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1. Kapitel.
Fröhliches Weidwerk

Zu Neujahr 1284 ging es in dem Refektorium des Bonifaciusklosters zu Hameln hoch her. Der Großprior Bernhard war eher ein Kriegsmann als ein Gottesmann, und da er seinen Mut nicht in der offenen Feldschlacht erproben konnte, so war er ein trefflicher Pfleger des edlen Weidwerkes, dem er mit Leib und Seele nachhing. Die Not der Zeit kümmerte ihn nicht viel; das Kloster war reich, und da er seinen Oberen vielfach mit Geld und oftmals auch mit seinem Rat – denn seine Klugheit galt viel – zur Seite stehen konnte, so war er in seinem Thun und Treiben unumschränkt und sein Ehrgeiz ließ ihn oftmals bedauern, es nicht jenen Rittern gleichthun zu können, die im Brustharnisch und seidnem Wams, von einem stattlichen Troß begleitet, soeben in den Speisesaal des Klosters eingetreten waren.

»Gelobt sei der Herr,« sagte der älteste der Ritter, eine sechs Schuh messende, in dunkelblaue Seide gekleidete Gestalt.

Von der Brust funkelte der spiegelhell polierte Harnisch, während die Ärmel seines Kollers weiß geschlitzt waren, so daß dieselben blauweiß gepufft erschienen. Um den Gürtel hing ihm ein kurzer Dolch.

»In Ewigkeit, Amen,« erwiderte der Großprior, der recht behäbig sich von seinem großlehnigen, mit rotem Saffian bezogenen Lehnstuhl erhob. Soeben war er aus der Messe in der Klosterkirche gekommen und hatte noch nicht die Zeit gehabt, um sich seines goldgestickten Meßgewandes zu entledigen.

»In Ewigkeit Amen,« wiederholte er, als er dem Ritter die Hand zum Willkommen bot, »Herr Ottokar von Lingenburg, mit Freuden sehe ich, daß Ihr meiner Einladung folgtet. Und – unser Freund Walther von Waldberg hat auch den weiten Weg aus dem Weserthal nicht gescheut, um uns aufzusuchen, obwohl Schnee und Eis die Wege unwegsam machten. Nur wer die edle Jagdlust zu schätzen weiß, nicht wahr, mein edler Peter von Ehrenfels, wagt es, sich seiner trauten Heimstätte zu entziehen, um bei einem armen Mönche einen Becher zu leeren.«

»Ein armer Mönch,« lachte Peter von Ehrenfels so hinaus, daß die Halle dröhnte, und seine kleinen, listigen Augen halb schließend, versuchte er dem Großprior mit dem Zeigefinger seiner dicken Hand einen fühlbaren Stoß zu versetzen.

»Diese Geistlichen behaupten immer ihre Armut und dabei schwelgen sie an der reichbesetztesten Tafel,« rief er mit seiner lärmenden Stimme. »Seht, wie die Tische mit Silber bedeckt sind, diese Krüge, diese Schüsseln, diese Pokale. Aber wir armen fahrenden Gesellen, Tag und Nacht, bei Wind und Wetter draußen« –

»Er hat erst gestern zwei Kaufleute abgefangen, die auf Cöln zufuhren; seine Beute scheint aber nicht zu reich gewesen zu sein,« sagte Ottokar von Lingenburg, leise zu dem Großprior, der ihn inzwischen zu dem Ehrenplatz an seiner Rechten geleitet hatte. Die Ritter, einige dreißig an der Zahl, nahmen zu beiden Seiten der Tafel Platz, während die Mönche die Diener abgaben. Der Bruder Kellermeister kredenzte den Ehrentrunk in einem Auerochsenhorn, das mit goldnem Zierrat vielfach umgeben und mit edlem Malvasier gefüllt war.

»Trinkt den Becher bis zur Neige,« rief der von Ehrenfels, »und füllt ihn für mich aufs neue.«

»Der Tag bricht erst an, und Du gehst noch auf die Eberjagd aus; der Malvasier ist sehr kräftig,« ließ sich Ottokar von dem anderen Ende der Tafel her vernehmen.

»Ich trinke auf das Heil unseres Priors, und da ist mir kein Maß zu viel,« rief Peter, und das Hom mehrere Mal zum Munde führend und wieder absetzend, leerte er das mächtige Gefäß mit gierigen Zügen. »Ho, ho, Ihr Herren, das ist ein Weidmannstrunk,« und dabei ließ er seine Augen auf seinem Gegenüber, einem Jüngling ruhen, der, in ein knappes, braunes Wams gekleidet, in seinem Stuhl zurückgelehnt saß und traumverloren, ohne auf den Lärm um ihn her zu achten, seine Finger durch die Saiten der Mandoline gleiten ließ, die er in seinem Schoße aufstützte. Die klare kalte Wintersonne warf ihren hellen Schein durch die farbigen, hohen Bogenfenster des Speiseraumes, und bunte Lichter spielten auf dem blonden Gelock des jungen Grafen Heinrich von Altkirch.

Die Augen Peters erglänzten hell; mit der Rechten hatte er die Lehne seines Stuhles erfaßt und die Beine lang unter den Tisch streckend, ließ er seine krähende Stimme durch den Lärm erschallen, der durch das vom Wein hervorgerufene laute Gespräch der Zechenden in dem spitzbogigen Saale rauschend wiedertönte.

»Wer bist Du mein Knabe?« wandte er sich an sein Gegenüber, »willst Du wahrlich schon auf die Eberjagd? Sieh, mein Freund, rate ich Dir doch eher hier im Kloster zu bleiben und dem Bruder Kellermeister etwas vorzuklimpern, damit er Dir Frauenwein vorsetze, süßen Wein für Milchbärte gut, die im Gemach unsrer Weiber sehnsüchtige Liedchen zur Laute wimmern! Der Frauen Obhut ziemt solcher Knabe, denn der Wald könnte seinem Lockenhaar gefährlich werden. Gelt, Herr Großprior,« schallte es von seinen Lippen, das Getöse der lauten Unterhaltung übertönend, »kam nicht Absalom, der Sohn des Königs David auf der Jagd durch sein langes Haar zu Schaden?«

Der Großprior ward der Antwort überhoben, denn ehe er zu sprechen anhub, hatte sich der junge Bursch erhoben. Mit blitzenden Augen stand er dem Ritter gegenüber und mit der Hand das Gehäng seines Dolches fassend, rief er über die Tafel:

»Ich kenne Euch zwar nicht, da ich erst gestern aus dem Lande Italien gekommen bin, und Böses habe ich Euch auch nicht erwiesen, Herr Ritter, daß Ihr meiner spottet. Aber obwohl in Sicilien geboren, habe ich deutsche Art und deutsche Sitte im Vaterhause genug erlernt, um Euch nicht nur mit Worten, sondern auch mit Waffen zu dienen.« – Schnell und behend wie eine Eichkatze schwang er sich über den Tisch, daß die Pokale umfielen und das edle Naß sich über die blaue Purpurdecke ergoß, die den Tisch bedeckte. Mit gezücktem Dolche stand er vor dem Ritter, dem die Behendigkeit seines Widerpartes die Besinnung genommen zu haben schien, denn während der Jüngling ihn mit dem Dolche bedrohte, hatte er seine bequeme Lage nicht verändert.

»Ihr Herren,« rief der Prior, »bedenkt den Klosterfrieden! Auf diesem Gotteshause, ruht Gottes Auge, der Streitlustige hat keinen Platz an unserem gastlichen Tische!«

Aber der Lärm tobte fort, Ritter und Mönche hatten sich um das Paar gestellt, die einen um den wütenden Jüngling zu besänftigen, die anderen um den Ritter zum Widerruf seiner Beleidigungen zu nötigen.

Da übertönte die schrille Klosterglocke den Tumult; Gäste waren im Hofe abgestiegen. Der dienende Bruder Paulus, der seinem biblischen Namensvetter in der ritterlichen Erscheinung glich, hob den Vorhang empor, der das Refektorium von dem Treppenhause schied, und rief in die tosende Versammlung hinein: »Der ehrenfeste Rat von Hameln.« – –

Zu Beginn des zwölften Jahrhunderts hatten sich die Städte gar mächtig entwickelt, besonders jedoch hatte die Kirche sehr viel dazu beigetragen, daß das Stadtleben gedieh und der freie Landmann, der sonst mit Stolz und echt deutscher Zähigkeit seine Scholle, draußen in der Ebene bearbeitete, das Leben in der Stadt lieben und wertschätzen lernte. Um das Bistum oder um das Kloster herum bauten sich die Handwerker an Gustav Freytag, »Bilder aus der deutschen Vergangenheit.«, die von den Geistlichen lohnend beschäftigt wurden, denn die Klöster waren reich und der Preis für geleistete Arbeit war ein guter, viel besser, wie draußen auf den Herrensitzen, wo an dem bedungenen Lohn vielfach gemarktet und gefeilscht wurde. Das Kloster übte sein Herrenrecht in milder Weise aus, und die geistlichen Herren wußten den Kaufleuten, welche ihnen zu eignem Gebrauch, oder für die Messen, die an bestimmten Tagen unter den Klostermauern abgehalten wurden, aus den fernsten Gegenden kostbare Waren zuführten, Zollfreiheit auf den Handelsstraßen von dem Landesherrn zu erwirken. Für diese Vorteile leisteten die Städte an die Geistlichkeit bestimmte Abgaben, sowohl in Nahrungsmitteln wie in barem Gelde, und der Hamelner Rat überbrachte heut dem Großprior Bernhard seine übliche Neujahrsgabe.

Unten im Hofe war der Wagen eingefahren, der die Gabe der Stadt an Mehl und erlegtem Wild überbrachte, nur ein stattlicher Zwölf-Ender wurde dem Bürgermeister und den beiden Herren vom Rate nachgetragen und neben dem Sessel des Großpriors niedergelegt.

»Ein stattliches Wildpret,« sagte der geistliche Herr, indem er das Wild mit Kennermiene betrachtete und die ganze Jagdgesellschaft, welche sich bewundernd um den Hirsch gestellt hatte, schien mit einem Male, so laut sie eben gewesen, friedlich geeint; der junge Graf von Altkirch stand neben dem Sessel seines Ohms, des Ritters von Lingenburg, die unzertrennliche Mandoline bei dem Griff haltend und sich darauf stützend. Seine noch zornfunkelnden Augen suchten den Ritter Peter, der sich eben aus seinem Stuhle erhoben, um das erlegte Tier zu betrachten.

Die drei Stadtherren schritten auf den Großprior zu – voran der Bürgermeister, Herr Allardi; ein großer, starker Mann, mit vollem, weinrotem Gesicht, der, trotz seiner sechszig Jahre, stolz mit ungebeugtem Nacken daherschritt. Ein stahlblaues mit grauem Pelz umsäumtes Mäntelchen mit weiten Ärmeln ließ sein Äußeres vornehmer erscheinen als das seiner beiden Begleiter, der Ratsherren von Embern und Heinrich von Hopeheite, denen nur ein schwarzer Tuchmantel über den Rücken hing.

»Mit Verlaub, Herr Großprior,« begann der Bürgermeister, »Gott ist unser Zeuge, daß wir dem Kloster in diesem Jahre nicht so zu dienen vermögen, wie Ihr es sonst von unserer Stadt gewohnt seid. Wir bringen Euch Wildpret und Mehl und zwei Stückfaß guten Weines. Die Geldspende erlasset uns bis auf ein nächstes Mal. Ihr wißt ja, daß die Fehde mit dem Bischof Wedekind uns arm gemacht hat, und daß uns die von Minden bis auf den letzten Heller gebrandschatzt haben; habt Mitleid mit der Stadt und lasset Euren Anspruch schwinden.«

Die Stirn des Priors hatte sich in bedenkliche Falten gezogen. »Wißt Ihr denn nicht, Herr Bürgermeister, daß ich den Zins an meinen Obern, den Abt von Fulda, zu entrichten habe, und ich zweifle sehr, ob er Eurem Ansuchen willfahren wird; durch die Kreuzzüge sind vieler Frommen Spenden an die christlichen Brüder gegangen, die im gelobten Lande das Kreuz hoch hoben, und dadurch sind wir Klosterleute verarmt. Aber das Wild ist schön und wird Euch die Gunst des Abtes von Fulda sicherlich eintragen – vielleicht, daß ihn diese Spende bestimmt, Euch den Geldzehent zu erlassen; ich kann es nicht.«

Der Großprior verbeugte sich stolz und damit war der Rat entlassen. Ernst und würdevoll schritten die drei Herren dem Ausgange zu, als es Peter von Ehrenfels beifiel, seinen Mutwillen an den Stadtleuten auszulassen; denn als Ritter vom Stegreif, der ab und zu einen kleinen Fang von ruhig ihres Weges dahinziehenden Kaufleuten nicht verschmähte, waren ihm die Städte, hinter deren Mauern die Gefährdeten stets Schutz fanden, und ihre Bewohner bis in die Seele verhaßt. Eben wollten die drei Vertreter der Stadt Hameln den Saal verlassen, indem sie vor dem Ausgange sich nochmals gegen die Versammlung verbeugten, als Peter ihnen zurief:

»Der Bischof Wedekind ist noch viel zu glimpflich mit Euch Stadtherren verfahren; ich hätte von dem dicken Bürgermeister noch manchen edlen Heller mehr erzwungen. Ein wenig die Folter angewendet und – bei der heiligen Jungfrau – einen großem Schatz hätte ich von hier genommen. Eure Truhen bergen noch viel Geld und Edelsteine. Ist es nicht so, Herr Bürgermeister?«

»Herr Ritter Peter von Ehrenfels,« erwiderte dieser voller Hohn, »wir danken Gott, daß der Bischof von Minden, außer einem tapferen Kriegsmann auch einen Mann von Herz in sich birgt, während Ihr an Stelle eines Herzens einen Mühlstein besitzt und dafür den Beweis Eurer Tapferkeit erst noch erbringen sollt, ehe wir sie kennen lernen.«

»Oho,« rief der Ritter und lief, während die gesamte Tafelrunde in ein betäubendes Gelächter ausbrach, auf den Sprecher zu, der jedoch in gleichmütigem Tone fortfuhr:

»Wenn die Tapferkeit eines Ritters im Überfall wehrloser Kaufleute aus verborgenem Hinterhalt besteht, so seid Ihr, Herr Peter, die Blume der Ritterschaft! Aber nehmet Euch in Acht! Ihr wollt mich wippen, um mir die Goldfüchse zu entlocken; wir in Hameln könnten es wohl auch einmal den Aachenern nachthun, die vor einigen Jahren den Grafen von Jülich mit 1200 Dienstmannen erschlugen, als er zu hart die Steuern eintreiben wollte. Nehmt Euch in Acht, Herr Ritter, das Wippen der Stadtherren möchte Euch sicher vergehn, wenn Ihr, wie heut Nacht, friedliche Kaufleute überfallet. Der Bannfrieden ist in Deutschland geboten, und der Kaiser Rudolph hat noch viel Hanf und Holz übrig, um auch bei uns im Lande Galgen für Wegelagerer zu errichten!«

Er holte tief Atem, denn der Zorn hatte ihn überwältigt; er haßte den Ritter aus ganzem Herzen und nahm diese Gelegenheit wahr, um ihn seine Verachtung fühlen zu lassen.

Peter tobte. »Laßt mich diesem Pfefferfinken zeigen, was der Ritter gilt,« rief er, und sein Schwert entblößend taumelte er, des süßen Weines und des Zornes voll, gegen den Bürgermeister. Dieser wich einen Schritt zurück, aber der Unsinnige bedrohte ihn von neuem.

Ritter und Mönche waren vom Schrecken gelähmt über den unerwarteten Ausgang des frohen Gelages, der Großprior bat den Ritter, das Gastrecht nicht zu verletzen, aber schon sauste das Schwert des Wütenden durch die Luft, um – tief in einen Sessel zu fahren, den Heinrich von Altkirch blitzschnell dem Ritter entgegenhielt, indes einer der Klosterbrüder die Abgesandten der Stadt flugs die Treppe hinuntergeleitete.

Das kühne Dazwischentreten Heinrichs löste den Bann von der ganzen Gesellschaft. Was vorher bedrohlich erschien, erregte bei diesem Ausgang die Spottlust der Anwesenden. Bald ertönte der Saal vom Gelächter der sich jetzt zum Jagdaufbruch Rüstenden, und daß der Ritter die Kosten dieser Unterhaltung tragen mußte, während dem entschlossenen Handeln des Jünglings das höchste Lob gespendet wurde, ließ Peter in ein tiefes Nachdenken versinken. Sein Schwert hatte er in der Lederscheide wieder geborgen, aber sein Kinn stützte er auf dessen Knauf und seine Augen folgten Heinrich, der inzwischen zu seinem Ohm Ottokar von Lingenburg getreten war und lächelnd dessen Lobsprüche entgegennahm.

»Du hast Dir in Peter von Ehrenfels einen Feind geschaffen, mein Sohn,« sagte der Ohm, indem er sich zu seinem Ohr hinneigte, so daß es niemand vernehmen konnte. »Sieh Dich vor, denn sein Gemüt ist das einer Hyäne; er greift stets vom Rücken an und weis seines Vorteils sich zu versichern, ehe Du es ahnst.«

»Habe keine Sorge um mich,« sagte Heinrich, und sich über den Sessel des Ohms beugend, gab er diesem auf die Wangen zwei Küsse, ihn hierbei umarmend. »Gelt, lieber Ohm,« setzte er schmeichelnd hinzu, »meine Waffen verstehe ich zu führen, und an Mut nehme ich es mit dem Ritter auf. In meinem Herzen ist weder Arg, noch Falsch, noch Menschenfurcht – ich fürchte ihn nicht.«

»Aber ich,« versetzte Ottokar, »denn ich kenne ihn von Anbeginn, sind wir doch Vettern und mit einander aufgewachsen, und dieses Brüten, dieses Nachsinnen, wie es ihm augenblicklich dort drüben beifällt, hat bisher bei dem Ehrenfels stets sicher etwas Schlimmes bedeutet.«

Er versank in tiefes Schweigen.

»Du bist der einzige Sproß unseres Geschlechtes und von nun an, mein Sohn, und Du gehorchst mir?« sagte der Ohm nach einer Pause, indem er seine Hand auf Heinrich's Schulter legte.

»Bis in den Tod,« erwiderte Heinrich, die Hand zum Schwur erhebend.

»Nun wohl, so beweise es, – bleib heute von der Jagd fern.«

»O, mein Ohm, – warum dies? Wie hatte ich mich auf diese Jagd gefreut! Als Du mir gestern, kaum war ich von der Reise angelangt, von dem Strauß erzähltest, der Euch heut mit kräftigen Ebern bevorstehen wird, deren Hauer den Bauch des Rosses, das sie treffen, aufschlitzt und den Reiter, hilft ihm nicht sein gutes Schwert, dem sichern Verderben preis giebt, wie begehrte da mein Herz, Dir zu zeigen, wie sicher meine Hand den Speer schleudert, wie kräftig mein Arm den Stahl handhabt. Und jetzt, auf dem Wege zum Ruhme, soll ich umkehren, weil ich den Ritter dort drüben verhinderte, einen Totschlag zu begehen! Habe ich mir seinen Zorn zugezogen, nun wohl, ich habe es schon bewiesen, daß meine Hand die ritterliche Waffe gut zu führen versteht.«

Während dieses Zwiegespräches war der Großprior, der sich inzwischen in ein knappes Jagdgewand, gleich den anderen Rittern geworfen, zu Ottokar getreten und hatte die Bitte des Ohms vernommen. Nur wenige Worte genügten von seiner Seite, um den Jüngling zu vermögen, der Jagd fern zu bleiben, denn in seinem Heimatlande hatte man ihn in der unbegrenzten Ehrfurcht vor dem geistlichen Stand erzogen, und wenn auch widerwillig, so fügte sich Heinrich doch dem Geheiß des Großpriors, der Jagd fern zu bleiben.

»Hinterlist geht über Tapferkeit, mein Sohn,« sagte der geistliche Herr, »und Peter ist ein Mann vor dessen Zorn jedermann sich zu hüten Ursache hat. Du bleibst bis zum morgenden Tage im Kloster, und zu guter Stunde wird Dich der Bruder Paulus auf die Burg Deines Ohms geleiten.«

Vom Klosterhofe her ertönte der Ruf von Hifthörnern und Hundegekläff. Das Refektorium leerte sich von den Rittern, die bald mit fröhlichen Gesprächen das hohe Treppenhaus erfüllten, um sich im Hofe auf die bereitgehaltenen Rosse zu schwingen. Heinrich half seinem Ohm in den Sattel und wies sein Pferd, welches ihm von Paulus bereitgehalten ward, zurück.

Peter wollte eben den Hof verlassen, als er sah, wie Heinrichs Pferd in den Stall zurückgeführt wurde. Er warf sein Roß flugs herum und vor Heinrich haltend, fragte er ihn:

»Der welsche Jüngling fürchtet wohl den deutschen Eber?«

Heinrich faßte das Pferd beim Zügel und dem Ritter scharf in die Augen schauend, erwiderte er: »Der welsche Jüngling weiß sein Schwert ebenso gegen den Eber, wie gegen Bosheit und Hinterlist zu gebrauchen,« und mit der flachen Hand dem Pferde einen Schlag auf den Schenkel gebend, ließ er den Zügel frei, so daß das Roß, seine Freiheit fühlend, kerzengrade in die Höhe stieg. Unter der Klosterpforte wandte sich Peter aber nochmals um, und sein böser Blick schien den Jüngling zu suchen, der unterdessen schon den Bruder Paulus aufzusuchen fortgegangen war.

»Das werde ich Dir nicht vergessen, mein Bürschlein, und Peter weiß sein Versprechen zu halten. Nimm Dich wohl in Acht,« murmelte er, während mit gewaltigen Sätzen ihn sein Roß der vorausgeeilten Jagdgesellschaft nachführte.


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