Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

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Buge Korroba

Sahel

Buge Korroba hatte vier Frauen. Unter denen war eine, die hieß Njelle, das war sein Lieblingsweib. Dieser Njelle wegen hörte er nie die Tabele, die Kriegspauke; er verließ dies Weib nie, denn er liebte es über alle Maßen. Außerdem hatte er alles, was er brauchte, Sklaven, Pferde, Vieh usw. Die anderen drei Frauen waren eifersüchtig und sagten deshalb zu den Frauen der Stadt: »Dieser Frau Njelle wegen geht Buge Korroba nicht in den Krieg. Es ist ein Jammer für den Ort.« Die Frauen der Stadt sagten: »So werden wir diese Njelle, wenn sie einmal zum Brunnen kommt, ordentlich schlagen, damit sie ihren Mann in den Krieg schickt.«

Die Frauen der Stadt versuchten Njelle abzupassen, und eines Tages kam Njelle zum Brunnen. Einige Frauen sagten zu ihr: »Warte ein wenig!« Njelle sagte: »Was wollt ihr von mir? Ich habe euch nichts getan.« Die Frauen sagten: »Sieh, deinetwegen sitzt Buge Korroba ständig daheim und zieht nicht mit in den Krieg, und das ist schlimm für den Ort.« Sie schlugen Njelle. Sie nahmen ihre Armringe und schlugen auf Njelle, und Njelle erhielt auf der Stirn drei Wunden nebeneinander. Die Frauen sagten: »Weißt du nun, Njelle, weshalb wir dich geschlagen haben?« Njelle sagte: »Ihr habt recht, wenn ihr mich schlagt.«

Buge Korroba hatte zwei Dialli. Von denen ließ er sich alle Tage auf der Gitarre vorspielen. Sie mußten das Pui singen. Wenn sie das anfingen, schnippste er mit dem Finger gegen die Gitarre. Die Dialli fragten: »Weshalb tust du das?« Buge Korroba sagte: »Ihr werdet auch noch von mir singen!« Die Dialli sagten: »Du ziehst ja aber nie in den Krieg!« Buge Korroba sagte: »Ich liebe schöne Frauen und den Rücken der Pferde.«

Njelle kam blutig und beschmutzt nach Hause. Buge Korroba sagte: »Was hat es mit dir gegeben?« Njelle sagte: »Die Frauen aus Kalla haben mich geschlagen, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Eines Tages werden die Leute von Kalla etwas erleben! Es ist nicht aus Furcht, daß ich nicht in den Krieg ziehe! Die Leute in Kalla werden noch etwas Schlimmes erleben wegen dieser Sache.«

Drei Tage später kamen Räuber aus Massina und führten alle Kühe und Rinder der Kallaleute von dannen. Nur das Rindvieh Buge Korrobas ließen sie unberührt. Es war auf einer Insel untergebracht. Als Buge Korroba das hörte, bestieg er sein Pferd. Er nahm zwei Kossongalla (Decken aus Segu) mit, nämlich die Njelles und die seine. Er ritt aus dem Dorfe. Als die Kallaleute ihn reiten sahen, spotteten sie und sagten: »Was, du willst in den Krieg? Ach, du wirst etwas Rechtes im Krieg anfangen!« Buge Korroba sagte: »Was ihr denkt! Ich will gar nicht in den Krieg; ich will nur meine Herde auf der Insel ansehen. Denn eure Herden haben die Räuber genommen, die meinen haben sie aber gelassen.«

Buge Korroba ritt von dannen. Erst suchte er seine Herde auf und besichtigte sie, dann setzte er hinter den Räubern her, und zwar schnitt er einen Bogenmarsch, den sie vor sich hatten, derart ab, daß er sie weit überholte. Hierauf stieg er vom Pferd. Eine der Kossongalla legte er als Decke auf die Erde und setzte sich darauf, den Zaumriemen des Pferdes wickelte er um den Fuß. Dann deckte er die andere Kossongalla so über sich, daß man sein Gesicht nicht zu sehen vermochte. In dieser Stellung wartete er. Nach einiger Zeit kam ein Dialli der Räubergesellschaft an. Der sah den Mann am Wege, kehrte zurück und meldete dem Führer der Räuber: »Einer deiner Leute sitzt am Wege und erwartet dich.« Die Leute des Räuberhäuptlings überlegten: »Wer mag es wohl sein?« Der eine riet auf den, der andere auf den. Sie dachten nicht daran, daß es ein Mann aus Kalla sein könne.

Die Räubergesellschaft rückte mit der Kuhherde näher. Bald hatten sie den mit einer Decke eingehüllten, anscheinend Schlafenden, erreicht, bildeten alle einen Kreis um ihn und erwogen, wer wohl der Mann sei. Nach einiger Zeit sprach aber Buge Korroba: »Wer ist euer Anführer?« Einer der Räuber sagte: »Träumst du oder redest du irre, daß du deinen Häuptling nicht kennst?« Der am Boden Hockende sagte aber: »Ich bin es nicht, der irrt, sondern ihr irrt euch. Ich will keinen Kampf, keinen Streit, keinen Wortwechsel von euch, denn mir, Buge Korroba, habt ihr nichts genommen. Ich möchte aber den Leuten von Kalla ihre Kühe zurückführen. Meine Landsleute sind es nicht gewöhnt, an Stelle der Milch den Fruchtsaft des Affenbrotbaumes zu genießen. Also laßt den Streit und gebt mir die Kühe der Kallaleute.« Die Räuber sagten: »Nein!« Buge Korroba sagte: »Achtet, daß ihr gerecht seid!«

Unter den Räubern war einer, der hieß Samba. Der war unter allen bekannt als ein Mann, der nie log und der vor König und Sklave gerecht urteilte. Der Räuberhäuptling sagte zu Samba: »Samba, sieh, ob etwas Gerechtes an der Sache dieses Mannes ist.«

Als Buge Korroba das hörte, nahm er seine Decken, stand auf, legte seine Decken zusammen und auf das Pferd. Dann schwang er sich selbst hinauf. Samba sagte: »Das Urteilen ist hier leicht, aber das Hinnehmen sehr schwer.« Der Räuberhäuptling sah wie es ging und sagte: »Ja.« Einer der Räuber aber rief: »Ich meine, man sollte Buge Korroba totschlagen und darauf verzichten wegen des Gerechten zu hadern.«

Der Suboli (Räuberhauptmann) sah, wie Samba urteilen würde, und, um dem zuvorzukommen, sagte er zu Buge Korroba: »Höre, Buge Korroba, wir wollen teilen. Nimm du eine Hälfte mit zurück nach Kalla, und die andere Hälfte will ich mit nach Massina nehmen.« Buge Korroba sagte: »Ich danke euch sehr, aber ich will nicht die Hälfte. Entweder ihr schickt durch mich alle Kühe nach Kalla zurück, damit meine Leute ihre Milch morgen früh haben, oder aber ich nehme außer den Kühen noch eure Pferde mit.« Der Räuberhäuptling rief erzürnt: »Buge Korroba, erst habe ich dir die Hälfte geboten. Jetzt wirst du nichts bekommen.«

Buge Korroba nahm sein Gewehr und schoß den Suboli tot. Er nahm sein Gewehr wieder und schoß den Kuntigi (Zugführer) tot. Er schoß. Die Räuber sahen es. Sie wurden von Angst befallen und jagten entsetzt von dannen. Buge Korroba aber nahm alles Rindvieh und die vier Pferde und trieb alles auf seine Insel. Dann sprengte er nach Kalla zurück.

Vor seinem Gehöft riß er sein Pferd zurück und rief: »Njelle!« Njelle kam heraus. Buge Korroba fragte Njelle: »Weshalb haben dich die anderen Frauen geschlagen?« Njelle sagte: »Die Frauen von Kalla haben mich geschlagen, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Heute abend sollen alle Männer und Frauen, die, denen die Kühe gestohlen sind, und die, die dich geschlagen haben, kommen. Ich habe alle Kühe zurückgebracht. Wenn die Leute von Kalla nun morgen ihre Milch haben wollen, dann sollen sie heute abend mit mir über alle diese Sachen reden.«

Abends kamen alle Männer und Frauen zusammen. Alle sagten: »Buge Korroba ist der Tapferste von allen, denn er hat alle Kühe und noch Pferde der Räuber zurückgebracht. Das hat er ganz allein fertiggebracht.« Die Dialli kamen und sagten: »Buge Korroba ist nun im Pui (Heldenbuch).« Buge Korroba kam mit Njelle. Er fragte seine Frau vor den Leuten: »Njelle! Weshalb haben dich die Frauen Kallas geschlagen?« Njelle sagte: »Die Frauen von Kalla haben mich geschlagen, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen!« Buge Korroba sagte: »Ihr hört, was es gegeben hat. Ich habe eure Kühe. Wenn ihr eure Kühe wiederhaben und morgen eure Milch trinken wollt, dann laßt eure Frauen den Sklaventanz (Geschlechtstanz) hier aufführen.«

Die Männer sagten: »Du hast recht zur Klage. Unsere Frauen haben der deinen übel mitgespielt. Deine Frau wurde von den unseren geschlagen. Wir wollen nun unsere Frauen auch schlagen.« Buge Korroba sagte: »Tut, wie ihr denkt.« Darauf verabfolgten die Männer von Kalla ein jeder seinem Weib 50 Hiebe mit der Schnur. Dann sagten sie zu Buge Korroba: »Nun haben wir gerecht gestraft. Gib uns die Kühe.« Buge Korroba fragte sein Weib: »Njelle, weshalb haben dich die Frauen Kallas blutig geschlagen und dir drei Narben an der Stirn versetzt?« Njelle sagte: »Die Frauen von Kalla haben mich verletzt, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Ihr hört, was es gegeben hat. Ich habe eure Kühe. Wenn ihr eure Kühe wiederhaben und morgen eure Milch trinken wollt, dann laßt eure Frauen den Sklaventanz hier aufführen.«

Die Männer sagten: »Das kannst du nicht verlangen. Unsere Frauen haben die deine geschlagen. Sie sind wiedergeschlagen worden. Deine Frau hat von den unseren drei Narben erhalten. Gut, auch das soll beglichen werden.« Buge Korroba sagte: »Tut, wie ihr denkt.« Die Männer ließen darauf ihren Frauen drei Längsschnitte zwischen den Augen in die Stirn schlagen; denn so waren auch die Narben Njelles beschaffen. Dann sagten sie zu Buge Korroba: »Nun haben wir gerecht gestraft; nun gib uns unsere Kühe.« Buge Korroba sagte zu seinem Weib: »Weshalb haben dich die Frauen Kalles erniedrigt?« Njelle sagte: »Die Frauen Kallas haben mich erniedrigt, weil du mich aus Liebe nicht verläßt und immer bei mir bleibst, statt in den Krieg zu ziehen.« Buge Korroba sagte: »Ihr hört, was es gegeben hat. Ich habe eure Kühe. Wenn ihr eure Kühe wiederhaben und morgen Milch trinken wollt, so laßt eure Frauen den Sklaventanz hier aufführen.«

Die Frauen saßen auf ihren Schemeln. Als sie das wieder hörten, streckten sie abweisend und voll Abscheu die rechte Hand hoch, und die linke in die Seite stemmend schrien sie: »Nie!« Nun ist das aber die erste Stellung des Geschlechtertanzes (Die Linke in die Seite, die Rechte hochgehoben!) Buge Korroba lachte und rief: »Ihr sagt: ›Nie!‹ Dabei habt ihr eben schon die erste Stellung eingenommen!« Da mußten alle Leute lachen.


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