auch Wasser gegeben. Nun schlage mir die Fliege tot. Das andere ist meine Sache.« Der Mann sagte: »Wenn du darauf bestehst, so ist es deine Sache!« Der Mann schlug. Die Fliege war tot und fiel herab. Das Mädchen fiel aber auch hin und war tot. Darauf liefen die andern beiden Mädchen nach Agaye hinein. Sie liefen zum König und sagten: »Ein Fremder hat am Fluß ein Mädchen erschlagen.« Der König ließ den Mann kommen. Der König sagte: »Der Mann hat ein Mädchen erschlagen. Tötet ihn!« Der Mann sagte: »Töte mich nicht, sondern höre mich erst!« Der König sagte: »So sprich!« Der Mann sagte: »Ich traf am Fluß drei Mädchen. Ich war durstig. Die Mädchen hatten Wasser geschöpft. Ich bat um Wasser. Das eine Mädchen gab mir Wasser. Ich dankte und ging weiter. Das Mädchen rief mich zurück. Sie verlangte von mir, daß ich ihr eine Fliege auf dem Rücken totschlagen sollte. Ich sagte, daß ich es töten könne, weil ich diesen Ring am Finger trüge. Das Mädchen sagte, ich sei ihm verpflichtet, weil es mir Wasser gereicht habe. Ich solle also die Fliege totschlagen, das übrige sei seine Sache. Ich schlug die Fliege tot. Das Mädchen fiel hin und war auch tot.« Der König fragte die andern beiden Mädchen: »War es so?« Die Mädchen sagten: »Es war so!« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er kam nach Bida. Er ging zu einem Sohn des Königs, der zwei junge hübsche Frauen hatte. Der Sohn des Königs gab ihm ein Haus. Als es Abend war, kam der Mann zu dem Sohn des Königs und sagte: »Gib mir einen Strick!« Der Sohn des Königs sagte: »Was willst du haben?« Der Mann sagte: »Gib mir einen Strick!« Der Sohn des Königs sagte: »Ich habe keinen Strick. Was willst du denn mit dem Strick?« Der Mann sagte: »Ich will damit mein Glied festbinden. Denn mein Glied geht nachts im Gehöft, in dem schöne Frauen sind, immer umher und will die Frauen beschlafen. Damit nun nichts geschieht, will ich es festbinden!« Der Sohn des Königs sagte: »Ich kann jetzt nicht nach einem Strick suchen. Schlafe diese Nacht einmal ohne ihn!« Der Mann ging fort. Als es dann Nacht wurde, ging der Sohn des Königs in das Haus einer seiner Frauen, um mit ihr zu schlafen. Gleich darauf kam der Mann auch in das Haus. Er sagte: »Siehst du, das kommt davon, daß mein Glied nicht aufgebunden ist. Nun richtet es Unheil an. Das ist deine Sache!« Der Sohn des Königs sprang auf, um den Mann zu schlagen. Der Mann packte ihn aber und warf den Sohn des Königs hinaus. Dann beschlief er die junge schöne Frau. Am andern Morgen ließ der König den Mann zu sich kommen und fragte ihn: »Was hast du diese Nacht für eine schlechte Sache gemacht?« Der Mann sagte: »Wenn eine schlechte Sache geschehen ist, so ist dein Sohn daran schuld. Ich hatte bei ihm Wohnung. Abends kam ich zu ihm und bat ihn um einen Strick, damit ich mein Glied festbinden könne. Mein Glied geht in Gehöften, in denen schöne Frauen sind, immer umher. Dein Sohn wollte mir keinen Strick geben. Er sagte, ich solle diese Nacht ohne Strick schlafen. Dann ging nachts mein Glied herum und beschlief eine Frau. Es war nicht meine Schuld. Das ist alles.« Der König fragte seinen Sohn: »War es so?« Der Sohn des Königs sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er ging auf Lafiagi zu. Als er ganz dicht bei Lafiagi war, begegnete er einem Reiter. Der Reiter sagte: »Halte mit der Hand mein Pferd!« (und zwar Ladogo-bagoa, das heißt sowohl »Halte mit der Hand« als »Schneide mit der Hand«). Der Mann sagte: »Nein, das tue ich nicht! Nachher habe ich nur Unannehmlichkeiten davon!« Der Reiter sagte: »So halte doch nur mit der Hand mein Pferd. Ich will absteigen, ich muß mich entleeren!« Der Mann sagte: »Du zwingst mich also?« Der Reiter sagte: »Es muß sein!« Der Mann sagte: »Dann steige ab.« Der Reiter stieg ab und ging in den Busch. Kaum war der Reiter im Busch, so zog der Mann das Messer heraus und schlug dem Pferd die vier Füße ab. Der Reiter kam zurück. Er sah sein zerschnittenes Pferd. Er sprang auf den Mann zu. Der Mann schlug wieder. Andere Leute kamen dazu. Sie schleppten den Mann in die Stadt zum König. Der Reiter sagte: »Dieser Mann hat meinem Pferd die Füße abgeschlagen!« Der König sagte: »Was hast du dazu zu sagen?« Der Mann sagte: »Der Reiter hat es selbst von mir verlangt. Er sagte zu mir: ›Ladogo-bagoa!‹ Ich lehnte es ab und sagte, ich hätte nachher nur Unannehmlichkeiten davon. Dann zwang er mich dazu und sagte: ›Es muß sein!‹« Der König fragte den Reiter: »War es so?« Der Reiter sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er ging auf die Stadt Zunga zu. Unterwegs fing er am Flusse eine Eschi. (Das ist eine Art Ratte, die am Flußufer haust. Der Scherz dieses Abschnittes beruht darin, daß mit Eschi nicht nur die Rattenart, sondern auch der Koitus bezeichnet wird.) Der Mann steckte die Eschi in seine Tasche. Er ging dann zur Stadt hinein und suchte im Gehöft des Königs Wohnung. Der König gab ihm ein Haus. Er sagte zu einer seiner Frauen: »Gehe hin und bring dem Fremden eine Schüssel mit Essen!« Die Frau bereitete das Essen. Dann brachte sie dem Mann eine Schüssel mit Essen in sein Haus. Sie stellte ihm die Schüssel hin. Der Mann fragte die Frau: »Kannst du Eschi (also doppelsinnig, sowohl Rattenart als Koitus) gebrauchen?« Die Frau sagte: »Laß den König nicht dieses Wort hören! Wenn er es hört, wird er dich töten!« Der Mann sagte: »Ich verstehe dich nicht. Ich weiß nicht, was du meinst. Sage mir lieber, ob du eine Eschi gebrauchen kannst. Du kannst sogleich in diesem Hause eine Eschi von mir haben. Willst du es?« Die Frau schrie. Sie lief hinaus. Sie lief zum König. Sie sagte zum König: »Der Fremde, den du in dein Haus genommen hast, hat mich soeben gefragt, ob ich von ihm beschlafen sein wollte.« Der König sagte zu seinen Leuten: »Bringt mir den Mann her!« Die Leute gingen und holten den Mann. Der König sagte zu ihm: »Du hast soeben meine Frau verführen wollen.« Der Mann sagte: »Das weiß ich nicht. Das muß wohl ein anderer gewesen sein.« Der König sagte: »Du hast ihr soeben einen Eschi angeboten.« Der Mann sagte: »Also das ist es. Auf dem Wege nach Zunga fing ich am Flusse eine Eschi. Als die Frau zu mir kam, fragte ich sie, ob sie sie gebrauchen könne. Ich könne sie ihr sogleich im Hause geben. Die Frau hat etwas anderes gedacht, als ich gesagt habe. Hier ist die Eschi!« Der Mann nahm die Eschi aus der Tasche und legte sie vor den König hin. Der König sagte zu dem Mann: »Das ist ein Mißverständnis. Nimm deine Eschi. Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen.«

Der Mann ging weiter. Er ging auf die Stadt Worin zu. Er ging durch die Farmen der Stadt Illorin. Er kam an eine Farm, auf der hackten die Leute Jams aus der Erde. Er sagte zu den Leuten: »Könnt ihr mir ein wenig von eurem vielen Jams abgeben?« Die Leute gaben ihm fünf Jamsknollen. Der Mann sagte: »Ich danke euch. Womit kann ich mir nun ein Feuer anzünden, um meinen Jams zu rösten?« Die Leute sagten: »Du kannst alles nehmen, was um die Farm herumliegt, um dein Feuer zu machen.« Der Mann sagte: »Ich danke euch.« Der Mann kam an das Ende der Farm. Da hatten die Leute ihre Schuhe hingelegt. Er nahm die Schuhe. Die Leute hatten da ihre Kleider abgelegt. Er nahm ihre Kleider. Die Leute hatten da ihre Hüte hingelegt. Er nahm ihre Hüte. Die Leute hatten da ihre Hacken hingelegt. Er nahm ihre Hacken. Die Leute hatten da ihre Körbe hingelegt. Er nahm ihre Körbe. Die Leute hatten da ihre Kalebassen hingelegt. Er nahm ihre Kalebassen. Die Leute hatten da ihre Stöcke hingelegt. Er nahm ihre Stöcke. Der Mann legte die Schuhe, die Kleider, die Hüte, die Hacken, die Körbe, die Kalebassen, die Stöcke auf einen großen Haufen. Er zündete das alles an und legte seine fünf Jamsknollen darauf. Er röstete sie. Die Leute auf der Farm sagten: »Was ist das für ein Geruch?« Sie gingen hin. Sie sahen, daß alle ihre Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Körbe, Kalebassen, Stöcke verbrannt waren. Der Mann saß daneben und aß seinen gerösteten Jams. Die Leute packten und nahmen ihn mit zur Stadt. Sie führten ihn zum König und sagten: »Wir haben diesem Mann fünf Jamsknollen geschenkt. Darauf hat er uns alle unsere Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Körbe, Kalebassen und Stöcke genommen und hat sie verbrannt.« Der König sagte: »Was hast du dazu zu sagen?« Der Mann sagte: »Die Leute schenkten mir fünf Jamsknollen. Ich fragte sie: ›Womit kann ich nun mein Feuer anzünden, um meinen Jams zu rösten?‹ Die Leute sagten mir: ›Du kannst alles nehmen, was um die Farm herumliegt, um dein Feuer zu machen.‹ Sie sagten mir nicht, daß ich Feuerholz nehmen solle. Sie sagten mir, ich solle alles nehmen, was um die Farm herumliegt. Da sammelte ich alle Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Körbe, Kalebassen, Stöcke auf und machte mein Feuer damit. Mit Feuerholz hätte ich weniger Arbeit gehabt.« Der König fragte die Leute: »War es so?« Die Leute sagten: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging weiter. Er ging auf die Stadt Saragi zu. Er kam nach Saragi. Er ging auf den Markt und kaufte bei einer Frau für hundert Kauri Jams. Dann ging er zu einer andern Frau, die hatte einen ganzen, großen Topf voll Öl da. Der Mann wollte etwas Öl zu seinem Jams kaufen. Der Mann fragte die Frau: »Kann ich etwas von dem Öl bekommen? Willst du mir etwas Öl zu meinem Jams verkaufen?« Die Frau vor dem großen Öltopf antwortete: »Eloloschi!« (Eloloschi hat wieder doppelten Sinn. Es soll heißen »alles zusammen«, d. h. also, die Frau wollte nur das ganze Öl en gros verkaufen. Eloloschi kann aber auch heißen »Hineingehen«.) Der Mann fragte: »Was? Eloloschi?« Die Frau sagte: »Ja, Eloloschi!« Der Mann sagte: »Das kann ich ja auch tun!« Er zog seine Kleider aus, legte sie beiseite und setzte sich mit einem Sprung mitten in den Öltopf. Der Topf zerschellte sofort und das Öl floß nach allen Seiten auseinander. Die Frau schrie. Die Frau lief sogleich zum König und sagte: »Ein fremder Mann ist auf dem Markt mitten in meinen Öltopf gesprungen, hat ihn zerbrochen und all mein Öl vertan!« Der König ließ den Mann kommen. Er sagte zu dem Mann: »Diese Frau sagt mir, daß du ihren Öltopf zerbrochen und ihr Öl verschüttet hättest.« Der Mann sagte: »Ich habe nichts Unrechtes getan, denn ich habe nichts anderes getan, als was die Frau selbst gewollt hat. Ich kam von Illorin. Ich war hungrig. Ich ging auf den Markt. Ich kaufte bei einer Frau für hundert Kauri Jams. Ich ging zu dieser Frau, um dazu ein wenig Öl zu kaufen. Ich fragte die Frau, ob sie mir von dem Öl verkaufen wolle. Sie sagte, ich solle mich hineinsetzen. Ich fragte nochmals, ob ich richtig verstanden habe. Sie wiederholte ›Eloloschi‹. Da habe ich meine Kleider ausgezogen und habe mich mit einem Sprung hineingesetzt. Wenn sie dabei etwas verloren hat, so ist sie doch selbst für den Verlust verantwortlich.« Der König fragte die Frau: »War es so?« Die Frau sagte: »Es war so.« Der König sagte zu dem Mann: »Ich kann nichts Unrechtes an dir finden. Du kannst gehen!«

Der Mann ging. Er ging zur Stadt Edegis. Er ging zu Edsu Edegi und sagte: »Du hast zu mir gesagt: Wenn du siebenmal Streit hervorgerufen hast, ohne daß du bestraft wirst, will ich dir eine Frau geben. Ich war in Lapai, habe eine Frau um ihren Tabak betrogen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Agaye, habe ein junges Mädchen totgeschlagen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Bida, habe den Königssohn hinausgeworfen, seine Frau beschlafen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Lafiagi, habe dem Pferde eines Reiters die Füße abgeschlagen und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Zunga, habe einer Frau des Königs den Beischlaf angeboten und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Ulorin, habe den Farmleuten ihre Schuhe, Kleider, Hüte, Hacken, Stöcke verbrannt und wurde vom König freigesprochen. Ich war in Saragi, bin mitten auf dem Marktplatz in den großen Ötopf einer Frau gesprungen, so daß der Topf zersprang und alles Ö auseinanderfloß und wurde vom König freigesprochen. Ich habe also siebenmal Streit angefangen und wurde nicht bestraft. Ehe ich dich aber um meine Frau bitte, will ich noch einmal etwas im Haussaland anrichten!«

Der Mann ging. Er ging in das Haussaland. Auf der Straße traf er einige Haussa. Die sagten ihm den Gruß der Haussa: »Sanu! Sanu!« (Sanu heißt soviel als Gruß wie Heil! Segen! Andererseits heißt »Sanu« aber auch »langsam, bequem«.) Der Mann sprang auf die Haussa zu. Er rief: »Was, ihr wollt mich einen Langsamen, einen Faulen nennen? Was, ihr wollt mich beschimpfen?« Die Haussa schrien: »Sanu! Sanu!« Der Mann nahm darauf seinen Stock und schlug auf die Haussa drein. Die Haussa liefen in die Stadt und sagten zum König: »Ein Nupemann hat uns geschlagen!« Der Haussakönig ließ den Mann zu sich kommen und sagte zu ihm: »Du hast mit meinen Leuten Streit angefangen!« Der Mann sagte: »Sie sagen, ich habe Streit angefangen? Haben sie mir nicht zugerufen, ich sei ein Langsamer, ein Fauler? Habe ich nicht aufbegehrt? Haben sie mich da nicht wieder beschimpft und gerufen: ›Sanu! Sanu!‹ Ich bin aber nicht faul. Ich bin fleißig. Ich lasse mich nicht beschimpfen und mir sagen, ich sei ein träger Mann! Deshalb bin ich zornig geworden, weil sie mich einen Faulen geschimpft haben.« Der König fragte die Leute: »War es so?« Die Haussa sagten: »Wir haben nur Sanu! Sanu! gerufen.« Der Mann sagte: »Ja, sie haben mich einen Langsamen genannt.« Der König sagte: »Ich kann kein Unrecht an dem Mann finden. Es ist ein Mißverständnis. Der Mann kann gehen.«

Der Mann ging zu Edsu Edegi. Edsu Edegi sagte zu ihm: »Du bist ein ordentlicher, kluger Mann. Ich werde dir die Frau geben.« Edsu Edegi gab dem Mann ein Mädchen und sagte: »Nimm sie! Gehe aber nicht mit dieser Frau in das Land Sauadji. Wenn da einer deine Frau beschläft, oder wenn sie sie dir da wegnehmen, so ist das deine Sache.« Der Mann sagte: »Es ist gut!« Der Mann heiratete das Mädchen.

Dann ging der Mann mit seiner jungen Frau nach dem Lande Sauadji und sagte: »Dieses Land Sauadji, vor dem mich Edsu Edegi so warnt, muß ich doch kennen lernen. Sollten die Leute mich an Klugheit übertreffen?« Der Mann ging mit seiner Frau nach dem Lande Sauadji.

Der Mann kam mit seiner Frau in der Stadt Sauadji an. Die Leute von Sauadji suchten immer nach Frauen. Sie konnten nie genug bekommen. Als der Mann ankam, gaben sie ihm ein Haus für sich, seine Frau aber schickten sie zur Sonja (Frauenrichterin und Aufseherin). Am andern Tag ging der Mann mit den jungen Leuten baden. Er kam zurück zu seiner Frau. Die Frau sagte: »Warum warst du fort? Warum hast du nicht mit mir geschlafen?« Der Mann sagte: »Ich wollte die Penisse dieser jungen Leute sehen. Deshalb war ich mit ihnen baden. Jeder von ihnen hat nicht wie ich einen, sondern sieben Penisse und jeder einzelne ist scharf wie ein Messer. Deshalb haben sie auch so viele Frauen nötig, weil so viele sterben.«

Der Saba (Thronfolger) der Stadt hatte die Frau des Mannes gesehen. Er sagte zu seinen Leuten: »Seht euch nach der jungen Frau aus Edegis Stadt um. Ich will mit ihr schlafen.« Die jungen Leute kamen zu dem Mann. Der Mann sagte zu ihnen: »Seht meine Frau an. Sie hat fünf Männer vor mir gehabt. Ich bin der sechste. Jedem der ersten fünf hat sie mit einem einfachen Handstrich Penis und Skrotum abgeschnitten.« Als die jungen Leute das hörten, bekamen sie Angst. Sie gingen zum Saba und sagten es ihm. Der Saba aber sagte: »Ich muß diese Frau haben, ehe sie geht, und wenn sie mir auch alles abschneidet.« Der Saba nahm siebentausend Kauri und schickte sie der Frau. Er ließ ihr sagen, daß er sie besitzen wolle. Die Frau sagte zu dem Boten: »Ich bin bereit. Mein Mann ist aber schlecht. Er beginnt mit jedem Streit. Gebt also meinem Mann erst vielen Palmwein, ehe wir zusammenkommen.« Der Saba sandte vielen Palmwein. Der Mann trank ihn. Der Mann wurde betrunken. Dann nahmen ihn die Leute, trugen ihn in ein Haus und schlossen das Haus hinter ihm zu.

Der Saba rief die Frau nun zu sich. Die Frau ging hin. Der Saba sagte zu ihr: »Setze dich!« Die Frau setzte sich. Die Frau dachte an die sieben Penisse, die scharf wie Messer waren, und hatte Angst. Der Saba dachte an den Handstrich, mit dem fünf Männer schon Penis und Skrotum verloren hatten, und hatte Angst. Der Saba ging hinaus und rief vier Segi (Pagen). Von diesen Segi sagen die Nupe, früher seien sie dem Edsu zuerteilt worden, daß er sie wie Frauen von hinten beschlafe. Die Haussa sagen, solches sei heute nicht mehr in den Koareländern Sitte, wohl aber in Bornu. Er sagte zu ihnen: »Je zwei von euch stehen hinter je einer Tür. Wenn ich schreie, kommt herein und reißt die Frau von mir, so daß sie mir nicht Penis und Skrotum abschneiden kann.« Dann ging der Saba wieder hinein.

Beide lagen auf dem Lager. Der Saba dachte: »Ob das mit dem Handstrich wahr ist?« Die Frau dachte: »Ob das mit den sieben Penissen, die scharf wie Messer sind, wohl wahr ist?« Die Frau dachte, der Saba schliefe. Die Frau dachte: »Ich muß einmal nachfühlen.« Sie führte die Hand zu dem Saba hin. Der Saba fühlte den Handstrich. Der Saba dachte: »Jetzt schneidet sie!« Der Saba schrie. Die vier Segi kamen herein, rissen die Frau vom Lager und warfen sie zur Tür hinaus.

Die Leute gingen hin und öffneten das Haus, in dem der Mann lag. Sie nahmen den Mann heraus. Am andern Morgen wachte er auf. Er ging zu seiner Frau und sagte: »Pack die Sachen. Nun können wir wieder gehen.« Sie gingen. Wo sie durch die Straßen kamen, liefen die jungen Männer weg. Der Mann lachte.

Der Mann kam zu Edsu Edegi zurück. Edsu Edegi sagte: »Du bringst deine Frau wieder mit? Erzähle mir!« Der Mann erzählte alles. Edsu Edegi schenkte ihm zwei Sklaven und zwei Pferde, damit er bei ihm bliebe. Edsu Edegi sagte: »Ich danke dir; ich habe einen klugen Mann kennengelernt.«


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