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Zweites Kapitel

Ueberschrift: Volsung's Geburt.

Es ist nun zu berichten, daß die Königin bald empfand, daß sie mit einem Kinde ginge; es ging aber lange Zeit so, daß sie das Kind nicht gebären konnte. Da begab es sich, daß Reri eine Heerfahrt thun sollte, wie der Könige Sitte ist, ihr Land zu frieden. Auf dieser Fahrt ereignete es sich, daß Reri krank ward und darnach starb, und gedachte Odin heimzusuchen Nach der eddischen Lehre kamen die im Kampfe gefallenen Vornehmen oder doch Freien zu Odin nach Walhall, um dort bei und mit ihm ihr Heldenleben fortzusetzen. In der Heimskringla (Ynglingasaga, Kap. 10) heißt es von Odin: »Er gab dann [in der Schlacht] den einen Sieg, die andern aber entbot er zu sich, und schienen beide Loose gut, und erschien das Vielen wünschenswerth in jener Zeit.

Nun | ging es mit der Krankheit der Königin in derselben Weise fort, daß sie das Kind nicht gebären konnte, und solches währte sechs In den Märchen sechs Monate (Grundtvig I, 193 ff., 148 ff.). Winter hindurch, daß sie dieses Leiden hatte. Da erkannte sie, daß sie nicht lange leben werde, und gebot nun, daß man ihr das Kind ausschneiden sollte; und es geschah, wie sie gebot. Das Kind war ein Knabe, und dieser Knabe, als er hervor kam, war groß von Wuchse, wie zu erwarten war. Und es heißt, daß der Knabe seine Mutter geküßt habe, ehe denn sie starb. | Dieser Knabe erhielt nun einen Namen und ward Volsung Die Namensform ist eigentlich Valse oder Välse (wie die angelsächs. Namensform im Beowulf lautet). Volsung bedeutet eigentlich einen Nachkommen des Valse, weshalb das ganze Geschlecht »die Volsunge« heißt. genannt. Er war König über Hunenland nach seinem Vater. Er war frühe groß und stark In den dänischen Märchen ist das so geborene Kind frühreif (Grundtvig a. a. O.)., muthvoll in allem dem, wobei in Gefahren Mannhaftigkeit sich bewähren konnte. Er ward ein gewaltiger Kriegsmann und war sieghaft in allen Schlachten, die er auf seinen Heerfahrten lieferte.

Als nun Volsung zum Mannesalter herangereift war, da sandte Hrimni ihm seine Tochter Hliod, deren zuvor gedacht ist, als sie mit dem Apfel zu Reri, Volsung's Vater, kam. Im halbgöttlichen Wesen der Walkyrjen liegt es, daß sie nicht so altern wie die Menschen. Aehnliches berichtet die Helg. Hj. 6 ff. von der Walkyrje Svava. Er nahm sie zur Frau, und sie lebten lange mit einander in guter Eintracht. Sie hatten zehn Söhne und eine Tochter. Ihr ältester Sohn hieß Sigmund, die Tochter aber Signy: diese beiden waren Zwillinge, und sie waren ||87) die trefflichsten und in jeder Beziehung die vielversprechendsten unter den Kindern König Volsung's. Doch waren alle gewaltige Helden wie es denn lange in der Erinnerung fortgelebt hat und gepriesen worden ist, welch' überaus streitbare Männer die Volsunge gewesen sind und [wie sie] auch die meisten Männer übertrafen, deren in alten Sagen gedacht wird, sowohl an Weisheit wie an Künsten und thatkräftigem Streben in jeder Hinsicht.

Es wird gesagt, daß König Volsung eine stattliche Halle bauen ließ, und zwar in der Art, daß | eine mächtige Eiche in dem Saale stand, und die Zweige des Baumes in frischem Grün über das Dach des Saales hinausragten, der Stamm aber stand unten in der Halle Eigentlich: »Reichte hinab in die Halle.«, und nannten sie das »Kinderstamm«. Barnstokkr oder branstokkr Hdschr. [ botstokkr (?), rim.]. Den Namen bringt man mit dem Glauben zusammen, daß die Kinder von Bäumen kommen (Simrock, Myth. § 17); ob mit Recht? – Aehnlich dachte man die Zweige der Weltesche Walhalls Dach überragend.


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