Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

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3 Die Frau des Kaffeewirts – Meisterschaft

Der Bursche wanderte hinfort und kam weit hinein in das Land. Er fragte überall nach der Art der Menschen und nach der Art der Frauen. Als er in eine andere Gegend kam, hörte er von der Tochter eines Agellid, die besonders schön und klug sein sollte. Alle Leute, die von ihr sprachen, erzählten, daß ihr Vater ihr ein eigenes Haus geschenkt habe, in welchem sie wohne. Sie erzählten, daß dieses Mädchen außerordentlich klug sei und zugesagt habe, sie wolle es an Klugheit mit allen Männern aufnehmen. Die Leute erzählten, dies Mädchen habe sich bereit erklärt, irgendeinen Mann zu heiraten, sie wolle ihn aber nur behalten, wenn er ihr an Klugheit überlegen sei. Die Leute erzählten nicht, daß das Mädchen inzwischen einen Kaffeewirt zum Manne genommen hatte, denn die Leute wußten das nicht. Die Leute erzählten nicht, daß das Mädchen dem Kaffeewirt gesagt habe, daß sie ihn nur nähme, um zu sehen, was an einem Mann dran sei, daß sie ihn aber wieder aus ihrem Hause und der Ehegemeinschaft ausweisen würde, wenn ein Mann käme, der sich klüger und tapferer als er, der Kaffeewirt, und sie, die Tochter des Agellid, erwiese. Die Leute erzählten es nicht, denn die Leute wußten es nicht. Sie erzählten dem Burschen nur immer von der Klugheit und Schönheit der Tochter des Agellid. Der Bursche sagte: »Diese Tochter des Agellid ist anscheinend die Frau, die ich suche.« Der Bursche machte sich wieder auf den Weg und begab sich in den Ort, in dem die kluge Tochter des Agellid wohnen sollte.

Der Bursche kam in den Ort. Der Bursche legte seine Sachen bei einem Kaffeewirt nieder. Der Bursche wußte nicht, daß dieser Kaffeewirt gerade derjenige war, den die kluge Agellidtochter ausgewählt hatte, um kennenzulernen, was an einem Mann dran sei. Der Bursche lebte nun in dem Kaffeehaus und unternahm nichts. Der Bursche sagte: »Ich will nichts fragen und nichts tun. Es wird alles ganz allein so gehen, wie es gehen muß. Ich werde warten, bis man mir den Weg zu meiner zukünftigen Frau zeigt.«

Einen Monat lang war der Bursche in dem Kaffeehaus. Er tat nichts und sagte wenig. Der Kaffeewirt sagte bei sich: »Ich muß herausbekommen, was dieser Bursche hier will. Ich will das wissen, denn die Leute fragen mich danach, und ich kann ihnen keinen Bescheid geben.« Der Kaffeewirt kam eines Tages zu dem Burschen, begrüßte ihn, setzte sich zu ihm und sagte: »Du bist nun schon einen Monat lang hier bei mir.« Der Bursche sagte: »So ist es. Ich hoffe, daß ich immer mein Lager, mein Essen und mein Getränk bezahlt habe.« Der Kaffeewirt sagte: »Gewiß hast du stets alles bezahlt. Du mußt wohlhabend sein, daß du stets alles immer bezahlen kannst, ohne einen Beruf zu haben. Denn anscheinend arbeitest du nicht.« Der Bursche sagte: »Nein, ich arbeite nicht. Gott hat mich so klug, so schön und so stark gemacht, daß mir immer das, was ich brauche, zuteil wird.« Der Kaffeewirt sagte: »Glaubst du, daß du hier am Ort auch alles bekommen wirst, was du brauchst?« Der Bursche sagte: »Das glaube ich, wenn es hier nämlich kluge Frauen gibt. Ich glaube aber nicht, daß es hier kluge Frauen gibt.« Der Kaffeewirt sagte: »Du irrst dich sehr. Es gibt hier sogar sehr kluge Frauen. Ja, man sagt, in diesem Orte gäbe es die klügste Frau des ganzen Landes. Dort drüben in jenem Hause lebt z. B. eine junge Frau, die Tochter unseres Agellid, die ist klüger als alle Frauen. Sie hat sich vor einiger Zeit einen Mann genommen, der tagsüber beschäftigt ist. Damit sie nun ganz sicher ist, daß in der Zeit seiner Abwesenheit kein Mann zu ihr eindringen kann, hat sie ihr Haus mit sieben Türen verschlossen und nur einen Schlüssel machen lassen, den hat sie ihrem Mann gegeben, der ihn immer bei sich trägt. Die kluge Frau hat nun ihrem Mann geschworen, daß nur der in das Haus hineinkommen dürfe und von ihr empfangen würde, der den Schlüssel hat, der zu den sieben Schlössern paßt. Sie empfängt nicht einmal mehr ihre eigenen Verwandten. Diese Frau ist sehr klug.«

Der Bursche sagte bei sich: »Das Mädchen des Agellid hat also einen Mann genommen. Sie hat gesagt, daß sie nur den empfängt, der den Schlüssel zu ihrem Haus hat. Ich werde mir den Schlüssel zu ihrem Haus machen lassen. Ich werde zu ihr gehen und werde sehen, ob sie wirklich so klug ist, wie alle Leute sagen. Wenn sie so klug ist, dann werde ich ihr zeigen, daß ich ihr und ihrem Mann an Klugheit überlegen bin, und ich werde sie dann heiraten. Ihr Haus hat der Kaffeewirt mir ja nun gezeigt.« Als es Abend war, ging der Bursche zu dem Haus der Tochter des Agellid. Er nahm einen Klumpen Wachs mit sich und drückte auf einen Teil des Wachses die Form der Öffnung der Schlösser ab. Dann drückte er einen zweiten Teil Wachs innen in das Schloß. Der Bursche ging wieder heim. Als es Nacht war, ging der Kaffeewirt hinüber zu dem Haus seiner Frau. Er steckte einen Schlüssel in die Öffnung und öffnete. Als er den Schlüssel wieder herauszog, fand er, daß sich eine Wachsschicht in die Zacken gedrückt hatte. Der Kaffeewirt sagte: »Wie kommt denn das Wachs in meine Tasche und an meinen Schlüssel?« Er dachte aber nicht weiter darüber nach, sondern zog die Wachsschicht vom Schlüssel und warf sie auf die Straße. Dann ging er durch die anderen Türen zu seiner Frau hinein und verließ das Haus am anderen Morgen, nachdem er die Türen wohl verschlossen hatte.

Der Bursche ging aber nachts hin, suchte die Wachsschicht, die der Kaffeewirt weggeworfen hatte, auf und nahm sie mit nach Hause. Am Tage ging er zu einem Schmied und ließ sich nach dem Wachsabdruck des Kaffeewirts die Zapfen schmieden. Danach ging er in die Farmen vor dem Ort, schnitt sich ein gutes Stück Holz und schnitzte daraus nach dem selbstgenommenen Wachsabdruck das Schlüsselholz und setzte die Zapfen ein. Gegen Abend ging er zu dem Haus der klugen Tochter des Agellid, versuchte seinen Schlüssel und fand, daß er paßte.

Der Bursche öffnete die sieben Türen und schloß sie. Der Bursche trat in die Kammer der Tochter des Agellid. Die Tochter des Agellid kam ihm entgegen und fragte: »Wie bist du hereingekommen?« Der Bursche sagte: »Alle Leute haben mir gesagt, daß du klug bist. Die Leute haben mir gesagt, daß du nur den empfängst, der den Schlüssel zu deinen Türen hat. Hier ist der Schlüssel.« Die junge Frau besah den Schlüssel und sagte: »Es ist nicht der Schlüssel meines Mannes.« Der Bursche sagte: »Den Schlüssel deines Mannes zu nehmen, wäre sehr einfach; man brauchte ihn nur totzuschlagen und ihm den Schlüssel wegzunehmen. Die Leute erzählten mir, du habest gesagt: Du wollest als Gatten den behalten, der klug ist. Also mußte ich mit der Herstellung eines eigenen Schlüssels den ersten Beweis meiner Klugheit erbringen.« Die Tochter des Agellid gab ihm den Schlüssel wieder und sagte: »Setze dich!« Der Bursche setzte sich.

Der Bursche betrachtete die Tochter des Agellid. Sie war sehr schön und stark. Die Tochter des Agellid betrachtete den Burschen. Er war sehr schön und stark. Die Tochter des Agellid sagte: »Was willst du von mir?« Der Bursche sagte: »Erst will ich bei dir schlafen. Dann will ich sehen, ob es gut sein wird, wenn wir einander heiraten.« Die Tochter des Agellid sagte: »Mein Mann wird aber nachher kommen.« Der Bursche sagte: »Die Zeit bis dahin können wir nutzen. Wenn er kommt, rollst du mich in eine Matte ein und läßt mich eingerollt in der Ecke liegen. Ich werde in der Matte sehr gut schlafen, und er scheint mir, da er nicht merkte, wie ich das Schlüsselwachs eingedrückt habe, zu dumm zu sein, um auf mich zu achten.« Die Tochter des Agellid lachte. Der Bursche trat zu ihr und sagte: »Du bist schön.« Die Tochter des Agellid sagte: »Du bist schön und stark und klug.« Sie schliefen beieinander. Die Tochter des Agellid sagte: »Beweise mir deine Klugheit. O, wärest du doch so klug, wie ich es wünschte. Wärest du doch der klügste und tapferste aller Menschen!« – Der Bursche lachte. Die Tochter des Agellid lachte.

Sie schliefen beieinander, bis der Mann der Tochter des Agellid die Türen öffnete. Da ließ der Bursche sich in die Matte wickeln und in die Ecke rollen. Dort schlief er sogleich ein. Der Kaffeewirt kam herein und wollte sich neben seine Frau legen. Die Tochter des Agellid sagte: »Du schläfst heute nicht bei mir. Du wirst in diesen Tagen deine ganze Klugheit nötig haben, und da darfst du dich nicht schwächen. Vergiß nicht die Bedingungen, unter denen ich dich zum Manne genommen habe.« Der Kaffeewirt sagte: »Ich verstehe dich nicht.« Dann ging er auf sein Lager und streckte sich aus. Als es Morgen war, erhob er sich und verließ ärgerlich sein Haus. Als er in seinem Kaffeehaus angekommen war, sagte er ärgerlich: »Was mag meine Frau nur wollen? Was mag meine Frau nur meinen? Wozu soll ich denn meine ganze Klugheit notwendig haben?«

Einige Zeit, nachdem der Kaffeewirt das Haus verlassen hatte, erwachte der Bursche, steckte seinen Kopf ein wenig zur Matte heraus, sah, daß das Lager des Ehemannes verlassen und die Tochter des Agellid allein war, rollte sich aus seiner Matte aus und kam hervor. Die Tochter des Agellid sagte: »Hast du meinen Mann gesehen?« Der Bursche sagte: »Nein, dazu hatte ich keine Zeit. Ich habe geschlafen.« Die Tochter des Agellid sagte: »Komm und plaudere mit mir!« Sie sagte dem Burschen aber nicht, wer ihr Gatte war.

Der Bursche kam erst gegen Mittag in sein Kaffeehaus zurück. Der Kaffeewirt war gewöhnt, daß der Bursche stets da war. Der Kaffeewirt fragte: »Was hast du heute nacht gemacht? Du hast in dieser Nacht nicht dein Lager berührt und kamst erst gegen Mittag nach Hause. Du warst sicherlich bei einem schönen Mädchen!« Der Bursche sagte: »Nein, ich war nicht bei einem schönen Mädchen. Ich war bei einer schönen Frau. Ich habe dir doch gesagt, daß ich das, was ich brauche, immer von klugen Frauen erhalte, und du hast doch gesagt, daß die Tochter des Agellid, die dies Haus da drüben bewohnt, klug ist. Da habe ich denn eben sogleich die gestrige Nacht bei der klugen Frau zugebracht.« Der Kaffeewirt sagte: »So hast du da drüben bei der klugen Frau geschlafen?« Der Bursche sagte: »Natürlich!« Der Kaffeewirt sagte: »Wie bist du denn hineingekommen?« Der Bursche sagte: »Du hattest mir doch gesagt, daß die kluge Frau nur den empfängt, der den Schlüssel hat. Da habe ich mir von dem Mann der Frau eben einen Abdruck in Wachs machen lassen, indem ich Wachs in das Schlüsselloch steckte, das der Mann, der ein wahrer Esel sein muß, denn auch abdrückte und auf die Straße legte. Ich habe mir nach dem Wachsabdruck den Schlüssel gemacht. Ich bin hierauf gestern abend an das Haus gegangen, habe die sieben Türen aufgemacht und habe dann bei der Frau geschlafen. Es ist eine sehr schöne und kluge Frau. Als der Ehemann kam, habe ich mich von der Frau in die Fußmatte wickeln und in die Ecke rollen lassen. Als der Mann endlich heute morgen seine Frau verließ, bin ich aufgewacht, habe mit der Frau noch eine Zeitlang geplaudert und bin dann wieder hierher zurückgekehrt. Du hast ganz recht, es ist eine sehr kluge und sehr schöne Frau. Ich wiederhole dir aber, daß der Mann in Wahrheit ein Esel sein muß.« Der Kaffeewirt sagte: »So hat die kluge Frau dir nicht gesagt, wer ihr Mann ist?« Der Bursche sagte: »Nein, das hat sie nicht gesagt. Weshalb sollte sie mir das auch sagen?« Der Kaffeewirt sagte: »So hast du auch die kluge Frau nicht gefragt, wer ihr Gatte ist?« Der Bursche sagte: »Nein, wie soll ich dazu kommen, danach zu fragen? Es wäre der klugen Frau doch nur unangenehm gewesen, mit mir über den dummen Gatten zu reden, und mich geht er doch gar nichts an.« Der Kaffeewirt sagte: »Was sagst du? Der Mann der Frau, mit der du schläfst, geht dich nichts an?« Der Bursche sagte: »Nein, der geht mich nichts an. Das ist Sache der Frau. Der Mann wird es schon früh genug merken, wenn ich seine Frau heirate.« Der Kaffeewirt sagte: »Was sagst du? Du willst diese Frau heiraten?« Der Bursche sagte: »Ich denke, ja. Ich habe mich aber noch nicht fest entschlossen.« Der Kaffeewirt sagte: »So wirst du diese Nacht wieder zu der klugen Frau gehen, um mit ihr zu schlafen?« Der Bursche sagte: »Natürlich werde ich gehen.« Der Kaffeewirt sagte: »Versäume es ja nicht, heute nacht wieder zu der Tochter des Agellid zu gehen. Die Gelegenheit, bei einer so klugen und schönen Frau zu schlafen, ist sehr selten.« Der Bursche sagte: »Da hast du sehr recht. Ich danke dir jedenfalls dafür, daß du mich auf sie aufmerksam gemacht hast.« Der Kaffeewirt ging hinaus, schlug sich vor den Kopf. Dann ging er in seine Kammer, nahm einen Säbel hervor und schliff ihn. Er schliff den Säbel und sagte dabei immer vor sich hin: »Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Warte, Bursche, heute nacht werde ich dich treffen, und dann wird der wahre Esel dich lehren, seine Frau zu heiraten.«

Als es gegen Abend war, ging der Bursche hinüber zum Haus der klugen Tochter des Agellid. Er verschloß die sieben Türen wieder hinter sich und suchte die kluge Frau auf. Die Frau fragte ihn: »Hast du jemand erzählt, daß du vorige Nacht bei mir geschlafen hast?« Der Bursche sagte: »Ja, ich habe es dem erzählt, der es am schnellsten zu Ohren deines Mannes bringen wird, damit der möglichst bald beginnt, sich mit mir zu messen.« Die Frau sagte: »Wem hast du es denn erzählt?« Der Bursche sagte: »Ich habe es meinem Freund, dem törichten Kaffeewirt, erzählt.« Die Frau sagte: »Wem hast du es erzählt?« Der Bursche sagte: »Meinem Freund, dem Kaffeewirt. Wer sollte mir sonst bequemer gekommen sein?« Die kluge Frau lachte, sie lachte und lachte. Der Bursche sah sie an und sagte: »Dann ist also der Kaffeewirt dein Mann? Das ist bedauerlich.« Die Frau lachte und sagte dann: »Weshalb ist es denn bedauerlich?« Der Bursche sagte: »Weil ich es lieber mit einem Klügeren aufgenommen hätte.« Die Frau sagte: »Komm, setze dich zu mir.« Der Bursche blieb bei der klugen und schönen Frau, bis draußen der Kaffeewirt den Schlüssel in das Schlüsselloch der äußersten Tür steckte. Der Bursche hörte es und sagte: »Rolle die Matte zusammen, wie gestern, ich werde in die Holztruhe kriechen. Sie ist lang genug. Ich werde gut darin liegen und schlafen.«

Der Kaffeewirt trat bei seiner Frau ein. Er hatte den Säbel mitgebracht. Er legte ihn nieder und wollte sich neben seiner Frau auf dem Lager ausstrecken. Seine Frau, die kluge Tochter des Agellid, sagte ihm: »Du schläfst heute und auch die nächsten Tage nicht bei mir. Du wirst in diesen Tagen deine ganze Klugheit notwendig haben, und da darfst du dich nicht schwächen. Ich erinnere dich noch einmal daran. Vergiß nicht die Bedingungen, unter denen ich dich geheiratet habe.« Der Kaffeewirt konnte seine Wut nicht beherrschen. Er ergriff den Säbel mit beiden Händen und begann mit aller Gewalt auf die in der Ecke liegende Matte einzuschlagen. Er zerschlug die Matte mit dem Säbel in ganz kleine Streifen und Stücke und sagte dabei immer vor sich hin: »Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Warte, Bursche, jetzt habe ich dich aber erwischt, und jetzt wird dich der wahre Esel lehren, seine Frau heiraten zu wollen.« – Nachdem die Matte vollkommen zerfetzt und zerhackt und der Säbel stumpf geschlagen war, legte der Kaffeewirt sich nieder, schlief bis zum anderen Morgen und ging dann wieder hinüber in seine Kaffeewirtschaft.

Als es gegen Mittag war, kam auch der Bursche in die Kaffeewirtschaft. Der Kaffeewirt sah ihn erstaunt an und sagte: »Bursche, wo kommst du denn her?« Der Bursche sagte: »Ich? Wo ich herkomme? Das weißt du doch! Ich habe dir doch gestern gesagt, ich wollte wieder zu der klugen, schönen Frau gehen!« Der Kaffeewirt sagte: »Und du warst wieder da und hast wieder bei ihr geschlafen?« Der Bursche sagte: »Gewiß, ich habe auch ein großes Vergnügen gehabt. Als es spät war, kam der Mann der Frau und wollte sich neben ihr auf dem Lager ausstrecken. Seine Frau verbot es ihm aber für diesen und die nächsten Tage; sie sagte ihm, er dürfe seine Klugheit nicht schwächen und erinnerte ihn an die Bedingungen, unter denen er sie geheiratet hatte. Da packte den Mann, der in Wahrheit ein selten törichter Esel sein muß, eine unbeschreibliche Wut. Er ging auf die Matte, die von voriger Nacht her noch aufgerollt in der Ecke lag, los. Er dachte wahrscheinlich, ich würde zwei Nächte hintereinander an der gleichen Stelle liegen, und zerhackte sie mit seinem Säbel kurz und klein. Dabei sagte er immer: ›Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! – Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! – Der Mann muß in Wahrheit ein Esel sein! Warte, Bursche, jetzt habe ich dich aber erwischt, und jetzt wird der wahre Esel dich lehren, seine Frau heiraten zu wollen.‹ Nachdem der Mann die Matte und den Säbel zerschlagen hatte, legte er sich nieder. Es war sehr gut, daß er sich niederlegte, denn ich lag derweilen in der langen Truhe, die neben der Matte steht, und es wurde mir sehr schwer, mir das Lachen zu verhalten. Der Druck, der mir durch das Verhalten des Lachens entstand, war zuletzt so groß, daß mir fast etwas Unanständiges passiert wäre, und daß ich beinahe die Truhe angewässert hätte. – Aber, sage selbst, Freund Kaffeewirt, ist dies nicht ein sehr schönes Erlebnis?« Der Kaffeewirt sagte: »Gewiß! Ein sehr schönes Erlebnis! Sehr schön! Aber sage mir doch, mein Freund, wirst du heute nacht nicht wieder zu der schönen und klugen Frau gehen, um bei ihr zu schlafen?« Der Bursche sagte: »Gewiß werde ich das tun. Du hast mir als erfahrener Mann doch selbst gesagt, die Gelegenheit bei einer so klugen und schönen Frau zu schlafen, sei selten! Außerdem gedenke ich die Frau ja zu heiraten, und ich will nun sehen, ob ich auf die Dauer auch gut mit ihr auskomme und ob ich ihr an Klugheit auch gewachsen bin. Denn sie will ja einen klugen Mann heiraten. Der jetzige scheint ihr ja viel zu dumm zu sein!« Der Kaffeewirt sagte: »Hat die Frau das etwa gesagt?« Der Bursche sagte: »Was denkst du? Ich werde der armen Frau doch nicht das Herz schwer machen, indem ich mit ihr über die Dummheit des Mannes rede, mit dem sie zur Zeit noch verheiratet ist!« Der Kaffeewirt sagte: »Wie denkst du denn aber, daß es mit diesem jetzigen Mann der Tochter des Agellid werden soll? Wie denkst du denn den Mann wegzuräumen, damit du seine Frau heiraten kannst?« Der Bursche sagte: »Weshalb soll ich den Mann wegräumen? Der Mann ist so töricht, daß er sich zweifellos selbst beseitigen wird.« Der Kaffeewirt sagte nichts. Er rannte hinaus. Er schlug sich vor die Stirn und brüllte vor Zorn. Er nahm ein Beil und schlug auf einen Holzblock ein, bis er in ganz kleine Splitter gehackt war. Dann nahm er das Beil, trug es zum Schmied und sagte auf dem Weg immer vor sich hin: »Ist das nicht ein sehr schönes Erlebnis? Ist das nicht ein sehr schönes Erlebnis? Ist das nicht ein sehr schönes Erlebnis? – Und der Mann ist so töricht, daß er sich sicherlich selbst beseitigen wird.« – Beim Schmied angekommen, gab er den Auftrag, das Beil sehr scharf zu schmieden und zu schärfen. Er blieb daneben hocken und sah der Arbeit zu. Dabei sagte er immer vor sich hin: »Ein sehr schönes Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis!« Er ging nach Hause und verrichtete zu Hause seine Arbeit. Er sagte aber immer vor sich hin: »Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis!«

Als es Abend war, ging der Bursche wieder hinüber zu dem Hause der klugen Tochter des Agellid, öffnete, schloß hinter sich die sieben Türen und suchte die Frau in ihrer Kammer auf. Die Frau fragte: »Wie geht es meinem Manne?« Der Bursche sagte: »Ich habe ihm alles erzählt, was sich vorige Nacht hier ereignet hat, ohne ihm zu sagen, daß ich weiß, daß er dein Mann ist. Er ist nun schon so weit, daß nur noch ein Tag nötig ist, ihn selbst der Sache ein Ende bereiten zu lassen.« Die Frau sagte: »Wie willst du der Sache ein Ende machen?« Der Bursche sagte: »Ich habe dabei nichts zu wollen. Das wird der Mann ganz allein tun. Er ist von der Art der Fliegen, die sich selbst totstechen, wenn ihr Zorn so groß wird.«

Die Frau sagte: »Er wird heute das ganze Haus nach dir absuchen. Ich weiß aber ein gutes Versteck. Setze dich nachher, wenn er kommt, in den großen Brutkasten der Tauben und halte in jeder Hand eine Taube an den Beinen fest. Wenn er den Deckel hochhebt, läßt du die Tauben fliegen, dann wird er sicher sagen, daß, wenn heute schon jemand den Kasten geöffnet hätte, keine Tauben mehr darin sein können, und wird ihn wieder schließen. – Nun komm aber noch zu mir und plaudere mit mir.«

Der Bursche unterhielt sich mit der jungen Frau bis in vorgeschrittener Nacht. Endlich hörten sie, daß der Kaffeewirt draußen den Schlüssel in das Schlüsselloch der äußersten Tür steckte. Dann gab die junge Frau dem Burschen die beiden Tauben in die Hand und hieß ihn in die Taubenbrutkiste steigen, die sie über ihm schloß. Die junge Frau streckte sich auf dem Lager aus. Der Kaffeewirt trat mit dem Beil in der Hand herein. Er ging sogleich auf die große Truhe zu und zertrümmerte sie mit einem Schlage. Er zerschlug die großen Urnen. Er schlug gegen die Wand. Er schlug auf den Boden. Er zerschlug die Axt. Er ging überall umher und suchte nach dem Burschen. Dabei sagte er immer vor sich hin: »Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis!« Er sagte: »Vielleicht ist er in der Taubennistkiste versteckt.« Er ging darauf zu. Er öffnete den Deckel. Die beiden Tauben flogen heraus und ihm ins Gesicht. Er ließ den Deckel fallen und sagte: »Wenn er dahineingekrochen wäre, hätten jetzt keine Tauben mehr herausfliegen können! Ein sehr schönen Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis. Ein sehr schönes Erlebnis.« Er ging überall umher und fand den Burschen nirgends. Er warf sich zuletzt auf sein Lager und schlief ein. Am anderen Morgen erhob er sich und ging hinüber in seine Kaffeewirtschaft. Als es gegen Mittag war, kam auch der Bursche. Der Kaffeewirt begrüßte ihn und fragte ihn: »Warst du wieder bei der klugen und schönen Frau, der Tochter des Agellid?« Der Bursche sagte: »Gewiß war ich dort. Ich komme doch eben von dort.« Der Kaffeewirt fragte: »War denn der Gatte der Frau auch wieder da?« Der Bursche sagte: »Natürlich war er auch wieder da. Er lief mit einem Beil umher und zerschlug erst die Truhe, in der ich in der Nacht vorher gelegen hatte, dann zerhieb er alles, was ihm in den Weg kam, bis das Beil am Boden zerschlagen war. Dabei sagte er immer vor sich hin: ›Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! Ein sehr schönes Erlebnis! ‹« Der Kaffeewirt sagte: »Wo warst du denn versteckt?« Der Bursche sagte: »Ich war im Taubenbrutkasten versteckt und hatte in jeder Hand eine Taube. Als der Mann den Deckel der Kiste öffnete, ließ ich ihm die beiden Tauben ins Gesicht fliegen. Da meinte er, wo noch Tauben darin wären, könne sich nicht erst vor kurzem ein Mensch versteckt haben! So ließ er den Deckel wieder fallen. Dieser Mann ist wirklich zu dumm!«

Der Kaffeewirt sagte bei sich: »Warte, mein Bursche! Ich will dich bei deiner Schwatzhaftigkeit packen und der eigene Vater deiner Geliebten soll dich als Richter verurteilen. Warte!« Der Kaffeewirt sagte zu dem Burschen: »Da wir nun Freunde sind, will ich dich auch in der Familie meines Schwiegervaters einführen. Ich bin dort heute zum Abendessen eingeladen. Meine Frau wirst du dort auch kennen lernen, denn sie geht schon über Mittag hin, weil die jüngste Frau meines Schwiegervaters unpäßlich ist und meine Frau das kleine Kind dort warten wird. Also, mein Freund, komm mit mir und iß dort mit mir zusammen.« Der Bursche sagte: »Das will ich sehr gerne tun.«

Der Kaffeewirt machte sich mit dem Burschen auf den Weg zum Schwiegervater, dem Agellid. Der Kaffeewirt brachte den Burschen in die linke von drei Kammern, die nebeneinander lagen und nur durch dünne Wände voneinander getrennt waren. In der mittleren Kammer befand sich die kluge Tochter des Agellid und wartete da das Kind der jüngsten Frau ihres Vaters. Nachdem der Kaffeewirt den Burschen in der linken Kammer untergebracht hatte, ging er hinüber zu der rechten, in der sich der Agellid befand.

Der Kaffeewirt begrüßte den Agellid und sagte dann zu ihm: »Ich habe dir heute einen Mann mitgebracht, der im ganzen Lande die jungen Frauen verführt und deshalb nach unserem Gesetz getötet werden muß.« Der Agellid sagte: »Es muß aber, um ihn zu töten, nach unserem Gesetz ein Mann da sein, der ihn des Ehebruchs wegen hier bei mir anklagt, und dann muß ein vollkommener Beweis dafür erbracht werden, daß der Ehebruch verübt wurde. Wie steht das?« Der Kaffeewirt sagte: »Den Beweis für den Ehebruch wird dir der Bursche selbst erbringen. Denn er erzählt alles ganz genau und prahlt mit seinen Erfolgen.« Der Agellid sagte: »Das genügt. Wer übernimmt nun die Anklage?« Der Kaffeewirt sagte: »Die Anklage übernehme ich.« Der Agellid sagte: »Tue dies nicht. Laß die Sache der anderen Leute. Denn es ist doch nicht deine Sache?« Der Kaffeewirt sagte: »Nein, nein, nein, es ist nicht meine Sache.« Der Agellid sagte: »Dann laß die Sachen. Denn wenn du den Beweis nicht voll erbringen kannst, muß ich dich nach den Gesetzen unseres Landes als Verleumder anklagen und bestrafen. Und du weißt, hieraufhin wird ebenso der Tod verhängt wie für Ehebruch.« Der Kaffeewirt sagte: »Das ist mir gleich. Ich klage den Burschen an.« Der Agellid sagte: »Wenn du darauf bestehst, muß ich es übernehmen. Die Folgen wirst du tragen.«

Der Agellid ging mit dem Kaffeewirt hinüber aus der linken Kammer, an der mittleren vorüber zu der rechten Kammer. Die kluge Tochter des Agellid blieb in der mittleren Kammer, in der sie alles hören konnte. Der Kaffeewirt begleitete den Agellid hinüber und sagte zu ihm: »Das ist der Bursche, der so schöne Geschichten zu erzählen weiß. Erzähle uns etwas, mein Freund!« Der Bursche sagte: »Ich weiß keine Geschichte zu erzählen.« Der Kaffeewirt sagte: »So erzähle doch das, was du mir in den letzten Tagen von deinen nächtlichen Abenteuern erzählt hast.« Der Bursche sagte: »Das wird dem Agellid ganz gleichgültig sein.« Der Agellid sagte: »Nein, es ist mir nicht ganz gleichgültig. Erzähle es nur!«

Der Bursche sagte: »Neulich sagte mir ein Mann, es sei eine sehr schöne und kluge Frau hier im Orte. Die sei an einen Mann verheiratet, der immer den einzigen Schlüssel zum Haus seiner Frau bei sich trage, so daß niemand anders zu ihr käme. Da drückte ich den Wachs in das Schlüsselloch und ließ den Mann selbst dadurch, daß er den Schlüssel hineinsteckte und den Abdruck hierauf wegwarf, mir das Modell des Schlüssels anfertigen. Ich ging hinein, schlief bei seiner Frau und ließ mich endlich von ihr in eine Matte wickeln und an die Wand rollen. So schlief ich die Nacht in der Kammer, auch als der Mann kam. In der folgenden Nacht zerhackte der Mann die Matte; ich lag aber in der Truhe. In der dritten Nacht setzte ich mich, als der Mann dazukam, in den Taubennistkasten und hielt in jeder Hand eine Taube. Als der Mann den Deckel öffnete, ließ ich die Tauben gegen sein Gesicht fliegen. Der Mann ließ, als er mich so beinahe ergriffen hatte, den Deckel über mir fallen.«

In der mittleren Kammer sagte, als der Bursche so weit gekommen war, die kluge Tochter des Agellid laut zu dem Kinde der jungen Frau: »Schweig! Laß das! Du bereitest dir Unheil!« Der Bursche hörte, was die junge Frau sagte. Der Bursche verstand sie.

Der Bursche sagte laut: »Als der Ehemann den Deckel der Taubenbrutkiste über mir fallen ließ, erwachte ich.« Der Agellid sagte: »Wieso erwachtest du?« Der Bursche sagte: »Nun aus meinem Traum!« Der Agellid sagte: »So ist das Ganze ein Traum?« Der Bursche sagte: »Natürlich ist es ein Traum.« Der Agellid sagte: »Du bist aber angeklagt, daß du dies wirklich getan hast.« Der Bursche sagte: »Wer hat mich angeklagt?« Der Agellid sagte: »Hier, dieser Kaffeewirt.« Der Bursche sagte: »Wie wird es in diesem Lande mit der Verleumdung gehalten?«

Der Agellid sagte zum Kaffeewirt: »Nun sage, wie es steht. Wo hast du deine Beweise?« Der Kaffeewirt verlor den Verstand und sagte: »Was soll ich sagen! Was soll ich sagen! Ich kann dir nicht sagen, daß es deine Tochter war, mit der er den Ehebruch getrieben hat!« Der Agellid wurde zornig und sagte: »Was unterstehst du dich? Wagst du es, meine Tochter in diese Sache zu ziehen? Ein Verleumder, ein ganz dummer Verleumder bist du!«

Der Agellid ließ den Kaffeewirt hinrichten. Der Bursche heiratete die kluge und schöne Tochter des Agellid. Am Tage, als er heiratete, gab er seiner Frau den Schlüssel zum Hause und sagte: »Behalte du den Schlüssel des Hauses. Ich weiß jetzt, was ich davon zu halten habe.«

Der Bursche und die kluge und schöne Tochter des Agellid lebten glücklich und ungestört. Als der Bursche seine Zeit verbraucht hatte und er nun sterben sollte, weil er Aini einige der letzten seiner Lebensjahre geschenkt hatte, bat die kluge Tochter des Agellid Gott darum, ihrem Gatten einige der ihren abtreten zu dürfen, und Gott gewährte es.

Dann starben der Bursche und die kluge Tochter des Agellid an einem Tag. Es geschah also so, wie der Bursche damals, als er vom Leben noch nichts wußte, es erhofft hatte mit Aini abschließen zu können.


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