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Die Geschichte von Norna-Gest.

Norna-Gests-Saga.

Eigentlich tháttr (Episode, Abschnitt), weil als Episode der Saga von König Olaf Tryggvason überliefert.

Erstes Kapitel

Hér hefr thátt af Nornagesti F, fehlt S

Es geschah einmal Nachts, daß König Olaf Tryggvason Der als König von Norwegen (995-1000) sich besonders die Ausbreitung des Christenthums angelegen sein ließ. beim Gebete in seinem Bette wachte, alle andern Leute in dem Schlafhause herbergi, s. unten S. 351*. aber schliefen. Da schien es dem Könige, als käme ein Alf oder Geist hinein ins Haus, obwohl die Thüren geschlossen waren. Der trat vor das Bette eines jeden Mannes, welcher dort schlief, und zuletzt trat er zu einem Manne, der nach dem Ausgange zu lag. Da blieb er stehn und sprach: ||48) »Ein gar starkes Schloß ist hier vor leerem Hause, und ist der König nicht so weise, wie andre Leute sagen, daß er der allerklügste sei, da er nun schläft.« Darauf verschwand er bei geschlossenen Thüren. Des nächsten Morgens frühe aber sandte der König seinen Leibknappen, zu erforschen | was gekommen wäre. Der Knappe kam [zurück] und berichtete, es sei ein großer, unbekannter Mann angekommen. Der König sprach: »Geh nochmals und ruf ihn zu mir.« So geschah es. Jener Mann kam vor den König und begrüßte ihn artig. Der König fragte ihn, wer er wäre. Er erklärte, er heiße Gest. Gest ( gest-r) bedeutet Gast. Daher das Wortspiel in dem unten mitgetheilten Texte.
Gest antwortete: »Ich nenne dir meinen wahren Namen, Herr. Gerne aber möchte ich von euch gastliche Aufnahme gewährt erhalten, wenn es möglich wäre.« Der König erklärte, daß ihm das gewährt werden sollte. Weil aber der Tag sich zu Ende neigte, wollte der König sich nicht in ein Gespräch mit dem Gaste einlassen, denn er ging darnach gleich zum Abendgesang, darauf zu Tische und dann zu Schlaf und Ruhe. Und in eben dieser Nacht wachte König Olaf Tryggvason in seinem Bette und las seine Gebete.
[Darauf] sprach der König: »Wes Sohn bist du?« Er antwortete: »Thord hieß mein Vater und ward Thinghúsbítr genannt; von Geburt war er ein Däne und bewohnte in Dänemark ein Gehöft Namens Gröning.« »Wie ein tüchtiger Mann siehst du aus,« sprach der König. Dieser Gast war dreist mit Worten, und war er höher von Wuchs als die meisten andern Männer, kräftig, doch ziemlich alt. Er bat den König [um die Erlaubniß], eine Weile dort zu bleiben. Da sprach der König: »bist du ein Christ?« Gest antwortete, eingesegnet prímsigndr, mit dem Kreuze bezeichnet. Viele ließen sich so vorläufig »einsegnen« ohne wirklich (durch die Taufe) Christen zu werden. Auf diese Weise genossen sie den Vortheil, mit Christen und Heiden verkehren zu können (s. Maurer, Bekehr. 2, S. 333 f.). wäre er wohl, aber noch nicht getauft. Der König sagte darauf, es sei ihm verstattet, bei dem Hofgesinde zu bleiben: »doch nicht lange wirst du ungetauft hier bleiben.« – Aber deshalb hatte der Alf Vgl. oben S. 87†. so von dem Schlosse gesprochen, weil Gest sich am Abend [mit dem Kreuze] gesegnet hatte wie die andern Männer, und war doch in Wahrheit ein Heide.

Der König fragte Gest: »Kannst du irgend eine Kunstfertigkeit?« ||49) Der antwortete, er könne die Harfe spielen und Sagas erzählen, so daß man seine Freude daran hätte.

Darauf sagte der König: »Uebel thut König Svein Svein, des weiterhin genannten christlichen Harald Nachfolger, begünstigte das Heidenthum. daran, daß er ungetaufte Leute aus seinem Reiche von Land zu Lande ziehen läßt.« Gest sprach: »Nicht ist solches dem Dänen-Könige anzurechnen, denn ich zog aus Dänemark, lange bevor Kaiser Otto das Danevirke Die bekannte Vertheidigungslinie zwischen Eider und Schlei ( Fms. 11, 28; Flat. 1, 108. 110). zerstören Eigentlich: »verbrennen« (s. Flat. 1,112). Otto II. ist gemeint, vgl. Fms. 11, S. 35. 179 f.; Flat. 1, 107-114. ließ, und den König Harald, Gorm's Sohn, sammt Hakon dem Opferjarl Hakon Jarl (von Norwegen, † 995), Opferjarl benannt von seinem Eifer für den heidnischen Opferdienst. das Christenthum anzunehmen zwang.

Der König fragte Gest [noch] allerlei, und dieser gab auf alles Eigentlich: »das meiste«. verständig Bescheid. Das sagt man, daß dieser Gest zu König Olaf im dritten Jahre seiner Herrschaft Das wäre 997/98. gekommen sei. In demselben Jahre, heißt es auch, kamen zu ihm die Männer, welche [die] Grime D. h. mehrere (doch wohl zwei) Männer, welche (beide) Grim hießen. hießen und vom König Gudmund von Glasisvoll gesandt waren. Sie brachten dem König Olaf zwei [Trink-]Hörner, die Gudmund dem Könige schenkte; die nannten sie auch Grime. Diese [Männer] hatten noch mehr Aufträge an König Olaf, wie nachher gesagt werden wird. Nämlich in einer Episode der großen Saga von Olaf Tryggvason, in welche auch unsere Saga als Episode eingeschoben ist; vgl. S. 345*. – Jetzt ist von Gest zu erzählen, daß er bei dem Könige blieb. Es ward ihm die letzte Stelle auf der Gästebank Eigentlich; »mehr nach außen zu von den Gästen aus.« angewiesen. Er war ein wohlgesitteter D. h. ein Mann von höfischen Sitten. Mann.


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