Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

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Sira Maga Njoro

Sahel

Sira Maga Njoro wurde einer der größten Helden Massinas. Er wurde seinerzeit im Dorf Keke geboren, und zwar als der Sohn des Königs von Massina. Sein Vater war Ardo, und Massina war damals dem Segureich des Königs Daga tributpflichtig.

An dem Tag, an dem Sira Maga Njoro geboren wurde, ließ König Ardo erforschen, wo überall in seinem Land am gleichen Tag Knaben geboren seien. Es stellte sich heraus, daß es hundert Knaben waren. Ardo ließ darauf der Mutter jedes der hundert Knaben Batang (d. h. 10 000 Kaurimuscheln) als Geschenk überweisen und jeder einzelnen sagen: »Sobald dein Sohn nicht mehr die mütterliche Brust nimmt, sende ihn an meinen Platz. Ich will alle hundert Knaben, die am gleichen Tag mit Sira Maga Njoro geboren wurden, gemeinsam mit meinem Sohn erziehen und dafür Sorge tragen, daß es ihnen niemals an etwas fehlen soll. Diese hundert jungen Leute sollen zusammenleben solange ihr Herr Sira Maga Njoro lebt.« Inzwischen ließ der König Ardo einen großen stattlichen Hof mit zehn schönen Gebäuden darinnen herrichten. In jedem der zehn Häuser sollten je zehn der hundert Knaben wohnen. Die hundert Knaben wurden nun von den Müttern nach und nach herbeigebracht und zogen in den Hof ein. Von da an führten sie alle mit Sira Maga Njoro das gleiche Leben. Sie aßen alle gemeinsam die gleichen Speisen. Sie trugen alle gemeinsam die gleiche Kleidung. Als sie genügend herangewachsen waren, wurden alle gemeinsam beschnitten. Dann aber erhielten sie auch zu gleicher Zeit Pferde zum Reiten und Waffen zu Jagd und Kampf, und es wurden gewandte Männer ausgewählt, die sie Kunstfertigkeiten lehrten, Spielmänner, die ihnen von den großen Taten der Vergangenheit vorsangen. Sie standen morgens gleichzeitig auf, verbrachten den Tag gemeinsam und suchten auch gleichzeitig das Lager auf, bis die Burschen erwachsen waren.

Damals, als die Burschen noch jung waren, war Massina nicht unabhängig, sondern König Ardo zahlte jährlich Ussuru (Tribut) an den Herrscher von Segu. Jedes Jahr kamen einmal von dort Boten, den Ussuru abzuholen; dann sandte Ardo Botschaft im Land umher und ließ Hammel zusammenbringen, die der Bote von Segu mit sich nahm. Als die hundert Burschen noch sämtlich halbreife Jünglinge waren, kam eines Tages der Bote aus Segu. Er saß in der Halle des Königs. Neben dem König saß ein strammer junger Mann. Auf den mußte der Bote aus Segu immer von Zeit zu Zeit hinschielen – denn auf der Stirn des Burschen saß eine große Fliege und die sog sein Blut aus. Die Fliege sog sich immer voller und voller. Der Bursche aber achtete nicht darauf. Sie fiel endlich übersättigt und mit Blut gefüllt tot herab auf das Knie des Jünglings. Dessen Blick fiel zufällig darauf; da schnippste er sie mit dem Finger fort gegen die Wand. An der Wand gab es einen Blutfleck.

Der Bote sah dem unwesentlichen Vorgang seitwärts schielend mit Interesse zu und ging dann fort. Draußen fragte er einen Mann: »Wer ist der Bursche, der da neben dem König Ardo saß.« Der Mann sagte: »Das ist König Ardos erster Sohn, mit Namen Sira Maga Njoro.« – Der Bote kam nach Segu, lieferte die Hammel ab und sprach: »Der König Ardo von Massina hat einen Sohn, namens Sira Maga Njoro. Wenn der erwachsen sein wird, wird es nicht so leicht sein, den Ussuru von Massina heimzubringen. Der Bursche hatte eine Blutfliege auf dem Kopf, die sog sich voll, bis sie herabfiel. Er bemerkte es gar nicht und faßte sich nicht einmal an die Stirn.«

Im anderen Jahr kamen die Boten aus Segu wieder, um den Ussuru einzutreiben. Sie begrüßten Ardo. Einer von ihnen trieb einige Tiere gerade an der Wiese vorbei, auf der Sira Maga Njoro mit seinen Genossen spielte. Der Königssohn sah den Hammeltreiber und rief: »Hallo! Bursch, woher, wohin mit den Hammeln? Wem gehören die Hammel?« Der Mann aus Segu sagte: »Das sind einige von den Hammeln, die der König von Massina an den König von Segu als Ussuru sendet.« Da rief Sira Maga Njoro: »Das ist ein Wort, das ich noch nicht gehört habe! Was ist das, Ussuru?« Der Bote sagte: »Das heißt, daß Massina schwächer als Segu ist, und daß dein Vater deswegen an den König von Segu eine Abgabe zahlt, damit der mit ihm in Freundschaft lebe!« Sira Maga Njoro sagte: »Das ist ja eine schöne Sache! Wozu ist denn Sira Maga Njoro jetzt ein erwachsener Bursch in Massina?! Nein, solange ich lebe, wollen wir den Ussuru abschaffen. Gibt es vielleicht noch mehr Hammeltreiber dieser Art?« Die Leute sagten: »Es sind sieben Männer, die den Ussuru nach Segu treiben.« Sira Maga Njoro sagte: »So treibt mir die sieben tapferen Männer hierher!« Man brachte alle sieben Leute aus Segu herbei. Als er sah, daß sie alle beieinander waren, gab Sira Maga Njoro den Auftrag, ihnen den Kopf abzuschlagen. Man tat es. Damals war Sira Maga Njoro noch nicht erwachsen, aber sein Einfluß war doch so bedeutend, daß man seinen Befehlen nachkam.

Als König Ardo das hörte, war er bestürzt und sandte sogleich einen Boten an Sira Maga Njoro, der ihm wichtige Worte sagen sollte. Ardo sandte einen alten Dialli. Der alte Dialli kam zu Sira Maga Njoro und sagte zu ihm: »Mich sendet dein Vater, daß ich dir zeige, wie die Verhältnisse liegen und wie wenig klug du gehandelt hast. Segu ist heutzutage stark, sehr stark; Massina aber ist schwach, sehr schwach. Segu wird uns alles nehmen können, wenn es will. Wir werden uns nicht wehren können.« Sira Maga Njoro hatte drei Wurflanzen in der Hand. Er packte die erste Lanze und schleuderte sie in großem Bogen fort in den Fluß. Er packte die zweite Lanze und schleuderte sie in großem Bogen fort in den Fluß. Er packte die dritte Lanze und schleuderte sie in großem Bogen fort in den Fluß. Darauf sagte er: »Sage meinem Vater, wenn Segu da heranflösse, würde es an meinen Harpunen hängenbleiben. So wird es sein, solange ich lebe.« Der Dialli ging hin und berichtete das dem König Ardo. König Ardo sagte: »Gut, wir werden es ja sehen.«

Eines Tages berichteten die Leute Sira Maga Njoro: »Der Bruder deines Vaters will heiraten.« Sira Maga Njoro sagte zu seinen Leuten: »Seht zu, ob das Mädchen jung oder alt ist. Der Bruder meines Vaters ist alt. Ihm ziemt kein junges Mädchen. Wenn es jung ist, will ich es ihm fortnehmen.« Die Leute gingen hin. Sie sahen das Mädchen an. Dann kamen sie zurück und sagten: »Das Mädchen, das dein Onkel heiraten will, ist jung.« Sira Maga Njoro sagte: »So kommt mit mir.« Er machte sich mit seinen Reitern auf und ritt in das Dorf, in dem das Mädchen wohnte. Er nahm es aus dem Dorf und heiratete es selber.

Als der Bruder König Ardos hörte, was ihm Sira Maga Njoro für einen Streich gespielt hatte, machte er sich sogleich auf den Weg. Er war über alle Maßen zornig und beschloß sogleich, gegen Sira Maga Njoro die höchste Gewalt zu gebrauchen. Er reist nach Segu zum Oberherrn von Massina und sagte zu König Daga: »Der Sohn meines Bruder, Sira Maga Njoro, hat mir große Schmach angetan und das Mädchen geraubt, das ich heiraten wollte. Nun leihe du mir deine Truppen, damit ich mit denen und meinen Leuten gegen ihn zu Felde ziehen und ihn töten kann.« Der König Daga von Segu sagte: »Du hast wohl Grund zur Beschwerde. Aber mir ist es noch viel schlimmer ergangen. Denn dieser Sira Maga Njoro hat die sieben Leute, die ich nach Massina sandte, um den Tribut einzutreiben, einfach totgeschlagen und mir den Tribut Massinas nicht zukommen lassen. Warte nun mit mir bis zum nächsten Jahr, dann wollen wir gemeinsam den Krieg gegen Massina und Sira Maga Njoro beginnen.«

Eines Tages saß Sira Maga Njoro mit seinen Dialli und seinen hundert Helden in einem Haus zusammen. Sira Maga Njoro sagte: »In drei Dingen bin ich allen Männern über: Zum ersten bin ich der schönste Mann in Njoro. Zum zweiten bringe ich mein Geld am freigebigsten unter die Leute. Zum dritten bin ich der Unerschrockenste von allen.« Der Bruder König Ardos ging draußen vorüber; der hörte die ersten Worte der Unterhaltung und sagte zu seinen Begleitern: »Wartet einen Augenblick. Der Sohn meines Bruders redet da drinnen große Worte. Die wollen wir mit anhören.« Sie blieben stehen. Sira Maga Njoro sagte: »Zum ersten bin ich der schönste Mann in Njoro.« Der lauschende Onkel nickte und sagte: »Das ist wahr!« Sira Maga Njoro sagte: »Zum zweiten bringe ich mein Geld am freigebigsten unter die Leute.« Der lauschende Onkel nickte und sagte: »Das ist auch wahr.« Sira Maga Njoro sagte: »Zum dritten bin ich der Unerschrockenste von allen.« Darauf schüttelte der Onkel den Kopf und sagte: »Nein, das letztere war nicht wahr. Er übertreibt. Ich bin zum Beispiel tapferer als dieser unerfahrene Knabe. Kommt!« Er ritt von dannen. – Im Hintergrund hatte der alte Hörige Sira Maga Njoros, Njidi mit Namen, dieses Gespräch des Onkels mitangehört. Er sagte aber seiner Gewohnheit nach kein Wort.

Am anderen Tag gingen die Sklaven mit Njidi an der Spitze in den Busch, um Holz zu schlagen. Njidi führte sie sehr weit, so daß sie sich nicht mehr zurecht fanden. Njidi sagte: »Wartet hier im Walde, ich will den Weg suchen.« Die Sklaven blieben zurück. Njidi ging aus dem Busch und auf Keke zu. Es war schon dunkel; der Mond schien nicht. Dazu regnete es. Njidi stieg nahe dem Dorf auf einen hohen Baum und schrie. In dem Orte fuhren die Leute auf: »Was hat da geschrien?« Andere sagten: »Wo war das?« Andere sagten: »Es muß ein Kriegszug sein, der gegen die Stadt heranzieht.« Andere sagten: »Und die Sklaven sind noch nicht zurückgekommen.« Andere sagten: »Das wird der Heereshaufe von Segu sein, der über uns herfallen will. Unterwegs hat er unsere Sklaven angetroffen und sie gefangengenommen.« Alle Männer holten Waffen und Pferde hervor und ritten mit Sira Maga Njoro und dem Bruder König Ardos an der Spitze zum Stadttor hinaus.

Die Helden ritten dem Schrei nach und kamen unter den großen Baum, auf dem Njidi saß. Sira Maga Njoro hielt auf der einen Seite, der Bruder König Ardos auf der anderen. Njidi schrie wieder über ihnen auf. Da packte den Onkel Sira Maga Njoros große Angst, und er jagte Hals über Kopf nach Keke zurück. Seine Leute folgten ihm. Inzwischen war Sira Maga Njoro ruhig an seinem Platz geblieben. Er rief zum Baum hinauf: »Wer ist denn da oben?« Njidi aber schrie noch einmal. Sira Maga Njoro fragte nochmals: »Wer ist denn da oben?« Darauf antwortete Njidi: »Ich bin es, der Sklave Sira Maga Njoros, die anderen Sklaven und ich haben den Weg verloren.« Sira Maga Njoro sagte: »So komm herab und steige hinten auf meinem Pferd auf. Wir wollen zurückreiten.« Als der Onkel am Stadttor von Keke endlich anhielt, fragte er: »Wo ist Sira Maga Njoro?« Seine Leute sagten: »Sira Maga Njoro ist unter dem Baum geblieben. Er hat sich nicht von der Stelle bewegt.« Darauf schämte sich der Onkel und ritt zurück. Als er zu dem jungen Helden kam, sagte er: »Mein Pferd ist durchgegangen, ich verlor die Macht über das Tier, und es jagte mit mir bis nach Keke zurück. Da erst bekam ich es wieder in meine Gewalt.« Hierauf sagte niemand etwas, aber alle machten sich auf den Rückweg durch die dunkle Steppe.

Als sie so durch die Steppe ritten, brüllte es in der Nähe. Darauf schreckte das Pferd Sira Maga Njoros und stieg. Aber Sira Maga Njoro packte fest in die Zügel und zwang es herab. Nach einiger Zeit brüllten ganz nahe zwei Löwen auf. Darauf stieg das Pferd Sira Maga Njoros hoch auf und machte einige Sätze nach vorn. Dann zwang der junge Held es zurück. Als der Onkel das Durchgehen des Pferdes sah, sagte er: »Siehst du, ebenso ging vordem mein Pferd durch.« Sira Maga Njoro sagte: »Aber es kommt nicht gleich bis an die Stadtmauer von Keke.« Der alte Sklave Njidi öffnete aber gegen seine Gewohnheit den Mund und sagte: »Gestern abend hörte ich von dort aus, wo ich das Essen für meinen Herrn bereitete, drei Worte meines Herrn Sira Maga Njoro und drei Worte eines anderen, der vorüberging. Das Wort des anderen ging durch ohne den Kopf seines Herrn, wie das Pferd des Bruders König Ardos. Das Wort meines Herrn war stark und stolz wie die Hand, die eben das Pferd Sira Maga Njoros bändigte.« Da schämte sich der Onkel.

Sira Maga Njoro sagte: »Wer weiß, ob ich noch länger als ein Jahr leben werde – denn ich habe schon zwei Sachen gemacht, die man mich entgelten lassen wird – ich habe die Boten des Herrschers von Segu töten lassen und ich habe meinem Onkel eine Frau weggenommen. Vergnügen wir uns also. Spielen wir das Paddi!« Sira Maga Njoro spielte das Paddi nicht wie andere mit Steinchen oder Holzstückchen, sondern mit Gold- und Silberwürfeln. Sie begannen das Spiel. Er ergriff die Silberstücke. Die anderen sagten: »Weshalb nimmst du als Königssohn nicht das bessere, die Goldstücke?« Sira Maga Njoro sagte: »Das Weiße ist rein, das Gelbe schmutzig. Ich will nur Reines haben. Mögt ihr das Schmutzige bevorzugen!«

Sie begannen dann das Spiel. Sira Maga Njoro sagte (spielgemäß): »Ich trete ein. Alles, was ich bereiten lasse, könnt ihr ohne Abscheu und Schlechtes zu bemerken essen.« Polor, ein älterer Haushöriger, der in hohem Ansehen stand, spielte mit. Er wurde als ein ganz besonderer Mann und Held angesehen, und die Sage erzählt, daß, wenn im Kampf Sira Maga Njoro auf der einen Seite einen Mann erschlug, Polor auf der anderen einen Feind zu Boden warf. Dieser Polor spielte nach Sira Maga Njoro und sagte: »Ich denke, wir können alles essen, was uns der Sohn des Königs vorsetzt, außer Kuhmist. Den werden wir herausschmecken.«

Am anderen Morgen rief Sira Maga Njoro seinen Koch Njidi und sagte: »Nimm eine Schüssel mit Reis, eine Schüssel mit Kuhmist, einen Hammel. Daraus mache mir eine ausgezeichnete Mahlzeit für meine Helden.« Njidi tat,wie ihm befohlen.

Er bereitete ein wohlduftendes Gericht. Als dann die anderen zum Essen zusammenkamen, sagte er: »Ihr müßt heute ohne mich essen – denn ich fühle mich heute nicht wohl. Ich habe Magenschmerzen.« Darauf aßen die anderen das Gericht, das Njidi ihnen bereitet hatte und das ihnen ausgezeichnet mundete. Sie aßen die Kalebassen ganz leer. Nachher begannen sie wieder das Paddi. Sira Maga Njoro begann wieder: »Ich trete ein! Alles, was ich bereiten lasse, könnt ihr ohne Abscheu und Schlechtes zu merken essen.« Polor sagte: »Ich denke, wir können alles essen, was uns der Sohn des Königs vorsetzt, außer Kuhmist; den werden wir herausschmecken.« Sira Maga Njoro sagte: »Ihr habt eben erst Kuhmist gegessen und habt nichts gemerkt. Was nützt da der Spruch!« Die anderen lachten und sagten: »Du hast uns angeführt. Du bist auch im Spiel König.« Sira Maga Njoro sagte: »Ihr seht aber, daß ich mit Recht die silbernen Würfel nehme, die immer rein sind und euch die goldenen überlasse.«

Eines Tages sagte Sira Maga Njoro zu seinem Kameraden (er war mit dem Sklaven so befreundet, daß er ihn so nannte): »Mein Polor, rüste mein Pferd Sopre Kange!« Polor fragte: »Wo willst du hin?« Sira Maga Njoro sagte: »Wer weiß, ob ich noch länger als ein Jahr lebe. Da will ich doch wenigstens heiraten. Ich will in das Land Konare, da will ich mir die Tochter des Landesherrn Galadio holen.« Galadio wohnte im Dorf Gundaka. Um Gundaka war ein breiter Buschgürtel des stehenden, stachligen Tomonongbaumes angelegt, und nur ein einziger Weg führte durch diese sichere Verteidigungswand nach Gundaka hinein.

Sira Maga Njoro, Polor und die hundert Helden machten sich auf den Weg und ritten in das Land Konare. Vor der Tomonongbuschwehr schlugen sie ihr Nachtquartier am Boden auf. Sira Maga Njoro legte zwölf leichte Wurflanzen auf die Erde und eine Decke darüber. Das war sein Bett. An das Kopfende steckte er eine schwere Lanze. Zwei Dialli nahmen neben ihm am Boden Platz und spielten das Baudi. Er schnippste mit dem Finger gegen die Gitarre und sagte: »Geht gleich zu Galadio hinein in die Stadt und sagt ihm einfach: Sira Maga Njoro ist gekommen. Er will deine Tochter heiraten und sie mit nach Keke nehmen. Sagt Galadio ferner: Deine Tochter Fatumata ist das erste Mädchen Massinas. Sira Maga Njoro ist der erste Bursche in Massina. Da gehören sie zusammen, damit Massina stark wird.« Die Begleiter Sira Maga Njoros sagten: »Sende nicht solche Botschaft, denn sie ist gegen allen Brauch. Du wirst den Herrn von Konare beleidigen, und er wird seine zwölf Kambodj (Ritter, die stark im Einzelgefecht sind) gegen dich aussenden.« Sira Maga Njoro sagte: »Wenn es kommt, kommt es so – ich will, daß meine Botschaft so ausgerichtet wird.«

Die beiden Dialli machten sich auf den Weg. Sie ritten den Pfad zwischen den Dornen hin und auf den Marktplatz. Da saß Galadio, umgeben von seinen Leuten, alle in schöne, weiße Gewänder gehüllt, und zwölf Dialli spielten das Baudi. Es war eine stattliche Versammlung. Die beiden Spielleute aus Keke sagten ihren Gruß und fuhren fort: »Wir sind wegen wichtiger Nachrichten an dich gesandt.« Der König sagte: »Wenn ihr etwas Gutes sagen könnt, so freue ich mich und will euch dann meine Freude erkenntlich machen. Wenn es sich aber um eine schlechte Sache handelt, so werdet ihr in den Tomonongbäume draußen die Hälfte eurer Hosen verlieren.« Da bekamen die Dialli Angst. Sie sagten: »Dann wollen wir lieber gehen, wenn unser Herr auch ein tapferer Mann ist.« Der Galadio sagte: »Tut, was ihr für gut haltet.« Darauf kehrten die beiden Dialli um.

Die beiden Dialli kamen zu Sira Maga Njoro zurück. Als sie in der Ferne sichtbar wurden, sagte ein Begleiter des Königssohnes: »Siehe, da kommen ja deine beiden Dialli wieder an!« Sira Maga Njoro sagte: »Weshalb kommt ihr ohne Fatumata?« Die Dialli sagten: »Wenn du sowohl von deinem Vater als von deiner Mutter ein wenig Bart ererbst, dann hast du schon einen schönen Bart. Galadio hat uns so schlechte Sachen gesagt, daß wir gleich wieder gingen.«

Sira Maga Njoro lachte und sagte: »Polor, rüste meinen Sopre Kange. Heute will ich noch alles Vieh Konares nehmen und morgen wird mir Fatumata zur Frau gegeben werden. Wenn mir das nicht gelingt, dürft ihr mich nachher, wenn ihr mich seht, beschimpfen und sagen: ›Da läuft der Hund fort.‹« Darauf machte er sich mit seinen Reitern auf und trieb alsbald alles Vieh Konares zusammen.

Als Galadio das hörte, ließ er die Tabele schlagen. Das vernahm Sira Maga Njoro und er sagte zu Polor: »Treibe du nur ganz ruhig das Vieh heim. Die hundert Helden werden dir helfen. Ich will hier warten, denn ich höre, daß man eine Tabele rührt. Du brauchst dich nicht so sehr zu eilen, und wenn das Vieh unterwegs etwas grasen will, so laß ihm seinen Willen. Ich werde dafür Sorge tragen, daß, solange ich am Leben bin, zwischen diesen Tomonong kein Reiter an mir vorüberkommt, um euch anzugreifen. Also macht die Sache lässig.« Polor trieb mit den hundert Helden das Vieh von dannen. Sira Maga Njoro setzte sich zwischen den Dornenhecken auf den Boden, band die Zügel des Pferdes an seinen Fuß, hüllte sich in seine Decke, hielt die dreizehn Lanzen bereit und wartete ab, was nun weiter geschehen würde.

Als die Tabele geschlagen war, kamen auch die zwölf Kambodj zum König Galadio und fragten ihn: »Was gibt es? Weshalb schlägst du die Tabele?« Galadio sagte: »Sira Maga Njoro ist in das Land gekommen und hat alles Vieh geraubt. Er treibt es von dannen.« Die Kambodj sagten: »Das lohnt doch aber nicht. Weshalb läßt du denn da gleich die Tabele schlagen und uns alle zusammenkommen, wenn ein einfacher Viehräuber im Busch ist?!« Galadio sagte: »Ihr irrt, wenn ihr Sira Maga Njoro für einen gewöhnlichen Viehräuber haltet. Er hat seine hundert Helden bei sich.« Die Kambodj sagten: »Du kennst uns doch aber und mußt wissen, daß einer von uns hundert Mann auf sich nehmen kann. Also wähle einen von uns zwölf aus und sende ihn hinter diesem Sira Maga Njoro her.« Galadio sagte: »Ihr scheint von diesem Sira Maga Njoro nichts zu wissen. Er ist der tapferste und unerschrockenste Held Massinas.« Die Kambodj sagten: »Gut denn also; so werden wir nach deinem Wunsch alle zwölf gegen ihn ausziehen.« Galadio sagte: »Auch das genügt mir nicht. Ich werde euch auch mit meinen anderen Reitern begleiten.« Darauf setzte sich der ganze Zug in Bewegung und kam alsbald an das Tor der Stadt.

Am Stadttor saß ein alter Dialli. Als Galadio vorbeiritt, rief er: »Galadio! Galadio! Galadio!« Er mußte dreimal rufen, ehe der König hörte. Galadio sagte: »Was gibt es?« Der Alte sagte: »Ich muß dir etwas sagen, was dich erzürnen kann. Aber es ist gut für dich! Du könntest aber so zornig werden, daß du mich tötest.« Galadio sagte: »Ich töte dich nicht.« Der Alte sagte: »Ich bin nicht sicher!« Galadio sagte: »Ich töte dich nicht.« Der Alte sagte: »Du könntest nachher doch zornig werden, schwöre!« Galadio sagte: »Ich schwöre dir bei meinem Namen, daß ich dir nichts tun werde.«

Darauf sagte der alte Dialli: »Wenn jemand wie dieser Sira Maga Njoro mit seinen hundert Reitern gegen deine dreihundertdreiunddreißig Dörfer auszieht, so ist das ein Tapferer, ein Held! Und Sira Maga Njoro ist ein Held! Laß also den Krieg. Denn er würde dich zu viele tapfere Krieger kosten, wenn du diesen einen Mann würdest töten wollen. Darum rate ich dir: reite ihm entgegen und besprich mit ihm diese Sache in Frieden. Entbiete ihm den Gruß eurer gemeinsamen Familie. Rufe ihm Diko entgegen!« (Name des gemeinsamen Adelsgeschlechts). Galadio zog weiter und bedachte diese Sache.

Sira Maga Njoro saß an der gleichen Stelle am Boden und sang das Baudi vor sich hin. Dazu schlug er die Gitarre, die einer seiner Dialli zurückgelassen hatte. Als der König kam, sprang Sira Maga Njoro auf. Da bekam Galadio einen Schreck. Er gedachte des Wortes des alten Dialli und rief: »Diko!« Das hatte Sira Maga Njoro nicht erwartet. Er hatte sich auf den Kampf gefreut. Als der König ihn so begrüßte, biß er sich auf die Lippen, daß das Blut herausspritzte; erst dann konnte er antworten. Galadio sagte darauf: »Höre, Sira Maga Njoro: Wir sind gleicher Familie und sind beide Königskinder. Weshalb wollen wir uns im Krieg schwächen? Wir wollen die Familien der Fulbe lieber stark machen, als uns und unsere Leute hinzumorden. Wenn etwas Gutes oder Böses in unseren Familien ist, so wollen wir lieber beides teilen. Wenn du eine Tochter hättest, würde ich dich bitten, sie mir zur Frau zu geben. Wenn du meine Fatumata heiraten willst, so gebe ich sie dir gern, denn du bist von meiner Familie und ein Held. So wollen wir handeln, aber wir wollen nicht einander bekriegen und uns berauben.« Sira Maga Njoro sagte: »Du hast recht, wir wollen diese Art nicht fortsetzen. Ich werde dir dein Vieh wiedergeben und deine Tochter zur Frau nehmen. Das war das Ganze. Du wirst ebenso Wort halten, wie ich es gewohnt bin.«

Der König sagte: »Ich will nachsenden und das Vieh holen lassen. Bleib solange hier.« Sira Maga Njoro sagte: »Es ist besser, ich rufe meine Leute selbst.« Der König Galadio sagte: »Nein, es wird besser so sein!« Sira Maga Njoro sagte: »Es ist deine Sache. Ich fühle mich recht wohl so.« Galadio sandte die zwölf Kambodj und dreihundert Krieger aus, die sollten Polor sagen, daß er das Vieh zurücksende. Galadio nahm die Kambodj beiseite und sagte: »Wenn Polor sich weigert, so tötet ihn und die anderen hundert, aber das Vieh bringt mir jedenfalls zurück.« Die anderen nahmen bei Sira Maga Njoro Platz. Die Dialli spielten das Baudi.

Polor hatte nach einer Weile gesagt: »Ihr hundert Helden, treibt ihr das Vieh nur langsam weiter. Ich werde euch den Rücken decken und werde sehen, daß kein Reiter Galadios an mir vorüberkommt.« Kurz nachdem sie den König verlassen hatten, sprengten die Kambodj voraus und ließen die dreihundert Reiter weit hinter sich zurück. Als Polor sich umsah, erkannte er zwölf fremde Reiter am Horizont und sprengte sogleich vorwärts zu den hundert Helden und sagte: »Unser Held Sira Maga Njoro muß gefallen sein, denn ich sehe feindliche Krieger nahen. Treibt das Vieh ruhig weiter. Ich werde sie nicht an mir vorüberlassen.« Dann blieb er wieder zurück. Er sah nun weit hinter den zwölf Kambodj die dreihundert Reiter herannahen. Er stürmte darauf nochmals vor und sagte den hundert Helden: »Treibt euer Vieh nur langsam vorwärts; denn ich habe hinter mir viel Arbeit. Es kommen mehrere Reiter. Laßt das Vieh am nahen Gewässer grasen und wartet mich ruhig ab. Sobald ich meine Sache erledigt habe, komme ich.«

Darauf sprengte Polor zurück und sagte vor sich hin: »Sira Maga Njoro hat noch nie gelogen. Heute hat er gesagt: solange ich lebe, kommt kein Reiter an mir vorüber. – Also muß er getötet sein. Das sollen mir diese Leute entgelten.« Polor stürmte vorwärts. Er sah, daß einer der zwölf Reiter die Hand hochhielt. Aber er gellte seinen Schrei so laut heraus, daß er den Anruf des anderen: »Halt! Polor, eine Botschaft!« nicht hörte. Er legte seine Waffe an und schoß den anderen, den ersten Kambodj, vom Pferde herab. Er hob seine Flinte wieder auf und schoß den zweiten Kambodj herunter. Darauf machten die anderen zehn Kambodj kehrt und flohen.

Das aber sahen die dreihundert Reiter, und sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als ihre Pferde herumzuwerfen und rückwärts zu eilen. Sie waren voran. Ihnen folgten die zehn Kambodj, und das Ganze hetzte Polor vor sich her. Er schoß noch einmal. Abermals fiel ein Kambodj. Es blieben nur noch neun übrig. Und so schoß er von Zeit zu Zeit auf die Kambodj. Er fehlte nie. – Elf Kambodj fielen. Dann waren sie aber bis an jene Stelle gekommen, an der Sira Maga Njoro mit Galadio hielt.

Sira Maga Njoro rief: »Halt, Polor!« Da setzte er das Gewehr ab, und somit rettete dieser Ruf dem letzten Kambodj das Leben. Polor rief: »Oh, Sira Maga Njoro, nie hast du vordem gelogen. Heute aber hast du die Unwahrheit gesagt. Denn vordem sagtest du mir: ›ich werde dafür Sorge tragen, daß, solange ich am Leben bin, kein Reitersmann zwischen diesen Tomonong an mir vorüberkommt‹. – Und nun bist du doch am Leben.« Sira Maga Njoro sagte: »Du hast vergessen, daß ich hinzusetzte: Um euch anzugreifen! – Diese Leute kamen aber nicht, um euch anzugreifen, sondern um euch eine Nachricht zu bringen.« Galadio sagte: »Jetzt sind meine elf Kambodj getötet und nur einer ist noch am Leben.« Sira Maga Njoro sagte: »Habe ich dir nicht gesagt: Es ist besser, ich rufe meine Leute selbst?« Nachher sandte Sira Maga Njoro die Kühe aus Konare an Galadio zurück, und wenig später heiratete Sira Maga Njoro Fatumata, die Tochter des Königs Galadio von Konare.

Inzwischen drängte der durch Sira Maga Njoro eines Weibes beraubte Bruder König Ardos den König Daga von Segu, daß er den Krieg gegen Massina beginne. König Daga sagte ihm: »Ich werde dir zehn Heerhaufen geben. Die kannst du mit deinen Leuten zusammen gegen Sira Maga Njoro führen.« Der Bruder Ardos sagte: »Das genügt nicht! Du kennst nicht diesen Sira Maga Njoro. Das ist ein Held, wie noch keiner in Massina von einer Fulbefrau vordem geboren war.« König Daga sagte: »So nimm denn mein ganzes Heer und führe es gegen Sira Maga Njoro nach Massina.« Der Bruder Ardos sagte: »Das genügt nicht. Wenn du nicht dein Heer begleitest, wird nicht genug Glück und Kraft unsere Kriege leiten.« So sagte Daga endlich Ardos Bruder alles zu und sprach: »Also werde ich mit dir ziehen und mit meinem Heer deine Leute begleiten. Wenn wir dann nicht obsiegen, muß unsere Sache in den Augen Gottes eine ungerechte sein.« Sie rüsteten und brachen auf.

Das Gerücht, daß eine gewaltige Kriegsmacht sich auf den Weg gemacht habe und daß König Daga selbst seine Mannschaften führe, drang auch nach Keke. Sira Maga Njoro rief seinen jüngeren Bruder, Mussa Ardo, und sagte: »Höre, mein Bruder, es gibt hier eine ernste Sache. Reite dem Gerücht entgegen und sieh zu, ob es wahr ist, daß König Daga selbst an der Spitze seines ganzen Heeres gegen mich zu Felde zieht. Sieh zu, daß deine Nachricht eine genaue und vollständige sei.« Mussa Ardo nahm einen Sufa als Pferdeburschen mit sich und ritt dem Heere Dagas entgegen, so schnell die Pferde sie trugen.

Als sie sechs Tage lang gereist waren, kamen sie an den Busch, in dem die Leute des feindlichen Heeres Holz schlugen zum Lagerbau und an dessen Grenze sie Gras schnitten zur Pferdefütterung. Der Sufa Mussa Ardos hörte kaum das Holzschlagen, als er eilig zu seinem Herrn sagte: »Schnell, kehren wir zurück, denn da sind die Lager. Wir können sagen, daß wir im feindlichen Lager waren.« Mussa Ardo sagte: »Ich habe meinem Bruder genauen und vollständigen Bericht versprochen und den kann ich erst geben, wenn ich die Heerhaufen selbst gesehen habe.« – Sie ritten weiter. Sie kamen an das feindliche Lager. Der Sufa sagte: »So, nun haben wir die feindlichen Truppen gesehen. Das genügt. Komm schnell zurück. Denn was hat dein Bruder davon, wenn wir getötet werden. Dann hört er gar nichts.« Mussa Ardo sagte: »Ich habe meinem Bruder versprochen, mich zu überzeugen, ob Daga selbst das Seguheer führt. Komm also mit mir!« Mussa Ardo ritt in das feindliche Lager und in dessen Mitte, dahin, wo man die Wohnung des Königs aufgeschlagen hatte. Daga stand selbst da. Mussa Ardo stieg von seinem Pferd, ging auf den König zu und sagte den Gruß. Der König antwortete: »Glücklicher Weg! Ich bin König Daga von Segu, der mit seinem Heer auf dem Wege ist, dem Helden Sira Maga Njoro von Massina den Krieg ins Land zu tragen. Wer bist aber du?« Der andere antwortete: »Ich bin Mussa Ardo, der Bruder des Helden Sira Maga Njoro. Ich bin von meinem älteren Bruder ausgesandt, mich zu überzeugen, ob das Heer von Segu nach Massina unterwegs sei und ob König Daga selbst an dessen Spitze einherziehe.« Daga sagte: »So kannst du deinem Bruder berichten, daß ich unterwegs sei und daß er sich rüsten möge.« Mussa Ardo sagte: »Das werde ich ausrichten.« König Daga sagte: »Du mußt ermüdet sein; denn du hast einen weiten Weg zurückgelegt.« Mussa Ardo sagte: »Wahrhaftig, müde bin ich!« König Daga sagte: »So schlafe dich heute in meinem Lager aus. Ich werde dir eine gute Schlafstatt anweisen.« Mussa Ardo sagte: »Das nehme ich an.« Kurze Zeit nachher sandte König Daga dem Helden hundert rote Kolanüsse als Erfrischung. Mussa Ardo nahm sie mit Dank an. Der Sufa des Helden sagte aber: »Iß sie ja nicht. Sie sind sicher vergiftet und man kann das nicht herausschmecken.« Mussa Ardo zuckte die Achseln und steckte sogleich einige in den Mund. Nach einer Weile sandte König Daga Speise und einen schwarzen Ochsen als Lager- und Wegzehrung. Mussa Ardo nahm ihn mit Dank an. Der Sufa sagte: »Iß um Allahs willen nicht von diesem Stier. Die schwarze Farbe sagt doch alles.« Mussa Ardo schnitt dem Stier die Kehle durch, ließ ein tüchtiges Mahl bereiten, aß, legte sich auf die angewiesene Lagerstatt und schlief ausgezeichnet bis zum anderen Morgen.

Am anderen Morgen ließ König Daga den Helden Mussa Ardo rufen und sagte zu ihm: »Mussa Ardo, sage deinem Bruder, daß ich mich über dein Kommen gefreut habe. Eigentlich war es meine Absicht, heute hier ab und schnell nach Keke zu rücken. Nachdem ich dich aber hier gesehen habe, will ich meinen Marsch nach Keke noch um acht Tage verschieben, und ich lasse durch dich Sira Maga Njoro sagen, er möge, wenn seine Lanzen noch nicht gerichtet, sie zusammenschmieden, wenn einige Gewehre noch zerbrochen, sie wiederherstellen, wenn das Mauerwerk der Stadt noch schadhaft, es ausfüllen lassen.« Mussa Ardo sagte: »Ich werde das meinem Bruder ausrichten.«

Der Held wandte sein Pferd und wollte von dannen reiten. Da fiel sein Blick auf Kaba Mbadji. Das war ein Häuptling aus der Gegend von Segu, ein Führer der Heereshaufen des Königs, ein sehr schöner, starker und stattlicher Mann. Mussa Ardo sagte: »Wer ist das, ein Freier oder ein Unfreier?« Mussa sagte: »Es ist ein Freier und ein Held.« Mussa Ardo sagte: »Gut. Kaba Mbadji, wir werden uns vor Keke wiedersehen. Wir beide werden miteinander kämpfen und du wirst der erste sein, der durch mich in diesem Krieg getötet wird.«

Dann ritt Mussa Ardo heim, suchte seinen Bruder Sira Maga Njoro auf und sagte: »Das ganze Heer des Königs von Segu mit Daga an der Spitze ist auf dem Wege hierher. Ich bin in das Lager geritten, habe mit dem König gesprochen, er hat mich für eine Nacht beherbergt, hat mir Geschenke gemacht und läßt dir sagen, er werde an jener Stelle noch acht Tage liegen bleiben. Du sollest nur alles gut für den Krieg rüsten.«

Dagas Kriegshaufen rückten durch das Land hin. Es waren so viele Mannschaften, daß sie wie ein Tornado den Staub aufscheuchten und vor sich her trieben und daß die Antilopen in der Stadt Keke Schutz suchten. Das Heer von Segu rückte vor und lagerte sich dann dicht vor den Mauern Kekes. Der König nebst dem Bruder König Ardos lagerten unter einem Tommibaum, der erhaben stand und von wo aus man über das Heer hinsehen konnte. Allerdings hatte der Bruder Ardos König Daga gewarnt und gesagt: »Ein so ausgesetzter Punkt ist nicht gut für dich und mich, denn wenn Sira Maga Njoro zu den Waffen greift, dann wird er alle diese Heerhaufen da unten durchbrechen und sich bis zu diesem weithin kenntlich gemachten Punkt durchschlagen.«

Einige Tage lang zog sich der Kampf in ständigen Plänkeleien hin. Die Leute aus Keke machten hier und da Ausfälle und fielen über die Scharen Segus her. Da konnte man schon manche ausgezeichnete Tat sehen, denn jeder Mann aus Keke rechnete sich zu den Helden des tapfersten Mannes im Lande. Wenn dann irgendeine besonders tüchtige Hand aus Kekes Toren heraus unter die Volksmenge Dagas fuhr, so fragte der König stets: »Ist das vielleicht Sira Maga Njoro?« Der Bruder König Ardos aber lachte und sagte: »Wie ganz anders ist es, wenn der Sohn meines Bruders zu den Waffen greift! Du wirst dann nicht erst fragen, sondern du wirst einfach sagen: Das und kein anderer muß Sira Maga Njoro sein!« – So ging es während zwei Tagen.

Am dritten Tage sagte Sira Maga Njoro: »Heute will ich gegen den Feind reiten!« Er kleidete sich in rote Hosen, roten Mantel, setzte eine rote Mütze auf. Er bestieg Sopre Kange. Er sprengte vor das Tor. Er sprengte hinaus. Alle Welt schrie: »Das ist Sira Maga Njoro! Das ist Sira Maga Njoro!« Der Held schleuderte die Feinde zur Rechten und zur Linken zurück. Er sprengte in die dicksten Haufen, und wo er auftauchte, stob alles auseinander und schrie: »Das ist Sira Maga Njoro! Das ist Sira Maga Njoro!«

König Daga sah es vom Platz unter dem Tommibaum aus. König Daga sagte: »Ja, das ist Sira Maga Njoro.« Der Held drang weiter und weiter vor. Er kam bis an den Tamarindenbaum. König Daga und der Bruder des Königs Ardo flüchteten angsterfüllt von dannen. Sira Maga Njoro aber kam bis unter den Tamarindenbaum. Er pflückte einen Zweig ab und sprengte damit wohlbehalten zurück in die Stadt. Am anderen Tage legte er wieder seine rote Gewandung an und ritt aus dem Stadttor. Er warf wieder die Krieger zur Rechten und zur Linken auseinander und sprengte die stärksten Heerhaufen. Überall, wo er hinkam, entstand Angst und Schrecken, und als er zu dem Tommibaum kam, flüchteten König Daga und der Bruder König Ardos. Sira Maga Njoro pflückte aber einen Zweig von dem Tamarindenbaum und kehrte in die Stadt zurück.

König Daga ward nachdenklich. Er sagte zu seinen Leuten: »Wir verlieren auf diese Weise Ruhm, Ansehen und Macht. Was kann man gegen die Gewalt dieses Helden tun?« Die Leute sagten: »Wir wollen einen weisen Marabut fragen.« Man rief einen weisen Marabut herbei und fragte ihn: »Kannst du uns sagen, wie König Daga dieses Helden Herr werden kann?« Der Marabut dachte lange nach.

Nach einiger Zeit sagte der alte Marabut: »Morgen wird Held Sira Maga Njoro noch einmal vor die Tore der Stadt Keke reiten und mit den Kriegern des Königs kämpfen. Man soll in der Nacht einen Pfeil aus Kupfer schmieden. Man soll einem Jepege (Albino) einen Bogen und den Kupferpfeil geben und soll ihn noch in dieser Nacht auf dem Tamarindenbaum verstecken. Wenn dann Sira Maga Njoro morgen wieder aufbricht und gegen den König reitet, dann soll der Jepege den Pfeil von oben her auf ihn herabschießen. Trifft er, so wird Sira Maga Njoro sterben, trifft er nicht, stirbt Sira Maga Njoro nicht auf diese Weise, dann ist nichts zu machen.« König Daga sagte: »So soll es geschehen.«

Sogleich schmiedeten sie den kupfernen Pfeil. Sie gaben einem Jepege Bogen und Kupferpfeil und setzten ihn noch in der Nacht auf den Tamarindenbaum.

Am anderen Tage kleidete sich Sira Maga Njoro wieder in sein rotes Gewand. Er ließ das Tor öffnen und ritt auf den Feind zu. Rechts und links fielen die getroffenen Feinde tot oder zu Tode verwundet zu Boden. Die tüchtigsten Scharenführer sanken, die mächtigsten Haufen zerstoben unter der Wucht seines Ansturmes. Er kam bis an den Tommibaum. Der König Daga und König Ardos Bruder waren geflohen. Sira Maga Njoro griff nach einem Zweig des Tamarindenbaumes. Der Jepege schoß, er traf. Der Held fühlte den Tod. Er riß den Zweig ab und sprengte zurück nach Keke. Man schloß hinter ihm das Tor. – Dann sank er tot zu Boden.

Sira Maga Njoro war gestorben. Seine Leute rissen die Stadt an allen Orten auf, um Hügel, wie frische Gräber, zu bilden. An einem geheimen Ort bestatteten sie aber Sira Maga Njoro – ganz im geheimen, damit nie jemand merke, wo, wie und ob Sira Maga Njoro gestorben sei. Denn man wußte, daß König Daga die Gräber öffnen lassen würde, um Sira Maga Njoro zu finden. Drei Tage lang blieben die Leute in Keke untätig. Dann sagte Mussa Ardo: »Ich will für meinen Bruder zurückkehren, gebt mir seine roten Kleider!«

Als Sira Maga Njoro in die Stadt Keke zurückgejagt war, fragte alle Welt den Jepege: »Hat dein Pfeil getroffen oder hat er nicht getroffen?« Jepege sagte mit aller Bestimmtheit: »Ich habe es gesehen, er hat getroffen.« König Daga schüttelte den Kopf und sagte: »Sira Maga Njoro hat den Zweig vom Tamarindenbaum abgebrochen und ist wohlgemut in die Stadt zurückgeritten.« Der Jepege sagte: »Wir werden es ja sehen, ob der Held aus der Stadt kommt oder nicht!« Als er am anderen Tage nicht auf dem Kampf platze erschien, sagten die Leute: »Er ist doch wohl gestorben.« Als er am zweiten Tage nicht auf dem Kampfplatz erschien, sagten sie alle: »Also ist es sicher, daß er gestorben ist.« Als er am dritten Tage nicht kam, riefen alle: »Sira Maga Njoro ist gestorben! Sira Maga Njoro ist gestorben!«

Am vierten Tage wurden die Tore der Stadt geöffnet. Ein Reiter im roten Gewande kam herausgeritten, der sprengte auf einen Heerhaufen zu, tötete Leute zur Rechten und zur Linken, warf andere tapfere Helden von den Pferden, sprengte zum Tommibaum, so daß König Daga und der Bruder König Ardos flohen und brach einen Zweig der Tamarinde ab. Darauf riefen alle feindlichen Haufen: »Sira Maga Njoro ist nicht gestorben. Sira Maga Njoro lebt noch! Sira Maga Njoro ist nicht gestorben!« Der Held im roten Gewand ritt gelassen in die Stadt zurück. Keiner unter den feindlichen Mannen wußte, daß das nicht Sira Maga Njoro, sondern dessen Bruder Mussa Ardo gewesen war.

Dasselbe wiederholte Mussa Ardo am anderen und an einem dritten Tage. Dann hatte sich des Heeres von Segu große Furcht bemächtigt. Mussa Ardo sammelte aber nachts alle seine Leute und verließ mit ihnen Keke. Er ging über den Strom und ritt von dannen.

Als König Daga und der Bruder König Ardos merkten, daß die Stadt verlassen war, brachen sie das Tor auf und rückten in die Stadt hinein. Im Innern fanden sie viele aufgeworfene Grabhügel; die öffneten sie, um zu sehen, ob Sira Maga Njoro darin bestattet sei oder nicht. Sie fanden aber Sira Maga Njoros Leiche nicht; denn sie war allzu gut verborgen. Somit erfuhr der König nicht, ob der Held sein Ende genommen habe oder nicht.

Während des Krieges mit König Daga von Segu und dem Bruder des Königs Ardo war Polor nicht in Keke gewesen, sondern er war mit fünfunddreißig Reitern in ein anderes Land gefahren. Als er nun nach Keke zurückkam, vernahm er alles, was sich ereignet hatte und daß Sira Maga Njoro gestorben sei. Da bedeckte er das Gesicht mit den Händen und weinte, weinte vor sich hin, einen Tag lang, bis er in derselben Stellung einschlief. Als er erwachte, bestieg er mit seinen fünfunddreißig Helden die Pferde und ritt von dannen. Kein Mensch hat je erfahren, wo er hingeritten ist. Wenn es donnert, sagt aber das Volk: »Hört ihr, das ist Polor, der im Busche Krieg führt.«


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