Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Girdamädchen

Kordofan

Ein Emir hatte drei Söhne, die wuchsen langsam heran. Als diese Söhne große Burschen geworden waren, sagte der Vater eines Tages zu ihnen: »Nehmt eure Lanzen und reitet mit mir hinaus aus dem Dorfe!« Die Söhne gingen und holten ihre Waffen, bestiegen ihre Pferde und ritten mit dem Vater hinaus in die Steppe. Der Vater sagte: »Nun, meine Söhne, möchte ich sehen, ob ihr geschickt genug in der Handhabung der Waffen seid, um eine Frau damit verteidigen zu können. Seht dort draußen die Gazellen. Jagt sie mit Lanzen. Ich werde sehen, wie ihr eure Sache handhabt.«

Darauf ritten die drei Söhne schnell von dannen, und der Vater folgte ihnen langsam in einiger Entfernung. Die drei Söhne warfen ihre Speere nach den Böcken und trieben die Rudel bald nach der einen, bald nach der andern Seite. Der Vater sah aus der Entfernung, wie geschickt sie ihre Lanzen den Tieren einsetzten, und als sie nach einigen Stunden zurückkamen, hatte jeder drei Antilopen erlegt. Der Vater sagte: »Kommt nun wieder mit mir zurück in unsern Ort. Wir wollen heimkehren. Wenn wir nun durch das Dorf reiten, könnt ihr ein jeder vor dem Hause, in dem das Mädchen wohnt, das er heiraten möchte, die Lanzen in die Erde stoßen, und ich werde nachher die Eltern der Mädchen aufsuchen und die Sache mit ihnen in Ordnung bringen.«

Der Vater ritt mit den Söhnen durch den Ort. Als sie an dem Hause eines sehr angesehenen Mannes vorbeikamen, der eine schöne Tochter hatte, die alle jungen Leute des Dorfes begehrten, stieß der älteste Sohn seinen Speer in die Erde. Der Emir sagte: »Es ist recht. Ich werde es nachher ausmachen.« Als sie an dem Gehöft eines andern angesehenen Mannes vorbeikamen, der auch eine viel begehrte Tochter hatte, stieß der zweite Sohn seine Lanze in die Erde, und der Emir nickte wieder und sagte: »Es ist mir recht, auch das soll nachher in Ordnung gebracht werden.«

Dann ritten sie weiter und durch das ganze Dorf. Der jüngste Sohn sprang mit seinem Pferde spielend hierhin und dorthin. Er wirbelte seine Lanze in der Luft zwischen den Fingern, aber er machte keine Anstalten, vor irgendeinem Gehöft seine Waffe in die Erde zu stoßen. So kamen sie bis an das Ende des Ortes. Der Vater sagte: »Was willst du nun, mein Sohn? Willst du denn keine Frau heiraten?« Der jüngste Sohn lachte und sagte: »Sicherlich will ich eine Frau heiraten. Die Mädchen dieses Ortes sind aber alle nicht schön genug. Die Wüste soll mir ihr schönstes Mädchen geben!« Der Jüngste lachte und stieß sein Pferd in die Weichen, so daß es hoch aufstieg. Er warf seine Lanze, so daß sie mit dem Winde weit hinaus in die Wüste flog.

Der Emir schüttelte aber seinen Kopf und sagte: »Mein Sohn, du bist jung, sonst würdest du nicht so mit deiner Waffe und mit uns spielen. Wie soll ich nun da hinausreiten und die Sache mit einer Frau, deren Namen und Familie ich nicht kenne, in Ordnung bringen? Reite also selbst, mein Sohn, deinem Speere nach und bringe selbst die Sache mit deiner Frau in Ordnung. Ich kann hierin nichts weiter tun.« Der Emir wandte sein Pferd um und ritt mit seinen beiden ältesten Söhnen wieder durch den Ort seiner Seriba zu.

Der jüngste Sohn blieb auf der Stelle und sah in die Wüste. Er schämte sich sehr, denn er sah, daß sein Vater gekränkt war und daß er die Schuld daran hatte. Der junge Mann war sehr schön, und alle Frauen und Mädchen liebten ihn sehr. Er selbst hatte aber noch keine Neigung gefaßt, und so hatte er nicht gewußt, was er sonst mit seiner Lanze hätte machen sollen, als sie hinaus in die Wüste zu werfen. Nun trieb er sein Pferd an und ritt in der Richtung, in die er die Lanze geworfen hatte, in die Wüste hinaus.

Der Jüngste ritt durch die Wüste und blickte aufmerksam nach allen Seiten, um seine Lanze wieder zu finden. Er ritt eine Stunde weit und sah seine Lanze nicht. Der Jüngste sagte: »Meine Lanze war mein bester Freund, seit ich ein Bube war, sie kann mir nicht fortgelaufen sein wie ein widerspenstiger Sklave.« Der Jüngste ritt weiter und weiter und immer in der Richtung, in die er seine Lanze geworfen hatte. Er folgte der Richtung und blickte emsig rechts und links und sagte: »Meine Lanze ist nicht dumm wie eine Hüttenstange. Sie weiß, daß ich sie suchen muß, wie die Mutter ihr Kind. Was hat meine Lanze getan?«

Der Jüngste ritt weiter und weiter und achtete auf die Richtung, in der er sie geworfen hatte. Er blickte zur Rechten und er blickte zur Linken, aber er sah nirgends, was er suchte. Der Jüngste sagte: »Mein Vater hat recht gehabt. Ich habe leichtsinnig gespielt. Ich sehe, daß meine Lanze allein nicht so weit geflogen sein kann. Ich werde eine Angelegenheit finden und werde sie zu bestehen haben. Aber da ich einmal auf dem Wege bin, will ich mich keinem Ereignis entziehen, das auf mich wartet.«

Der Jüngste ritt noch ein wenig weiter. Dann sah er einen einsamen Baum aus der Wüste aufragen und in seinem Stamm seine Lanze stark eingerammt. Der Jüngste ritt heran und blickte zu dem Baum hinauf. In der Mitte desselben saß zusammengekauert ein junges Girdaweibchen (Girda ist eine Affenart). Der Jüngste sah das Girdaweibchen. Der Jüngste sagte: »Du bist also meine selbstgewählte Gattin?« Das Girdaweibchen sagte: »So ist es.« Der Jüngste sagte: »Nun, du kannst wenigstens sprechen. Wenn du mir also auch keine wertvollen Teppiche und kein weiches Angareb und Öl und schmackhafte Speisen mit ins Haus bringen wirst, so kannst du doch wenigstens sprechen.«

Das Girdaweibchen sagte: »Das kann ich. Vergiß aber nicht, daß du mich durch den Lanzenwurf selbst zur Gattin gewählt hast.« Der Jüngste sagte: »Nein, das werde ich nicht vergessen können. Aber mein Vater wird nicht hier herauskommen wollen, um die Sache mit deinen Eltern in Ordnung zu bringen. Komm also gleich mit auf mein Pferd, damit ich dich in mein Haus nehme.«

Der Jüngste riß den Speer aus dem Stamm des Baumes. Er hielt dem Girdaweibchen den Arm hin. Das Girdaweibchen erfaßte ihn und ließ sich auf das Pferd hinab. Dann ritt der Jüngste mit seinem Girdaweibchen nach Hause.

In seinem Hause zeigte er dem Girdaweibchen das Angareb. Das Girdaweibchen legte sich hin und schlief ein. Der Jüngste ging zu seinem Vater und sagte: »Mein Vater, du hast recht gehabt. Ich habe den Speer in die Wüste geworfen, und als ich ihm nachritt, fand ich ihn vor dem Hause eines Girdaweibchens im Sande.« Der Vater sagte: »Was hast du getan?« Der Jüngste sagte: »Ich habe das Girdaweibchen mitgebracht.« Der Emir sagte: »Du hast das selbst zu ordnen.« Der Jüngste sagte: »Ich muß mein Haus nun bewohnen, wie es meine Frau herrichtet. Ich habe dem Girdaweibchen ein Angareb gegeben, es wird Essen und Trank erhalten. Das ist alles, was ich tun kann.«

Die beiden ältesten Söhne des Emir heirateten. Ihre Frauen richteten ihnen die Häuser ein. Es waren Teppiche und Polster und allerhand Geräte da. Der Emir sagte eines Tages zu seinem ältesten Sohne: »Mein Sohn, ich werde dich morgen einmal besuchen und werde bei dir essen. Denn ich möchte sehen, wie du nun lebst, nachdem du verheiratet bist.« Der älteste Sohn eilte zu seiner Frau und sagte: »Morgen wird mein Vater zu uns kommen und bei uns essen. Sorge, daß es ihm gefällt!«

Am andern Tag kam der Vater und wurde von seinem Sohne empfangen. Der Sohn führte den Vater herein und lud ihn ein, auf den Kissen und Teppichen Platz zu nehmen. Es kamen wohlgekleidete Sklaven und reichten duftenden Sorbet, und nachher brachten sie auf einer schönen Sinia viele verschiedene Gerichte. Der Vater sah um sich und erhob sich erst spät. Er sagte zu seinem Sohne: »Ich sehe, mein Ältester, daß du gut verheiratet bist und daß deine Frau für dich und alle deine häuslichen Angelegenheiten vorzüglich sorgt.«

Am Tage darauf besuchte der Vater in der gleichen Weise seinen zweiten Sohn, nachdem er ihm vorher sein Kommen angekündigt hatte. Der Emir fand hier ebenso reiche Herrichtungen und gute, geordnete Bewirtung. Er wünschte auch ihm zu seinem häuslichen Leben viel Glück.

Der jüngste Sohn des Emir hatte am Nachmittag zu Pferd sein Haus verlassen und war in die Umgebung geritten, denn seit das Girdaweibchen in seinem Hause weilte, fühlte er sich in den Lehmmauern nicht mehr wohl, und wenn er sie vorher nie häßlich gefunden hatte, so schienen sie ihm jetzt, wo das Girdaweibchen bei ihm war, und wo er seine Wohnung mit der schönen Zurichtung seiner glücklich verheirateten Brüder verglich, unerträglich. Der jüngste Sohn kam nun nach Hause und traf auf dem Wege seinen Vater, der bei seinem zweiten Sohne gegessen hatte. Der Jüngste begrüßte den Emir. Der Emir sagte: »Wie geht es dir, mein Jüngster? Ich habe gestern bei meinem ältesten Sohne gegessen und heute bei meinem zweiten. Ich habe es bei beiden ausgezeichnet gefunden. Sie führen beide ein glückliches Leben, seit sie verheiratet sind.« Der jüngste Sohn sagte zu seinem Vater: »Mein Vater, ich kann dich nicht bitten, morgen bei mir zu essen.«

Der Jüngste kam spät in der Nacht heim. Er setzte sich auf sein Angareb und seufzte. Er seufzte und war betrübt. Im Raum nebenan lag das Girdaweibchen auf seinem Angareb. Das Girdaweibchen hörte seinen Mann seufzen und stöhnen und kam herüber zu ihm. Das Girdaweibchen setzte sich neben den jungen Mann auf das Angareb und sagte: »Sage mir, was dich bedrückt, vielleicht ist die Sache auszugleichen.« Der Jüngste sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, daß du dich um meinen Kummer bemühst. Es ist aber nicht mehr möglich, mir zu helfen, denn ebenso wie dir ein Girdamännchen lieber wäre als ein Mensch, und wenn er auch der Sohn des Emir ist, so würde jedes Mädchen und jede Frau mir meine Angelegenheiten besser ordnen können als du, wenn sie auch nicht ein so freundliches Mitgefühl hat.« Das Girdaweibchen sagte: »Höre, du bist der Sohn eines Emir, aber du bist nur ein Mensch und kannst nicht wissen, was ein Girdamädchen ist, was es empfindet und was es kann. Sage mir also deinen Kummer!« Der Jüngste sagte: »Gutes Girdamädchen, ich habe am gleichen Tage dich gewonnen, an dem meine älteren Brüder ihre Frauen erwählten. Die Frauen haben nun ihren Männern die Häuser eingerichtet und wohnlich gemacht. Vorgestern hat mein Vater bei meinem ältesten Bruder, gestern bei meinem zweiten Bruder gegessen, und er hat alles sehr schön und reich und wohnlich gefunden, weil die Frauen alles gut und reich hergerichtet haben. Morgen müßte mein Vater nun bei mir essen. Wie soll ich ihm auf diesem Erdboden zwischen diesen Lehmwänden ein Essen vorsetzen?« Das Girdaweibchen sagte: »Ist das denn alles?« Der Jüngste sagte: »Es ist genug, um mich traurig zu machen.«

Das Girdaweibchen sagte: »Das ist sehr einfach! Sattle schnell dein Pferd und bringe mich heute nacht noch zurück in die Wüste. Dann stört dich das häßliche Girdaweibchen nicht mehr. In der Wüste ist aber eine Stadt, in der schöne, reiche Frauen sind. Ich weise dir den Weg. Du gewinnst eine von den schönen Frauen. Sie kommt mit allem ihren Besitz, und bis morgen abend kann sie dir dein Haus hergerichtet haben. Glaube mir, das ist keine schwierige Sache.« Der Jüngste sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, sage mir aber doch, was aus dir werden würde?« Das Girdaweibchen sagte: »Ich würde sterben.« Der junge Mann sagte: »Du bist ein gutes Girdaweibchen, du sollst nicht sterben. Ich habe dich durch meinen Lanzenwurf gewonnen. Nun sollst du nicht sterben durch mich. Geh nur auf dein Angareb und schlafe. Ich kann auch so leben und brauche den Besuch meines Vaters nicht. Ich danke dir aber dafür, daß du hierher gekommen bist, um mich nach meinem Kummer zu fragen. Mein Kummer ist nun zerflossen.«

Das Girdaweibchen sagte: »Du willst mich also nicht in die Wüste zurücktragen, um eine schöne, junge Frau zu gewinnen?« Der junge Mann lachte und sagte: »Nein, das will ich nicht. Du bleibst als mein gutes Girdamädchen in meinem Hause.«

Das Girdamädchen sagte: »Dann will ich dir eine andere Angelegenheit sagen. Hast du schon einen Girda gesehen, der sprechen kann?« Der junge Mann sagte: »Nein, ich habe das noch nicht gesehen!« Das Girdaweibchen sagte: »Wenn du dieses Ungewöhnliche selbst siehst, dann wirst du mir auch anderes Ungewöhnliche glauben?« Der junge Mann sagte: »Gewiß glaube ich dir!« Das Girdaweibchen sagte: »Dann geh morgen mittag zu deinem Vater, dem Emir, und bitte ihn, zu dir zu kommen, um mit dir zu speisen. Dein Vater wird alles ebenso gut finden, wie bei deinen Brüdern.« Der junge Mann sagte: »Ich werde es tun.« Das Girdaweibchen erhob sich und ging in ihr Zimmer, um auf ihrem Angareb zu schlafen.

Der junge Mann blieb auf seinem Lager sitzen. Er sagte: »Diese Sache mit meinem Girdamädchen ist anders als irgend etwas, was ich vorher gehört habe.« Nach einiger Zeit ging der junge Mann leise in den andern Raum, um das merkwürdige Girdamädchen noch einmal zu sehen. Er trat an ihr Angareb.

Ein wenig vom Licht des Mondes schlüpfte durch eine Ritze in der alten Mauer herein und beleuchtete das Girdamädchen, das vom Licht abgewendet auf dem Angareb schlief. Der junge Mann betrachtete das Girdamädchen und sah, daß aus einem Riß des Affenfelles lange Haare herausgefallen waren, die waren weich wie Seide, und goldene Fäden waren hineingeflochten. Der junge Mann betrachtete das Haar. Er befühlte es vorsichtig mit der Hand. Da seufzte das Girdaweibchen im Schlaf auf, und er schlich schnell und leise wieder in seinen eigenen Raum. In seinem Raum stand der Speer, mit dem er geworfen hatte. Er ließ die Hand über den Speer gleiten und sagte: »Mein guter Freund, du kannst gut fliegen und weithin eilen, aber sprechen kannst du nicht. Was würdest du mir sonst wohl hierüber sagen können?«

Am andern Mittag ging der Jüngste zu seinem Vater und sagte: »Mein Vater, du hast vorgestern bei deinem ältesten Sohne gegessen. Du hast gestern bei deinem zweiten Sohne gegessen. Komm heute zu mir und speise mit mir, deinem dritten Sohne.«

Der Vater sagte: »Mein bedauernswerter Sohn, du bist nicht verheiratet und hast dein Glück und deine Bequemlichkeit für ein Girdaweibchen fortgeworfen. Du wirst das noch schlimmer fühlen, wenn ich mit dir in deinem einsamen Hause dein Essen teile.« Der Jüngste sagte: »Mein Vater, ich bitte dich! Komm doch nur heute einmal zu mir.« Der Emir sagte: »Ich will dir deinen Wunsch nicht abschlagen. Ich werde kommen.«

Der Vater bestieg sein Pferd. Er ritt mit seinem Sohne zu dessen Haus hinüber.

Als die beiden Reiter vor dem Hause angekommen waren, traten zwei prächtig gekleidete Sklaven aus der Tür und hielten die Pferde. Zwei andere Diener aber rollten eine lange seidene Decke aus der Tür bis zum Tor. Sie halfen dem Emir und seinem Sohn aus dem Sattel und folgten ihnen, als beide über den seidenen Stoff zum Hause hineingingen.

Als der Emir und sein Sohn an die Tür kamen, traten ihnen schöne Knaben entgegen, die hielten Schale und Brig und Trockentuch, so daß sie den Staub abspülen konnten. Andere nahmen ihnen die Straßenschuhe ab, so daß sie nicht die schönen Teppiche zu beschmutzen brauchten, die den Boden bedeckten.

Der Emir stand als erster in dem Raum und fragte seinen Sohn sogleich: »Mein Sohn, erkläre mir dieses.« Der Jüngste sagte: »Mein Vater, ich kann dir von all dem nichts erklären, denn ich weiß nicht einmal, ob dies überhaupt mein Haus ist oder nicht. Ich bitte dich aber, auf diesen Kissen Platz zu nehmen und meine Bewirtung anzunehmen – soweit ich das Recht habe, diese Bewirtung die meine zu nennen.« Der Emir setzte sich. Der jüngste Sohn setzte sich. Sie betrachteten beide die Teppiche, die auf dem Boden und an den Wänden ausgebreitet waren. Sie sahen die Kursi, auf die eine goldene Sinia mit dreißig verschiedenen Gerichten gestellt wurde.

Der Emir aß und fand das Essen besser als irgendeines, das er vorher zu sich genommen hatte. Er schwieg aber und dachte bei sich: »Ich werde meinen Sohn nach nichts fragen, denn diese ganze Geschichte mit dem Girdamädchen ist eine Lüge, und er wird, wenn ich ihn frage, mir nur noch mehr vorlügen. Ich will aber sehen, wie ich diese Lügen aufdecken und meinen Sohn dafür strafen kann.«

Der jüngste Sohn aß und fand, daß er nie in seinem Leben so gut gegessen habe. Er sagte aber nichts, denn er dachte bei sich: »Seit ich die seidenen, golddurchwirkten Haare unter dem Affenfell meines Girdamädchens gesehen habe, weiß ich überhaupt nur noch, daß ich von allem, was mit dem Mädchen zusammenhängt, nichts weiß. Wenn ich meinem Vater etwas sage, wird er es mir nicht glauben, sondern wird mich für einen Lügner halten. Ich werde aber zusehen, daß ich herausbekomme, was sonst noch unter dem Affenfell meines Girdamädchens verborgen ist.«

Nachdem der Emir und sein Sohn gegessen hatten, erhob sich der Vater und sagte: »Mein jüngster Sohn, ich sehe zu meiner Freude, daß du in ebenso glücklichen Umständen lebst, wie deine älteren Brüder. Ich verlasse dich nun. Begleite mich heim und vergiß nicht, daß ich euch eine Mahlzeit schuldig bin, die eure Frauen bereitet haben. Darum will ich euch drei mitsamt euren drei ausgezeichneten Frauen morgen abend zum Essen bei mir sehen.« Der Sohn sagte: »Es ist gut, ich werde kommen!« Der Emir lachte und sagte: »Du wirst aber nicht allein kommen, sondern deine Frau mitbringen, die heute so vortrefflich für mich gesorgt hat, so daß ich sie kennen lerne und ihr danken kann.« Der Sohn begleitete seinen Vater heim. Als der Sohn in sein Haus zurückkam, war es schmutzig und kahl wie früher. Er schlich sich in den andern Raum, da lag das Girdamädchen auf dem Angareb. Er konnte aber keine Haare sehen. Der Mond schien auch nicht durch die Mauerritze. Der Wind blies nur Sand herein, so daß er ihm in die Augen fiel und ihn in seinen eigenen Raum zurückjagte.

Am andern Morgen ging der junge Mann sogleich zu seinem Girdamädchen hinüber. Er setzte sich auf den Rand des Angarebs und sagte zu dem Girdamädchen: »Mein Vater ging gestern sehr zufrieden fort.« Das Girdamädchen sagte: »Das weiß ich.« Der junge Mann sagte: »Mein Vater hat gesagt, daß heute seine drei Söhne mit ihren Frauen zu ihm kommen und bei ihm essen sollen.« Das Girdamädchen sagte: »Das weiß ich.« Der junge Mann sagte: »Was soll ich nun tun?« Das Girdamädchen sagte: »Du mußt hingehen.« Der junge Mann sagte: »Und welche Frau soll ich mitnehmen?« Das Girdamädchen sagte: »Bringe mich schnell in die Wüste und hole eine andere Frau, die ich dir zeigen werde.« Der junge Mann sagte: »Und was wird aus dir werden?« Das Girdamädchen sagte: »Du weißt es doch schon, ich werde sterben.« Der junge Mann sagte: »Ich habe dir auch schon gesagt, daß ich das nicht will.« Das Girdamädchen sagte: »Dann ist nur noch eines möglich, daß ich nämlich als deine Frau zum Fest deines Vaters gehe!«

Der junge Mann erschrak. Er wußte, daß die Frauen seiner Brüder sehr schön waren. Er wollte nicht das zottige Affenweib als seine Frau mitbringen. Der junge Mann sagte nichts. Das Girdamädchen sagte: »Dein Vater hat mich als deine Frau heute abend eingeladen. Mach, was du willst. Bringe mich in die Wüste zurück und hole dir eine andere Frau oder laß mich allein gehen. Ich verlange nicht, daß du mit mir gehst. Ich aber gehe hin.« Der junge Mann ging hinaus.

Der junge Mann legte sich auf den Hof und war sehr traurig.

Als es Mittag war, kam das Girdamädchen zu ihm und sagte: »Ich schlage es dir noch einmal vor: bringe mich zurück in die Wüste und laß mich für eine schöne Frau für dich sorgen.« Der junge Mann sagte: »Nein, du sollst nicht sterben.« Das Girdamädchen sagte: »Ich werde aber zu dem Feste deines Vaters gehen.« Der junge Mann sagte: »Gut, geh hin. Geh aber allein.« Dann erhob sich der junge Mann und sattelte sein Pferd. Er ritt ein Stück weit, stellte sein Pferd bei einem Freunde unter und stieg dann über die Dächer bis dahin, von wo aus der Mond sein Licht durch die Ritze in der Mauer auf das Angareb des Girdamädchens geworfen hatte.

Als es dunkel wurde, sah er, daß das Girdamädchen sich von seinem Angareb erhob. Das Girdamädchen griff mit der Hand in den Schlitz des Affenfelles und zog einen Diamant hervor, der leuchtete wie keine Lampe heller leuchten kann. Danach zog das Girdamädchen das Affenfell nach hinten über den Kopf. Da sah der Jüngste, daß die seidenen Haare lang und länger hervorquollen, daß zwischen die schwarzen Seidenhaare lange Goldfäden gesponnen waren. Das Mädchen strich mit der Hand eine rauhe Stelle der Lehmwand, da war da ein Spiegel, und nun konnte der junge Mann durch die Mauerritze sehen, daß das Girdamädchen über alle Maßen schön war, so schön, daß er vor Schreck zu zittern begann und fast über die Dachkante herab auf die Erde gefallen wäre. Dann streifte das Girdamädchen die Affenhaut auch vom Leibe und von den Gliedern, und nun konnte er sehen, daß unter dem feinen Linnen, in das sie gehüllt war, ein junger, schöner Körper, weiße Glieder und gewölbte Brüste lebten. Als das Girdamädchen so schön unten in dem Lehmhaus vor dem Spiegel stand, da war der jüngste Sohn des Emirs so glücklich, daß er fast geschrien hätte. Um das zu unterdrücken, biß er sich in die Hand, und er konnte sich nicht anders helfen, als daß er tief hineinbiß.

Das Girdamädchen betrachtete sich inzwischen im Spiegel. Es ordnete die Haare. Es nahm aus dem Affenfell allerhand Schmuck hervor. Es legte goldenen Schmuck um den Hals. Es legte goldene Ringe um Handgelenk und Füße. Es warf das Affenfell auf das Angareb, hüllte sich in ein langes Umschlagetuch des jungen Mannes und verließ das Haus, um zu seinem Schwiegervater zu gehen. Kaum hatte aber der jüngste Sohn gehört, daß das Girdamädchen sein Haus verlassen hatte, so stieg er von seinem Dach herab und lief zu seinem Hause. Er blickte in den Raum des Girdaweibchens. Er sah das Affenfell. Er nahm das Affenfell und warf es ins Feuer. Dann setzte er sich auf das Angareb und wartete die Rückkehr des Mädchens ab. Das junge Mädchen ging inzwischen hinüber zur Seriba des Emir. Sie trat zunächst in das Haus ein, in dem die Frau des Emir die Herstellung der Speisen beaufsichtigte. Als die alte Frau das verhüllte Mädchen hereinkommen sah, fragte sie: »Wer bist du?« Das Mädchen sagte: »Ich bin die, die dein jüngster Sohn sich als Gattin erwählt hat.« Die alte Frau sagte: »Zeige dein Gesicht!« Das junge Mädchen schlug das Tuch zurück. Die Mutter betrachtete sie lange und sagte: »Hüte dich vor dem Vater deines Gatten, meinem Manne, dem Emir, meine Tochter!« Das Mädchen sagte: »Meine Mutter, ich bitte dich, gib mir ein Brot!« Die alte Frau gab dem Mädchen ein Brot. Das Mädchen nahm das Brot unter den Arm und ging aus dem Haus zum Emir hinüber.

Die beiden ältesten Söhne mit ihren Frauen waren schon beim Emir angekommen. Die Frauen waren schön, sie waren reich gekleidet und hatten wertvollen Schmuck.

Der Emir sprach mit den Frauen seiner Söhne. Der Emir sagte: »Die Frau, die mein jüngster Sohn sich erwählt hat, wird auch kommen.« Der Türhüter kam und sagte: »Es kommt eine verhüllte Frau über den Hof.« Die Brüder sagten: »Das wird die Klugheit unseres jüngsten Bruders sein, die da kommt.« Die Frauen der Brüder sagten: »Das wird das Affenweib sein, das kommt. Müssen wir mit ihm aus einer Schüssel essen?« Der Emir sagte zum Türhüter: »Laß die Frau hereinkommen!«

Die Tür wurde geöffnet. Die verhüllte Frau schritt herein und blieb stehen. Der Emir sagte: »Wer bist du?« Die verhüllte Frau sagte: »Ich bin das Mädchen, das dein jüngster Sohn sich zur Frau erkoren hat.« Der Emir sagte: »Die Frauen meiner andern Söhne sind auch hier und nicht verhüllt. Zeige dich. Wir werden dich nicht kränken.« Die verhüllte Frau sagte: »Wie sollte mich der Vater dessen, der mich zur Frau begehrt, kränken wollen?« Dann ließ sie das lange Umschlagetuch fallen. Es wurde aber im Zimmer sogleich ganz hell, und war nun ein Unterschied, als ob vorher Nacht gewesen und nun gerade die Sonne aufgegangen sei.

Das Mädchen sagte: »Weshalb solltet ihr mich kränken?«

Die ersten beiden Söhne des Emir blickten auf das Mädchen. Die Frauen der beiden Söhne blickten auf das Mädchen. Der Emir blickte auf das Mädchen und sagte bei sich: »Dieses Mädchen soll meine eigene Frau werden. Ich werde meinen Sohn töten.« Das Mädchen nahm das Brot unter dem Arm hervor, das die Frau des Emir ihr gegeben hatte; es war ein Diamant geworden. Das Mädchen reichte den Diamanten dem Emir und sagte: »Nimm dieses als Begrüßungsgabe. Ich bin nicht das, was ihr glaubtet. Ich habe die Haut des Affen umgenommen, um zu sehen, ob dein jüngster Sohn so gut wie schön ist. Ich habe ihm schweren Kummer mit der Affenhaut bereitet und will nun nach Haus gehen, um seinen Kummer zu stillen. Denn auch im großen Kummer hat er nicht gewollt, daß das elende Affenmädchen sterbe, und deshalb will ich ihm eine gute Frau werden und will ihm alles geben, was ich als Tochter des Melik der Alledjenu ihm geben kann.« Als das Mädchen das gesagt hatte, nahm sie das Umschlagetuch wieder auf und ging. Es hatte aber keiner Zeit, etwas zu sagen.

Der Jüngste saß auf seinem Angareb und wartete. Als er einige Zeit gewartet hatte, sah er, daß es in der Dunkelheit draußen heller wurde. Dann hörte er Schritte und er sah, daß seine Wohnung von einer Reihe von Ampeln und Lichtern beleuchtet wurde. Wo er hinsah, traten Teppiche und Kissen hervor. Je näher die Schritte kamen, desto höher und weiter wurden die Räume. Er fühlte, daß seine Kleidung sich änderte; er hörte, daß draußen Vögel sangen, obwohl es Nacht war. Dann tat sich die Tür auf und die Tochter des Alledjenukönigs trat herein und ließ das Umschlagetuch fallen. Die Tochter des Alledjenukönigs kam auf ihn zugeschritten und kniete nieder und küßte die Wunde, die er sich vorher in die Hand gebissen hatte, um seinen freudigen Schreck zu überwinden. Und sogleich war die Wunde geschlossen. Der Sohn des Emir hob die Tochter des Alledjenukönigs auf. Beide gingen dann durch die hell erleuchteten Säle des Serails, in dem von nun an der jüngste Sohn mit seiner schönen Frau wohnte.

Der Emir dachte die ganze Nacht darüber nach, wie er seinen Sohn töte, um seine schöne Schwiegertochter heiraten zu können. Am andern Tag ließ er seinen jüngsten Sohn rufen und sagte zu ihm: »Mein Sohn, ich höre, du legst dir einen Garten an. Wenn du das für dich tun kannst, dann kannst du auch für deinen Vater etwas tun. Sorge also dafür, daß bis morgen nachmittag in meinem Garten ein neuer Weinstock wächst. Ich habe mir für morgen abend Gäste eingeladen, und sie sollen von den reifen Trauben dieses Weinstocks genießen. Wenn dir dies nicht gelingt, werde ich dich morgen abend töten lassen.«

Der Sohn ging betrübt von dannen. Er trat betrübt in sein Serail und warf sich betrübt auf die Kissen. Nach einiger Zeit kam seine schöne junge Frau. Sie strich ihm über die Haare und sagte: »Sage mir deinen Kummer!« Darauf erzählte der Sohn des Emir, was sein Vater von ihm verlangt habe. Als er berichtet hatte, lachte die Tochter des Alledjenukönigs und sagte: »Wenn es weiter nichts ist, so kann das leicht geschehen. Bringe Wasser aus dieser kleinen Flasche in den Garten deines Vaters. Stecke ein Stück trockenen Reisigs in die damit angefeuchtete Erde und sage deinem Vater nur, er solle bestimmen, wieviel Trauben an dem Weinstock sein sollen.« Der Sohn nahm die Flasche, die seine Frau ihm reichte, bestieg wieder sein Pferd und ritt in den Garten. Dort pflanzte er das Reisig und ging dann zu seinem Vater und sagte: »Nun brauchst du nur zu bestimmen, wieviel Trauben an dem Weinstock sein sollen, und alles ist in Ordnung.« Dann ritt der Sohn des Emir wieder fort. Als aber am andern Tag die Gäste des Emir versammelt waren und in den Garten gingen, da war aus dem trockenen Reisig ein großer Weinstock aufgewachsen, und jeder der Gäste konnte sich eine große, volle Traube abpflücken.

Der Emir ward dadurch aber nur noch zorniger. Er ließ am andern Morgen wieder seinen jüngsten Sohn kommen und sagte zu ihm: »Mein Sohn, sorge dafür, daß morgen um diese Stunde neben meinem Hause ein Garten mit Wassermelonen angelegt ist, der überall Früchte zeigt.« Der Sohn sagte: »Das soll da sein, wo jetzt nur Sand ist?« Der Emir sagte: »Jawohl, eben da sollen morgen abend viele Melonen reif sein, denn ich habe viele Leute zu Gast, und jedem will ich eine Melone vorsetzen.« Der Sohn ging nach Hause. Der Sohn des Emir suchte seine Frau auf und erzählte ihr von dem neuen Befehl und der wiederholten Drohung seines Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs lachte und sagte: »Das ist wieder sehr einfach. Nimm dieses Wasser und diese Kerne und mische beides mit Erde von dem Sandplatz. Dann wirf das Gemischte über den Sandplatz hin.« Der Sohn des Emir tat, wie seine Frau ihm geboten hatte. Als der Emir am andern Tag den Sandplatz betrat, fand er ihn bedeckt mit den Ranken der Wassermelonen, an denen so viele Früchte hingen, daß ein jeder Mann des Ortes eine oder auch mehrere erhalten konnte. Als der Emir sah, daß sein Sohn auch das zu vollenden vermocht hatte, wurde er über alle Maßen zornig, und in seiner Wut rief er einen seiner Freunde beiseite und sagte zu ihm: »Sage mir doch etwas, was ich meinem Sohne anbefehlen und was er doch unmöglich ausführen kann, damit ich einen Grund finde, ihn wegen Ungehorsams zu töten.« Der Freund sagte: »So fülle doch ein Haus mit Brot und Fleisch und verlange, daß er es in einer Nacht verzehre.« Der Emir sagte: »Das ist wahr!«

Am andern Tag rief der Emir seinen jüngsten Sohn und sagte: »Heute abend werde ich dich in ein Haus einschließen, das ich mit Brot und Fleisch fülle. Bis morgen früh muß das alles verzehrt sein, oder ich lasse dich töten.« Der Sohn des Emir ging nach Hause und erzählte seiner Frau von dem neuen Befehl des Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs lachte aber und sagte: »Laß dich ruhig einschließen. Die Zeit eines Augenaufschlags genügt meinen Leuten, um mehrere Häuser voller Speise zu leeren.« Abends ging der Sohn zum Emir und ließ sich von ihm in das Haus voller Brot und Fleisch einschließen. Er legte sich auf die Erde zum Schlafen nieder, und als man am andern Tag das Haus öffnete und ihn herausrief, war von allem Brot und Fleisch auch nicht mehr so viel übrig, daß eine Maus es hätte zwischen den Zähnen und der Zunge spüren können.

Nun aber entschloß sich der Emir, einen Befehl zu geben, dessen Ausführung undenkbar war, denn er sehnte sich alle Tage mehr danach, seine Schwiegertochter zu ehelichen und wollte also seinen Sohn deshalb auf alle Fälle töten. Er ließ also seinen jüngsten Sohn rufen und sagte: »Mein Sohn, nun höre meinen letzten Befehl. Ich will, daß ein Kind, das heute abend geboren wird, morgen früh schon gehen und sprechen kann. Wenn du das nicht vermagst, mußt du sterben.« Der Sohn des Emir ging zu seiner Frau und erzählte ihr den neuesten Befehl seines Vaters. Die Tochter des Alledjenukönigs sagte: »Ich sehe jetzt, daß dein Vater mich auf jeden Fall ehelichen und dich töten will. Rufe deshalb alle Leute des Ortes zusammen und fordere von deinem Vater folgende Vereinbarung: Kann das neugeborene Kind, das dein Vater heute abend schickt, morgen früh nicht sprechen, so darf er dich töten; kann das Kind aber sprechen, so muß er auf das Leben und das Emirat zu deinen Gunsten verzichten. Geh hin und fordere dies von ihm vor allen Leuten. Es ist die Stunde, da alle Angesehenen bei ihm versammelt sind.«

Der Sohn des Emir ging zu seinem Vater. Alle angesehenen Leute waren bei dem Emir versammelt. Der Sohn trat vor den Vater und sagte: »Mein Vater, du verlangst von mir, daß ich ein Kind, das heute abend geboren wird, zu mir nehme und dafür sorge, daß es morgen früh spricht; das forderst du von mir und erklärst, daß du mich töten willst, wenn ich das nicht vermag. Ich erkläre mich vor allen diesen Zeugen hiermit einverstanden unter der Bedingung, daß wenn ich das Unmögliche, was du jetzt unter Todesdrohung von mir verlangst, möglich mache, daß du dann selbst zu meinen Gunsten auf das Leben und das Emirat verzichtest.« Der Emir sagte: »Das ist mir recht. Denn wenn du hiernach nicht stirbst, hat das Leben für mich auch keinen Wert mehr.« Der Sohn ging.

Am Abend wurde in der Stadt ein Kind geboren. Man brachte es in das Haus des jüngsten Sohnes. Die Tochter des Alledjenukönigs legte es auf eine Matte. Der jüngste Sohn des Emir und seine Frau legten sich zum Schlafen nieder. Am andern Morgen erwachten sie von einem starken Geräusch. Der Emir war mit allen angesehenen Leuten gekommen und wartete vor dem Hause. Der Emir betrachtete das neue, große Haus und die Gärten, und alle Leute stießen Schreie der Bewunderung aus. Der Emir forderte laut Einlaß.

Da erhob sich der kleine Knabe, der am Tage vorher geboren war, von der Matte, auf die ihn die Tochter des Alledjenukönigs gelegt hatte, ging hin und öffnete das Tor. Der kleine Knabe blickte auf den Emir und die angesehenen Leute, die um ihn waren. Der Emir sagte: »Ist das nicht der Knabe, der gestern geboren wurde?« Die Leute sagten: »Ja, das ist er!« Der kleine Knabe sagte: »Ja, ich bin der Knabe, der gestern abend geboren war. Ich kann, wie du und alle Zeugen hier hören, sprechen, und du hast damit dein Leben und dein Emirat verloren.« Als der Knabe das gesagt hatte, fiel der Emir hin und war tot.

Darauf wurde sein jüngster Sohn der Herr des Landes.


 << zurück weiter >>