Leo Frobenius
Das schwarze Dekameron
Leo Frobenius

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Hami-du-hama-nkulde

Sahel

Im Dorfe Djibo, das im Lande Djelle-Goji gelegen ist, lebte ein Fulbemädchen, das war so schön, daß alle jungen Burschen ihres Landes in sie verliebt waren. Jeden Morgen kamen 120 tapfere junge Fulbe zu ihr, blieben bei ihr und unterhielten sich mit ihr bis zum Abend. Sie waren alle hochadlig und aus der Familie des Königs Ardo. Sie kamen am Morgen auf ihren weißen Pferden angeritten und abends ritten sie wieder von dannen. Jeder dieser jungen Männer war in das schöne Mädchen Djullu-Deeru verliebt. Jeder bat sie: »Werde meine Frau!« Jedem antwortete sie: »Weit draußen liegt das Wasser Pete-erre. Tränke dein Pferd im Wasser Pete-erre und ich will dich heiraten.« Jeder von den 120 bat sie um die Ehe. Jedem sagte sie: »Pete-erre.« Jeder ging dann still und betrübt von dannen. Denn Pete-erre war ein Wasser, an dem hielten jeden Morgen 720 Tuareg Wache. Und diese 720 Burschen verleideten jedem der 120 jungen Fulbe, die jeden Morgen auf ihren weißen Pferden zu Djullu-Deeru kamen, die Möglichkeit, die schöne Frau zu heiraten.

Im Lande Djelle-Goji lebte ein Fulbe: Hami-du-hama-nkulde. Dessen Spielmann (Mabo) sagte: »Du bist kein rechter Fulbe. Wenn du ein rechter Fulbe wärst, würdest du Djullu-Deeru anschauen. Da würdest du Djullu-Deeru heiraten wollen, wie das alle Ardosprossen wünschen, und du würdest den Ardosprossen zeigen, daß Djullu-Deerus Bedingungen nicht so schwer zu erfüllen sind.« Hami-du-hama-nkulde wohnte in Barrabulle. Er sagte zu seinem Mabo: »Rüste dein Pferd, wir wollen morgen aus Barrabulle abreiten. Wir wollen nach Djibo weiter.«

Djullu-Deeru lebte in Djibo. Djibo hatte sieben Mauern. In der Mitte war ein Wasser. Hami-du-hama-nkulde ritt nach Djibo. Als er hereinkam, standen die anderen 120 jungen Fulbe auf und verließen den Ort. Hami-du-hama-nkulde ließ sich nieder. Er sah Djullu-Deeru. Er sagte zu Djullu-Deeru: »Werde meine Frau.« Djullu-Deeru sagte: »Ich will deine Frau werden, sobald du dein Pferd im Wasser Pete-erre getränkt hast.« Hami-du-hama-nkulde sagte: »Das ist sehr einfach. Ich werde es tun. Du sollst aber mitkommen und es mitansehen.« Djullu-Deeru sagte: »Es ist gut.«

Djullu-Deeru rüstete sich. Sie nahm einen Mabo, einen Diawando, einen Dimadio mit. Jeder ritt auf einem Ochsen. Hami-du-hama-nkulde rüstete sich. Er nahm seinen Mabo, einen Diawando, einen Dimadio und fünfzig Reiter mit. Sie machten sich auf die Reise. Sie reisten zwei Tage weit. Am Morgen des dritten Tages sahen sie in der Frühe die Bäume am See Pete-erre. An jedem Baum standen einige Tuareg. Einige hatten lange Bärte und alle hatten den Unterteil des Gesichts bedeckt. Als die Tuareg die fremden Reiter ankommen sahen, rüsteten sie sich allsogleich zum Kampfe. Als aber Djullu-Deeru das sah, bekam sie Angst, und sie sagte: »Laß es jetzt genug sein. Ich bin damit schon zufrieden. Es ist nicht nötig, daß du dein Pferd im Wasser selbst tränkst. Es hat schon die Morgennebel aufgesogen, die aus dem Wasser steigen. Laß uns umkehren. Ich will dich zum Manne nehmen.« Hami-du-hama-nkulde aber sagte: »Das wäre ja sehr merkwürdig. Mein Pferd und ich sind vom Morgennebel nicht gesättigt. Entweder ich tränke mein Pferd da unten in dem See, oder ich sterbe.«

Dann rüstete er sich. Als der erste Tuareg heransprengte, stach er ihm vom Pferd. Er gab das Pferd Djullu-Deeru und sagte: »Halte es.« Der große Kampf begann. Hami-du-hama-nkulde focht. Er kämpfte bis gegen Abend. Dann waren die Tuareg in die Flucht geschlagen. Er hatte sieben Pferde gewonnen. Er ging hinab und ließ sein Pferd aus dem Wasser des Sees trinken. Danach sagte Djullu-Deeru: »Du bist ein wahrhaftiger Pulo. Dich werde ich heiraten. Wir wollen heimkehren.« Hami-du-hama-nkulde sagte: »Das ist noch nicht möglich. Die Tuareg haben die Eigenart, dreimal hintereinander anzugreifen. Ich werde sie also noch zweimal hier bekämpfen müssen. Wenn ich jetzt heimritte, würden die Leute sagen, daß ich nur einen Plünderungszug unternommen hätte. Das will ich nicht. Wir wollen ein Lager aufschlagen und übernachten.«

Sie blieben über Nacht am See. Am anderen Morgen kamen die Tuareg, um den See zurückzugewinnen. Hami-du-hama-nkulde mußte vom Morgen bis zum Mittag kämpfen, abends tränkte er sein Pferd im See. Sie übernachteten am Wasser Pete-erre. Am anderen Morgen kamen die Tuareg wieder in großer Menge, um den See zurückzugewinnen. Hami-du-hama-nkulde mußte vom Morgen bis zum Nachmittag kämpfen. Dann waren die Tuareg geschlagen. Abends tränkte Hami-du-hama-nkulde sein Pferd im See Pete-erre. Er hatte nun im ganzen 25 weiße Tuaregpferde gewonnen.

Djullu-Deeru sagte: »Du hast dich als Held und Pulo erwiesen Nun wollen wir heimkehren.« Hami-du-hama-nkulde sagte: »Wie ich die Tuareg kenne, sind sie nicht ruhig, als bis ich ihnen ihr Vieh weggenommen habe. Wir wollen also noch eine Nacht hierbleiben. Dann will ich hinreiten und ihr Vieh forttreiben.« Am anderen Morgen machte er sich auf den Weg. Djullu-Deeru blieb unter guter Bewachung zurück. Am Abend kehrte er zu Djullu-Deeru am Pete-erre zurück. Er hatte 30 000 Stück Rindvieh erworben. Er sagte: »Nun können wir heimkehren.«

Hami-du-hama-nkulde und Djullu-Deeru kamen nach Djibo im Lande Djelle-Goji zurück. Djullu-Deeru sagte zu ihrem Vater »Der Hami-du-hama-nkulde ist ein wahrer Pulo, ein wahrer Held!« Sie sagte es zu aller Welt. Ihr Vater sandte zu Hami-du-hama-nkulde und ließ ihm sagen: »Ich bin bereit, dir meine Tochter zur Frau zu geben.« Hami-du-hama-nkulde sandte die 25 weißen Pferde und die 30 000 Rindvieh an den Vater Djullu-Deeru und ließ antworten: »Nein, heiraten will ich Djullu-Deeru gar nicht. Im übrigen schenke ich euch das da.«


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