Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

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Die bestraften Buhlen

Nupe

Ein kluger Mann sagte zu einem anderen klugen Mann: »Alle Frauen betrügen ihre Männer und schlafen mit anderen.« Der andere kluge Mann sagte: »Alle anderen Frauen tun das vielleicht. Meine Frau tut das nicht.« Der eine kluge Mann sagte: »Versuche es doch einmal!« Der andere kluge Mann sagte: »Ich werde es einmal versuchen.«

Der Mann verklebte seine Augen, so daß man glaubte, er könne nicht sehen, so daß er selbst aber doch alles sehen konnte.

Dann kam er mittags nach Hause und sagte zu seiner Frau: »Frau, meine Augen schmerzen mich sehr, ich kann nicht sehen.« Die Frau sagte: »Was ist das? Heute morgen konntest du doch alles noch gut sehen.« Der Mann sagte: »Es muß bei der Farmarbeit gekommen sein.« Die Frau führte den Mann auf seine Matte.

Der Mann saß auf seiner Matte. Die Frau lief schnell von dannen. Die Frau lief zu ihrem Njetschi (Buhlen). Sie sagte zu ihrem Buhlen: »Mein Mann ist erblindet, komm, iß heute abend bei mir.« Der Buhle sagte: »Ich komme sogleich mit.« Der Buhle ging mit der Frau. Die Frau machte Essen. Der Buhle ging ganz dicht bei dem Ehemann vorbei. Der Ehemann sagte nichts. Die Frau setzte ihrem Mann das Essen hin. Der Mann griff in die Schüssel und aß. Der Buhle streckte die Hand aus und nahm aus der Schüssel. Der Ehemann sagte nichts. Der Buhle sagte bei sich: »Der Mann ist ganz blind.« Der Buhle aß mit. Der Ehemann kam dann mit seiner Hand an die Hand des Buhlen. Der Ehemann sagte: »Du, Usuma! Jage doch den Hund weg. Ich sehe jetzt schon so schlecht, daß ich es nicht einmal abwehren kann, wenn die Hunde von der Straße kommen und mit aus meiner Schüssel fressen!«

Am anderen Tage ging die Frau weg. Usuma hatte nicht nur einen Buhlen. Usuma hatte zwei Buhlen. Usuma ging zu dem zweiten Buhlen und sagte: »Mein Mann ist völlig erblindet. Komm heute nacht zur Stelle, wo man sich wäscht, über die Mauer. Ich hole dich dann da ab. Wenn mein Mann auch da vorbeikommt, sage nur nichts und rühre dich nicht. Mein Mann sieht nichts mehr.« Der Buhle sagte: »Es ist gut.« Der Buhle kam an die Mauer, stieg über die Mauer an der Wasch- und Pißstelle und wartete. Der Ehemann sah es vom Sauri aus durch die verklebten Augen. Der Ehemann stand auf, tastete sich bis zur Waschstelle und pißte da. Der Buhle bewegte sich nicht. Beim Aufstehen berührte der Ehemann mit seiner Hand die Hand des Buhlen auf der Mauer. Der Ehemann rief: »Usuma, meine Frau! Jag' die Hühner in den Hof. Die sitzen hier auf der Mauer. Ich fühlte eines, aber ich kann es nicht sehen.« Am anderen Abend sagte der Mann zu seiner Frau: »Ich war beim Boschi (Orakelmann). Der Boschi hat mir gesagt, ich soll mir einen großen Ochsenschenkelknochen auf das Essen legen lassen, und wenn ich ihn vor dem Abendessen immer bei mir behielte, dann würde meine Blindheit wohl in einem Jahr vergehen.« Die Frau kaufte einen großen Knochen und legte ihn abends auf das Essen. Der Mann nahm den Knochen, dann aß der Mann. Als er gegessen hatte, ging der Ehemann wieder zu der Pißstelle, den Ochsenschenkelknochen nahm er mit. An der Pißstelle stand wieder der Buhle und wartete, bis die Frau ihn rufen würde. Der Ehemann tat so, als wolle er sich zum Pissen hinhocken. Er nahm aber den Ochsenschenkelknochen und schlug auf den Buhlen. Er schlug den Buhlen tot. Der Buhle fiel tot hin.

Danach ging der Mann mit dem Ochsenschenkelknochen wieder in das Haus. Im Hause kam gerade der andere Buhle an. Der Buhle drückte sich an die Wand. Der Ehemann tastete sich nahe an ihm vorbei; er faßte den Knochen fest, und als er ganz nahe bei dem Buhlen war, hob er den Knochen auf und schlug damit dem Buhlen über den Kopf. Der Mann lief mit gespaltenem Schädel davon. Danach wartete der Ehemann, bis es tief in der Nacht war, und in der Nacht hob er den toten Buhlen auf und trug die Leiche auf den Markt. Er ließ die Leiche auf dem Markt und ging wieder nach Hause.

Am anderen Tage fanden die Leute den Leichnam auf dem Markt. Alle Leute kamen auf dem Markte zusammen. Einige Leute liefen hin und erzählten dem König: »Auf dem Markt hat man einen toten Mann gefunden, dem der Schädel zerschlagen ist.« Der König ließ alle Leute kommen. Der König fragte alle Leute. Niemand konnte etwas über die Sache sagen. Ein alter Mann sagte: »Es wohnt ein Mann hier dicht bei, der ist seit einigen Tagen erblindet. Der Mann hat nachts solche Schmerzen, daß er nicht schlafen kann. Wenn irgend jemand, dann muß dieser Mann etwas davon gehört haben.« Der König sandte zu dem Ehemann. Der blinde Ehemann wurde herbeigeführt. Der König fragte: »Hast du in der Nacht etwas von einem Streit gehört?« Der blinde Ehemann sagte: »Ich habe diese Nacht einen Mann schreien hören: ›Du hast mir den Kopf verwundet, nun werde ich dich töten.‹ Danach habe ich etwas hinfallen gehört. Wenn nun wirklich in der Stadt jemand getötet ist, dann muß man nach dem Manne suchen, dem der Schädel verwundet ist.« Der König sagte: »Es ist gut.« Der König ließ alle Leute in der Stadt zusammenkommen. Der König sagte: »Nehmt eure Mützen ab.« Alle Leute nahmen die Mützen ab. Nur ein Mann wollte die Mütze nicht abnehmen. Es war der Buhle der Frau. Der König sagte: »Weshalb will der Mann die Mütze nicht abnehmen? Nehmt ihm die Mütze weg.« Man nahm dem Manne die Mütze ab. Man sah die Wunde.

Der König sagte: »Das ist der, der den anderen totgeschlagen hat. Tötet ihn.« So wurde auch der zweite Buhle getötet.

Nach einigen Tagen sagte der Ehemann zu seiner Frau: »Der Ochsenschenkelknochen hat mir geholfen, ich kann jetzt wieder sehen.« Nach einigen Tagen kam der erste kluge Mann zu dem anderen und sagte: »Ich hörte, du seist blind?« Der kluge Ehemann sagte: »Ja, ich bin blind gewesen. Ich sehe jetzt aber besser als früher!«


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